Beiträge von Cildie

    Liebe KarenLe,


    irgendwie beruhigend zu hören, dass es dir genauso geht:-). Im Unterricht schiebe ich auch immer alles weg. Ich weiß nicht, wie man es sonst schaffen soll, denn Stoff im Kopf zu behalten, Ahmed und Miro am Papierkügelchen schmeißen zu hindern und noch die 1000 Fragen zu beantworten, die es immer gibt. Das mit der Prüfung am Todestag deines Papas ist schrecklich. Manchmal habe ich wirklich das Gefühl, Menschen sterben dann, wenn sie das alleine tun können, um uns nicht noch mehr zu belasten.

    Ich bin schon 45 und damit ein ganzes Stück älter als du. Mein Vater war auch schon über 80, aber seine letzten fünf, sechs Lebensjahre waren durch Parkinson sehr schlimm. Ich glaube ich hätte es ihm gegönnt, eher zu sterben. Er ist dann letzten August gestorben. Als meine Schwester mich anrief und mir sagte, dass das Pflegeheim angerufen hätte, er hätte nicht mehr lange, war ich grade in Irland. Ich konnte es echt nicht glauben - unsere erste große Reise und er stirbt zu einem Zeitpunkt, an dem ich wirklich nicht bei ihm sein kann.

    Irgendwie war es trotz allem Glück, dass er im August gestorben ist - ich hatte noch vier Wochen Sommerferien vor mir. Die ersten beiden waren gut gefüllt mit Rückreise und Beerdigung, danach hatte ich noch zwei Wochen, bei denen ich auch das Gefühl hatte, ich brauche sie. Es ist schon schnell, dass du nach einer Woche wieder gegangen bist, aber ich kann es verstehen, wenn ihr grad Notenschluss habt. Vielleicht kannst du dir danach nochmal ein paar Tage nehmen. In den ersten Monaten war ich dann eigentlich ständig traurig. In der Schule nicht, das war irgendwie auch ganz angenehm, aber sobald ich zur Ruhe gekommen bin, war es da. Ich habe auch zwei Kinder, daher war da manchmal nicht genug Ruhe und jetzt, wo der Schmerz milder geworden ist, schiebe ich ihn zu oft weg. Dann kommt er richtig geballt, oder ich werde krank. Das ist mein Ziel für nächstes Jahr...nicht mehr so viel wegschieben.


    Ich wünsche dir, dass du einen guten Weg findest. Schule ist immer anspruchsvoll, aber ich bin so gern da, weil es auch so menschlich ist. Und durch den Tod meines Vaters habe ich wieder ein Stückchen mehr die Kinder verstehen gelernt, die so einen Verlust hinter sich haben.


    Ganz liebe Grüße

    Cildie

    Liebe KarenLe,


    es tut mir sehr leid, dass du mit Mitte 30 schon beide Eltern verloren hast. Ich kann den Neid, wenn andere mit ihren Kindern die Großeltern besuchen und sich alle so über das Zusammensein freuen, gut nachvollziehen, das ging mir auch so.
    Die letzten 1,5 Jahre mit deinem Papa lesen sich wie ein großer Schock, der sicher erstmal überwunden werden muss, aber sie lesen sich auch so, als wäre da ganz viel Liebe gewesen. Ich bin mir sicher, die Tatsache, dass ihr bis zum Ende jeden Tag bei ihm wart, hat so viel besser gemacht, für ihn.

    Ich bin auch Lehrerin und ich fand es sehr herausfordernd das Trauern mit dem Unterrichten zu vereinen. Manchmal war ich früh sehr traurig und hab das dann aber im Unterricht weggeschoben, weil ich so präsent sein musste. Dafür kam es später dann geballt. Ich hoffe du findest da einen besseren Weg, wenn ja, lass es mich wissen;).

    Wie Pia schreibt, wissen wir alle, dass der Tod zum Leben gehört, aber das ist eben ein superanstrengender Teil des Lebens. Mir hat es sehr geholfen hier zu schreiben, weil ich in meinem Umfeld auch wenige hatte, mit denen ich reden konnte. Vielleicht geht dir das auch so.


    Liebe Grüße

    Cildie

    Liebe Sverja und alle,


    wie schön von dir zu lesen, Sverja und vor allem, dass sich reales Leben, Trauer und Freude immer mehr vermischen. Ich glaube ja langsam das ist die große Kunst, alle Gefühle zu leben und nicht immer die schlechten wegzudrücken, weil ich noch nicht so gut mit ihnen umgehen kann.

    Die letzten Wochen waren ganz schön herausfordernd. Nicht schlimm, aber viel Arbeit und in der Schule und zu Hause und ich merke grade, dass ich mir zu wenig Zeit genommen haben. Zwischendurch bin ich ganz traurig geworden. Nach langem Nachdenken ist mir klar geworden, dass es fast genau ein Jahr her ist, dass ich meinen Vater zum letzten Mal besucht habe. Beim vorletzten Mal ging es ihm noch ein bisschen besser und ich hab ihn auf den Balkon den seines Zimmers im Pflegeheim geschoben. Dort saßen wir in der Sonne und blickten nach unten auf die Straße. Das Pflegeheim war ganz nah am Haus meiner Eltern. Dadurch war diese Straße eine, durch die wir so oft gemeinsam gegangen oder gefahren waren. Es war merkwürdig mit ihm dort zu sitzen und zu wissen, dass die ganzen Erinnerungen, die wir gemeinsam hatten jetzt so bleiben würden, dass keine neuen mehr dazu kommen würden.

    Als ich danach gefahren bin, habe ich wie immer gedacht, dass es vielleicht das letzte Mal ist, dass ich ihn gesehen habe. Aber ich bin dann nochmal im Juni gekommen. Damals konnte er nicht mehr aufstehen und lag in einem rosa Nachthemd im Bett und ließ sich von meiner Mutter und mir mit Kuchen füttern. Die Sonne schien durchs Fenster und er wirkte zum ersten Mal seit langem friedlich. Ich bin dankbar für diese Erinnerung und trotzdem fühlt es sich grausam an, dass es die endgültig letzte an ihn sein wird. Nach fast einem Jahr ist sein Tod selbstverständlicher geworden. Ich habe es schon ein paar Mal geschafft "Ich fahre zu meiner Mutter" statt "Ich fahre zu meinen Eltern" zu sagen. Und dann ist es trotzdem wieder ein Schock, wenn ich darüber nachdenke. Er ist wirklich weg.

    Ich glaube ich gehe morgen ein wenig wandern und nehme mir Zeit für den Schock - es ist mal nötig...bis ich es irgendwann besser schaffe alle Gefühle da haben zu können:-).


    Liebe Frühlingsgrüße an alle

    Cildie

    Liebe Riona,


    es ist jetzt schon eine Weile her, dass du geschrieben hast. Ich hoffe deine Mama und du, ihr konntet in der Zwischenzeit eine Entscheidung treffen. Ich kann gar nicht so viel dazu sagen, außer, dass ich dich verstehe. Für jemanden, der das selbst nicht mehr kann, so eine endgültige Entscheidung zu treffen ist furchtbar. Ich hatte einmal das Gefühl sie für meinen Vater falsch getroffen zu haben. Er wollte nicht mehr leben. Danach hat er noch fast drei Jahre gehabt. Ich nehme an, er hätte darauf verzichten können, sie waren nicht mehr gut. Aber andererseits hat es uns die Zeit gegeben, uns zu verabschieden oder mir - das weiß ich nicht so genau. Er ist dann zu einem Zeitpunkt gegangen, als ich gut darauf vorbereitet war. Vielleicht war das sein letztes Geschenk an mich. Deine Mutter entscheidet das sicher auch irgendwie mit, wann sie gar nicht mehr möchte - so wie Puzzles Mutter das auch getan hat.

    Sverja hat vorgeschlagen, dir therapeutische Hilfe zu holen. Wenn das irgendwie möglich ist, mach das. Tod ist immer schwer. Ich glaube viele von uns brauchen da Hilfe und was du erzählst, klingt traumatisch. Wenn es irgendwie möglich ist, lass dir helfen. Wenn ich das richtig gelesen habe, musst du danach ja auch noch für deinen Papa da sein.


    Ganz liebe Grüße

    Cildie

    Liebe Jenny,


    es ist wirklich schön, dass der Freund sich Sorgen um dich macht und dir offenbar helfen will. Aber ich glaube, er hat nicht Recht, dass die Trauer bedenklich ist. Vier Monate ist eine so kurze Zeit und du fühlst dich, wie du dich fühlst. Irgendwo hab ich mal gehört, dass Trauer keine Krankheit ist, aber dass unterdrückte Trauer krank macht. Ich glaube das stimmt. Wenn du nach vier Monaten noch traurig bist, sei traurig und wahrscheinlich wirst du es auch nach vier Jahren noch hin und wieder sein.

    Und was gegen Trauer hilft: Trauern:-). Das klingt so komisch, aber ich glaube es stimmt. Manchmal geht es mir einen Tag lang furchtbar schlecht und ich denke auch oft - hört das denn nie auf. Dann schreibe ich meist viel. Oft hier oder auch einfach so für mich. Und wenn ich die Trauer zulasse, dann gibt es auch wieder so viele Tage (in letzter Zeit werden mehr), an denen es mir richtig gut geht und ich dankbar an meinen Vater denken kann. Er war ja mein ganzes Leben für mich da - ich glaube der Abschied braucht Zeit. Im Grunde verabschiede ich mich jetzt schon seit drei Jahren von ihm, aber das ist ja nichts gegen 44 Jahre Anwesendheit in meinem Leben.


    Liebe Grüße

    Liebe Marie,


    mir ging das auch so wie dir. Mein Vater hat alles Organisatorische gemacht, aber über seinen Tod nie sprechen wollen. Im Nachhinein hat mich das oft wütend gemacht, weil ich mich so allein damit gefühlt habe. Ich habe oft gedacht - er hat doch den Tod seiner Eltern miterlebt, wusste doch, was es bedeutet, warum hat er mich darauf nicht vorbereitet?

    Mittlerweilde denke ich, dass er viel selbst nicht verarbeitet hatte und selbst Angst vor dem Tod hatte - deshalb konnte er nicht darüber sprechen. Vielleicht waren deshalb auch die letzten Jahre so schlimm. Mein Vater hatte Parkinson und ist immer mehr in sich selbst versunken, immer trauriger geworden und hat sich immer mehr um sich selbst gedreht. Ganz anders als der Vater, der er mein Leben lang war. Du schreibst, dass dein Vater dachte, dass er unsterblich sei - ich glaube das hätte meiner auch gern gedacht, aber Parkinson ist fies - das macht einem schon klar, dass das nicht so ist. Ganz am Ende, beim letzten Treffen, hatte ich das Gefühl, dass er seinen Frieden mit dem Tod geschlossen hatte. Es war schön, das zu sehen.

    Trotzdem hat der (Nicht-) Umgang mit dem Tod in meiner Familie dazu geführt, dass ich mich parallel zu der Trauer und den vielen neuen Pflichten erstmal damit auseinander setzen musste, dass ich auch sterblich bin. Bei uns war immer alles auf das Leben ausgerichtet. Es war ein ganz schön anspruchsvoll, das alles unter einen Hut zu kriegen. Wie doof, denke ich heute, nie über den Tod zu sprechen, wenn er doch auf jeden Fall kommen wird.


    Liebe Grüße

    Cildie

    Ich hatte eine Phase, in der ich wütend war, weil er mich hier ganz allein gelassen hat. Weil er manches ungeklärt gelassen hat. Ich glaube das war ein Teil des Loslassen - Könnens für mich. Dabei war mir immer klar, dass ihn keine Schuld trifft, aber für mich war es gut die Wut zu spüren. Sie ist vorbei gegangen und dann auch nicht mehr wieder gekommen.


    Liebe Grüße

    Cildie

    Hallo ihr Lieben,


    Sverja, ich hoffe, mittlerweile ist auch bei euch der Schnee weg. Hier kommen grade die ersten richtig warmen Tage und meine Tomaten wachsen dem Dachfenster entgegen. Ich werde sie erst nach Eisheiligen auspflanzen - letztes Jahr war ich ja etwas zu früh dran:-).

    Ich freue mich immer sehr auf den Frühling. Spätestens seit dem recht dunklen Auslandssemster in Finnland, bin ich kein großer Winterfan mehr und seit ein paar Jahren liegt ja auch nur noch selten Schnee. Dieses Jahr war der Frühling leider weniger schön. Im März haben die Umzugsgedanken mich sehr beschäftigt und jetzt, im April / Mai hat mich plötzlich eine große Trauerwelle eingeholt. Offenbar ist nicht nur das erste Weihnachten ohne einen verstorbenen Menschen schlimm, sondern auch dessen Lieblingsjahreszeit. Mein Vater liebte den Frühling, weil er, genau wie ich - kein Winterfan war. Eine Temperatur jenseits der 36 Grad war ihm am liebsten, da er ein Leben lang unter niedrigem Blutdruck litt und immer meinte: "Damit kann man zwar uralt werden, aber bis dahin friert man." Wäre cool, wenn er da Recht gehabt hätte. Ab März war er eigentlich immer im Garten. Im Frühling gab es die (superscharfen und eigentlich nicht genießbaren) Radieschen, dann kam schon der erste Salat. Im April/Mai dann unendliche Variationen von Rhabarber (inklusive dem Gefühl, dass die Zähne sich Sandpapier verwandelt haben), dann Erdbeeren, Himbeeren, Kirschen, Johannesbeeren Stachelbeeren und im Sommer dann die große Gurken-, Paprika-, Bohnen- und Tomatenschwemme, der wir eigentlich nie Herr wurden. Wenn ich im Garten bin, fühle ich mich ihm nah. Aber so viel ist in meinem kleinen Garten leider nicht zu tun. Grade beäuge ich kritisch mein Mini-Kräuterbeet (da wächst nichts) - mein Vater hätte mich wahrscheinlich ausgelacht, weil es vermutlich am komplett falschen Ort steht.

    Im Garten zu Hause überlegt meine Mutter jetzt aus der Wohnung meiner Eltern auszuziehen. Meine Tante, die bisher auch mit im Haus gewohnt hat, zieht grade in eine altersgerechte Wohnung, die Wohnung unten wird saniert werden müssen und ganz allein möchte meine Mutter nicht bleiben. Das ist ein komisches Gefühl, wie ein endgültiger Abschied. Ich bin froh, dass wir im Sommer länger da sein werden, aber grade fühlt es sich wieder viel an. Ich glaube ich hatte mich schon ein wenig daran gewöhnt, dass jetzt zwischen den Trauerphasen längere Abstände liegen und jetzt erwischt es mich immer überraschend. Außerdem scheint mein Umfeld ein bisschen der Ansicht zu sein, dass es mir ja jetzt wieder gut geht und erwartet wieder mehr von mir. Ich bin ja echt dankbar, dass sie sich so lange zurück gehalten haben, aber das macht es natürlich auch schwer, dann wieder Rücksicht einzufordern. Irgendwie wünsche ich mir ja auch, wieder mehr da sein zu können, wieder mehr Spaß zu haben und weniger Zeit für mich zu brauchen. Ist gar nicht so leicht mit der Trauer zu leben, ihr genug Raum zu geben, ihr gegenüber nicht frustriert zu sein, wenn sie grade wieder auftaucht, obwohl ich grade etwas Schönes geplant hatte und zu akzeptieren, dass sie sich nicht so gut herumkomandieren lässt. Alles in Allem eine sehr erzieherische Erfahrung. Ich kann nicht alles kontrollieren und muss mich oft einfach meinen Gefühlen überlassen. Das kannte ich bisher nicht.


    Ich hoffe euch allen geht es gut

    Viele Frühlingsgrüße

    Cildie

    Liebe Sverja, schön zu wissen, dass du immer mal wieder hier reinschaust und an uns denkst. Ich habe mir das Video angesehen - eine schöne Sichtweise:-).


    Ganz liebe Grüße

    Cildie

    Liebe Sverja,


    ich kann das Video grade noch nicht anschauen, da ich noch unterwegs bin. Aber ich freue mich (hoffentlich ist es ein Grund zur Freude), dass das Leben grade in allen Facetten um dich herum ist. Und ich danke dir, nicht nur für deine netten Worte hier, sondern auch für deine so wertvolle Unterstützung in den letzten Jahren. Sie hat mir viel bedeutet und geholfen.


    Danke!

    Liebe Grüße

    Cildie

    Liebe Lena,


    Freundschaften sind manchmal merkwürdig. Meine beste Freundin war sehr für mich da, als es mir schlecht ging. Als es umgekehrt war, konnte ich es nicht sein, weil sie es nicht wollte. Irgendwie fand sie es schwierig vor anderen so schwach zu sein, glaube ich. Dafür war ich oft für andere da, die dann eher mir nicht helfen konnten. Heute denke man kann ich: da schließen sich die Kreise schon irgendwie. Ich würde nicht den Anspruch haben, dass man sich immer gegenseitig durchhilft. Dazu sind die Bedürfnisse zu unterschiedlich. Ich muss viel reden. Da ist es gut, wenn ich immer anrufen kann. Meine beste Freundin macht enorm viel mit sich selbst aus und hasst telefonieren, das macht sie nur für mich. Sie weiß aber (hoffentlich), dass sie im Notfall anrufen kann. Wichtig ist ja, dass jede*r in seinen Bedürfnissen abgeholt wird, grade in so einer heftigen Situation.

    Habt ihr euch denn gestern Abend getroffen? Ich hoffe es hat geklappt und war gut. Das me der ch Wünsche euch viel Kraft.


    Liebe Grüße

    Cildie

    Liebe Sverja,


    ich habe mich sehr gefreut, deine Beschreibung von Schweden im Frühjahr zu lesen. Es klingt wunderschön (auch wenn ich hoffe, dass ihr ein warmes Haus habt:-). Ich habe im Studium mal ein Semester in Finnland verbracht und mich grade erinnert, dass es Mitte April zum ersten Mal plus ein Grad waren. Ich war versucht, im T-Shirt herumzulaufen, so warm kam es mir nach dem langen Winter vor. In Finnland war der Winter magisch. Mit zugefrorenen Seen, endlosen Langlaufpisten und Nordlichtern. So ein bisschen, wie du ihn in Schweden beschreibst. In Deutschland finde ich Winter ist eher etwas zum Durchhalten. Sobald es Frühling wird, hoffe ich, dass es bald richtig warm wird, Wetter für T-Shirts, Kleider und Sandalen. Da habe ich eine Verbindung zu meinem Vater - er mochte Hitze auch sehr. Am besten 36 flimmerende Grad. Allerdings muss man auch zugeben, dass er die letzten furchteinflößenden Sommer mit fast 40 Grad nicht mehr mitbekommen hat. Die sind auch mir zu viel.


    Danke, Sverja, dass du geschrieben hast, dass ich nicht so streng mit mir sein soll. Obwohl ich es genau das grade im Profil von Lena geschrieben habe, vergesse ich es bei mir auch manchmal noch. Mein Vater hätte sich sehr gefreut, wenn ich in meinem Elternhaus gelebt hätte, das macht es jetzt, in dieser Trauerphase nicht einfacher. Das wäre ein schöne Verbindung zu ihm gewesen, aber ich werde auch andere finden. Es tut mir leid, für ihn, für meine Mutter, für mich, für meine Freunde dort. Das ist wohl auch etwas, was ich noch ein wenig betrauern muss. Und dann versuche ich eine Verbindung zu beiden Orten zu finden. Ich hoffe, das gelingt mir.


    Dir erstmal ganz liebe Ostergrüße

    Cildie

    Liebe Lena,


    mein Beileid zum Verlust deines Papas. Was du schreibst klingt heftig und ich freu mich, dass du hierher gefunden hast. Wie Mena und viele andere schon geschrieben haben - Schreiben hilft oft sehr, mir zumindest.
    Ich kenne dieses Gefühl stark sein zu wollen und „alles hinzukriegen“. Als mein Vater krank wurde, habe ich versucht, dass sehr rational zu betrachten. Er war ja schon weit über siebzig und ich konnte froh sein, ihn so lange gehabt zu haben…usw. Zumindest für mich hat das gar nicht funktioniert. Trauer ist ein heftiges Gefühl, dass sich in den letzten Jahren meinen unbedingten Respekt erarbeitet hat;). Das erste, was sie mir beigebracht hat, ist netter zu mir selbst zu sein. Dass du das Gefühl hast deiner Freundin zu viel aufgebürdet zu haben, kommt ja daher, dass du grade so viel trägst. Mich hat im Studium auch mal eine Freundin wütend angeschrien, deren Vater kurz vorher gestorben war. Ich habe es ihr verziehen und noch viel mehr, seit ich selbst weiß, wie sich so ein Verlust anfühlt. Damals konnte ich ihr leider nicht gut helfen. Mittlerweile haben (leider) viele Freunde Eltern verloren und das sind auch die, mit denen ich darüber spreche.


    Es klingt als würdest du das alles toll machen.

    Liebe Grüße

    Cildie

    Liebe Pia,


    ich hoffe dir gehts gut und dein "Kopfwirrwar" ist nicht zu schlimm. Gehts dir gut? Ich kann dich sehr verstehen, mit deiner Mama. Mir kommt es unfair vor, zwei kranke Eltern in so kurzer Zeit zu haben, aber dann denke ich wieder, wie lange ich sie gesund hatte und, wie viele hier ihre Eltern deutlich früher verloren haben. Trotzdem die letzten Jahre haben mich Respekt vor Abschieden gelehrt - kann dich verstehen.


    Ich komme aus Thüringen. Ich finde es da auch sehr schön - außer den Thüringer Wald, der ist irgendwie dunkel und gruselig:-). Aber vielleicht ist es ja auch gut, in den Ferien dort zu sein. Mal schauen.


    Ganz liebe Grüße

    Cildie

    Liebe Sverja,


    vielen lieben Dank für deine, wie immer sehr mitfühlenden und hilfreichen Beitrag. Ja, vermutlich hast du Recht, Stress entsteht oft durch Trauer. Jetzt ist sie grade wieder da und ich bin ganz unglücklich, dass ich die Tomatensamen nicht finde, um (schon viel zu spät) mit der Anzucht zu beginnen. Komische Dinge sind es manchmal.

    Du hast geschrieben, dass mein Vater erlöst ist - da hast du natürlich Recht. Darüber denke ich tatsächlich viel zu wenig nach. In den ganzen letzten drei Krankheitsjahren habe ich mir gewünscht, dass er gehen darf, weil der Zustand so unerträglich war. Seit er gestorben ist, ist eher der Mensch in den Vordergrund gerückt, den ich lange vermisst hatte. Aber du hast Recht, das Leben, das er hatte, hätte ich niemandem gewünscht.


    Wir haben jetzt entschieden hierzubleiben. Oder besser ich habe es entschieden, weil es wirklich schwer ist, wenn man nur alleine etwas möchte und es dann ganz alleine die Verantwortung tragen muss. Dafür war ich mir dann doch zu unsicher. Jetzt arbeite ich grade an mir, mich nicht feige zu fühlen, weil ich den Schritt nicht gemacht habe. Aber ich hoffe das gibt sich. Hier gibt es viele Dinge, die ich, trotz allem, nicht gern aufgegeben hätte.


    Sverja, ich wünsche dir schon mal schöne Osterfeiertage, hoffentlich kehrt auch bei euch im hohen Norden etwas Frühling ein.

    Ich trauere hier noch ein bisschen vor mich hin.

    Liebe Grüße

    Cildie

    Liebe Pia und alle,


    ja, ich komme aus Thüringen und finde es da auch sehr schön:-). Aber vermutlich ist das nicht alles - mal schauen, wie wir uns entscheiden.

    Ich habe die letzten Wochen ziemlich viel mit den Gedanken an die Entscheidung zwischen hier und dort verbracht und es hat mich ganz schön belastet. Jetzt zeichnet sich langsam ab, das wir wahrscheinlich hier bleiben (alles andere würde mich doch sehr überraschen) und ich merke, dass es mir gar nicht gut geht. Denn unter dem ganzen Stress ist natürlich die Trauer viel zu kurz gekommen. Es ist komisch, wie gut es mir gelingt, Gefühle zu verdrängen, die eigentlich da sein sollten. Neulich habe ich eine Autobiografie gelesen. Der Autor beschrieb, wie ihm schon im Kindergarten eingetrichtert wurde, dass er zu funktionieren habe und wie ihm beigebracht wurde, seine Gefühle herunterzuschlucken. Ein wenig resigniert merkte er an, dass er damals gerne gewusst hätte, wie mühevoll er alle diese Gefühle 20 Jahre später wieder hochholen musste. Ich weiß nicht, ob mir das auch passiert ist, aber zumindest bin ich gut darin, Gefühle wegzudrücken und das tut mir meist gar nicht gut.

    Grade denke ich viel an meinen Vater. Zum einen, weil ich darüber nachdenke, zurück zu gehen, was ihn wahrscheinlich gefreut hätte, zum anderen aber auch, weil es Frühling ist. Im Frühling sind wir oft gemeinsam an die Ostsee gefahren. Fast immer in den gleichen Ort. Ein ganz kleiner, nahe eines Naturschutzgebietes, mit einem wilden stürmischen Strand und einem hübschen Zentrum. Keine großen Hotels, sondern eher Ferienwohnungen. Im Sommer ist es dort sehr voll, aber zu Oster oder im Herbst wirkte der Ort immer, wie ein bisschen im Winterschlaf, ein wenig vergessen. Ich mag das. Ich finde es schön abseits von großen Zentren zu sein. Wir haben immer in den gleichen Appartements gewohnt, ganz nah am Strand. Früh war meiner Vater immer als erster wach und wenn ich mich aufgerafft habe, bin ich mit ihm Brötchen holen gegangen. Der direkte Weg wäre durch den Ort gewesen, aber wir haben immer einen Schlenker über den Strand gemacht "schauen, wie das Meer heute aussieht". Danach ging es den Hauptweg entlang und dann eine kleine Straße mit schwarzem Kopfsteinpflaster entlang. Die Häuser dort sind so schön. Klein, ein oder zweistöckig mit ganz bunten Türen. In manchen Straßen sind die Wege noch nicht mal gemacht, sondern es sind einfache Sandwege. Auf dem Weg erzählte mein Vater immer. Von Früher, von Bücher, die ich unbedingt lesen müsste, von Geschichte oder von dem, an dem er grade arbeitete. Diese Ostseeurlaube waren irgendwie Fixpunkte in meinem Leben. Der Wind, die Sonne, der Sand, alles war ganz stark mit meinen Eltern verbunden. Mein Vater verreiste nicht gern, aber dort war er glücklich. Als er 2019 schlimmer krank wurde, merkte ich es daran, dass meine Eltern sich nicht mehr trauten, in den geplanten Ostseeurlaub zu fahren. Wir waren anstatt allein da. Irgendwie hatte ich immer gehofft, dass wir zumindest noch mal ein Auto mieten können und ihn nochmal an den Strand fahren. Ich weiß gar nicht, ob es für ihn so wichtig gewesen wäre, aber ich hätte es gern für mich und ihn gemacht. 2020 kam aber Corona dazwischen und 2022, als es wieder ein wenig besser war, ging es ihm so schlecht, dass es nicht mehr möglich gewesen wäre. Er war auch immer traurig. Als wir Ostern 2021 einmal eine Ausflug zu ein paar Schlössern machten, tat es ihm leid, dass er "als Erzähler jetzt gar nichts mehr taugte". Er war nicht gut darin, einfach da zu sein und niemandem etwas zu nützen. Daher war er auch ein so schlechter Kranker. Er konnte andere Menschen schlecht für ihn sorgen lassen, hatte immer das Gefühl doch nicht abhängig und hilfsbedürftig sein zu dürfen, als würde ihn das zu einer geringeren Person machen.

    Ich wünschte, es wäre anders gewesen. Dann hätte er die Zeit, die wir noch hatten, mehr genießen können. Diese Zeit, die letzte Zeit verfolgt mich noch immer. Manchmal ist es besser, aber oft merke ich, wie schlimm es war. Und jetzt, da es meiner Mutter schlechter geht, habe ich Angst, dass es sich wiederholt.


    Ein etwas trauriger Post heute - aber manchmal fühlt sich eben alles schwer an.

    Liebe Grüße

    Cildie

    Liebe Dolore, liebe Pia,


    vielen Dank für eure Nachrichten. Ich glaube es stimmt - ich habe ein wenig Angst davor zurück zu kommen und die Dinge sind gar nicht mehr so, wie ich sie in Erinnerung habe. Ich glaube werde mich nochmal genau damit beschäftigen müssen, warum ich eigentlich zurück möchte. Mal schauen, was dabei herauskommt. Danke für eure Gedanken - wie immer ist es schön verstanden zu werden.


    Liebe Grüße

    Cildie

    Liebe Mena, liebe Linchen,


    danke für eure Worte. Ihr habt mir viel zum Nachdenken gegeben. Ich glaube ich versuche in den den nächsten Tagen mal Loszulassen. Mal schauen, wie sich das anfühlt und was ich danach so denke.


    Ganz liebe Grüße

    Heide

    Liebe Sverja, liebe Mena, liebe Pia,


    ganz lieben Dank für eure schnellen Antworten und eure Perspektiven. Liebe Sverja - du hast wirklich viel erlebt und es tut gut, zu hören, dass deine Kinder mehrfach einen Umzug gut verkraftet haben. Du wirkst auch so glücklich, dort wo du grade bist. Ich glaube eigentlich auch, dass meine Kinder das schaffen würden, wenn ich vollständig dahinter stünde. Aber...liebe Mena , da ist genau dieser Zweifel, den du auch ausdrückst: Ich habe Angst diese Entscheidung nur zu treffen, weil es früher so schön war. Und das wäre es dann doch nicht wert, alle hier heraus zu reißen. Wärst du denn im Rückblick lieber dort geblieben, wo du warst?

    Seit gestern bin ich ein wenig weiter gekommen: Ich habe erstens realisiert, dass ich meinen Kindern mehr vertrauen muss. Ich habe ständig Angst, dass ich die falsche Entscheidung treffe, dass sie hier oder dort unglücklich sein werden. Aber das kann ich ja weder hier noch dort kontrollieren. Und ich glaube eigentlich, dass sie es schaffen werden, überall klar zu kommen. Realisiert habe ich außerdem, dass ich mich auch so unsicher fühle, weil der Zeitpunkt für ein "Abenteuer" einfach ganz schön schlecht ist. Die letzten drei Jahre waren so heftig für uns als Familie, dass wir echt ganz schön durchgerüttelt sind. Da freut man sich natürlich wenig auf einen Umzug, der erstmal viel Stress und Unsicherheit bedeuten wird. Wir würden definitiv in den Sommerferien umziehen, aber mir graut schon heute vor dem Tag, an dem wir alle drei gleichzeitig an einer neuen Schule starten. Ich glaube hier rührt auch meine Mutlosigkeit bezüglich des Umzugs her: Wir sind grade erst wieder zur Ruhe gekommen und ich würde gern das Familienleben mal eine Weile ohne größere Erschütterungen genießen (wenn das nicht vermessen ist, sich so etwas überhaupt zu wünschen:-)).

    Das mit den Osterferien ist eigentlich eine wirklich tolle Idee, Sverja. Allerdings haben wir schon einen Italienurlaub gebucht, auf den wir uns sehr freuen. Wir haben 2019 mal über einen Monat in meiner Heimatstadt verbracht, damals auch in einer eigenen Wohnung, um einfach mal zu schauen, wie es so ist. Es war ganz schön stressig und dadurch auch wirklich nicht so schön. Das lag aber vor allem daran, dass die Kinder natürlich nicht im Kindergarten waren, dort niemanden kannten, mein Mann arbeiten musste und es der erste Sommer war, in dem es meinem Vater relativ schlecht ging. Das ist auch so ein wenig mein Problem: Ich finde meine Heimatstadt wunderschön und ich habe dort so gern gelebt, aber immer wenn wir mit der ganzen Familie dort waren, waren es so na ja. Das verunsichert mich.

    Ich versuche grade für mich heraus zu finden, ob ich meine Heimat einfach nie richtig losgelassen habe, weil ich immer dachte, ich kehre zurück. Vielleicht versuche ich das mal, mit dem Loslassen, wenn es mir gar nicht gelingt, muss ich wohl gehen:-).


    Lieben Dank euch fürs Lesen!