Liebe Bettina.
Ich hab mich hier im Forum etwas vor dir angemeldet und hab damals ab und zu Geschichten geschrieben.
Hier ist eine für dich:
Flutlicht im Puzzleversum
Nachdem wir also, wie in der letzten Geschichte steht, unser Haus gekauft hatten, arbeiteten wir, mein damals noch nicht Ex-Ehemann und ich, bis zur Erschöpfung an unserem Haus. Ein Jahr lang ging alle Kraft und alles Geld in das Haus. Unsere Ehe war schon seit drei Jahren am Ende, was ich wusste, mein Ehemann aber nicht wahrhaben wollte. Er hatte beschlossen, dieses Haus zu kaufen, damit wir uns bei der Arbeit wieder zusammenraufen. Wir waren ein gutes Team bei der Arbeit. Ich hatte auch viel von ihm, dem Tischler, gelernt, doch eine kaputte Ehe mit Schulden und Verantwortung zu belasten, kann nicht gutgehen. Er entschied trotzdem so und scheiterte.
Im Jahr 2000 übersiedelten wir ins halbfertige Haus, 2001 kam die Scheidung - für mich nur noch eine logische Folge, für ihn.... die schwierigste Zeit seines Lebens.
2003 startete ich den ersten Versuch mit einem neuen Partner. Dieser Versuch endete 2006, als ich gegen eine 20 Jahre Jüngere eingetauscht wurde. Die Details erspare ich uns. Mein Vater meinte damals, das wundere ihn nicht. Alle nicht verheirateten Männer in meinem Alter würden aus der Situation, in der ich stecke (Haus, Schulden, Kinder) geflüchtet sein und würden sich nicht wieder in diese Situation begeben wollen. Das könne ich nicht aufwiegen, so toll wäre ich nämlich nicht.
*sarkasmus an*Solche Aussagen sind so richtig hilfreich, um eine Demütigung zu verkraften. Danke, Papa. *sarkasmus aus*
2007, so stellte es sich im Nachhinein heraus, war der Tiefpunkt erreicht. Zu den vielen gesundheitlichen Problemen, die sich angesammelt hatten, kamen Probleme mit den pubertierenden Kindern, mein damaliger Chef wollte mich unbedingt in die Arbeitslosigkeit drängen, suchte krampfhaft nach Fehlern, die er mir vorwerfen konnte, das Baurechtsamt drohte mir „zwangsweise Ersatzmaßnahmen“ an, wenn ich das Haus nicht selbst in eine Fassade hüllen würde und mit meiner Familie war Funkstille, bis auf meine Mutter, die es sich, egal wieviel Streit es gab, nicht nehmen ließ, meine Kinder zu beaufsichtigen, solange ich bei der Arbeit war.
Als ich dachte, schlimmer kanns nicht werden, schließlich hatte ich als Mutter versagt, würde meine Arbeit verlieren, hätte kein Geld mehr für das Haus und die Familie hatte ich auch vergrault, beschloss mein Auto, sich von mir zu verabschieden. Mit einem lauten Knall brach die Kurbelwelle, dabei riss der Zahnriemen, was den Motor in nur einem Moment zu Schrott verwandelte. Da war Ende mit Puzzle. Dieser Tropfen brachte das Fass zum Überlaufen.
Der eigene Tod wurde damals zu einer wirklich denkbaren Lösung.
Doch es heißt „Wenn du denkst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her“. Ein Spruch, den ich immer gehasst habe. Ich brauchte kein Lichtlein, ich brauchte eine verdammte Flutlichtanlage!
Das Lichtlein kam in Gestalt meines Vaters. Der ließ mir von meiner Mutter ausrichten, ich möge an einem Donnerstag um 16 Uhr im Autohaus Soundso sein und mich beim Herrn Irgendwer melden. Der Herr überreichte mir Kaufvertrag, Zulassungsschein und Schlüssel für ein nagelneues, bereits bezahltes Auto. Ich musste nur noch unterschreiben.
Das Lichtlein kam in Gestalt eines Kollegen, der einen Trupp Fassadenarbeiter zu mir schickte, die mir die Fassade soweit herrichtete, dass das Baurechtsamt nichts mehr zu schimpfen hatte.
Das Lichtlein kam in Gestalt einer Fachärztin für Psychiatrie, die mein Praktischer Arzt organisierte, als er das Sammelsurium an Beschwerden nicht mehr deuten konnte, psychosomatische Ursachen vermutete und damit richtig lag.
Das Lichtlein kam in Gestalt einer Mitarbeiterin des Jugendamtes, die meine Tochter, die damals mit 12(!) Jahren in einem Freundeskreis mit Bezug zum Drogenmilieu steckte, und mich auf den Weg zu einem lebenswerten Miteinander führte. Meine Tochter befreite sich aus diesem Dunstkreis, bevor sie mit Drogen in Berührung gekommen war.
Das Lichtlein kam in Gestalt einer Lehrerin meines Sohnes, die ihm half, zur Schule zurückzukehren, die er einfach hingeworfen hatte und die er zwei Jahre später mit Auszeichnung abschloss.
Und das Lichtlein fand sich in einer Möglichkeit, die Arbeit zu wechseln und der Warmherzigkeit, mit der man mich dort aufgenommen hatte.
Da war sie also, meine Flutlichtanlage.
Stück für Stück hatte sich das Puzzle wieder zusammengefügt.
Der Tod ist eine Option, aber nicht die einzige Möglichkeit, einem Licht zu folgen 
Gib die Hoffnung nicht auf. 
Alles Liebe, Puzzle