Hallo, Ihr Lieben!
Habe einige Monate still mitgelesen und fand ein wenig Trost, Hoffnung und die Bestätigung, dass ich nicht „abnormal“ bin.
Warum ich nun doch schreibe. Ich wurde gestern wieder mal so richtig gekränkt, nicht absichtlich, doch es tut echt weh. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass nicht wir Trauernden zum Psychiater gehören sondern unser Umfeld!
Ich versuche so kurz wie möglich meine Lage zu schildern (obwohl kurz wird es nicht, da so viel passiert ist).
Im Jänner 2009 wurden mein geliebter Andreas und ich ein Paar. Er war und ist meine große Liebe.
Im Mai 2010 heirateten wir. Kurz zuvor bestätigte der Frauenarzt meine Schwangerschaft.
Im Juni, in der 14 SSW hatte ich einen Blasensprung. Keine Chance für unseren Sohn.
In der 16 SSW brachte ich ihn mit Wehenmittel, allein in einem Kämmerchen im Spital, auf die Welt. Mein Mann musste arbeiten. Ich bekam noch ein Foto und ein Kärtchen mit seinen Fußabdrücken als „Erinnerung“.
2011: wieder schwanger. Missed abort.
2012:
26. Februar: mein Mann bekam zu Hause eine Hirnblutung im Stammhirn.
Ein Monat lang kämpfte er. Wir dachten, er würde es schaffen.
Am 25. März (zwei Tage vor meinem Geburtstag) starb mein allerliebster Schatz.
Für mich brach eine Welt zusammen. Andreas war nie krank, war ein Bär von einem Mann und erst 37 Jahre alt. Wir hatten so viele Pläne für unsere gemeinsame Zukunft.
Seitdem ist viel passiert. Nach dem ersten Schock konnte ich überhaupt nicht mehr schlafen. Musste Tabletten nehmen. War einige Wochen krankgeschrieben. Dann ging ich wieder arbeiten. Ich schleppte mich durchs Leben. Hatte körperlich keine Kraft mehr. Zwei Wochen später ging ich dann doch zu einer Psychologin und ließ mir Antidepressiva und andere Schlaftabletten verschreiben. Diagnose: Depressiver Erschöpfungszustand. Nochmal zwei Wochen zu Hause.
Dann wurde meiner Mutter ein künstliches Kniegelenk eingesetzt. Ich ging zur Arbeit, danach zu ihr ins Spital und anschließend 1-2 Stunden ihren Garten gießen. Kam erst so gegen 20 Uhr nach Hause.
Mein Bruder half mir dabei.
Die Antidepressiva fingen an zu wirken. Nur, das war nicht mehr ich. Ich stand neben mir. Wollte weinen, da ich traurig war und konnte nicht.
Dann fing ich mit einem Schlummertrunk am Abend an. Dabei blieb es nicht. Es wurde mehr.
Dann der Tag der mir fast mein Leben kostete: Die Verlassenschaft.
Mein Mann hat einen Sohn aus vorheriger Ehe und eine Tochter aus einer früheren Beziehung.
Beide Damen waren anwesend. Die Ex-Frau brachte durch eine „offene Forderung“ ihren Vater mit ins „Spiel“. Es wurde richtig schmutzig, obwohl nichts (mehr) zu holen ist. Was soll auch ein Mann besitzen, der bei der Scheidung abgezockt wurde und für zwei Kinder aufkommen musste.
Der Ex-Schwiegervater warf mir vor allen Anwesenden vor, ich sei Schuld, dass die Ehe scheiterte. Die Scheidung war 2008 und 2009 wurden Andreas und ich erst ein Paar. Es folgten noch weitere Lügen über mich. Ich war so schockiert von solcher Bösartigkeit, dass ich mich nicht mal wehren konnte.
Der Höhepunkt: jeder, der Anwesenden darf bei der Wohnungsbesichtigung, bei der der Notar und ein Schätzmeister (es könnten ja Biedermeiermöbel usw. vorhanden sein) kommen, anwesend sein. Der Ex-Schwiegervater meines Mannes kommt natürlich mit. Für mich ist das SEELISCHE VERGEWALTIGUNG. Ich brachte vieles in die Wohnung mit und wir renovierten die letzten Jahre gemeinsam und schafften uns ein liebevolles zu Hause. Und nun kommt dieser für mich „fremde Mann“ in die Wohnung um zu schnüffeln. Nur um mir eins auszuwischen.
Einen Tag darauf trank ich verteilt auf den Tag zu viel und nahm abends wie gewohnt die Schlaftabletten. Wollte noch eine auf der Terrasse rauchen gehen … aufgewacht bin ich im Spital. Koma. Ich hätte gekämpft, sagte der Arzt.
Nach zwei Tagen durfte ich nach Hause. Durch diesen Schreck (ich nenne es meine „selbstauferlegte Schocktherapie“) benötige ich keine Schlaftabletten, Antidepressiva und Alkohol mehr.
Kaum war ich arbeiten bekam ich heftigste Schmerzen im rechten Unterbauch. Den Blinddarm hatte ich nicht mehr. Da ich am Wochenende für meine Mutter kochte und ein paar Tage mir Schmerzen den Garten goss, ging ich nicht gleich zum Arzt.
Als es unerträglich wurde fuhr ich ins Spital. Unzählige Untersuchungen. Es konnte ja alles Mögliche sein. Dann die Diagnose: unter meiner 36 Jahre alten Blinddarmnarbe haben sich Bakterien verkapselt, die nun aktiv geworden sind und sich Eiter bildete. Notoperation. Im schlimmsten Fall hätte mir noch ein künstlicher Darmausgang geblüht. Es verlief zum Glück ohne Komplikationen.
So, nun bin ich wieder in der Arbeit.
Mein Mann ist nicht mal vier Monate tot.
Ich habe nie Leute mit meinem Kummer belästigt. Weine und trauere im stillen Kämmerlein. Brauchte nicht ständig wem zum Reden. Doch jetzt reicht es endgültig.
Gestern musste ich mir wieder anhören, dass das Leben weitergeht, Andreas tot ist, dass das der Lauf des Lebens ist, ich wieder normal zu sein habe und wie schwach ich nicht sei.
Auf meine Trauer wurde ge….. Ich hatte zusätzlich Belastungen, auch Belastungen von den nicht verarbeiteten Fehlgeburten und der Vergangenheit. Für mich war das Leben immer Kampf. Ich hatte selten Geborgenheit und Rückhalt.
Andreas war mein zu Hause. Bei ihm war ich angekommen … und das war uns nur drei Jahre vergönnt.
Ich werde nie eine eigene Familie haben. Den Vorgeschmack des Alleinseins und wie es wird wenn ich noch älter werde, habe ich im Spital erlebt. Nein, ich möchte mich nicht Selbstbemitleiden. Ich möchte nur mein Recht auf Trauer!!!!!
Man kann doch nicht nach nicht mal vier Monaten verlangen, dass ich so lebe, als hätte es Andreas nie gegeben.
Gerade die, die ohne ihren Partner nicht mal eine Stunde auskommen, sind die, von denen man solch einen Schwachsinn hören muss.
Ich habe mich schon einmal zurückgezogen und werde es nun wieder machen. Der Mensch ist einfach nur grausam und dumm.
Jeder Mensch, der seinen Partner verloren hat, weiß wie es mir geht. Wir werden jeden Tag mit den Verlust konfrontiert. Wir leben in der gemeinsamen Wohnung. Ein zu Hause, das plötzlich fremd geworden ist. Die vertrautesten Gegenstände sind plötzlich fremd. Man hat kein zu Hause mehr.
Und jeden Tag beim Aufstehen die Frage: Wofür? Für wen?
Und jeden Tag wenn man „nach Hause“ kommt, erwartet einen eine „leere“, „tote“ Wohnung. Kein Andreas, mit dem man sich austauschen kann, mit dem man lacht, weint und Pläne schmiedet. Kein Andreas, der einen Halt gibt. Keine Hand die man halten kann, keine Umarmung …
Ich will kein falsches Mitleid, ich will keine „gutgemeinten“ (aber dennoch völlig dummen) Ratschläge. Ich will einfach nur Zeit. Zeit um zu trauern. Zeit um zu verarbeiten. Und mich nicht nach so kurzer Zeit rechtfertigen müssen, dass ich noch (immer) traurig bin und Andreas so sehr vermisse.
Es tut mir Leid für diesen langen Beitrag, aber es musste einfach raus.
Ich möchte noch jeden einzelnen hier, der einen schweren Verlust hatte, mein Mitgefühl aussprechen und wünsche allen viel Kraft und Liebe in der schwierigen Zeit. Möge sich euer aller Leben wieder lebenswert gestalten und ihr für euren ertragenen Kummer und Schmerz eines Tages reichlich belohnt werden.
Liebe Grüße
Susanne