Liebe
Puzzle,
gestern
Abend habe ich mir noch mal freigenommen. Es gab einige Telefonate,
und deshalb hatte ich nicht die nötige Ruhe und Konzentration für
eine Antwort. Deine Gedanken sind keineswegs verdreht, und es kostet
mich auch keine Kraft mich auf unseren Austausch einzulassen. Ich
unterhalte mich gerne mit anderen Menschen und lasse mich auch gerne
ansprechen. Ich lasse mir aber kein Gespräch aufzwingen das ich so
nicht haben möchte, und bin durchaus in der Lage solche Versuche zu
unterbinden. Geh also getrost davon aus, was ich hier tue und
schreibe ist alles freiwillig. Weil ich unseren Austausch als sehr
bereichernd und interessant empfinde. Genauso danke ich Dir, weil Du
Dich auf meine, manchmal vielleicht auch etwas kruden Gedanken
einläßt.
Deine
Antwort habe ich aber gestern schon gelesen, und eben noch einmal mit
Ruhe. Spontan dachte ich, ist das wirklich Puzzle die da schreibt?
Vieles was Du schreibst ist für mich nachvollziehbar, und ich glaube
wir sind einem gemeinsamen Nenner einen großen Schritt näher
gekommen. Da streift mich gerade ein etwas erschreckender Gedanke.
Was ist wenn wir den Nenner erreicht haben? Woran können wir uns
dann so schön reiben? Ich werde also versuchen den Zeitpunkt noch
etwas hinaus zu zögern.
Unser
Blickwinkel ist vielleicht gar nicht so verschieden, wir gewinnen nur
unterschiedliche Erkenntnisse. Und die sind eben sehr von der
Einstellung und den gemachten Erfahrungen beeinflußt. Daran wird
sich auch nicht allzu viel ändern, denn wir können unser bisheriges
Leben ja nicht einfach so umkrempeln. Deine Freundin hat eine andere
Sichtweise auf Deine Alltagserlebnisse als Du, und das ist auch ganz
normal. Der Außenstehende sieht anders als der Betroffene, weil er
von außen nicht alles sehen kann was der Betroffene von innen heraus
sieht. Aber auch wenn zwei Menschen etwas gemeinsam erleben, werden
sie zumindest teilweise eine etwas unterschiedliche Sicht haben. Weil
jeder anders geprägt ist. Und das ist ja das Horizont erweiternde,
der gute und wichtige Austausch.
Natürlich
ist es eine Frage der Definition und des eigenen Wertesystems was und
wo Sonne und Schatten ist. Da stimme ich Dir zu. Man kann auch
unterschiedlicher Meinung darüber sein was ungerecht ist, und was
nicht. Es ist durchaus möglich, daß ich etwas als ungerecht
empfinde, ein Betroffener aber nicht. Trotzdem gibt es aber Sonne,
Schatten und vor allem viel Ungerechtigkeit in der Welt. Vor einigen
Tagen habe ich im Internet gelesen daß die Lufthansa ihren Versagern
in Nadelstreifen für die Jahre 2021 und 2022 Bonis ausschütten
will. Das sind wohlgemerkt die Jahre, in denen die Lufthansa vom
Staat gerettet werden mußte. Für die kleinen Beschäftigten, die
bis zum Umfallen geschuftet und den Frust der Fluggäste ungebremst
abbekommen haben, sind aber keine Prämien vorgesehen. Da steigt mir
die Galle, obwohl ich ja nicht betroffen bin. Ist das nun gerecht
oder ungerecht? Und kann es darüber zwei Meinungen geben? Wird es
einen Betroffenen geben der sagt, ach nein, ich sehe das nicht als
ungerecht an. Das ist schon ok so. Und so gibt es noch manch andere
Dinge.
Die
Ungerechtigkeit und Lieblosigkeit die ich in meiner Kindheit erlebt
und auch so empfunden habe, hat aber keine düstere Sicht in mir
bewirkt. So sehe ich das nicht. Es gibt aber Mangelerscheinungen die
bis heute nachwirken. Und das würde sich auch nicht ändern wenn ich
das Verhalten meiner Eltern verstehen könnte. Du hast ausreichend
Gutes gefunden um nicht verzweifeln zu müssen. Das kann ich von mir
so nicht sagen, bin aber trotzdem auch nicht verzweifelt. Das würde
ich jetzt aber nicht unbedingt als Optimismus, sondern mehr als
Pragmatismus sehen.
Als
ich gelesen habe was Du über Deinen Vater schreibst ist mir die
Kinnlade gefallen. Er muß ein herziger Knabe gewesen sein. Es heißt
ja, jeder hat die Kinder die er verdient. Wie müssen seine Eltern
gewesen sein? Offensichtlich auch nicht die liebevollsten. Bist Du
jemals auf die Idee gekommen Deinen Vater zu schlagen? Mir wäre das
im Traum nicht eingefallen, und ich hätte mich das auch nie getraut.
Wir wurden noch dazu erzogen Respekt vor den Eltern und Erwachsenen
überhaupt zu haben. Jungen und Mädchen sind da vielleicht auch
etwas unterschiedlich. Dein Vater hatte keine Angst und keine
Machtlosigkeit empfunden, sondern hat seine Mutter ausgelacht. Ich
stelle mir gerade vor was passiert wäre wenn ich meine Eltern
ausgelacht hätte, und wage nicht mir auszumalen wie sie reagiert
hätten. Ich bin mir aber sehr sicher daß ich kein zweites Mal
gelacht hätte.
Was
Dein Vater nach dem erfolglosen Partnercasting zu Dir gesagt hat ist
etwas anders als die Bemerkung meines Vaters, aber genauso gut. Mit
dem ersten Teil seiner Ansage hatte er ja auch nicht unrecht, aber
der zweite Teil war sehr lieblos und auch geschmacklos. Dein Dank an
das Schicksal ist sehr verständlich. Du wirst heute auch laut wenn
Dein Vater es wird, und das bremst ihn. Aber selbst wenn Du das schon
als Kind gewußt hättest, wärst Du zu dieser Zeit wirklich laut
geworden? Mein Vater ist nicht laut geworden, und jähzornig war er
auch nicht. Er wußte schon sehr gut was er sagte und tat, und als
die Empathie verteilt wurde hat er wohl auch gefehlt. Das gilt für
meine Mutter aber genauso. Als ich erwachsen war habe ich die große
Todsünde gewagt, und ihm ab und zu widersprochen wenn es mir wichtig
genug erschien. Das hat er auch hingenommen, aber geändert hat es
nichts. Die nächste nette Bemerkung kam garantiert und war nur eine
Frage der Zeit.
Trotzdem
konntest Du Deinen Vater letztendlich verstehen und ihm verzeihen.
Das sein Dir auch gegönnt. Bei uns war das nicht so möglich.
Vielleicht lag es auch mit daran, daß meine Eltern 120 Km weit weg
gezogen sind als sie das Rentenalter erreicht hatten. Mit meinem
Alltag hatten sie von da an nichts mehr zu tun, und die Gelegenheiten
für nette Worte haben sich drastisch reduziert. Und damit konnte ich
dann gut leben.
Ich
bin auch Deiner Meinung daß man nach Möglichkeit versuchen sollte
andere Menschen und ihre Beweggründe zu verstehen. Wobei das aber
auch Grenzen hat. Und etwas -vielleicht- verstehen zu können heißt
für mich nicht zwingend daß ich es auch verzeihen kann. Da werden
wir wohl weiter unterschiedlicher Meinung sein (reib, reib).
Ich
finde es aber schön, daß Dir eine Begegnung im Jenseits auch
gefallen würde. Ganz bestimmt werden wir uns königlich über unsere
irdische Unwissenheit und Beschränktheit amüsieren. Und dann sehen
wir genüßlich zu, wie sich andere arme Menschenkinder mit den
gleichen Problemen wie wir herumplagen müssen, und wie sie damit
umgehen. Oder ist das boshaft gedacht? Finde ich jetzt aber nicht,
denn warum soll es ihnen besser ergehen als uns.
was meinst du, warum mein Nick so gut zu mir passt? Ich puzzle auch in meinem Leben solange herum, bis die Teile passen und ein Bild ergeben… mit irgendwas muss man sein Leben ja verbringen
Ja,
irgendwie muß man sein Leben verbringen. Der Nickname Puzzle paßt
allerdings gut zu Dir. Ich habe mich schon gefragt wie Du darauf
gekommen bist, aber das ist mir nun klar. Da fällt mir wieder etwas
ein. Die Existenz oder Nichtexistenz eines universellen Plans läßt
sich nicht beweisen. Beides ist möglich. Mal angenommen es gibt ihn
tatsächlich, sind wir Menschen dann auch nur Puzzleteile die von
einer höheren Macht mal hierhin und mal dorthin geschoben werden?
Kann es daran liegen, daß manche Menschen nicht den richtigen Platz
im Leben finden, und meinen sie sind immer an der falschen Stelle?
Und ist das dann vielleicht genauso gewollt? Aus einem tieferen Grund
den wir hier noch nicht verstehen können?
Und
zum Schluß gibt es doch noch einmal Puzzle live. Ja, Dir traue ich
es zu daß Du aus den Arschkarten schöne bunte Lampions machst. Aber
wo nimmst Du die Farbe her? Sind die Karten wirklich bunt? Danke für
die Einladung zur Grillparty. Da komme ich doch gerne, denn ich liebe
grillen und Gegrilltes. Das war übrigens eine der ganz seltenen
Gelegenheiten bei denen Andreas und ich uns nicht einig waren. Er hat
Gegrilltes verabscheut, und wäre freiwillig nie zu einer Grillparty
gegangen. Das habe ich aber auch nicht erwartet und nie verlangt.
Aber alleine kann ich ja. Wenn Du den Spruch meinst „wenn das Leben
Dir nur Zitronen gibt mach Limonade draus“, den kenne ich. Habe ihn
auch vor kurzem irgendwo im Forum erwähnt. Ich frage aber auch heute
wieder, wo ist der Zucker??? Ohne Zucker keine Limonade, sondern nur
saurer Saft.
Ich
hoffe daß euer Abend auch erträglicher war, und ihr einigermaßen
gut ins neue Jahr gekommen seid. Und daß Dir wegen Deiner lädierten
Schulter endlich geholfen werden kann. Und daß das neue Jahr auch
für uns mal wieder etwas Gutes im Gepäck hat.
In
diesem Sinne noch einen angenehmen Neujahrsabend und
alles
Liebe
Lilifee