Hallo arme liebe Puzzle,
konnte Dein Sohn Dich hoffentlich wieder entsteinen? Als Statue kann ich mir Dich wirklich nicht so gut vorstellen, und will es auch gar nicht. Wie war das mit dem knackigen Alter? Deine Beine mögen wackelig sein, Deine Thesen sind es nicht. Jedenfalls für mich nicht. Wir haben wohl eine ähnliche Denke, und Pragmatismus ist mir auch nicht fremd. Deine Gedankengänge kann ich deshalb sehr gut nachvollziehen.
Es ist ja interessant daß Dein Mann auch Diabetes hatte. Was Du über den Typ 2 schreibst ist völlig richtig. Den erwirbt man sich redlich durch einen ungesunden Lebenswandel wie eben falsche Ernährung und zu wenig Bewegung. Wobei ja nicht jeder der ungesund lebt Diabetes bekommt. Aber man kann durch eine Änderung im Lebensstil sehr viel erreichen und verbessern. Das stimmt auch, ist aber nicht einfach. Selbst wenn die Notwendigkeit eingesehen wird. Denn der Geist ist ja vielleicht willig, aber das Fleisch ist halt schwach. Andreas hatte Typ 1 und mußte deshalb Insulin spritzen. Bevor ich ihn kennenlernte wußte ich nur daß es Diabetes gibt. In der Jahren mit ihm habe ich mir aber einiges an Wissen angeeignet und Andreas auch zu Schulungen begleitet. Fand ich sogar interessant und unterhaltsam war es auch. Andreas war immer der einzige Teilnehmer mit Begleitung, aber das war kein Problem und wurde von seinem Diabetologen sogar befürwortet. Aber letztendlich hat es auch nichts an seinem viel zu frühen Tod geändert.
Leider hat Andreas zu den Diabetikern gehört die einen unberechenbaren Stoffwechsel haben. Deshalb war es manchmal schwierig die richtige Menge Insulin zu bestimmen. Was gestern noch richtig war, war heute schon wieder falsch. Manchmal hat es trotzdem ganz gut geklappt, manchmal weniger gut. Dadurch hatte er immer wieder zu hohe Blutzuckerwerte, und ich denke die haben ihm letztlich das Genick gebrochen. Die Durchblutung ist dann nicht mehr so gut, und das hat über die Jahre gesehen mit Sicherheit erheblich zu dem Schlaganfall beigetragen.
Dein Mann muß aber aber sehr schlecht dran gewesen sein, wenn er das diabetische Fußsyndrom hatte. Das hatte Andreas nicht, aber verhindert hat es nichts. Ich stelle mir so etwas eigentlich schmerzhaft vor, aber andererseits ist die Schmerzwahrnehmung sehr unterschiedlich. Je nachdem wie weit die Polyneuropathie schon fortgeschritten ist.
Nein, das schreibe ich jetzt nicht… nicht jeder ist diesen allgemein als „eklig“ bezeichneten Dingen gegenüber so distanziert wie ich. Mir hat das nichts ausgemacht. Pragmatismus und Humor helfen auch bei diesen Dingen….
Das ist schon richtig. Nicht jeder der hier mitliest verträgt so detaillierte Schilderungen. Und wir wissen ja um was es geht. Ich hätte mich auch nicht geekelt wenn Andreas das auch gehabt hätte, sondern hätte für ihn dasselbe getan was Du auch für Deinen Mann getan hast. An einem geliebten Menschen gibt es nichts ekliges. Ist jedenfalls meine Meinung. Und wie könnte ich einfach weggucken wenn der Mann den ich liebe sich mit so etwas herumschlagen muß. Er hätte ja auch nicht weggucken können.
Und ab und zu sagte ich mit einem liebevollen Lächeln: „No, alter Mann, simma hatschert?“ das spitzbübische Lächeln, das immer zur Antwort kam, seh ich heute noch…
Ich kann es mir lebhaft vorstellen. Das sind liebevolle Erinnerungen die einem aber auch das Wasser in die Augen treiben können.
Ob er nun nachgeholfen hat oder nicht wirst Du nie mehr wissen. Aber das wäre ja eine sehr fragwürdige Methode. Kommt man wirklich auf so eine Idee? Oder vielleicht wenn man keine andere Möglichkeit sieht? Vielleicht war es aber gar nicht so, und Dein Mann hat tatsächlich niemanden gefunden der ihm bei der Versorgung hilft. Sicher hättest Du anbieten können, aber hätte er das in dieser Situation überhaupt angenommen? Wie auch immer, es läßt sich nicht mehr ändern. Das stimmt leider.
Wir haben unseren Männern gegeben, was ihnen gefehlt hat. Und als ihr Leben vollständig, rund und fertig war, durften sie gehen.
Genauso sehe ich das auch. Wir haben für unsere Männer getan was uns möglich war. Und damit müssen wir uns zufrieden geben. Ihr Leben war fertig und sie DURFTEN gehen. Für uns ist es die Hölle, aber für sie war es eine Gnade. Denn wer weiß was sie sonst noch hätten ertragen müssen. Das will ich mir überhaupt nicht vorstellen. Ich stelle mir aber gerne vor, daß es Andreas jetzt gut geht. Daß er von allen irdischen Beschwerden befreit ist, und das gönne ich ihm.
So, Mitternacht ist vorbei, und ich komme zum Ende. Hab morgen auch einen ruhigen Tag.
Alles Liebe
Lilifee