Wenn die Trauer einen "Auffrisst"

  • Hallo Zusammen!
    Ich bin neu hier, und versuche mich mit dem Tod meiner Mutter auseinander zu setzen.
    Da in meinem Umfeld nicht viel Verständnis entgegen gebracht wird, dachte ich, ich probiere es in einem Forum ...


    Nach der Phase der Verdrängung, kommt nun die Phase die mich auffrisst.
    Schuldgefühle nicht genügend am Grab gewesen zu sein. Wut warum grade ihr das passiert, ein tiefes Loch in das man fällt und scheinbar grundlos für aussenstehende, beginnt zu weinen ...


    Und mittlerweile bin ich fast soweit mir psychologische Hilfe zu suchen, denn 7 Monate ist sie nun schon nicht mehr da ... aber für mich steht weiterhin alles still ... und doch dreht sich alles.
    Vielleicht kann mich ja hier jemand verstehen.

  • Liebe Lena,
    fühle dich HERZLICH WILLKOMMEN in diesem , so wertvollen Forum <3


    Normalerweise schreibe ich hier nicht gerade die "kurzen Antworten"... aber leider geht es mir nicht sooo gut ... Auf eines möchte ich unbedingt eingehen, weil du es in einer Art geschrieben hast, die dir NICHT gut bekommt in deinem Trauerleben....


    Psychologische Unterstützung für sich in Anspruch zu nehmen, ist absolut gut und weiterbringend in der Trauer... Du brauchst dich keinesfalls deswegen als ein Mensch sehen, der es "nicht alleine schafft"...


    Vielleicht ist es dir möglich... es wäre gut für dich und uns alle, ein bisschen mehr von dir und deiner Mama zu erzählen ?
    Noch etwas ....
    Liebe und trauer zeigen sich nicht dadurch , das man viel das Grab besucht... Das ist gar nicht der Ort... Der Ort für "euer jetziges Zusammensein... sich fühlen... auf einer andern Ebene " findet in dir statt.


    Fühle dich liebevoll und mitfühlend hier begrüßt
    deine Amitola

  • Guten Abend Lena!


    Mein herzliches Mitgefühl und ein <3 liches Willkommen!


    Du brauchst dir keine Schulgefühle einreden!!! Du hast und wirst das Grab deiner Mutter besuchen, wenn es dein innerer Wunsch und Wille ist! Deine mentale Verfassung weiß ganz genau, wann ein Besuch gut für dich ist!


    Ich hatte von Anfang an psychologische Hilfe nach dem Tod meines Mannes und ich empfehle es dir aus ganzem Herzen. Es sind außenstehende Profis, die eben dafür da sind, dass man einen "gesunden" Trauerweg geht - und den musst auch du gehen! Deine Intuition leitet dich schon dazu an, also mach diesen Schritt! Deine Mama würde sicherlich auch nicht wollen, dass dich dein Kummer auffrisst!


    Dass du hier im Forum deine Trauer ansprichst ist ebenfalls ein richtiger Schritt! Du wirst sehen, dass dir Meinungen von den "Engeln" dieses Forums auch neue Lichtblicke verschaffen können!


    Einen schönen Abend wünscht dir Marsue!

  • Liebe Lena!


    Ein herzliches Willkommen in diesem Forum. Der Grund dafür ist leider sehr traurig. Mein Mitgefühl für Dich.


    Hier in diesem Forum ist nicht nur jemand, es sind einige Mitglieder, die genau wie Du um ihre Mutter trauern. Allein wirst Du hier nicht sein. Dir wird zugehört. Du wirst verstanden.
    Sich etwas von der Seele zu schreiben, kann oft ein wenig helfen.
    Möchtest Du vielleicht berichten, was geschehen ist, wie Du denkst und fühlst?


    Alles Liebe für Dich
    Deine Kühlwalda

  • Guten Morgen!
    Vielen Dank für die vielen lieben Antworten!
    Also, am besten erzähle ich ein wenig! Obwohl der Text auch wenn ich mich kurz fasse recht lang wird!
    Das ganze begann im Juli/August 2014 ... meiner Mutter ging es nicht gut. Sie hatte eine starke Bronchitis die sie mitnahm, so sah es aus. Daraus wurden plötzliche Schlafstörungen, sie sagte im August zu mir "Mit mir stimmt etwas nicht, ich kann nicht schlafen weil ich das Gefühl nicht los werde ich muss sterben" Also gingen wir zum Arzt. Blutbild, Röntgen Lunge, etc alle Ergebnisse ohne besorgende Befunde!!!
    Aber ihr ging es nicht besser.
    Ein Arzt riet ihr zu einem psychologen zu gehen. Es wäre wahrscheinlich eine Depression. Weil es sei ja alles in Ordnung. Also landete sie Anfang September in einer Vitosklinik, Psychiatrie, mittlerweile hielt sie sich selbst für Depressiv. Doch es kamen schmerzen hinzu die nicht nach ließen. Im Gegenteil.
    Mein Vater war mittlerweile ratlos. Meine Mutter war immer stark. Nie leident. Wir kannten sie so nicht.
    Es vergingen 4-6 Wochen. Mitte Oktober reichte es meinem Vater dann. Er konnte es nicht mehr mit ansehen. Er fuhr noch mal mit ihr in die Uniklinik in unserer Nähe!
    Verlangte eine Untersuchung.
    Und dann kam die erschreckende Nachricht.
    Ich werden den 17.10.14 niee vergessen.
    Ein Arzt machte einen Ultraschall. Stellte Metastasen im Bauchfell fest ... und uns war allen klar, sie muss sterben. Metastasen im Bauchfell sind heftig. Nun musste man den Primärtumor finden. Man fand ihn. In den Eierstöcken. Gestreut hatte er mittlerweile in die Lunge, die Nieren, den Kopf, beide Brüste und eben ins Bauchfell.
    Meine Mutter wusste nun das sie nicht depressiv war, sie wusste sie hatte recht. Sie hatte gespürt das was nicht stimmt.
    Und sie wusste wie lang ihr blieb. "Weihnachten wäre schön ... aber ich glaube nicht das ich das schaffe. Ich geb mir noch 8 Wochen" ... ja ... und nach 7,5 Wochen am 11.12.14 ist sie gestorben. Auch da hatte sie recht.
    Sie wurde 51 Jahre alt.
    Ich ... noch keine 30 damals ohne Mutter. Mein Vater nach 30 Jahren Ehe. ... allein. Witwer!


    Ich war am Anfang sehr wütend auf alle Ärzte die sie als "verrückt" abgestempelt haben!
    Dann wollte ich es nicht wahr haben das es so ist. Ging viel weg. Unter Leute musste ich. Weil mich im Haus alles einengte. Zu meinem Vater, kann nach Hause kann und konnte ich nach dem Tod gar nicht. Wenn treffen wir uns bei mir. Ich kann das Haus einfach nicht betreten. Es zerreißt mich.
    Jetzt ist es aber so, das die Trauer raus müsste ... aber sie sperrt mich ein. Nicht icj verdränge die Trauer, sondern die Trauer mich. Ich hoffe das versteht irgendjemand.
    Ich will JETZT trauern sein. Ich habe das Gefühl es muss sein. Und sie fängt mich wie in einer Wolke.
    Das ist ein sehr komisches Gefühl.

  • Liebe Lena,
    die Trauer hat dich voll umfangen.... Es ist im Moment einfach die absolut WÜTENDE TRAUER....I


    Ich persönlich halte nicht so viel von den "Phasen-Einteilungen der Trauer"... aber wovon ich absolut überzeugt bin, das es Gefühle gibt die ein völliges Weinen, ein euphorisch sein, ein wütend sein, ein gelassen sein... leider auch "starr " und emotionslos werden... gibt... Diese Gefühlszustände können unterschiedlich lange dauern, brauchen auch gar nicht aufzutauchen und ... können sich immer wieder wiederholen, weil man noch nicht alles , was diesen Gefühlszustand hervorgerufen hat, "abgearbeitet " hat... mit professioneller Hilfe oder mit Mitmenschen die einen gut dabei unterstützen...


    DU BIST ZU RECHT WÜTEND AUF DIE ÄRZTE...


    Leider, leider werden gerade Frauen oft in die "Psycho-Schiene" geschickt...Die Mutter meines Lebensgefährten wurde auch immer nur "psychologisch" behandelt und dann wurde auch Bauchspeicheldrüsenkrebs festgestellt...Bei sehr, sehr vielen Menschen werden erst einmal psychische Ursachen angenommen und dann kommt die häufig schmerzhafte, körperliche Diagnose...


    Wobei ich aber auch ganz klar sagen muss, dass ich eine psychotherapeutische Behandlung für viele Menschen absolut gut und weiterbringend halte !!...
    Persönlich habe ich über einen längeren Zeitraum Psychotherapien in jüngeren Jahren gemacht(bioenergetisch und gestaltstherapeutisch ausgeprägt)... und sie haben mich in meinem Leben weitergebracht...


    Jetzt aber wieder zu dir und deiner Trauer... die du hast... absolut...
    Jetzt kommt erst einmal eine liebe gedankliche Umarmung :24:
    und glaube mir , wenn du dir das vorstellen kannst, das alle Gefühle und "Zustände sich ändern
    In einem Büchlein mit Weisheiten für das Leben steht unter anderem ein Gedankengang , den ich für sehr hilfreich halte


    "Die Dinge loszulassen,
    bedeutet nicht, sie loszuwerden,
    sie loszulassen bedeutet...
    das man sie sein lässt... "


    Dabei geht es aber nicht um Verdrängung... Die Krankheitsgeschichte deiner Mama lässt sich nicht verdrängen... Es geht aber darum, das irgendwann die Zeit in dir mehr und mehr auftaucht, wo sie gesund war und mit euch gelebt hat... Aber lass dir mit dieser Vorstellung Zeit und ja ...
    professionelle Hilfe ,wäre für dich glaube ich , angebracht...


    und "wir" hier.. und da gehörst du ja auch dazu...
    werden dir , aber auch du uns, durch das beschreiben deiner Gefühle ... "klarer" sehen ... und uns Schritt für Schritt in das Leben begeben...
    mit Trauer UND Freude im Herzen... das geht....


    herzlichste, mitfühlende Grüße <3
    deine Amitola

  • Das kann man so sagen, ich bin so sauer gewesen. Oder bin es tief in mir immer noch! Rechtliche Schritte hatte ich auch im Kopf. Aber was hätte es gebracht? Nichts ...


    Das man erstarrt stimmt. Ich bin in manchen Situationen nicht in der Lage anderen meine Gefühle nah zu bringen. Weil es mich wütend macht das es so wenige verstehen das jeder anders trauert
    Diese Sprüche "Du kannst es nicht ändern" oder "du musst nach vorne schauen" etc ... bringen nichts. Also mir nicht.
    Manche können auch nicht damit umgehen das dass Schicksal für uns so spielt.


    Meine Mutter war leider nicht das einzige Ereignis. Ein Jahr zuvor 2013 starb meine Oma. Dann 2014 meine Mutter, 2015 mein opa (im Februar) im April 2015 ein sehr guter Freund.
    Man versteinert. Denn bevor man mit einer Trauer abschließen konnte passierte schon das nächste Drama.
    Und ... ich habe zwar eine sehr gute Freundin u einen sehr guten Freund. Aber mit denen rede ich nur sehr plastisch über alles. Die Mauer die ich mir aufgebaut habe fällt nicht!


    Ein einziges Mal ist sie gefallen. Und das hat mich sehr beängstigt. Seiddem lasse ich das öffentlich nicht mehr zu!

  • Liebe Lena,


    nicht um von deiner traurigen Situation abzulenken,
    aber...
    zur Veranschaulichung , dass wir alle trauern und manchmal auch leider mehrfach trauern....


    Ich musste im selben Monat und Jahr meinen Vater und meinen Lebensgefährten verabschieden und....
    ganz , ganz viele Freunde , die auch an einem Glioblastom ( unheilbarer Gehirntumor) wie bei meinem Lebensgefährten ... erkrankt waren...
    Daraus bildete sich dann unsere "private Treuer-Lebensgruppierung"
    mittlerwile sagen wir alle... wir "Hier-Gebliebenen "
    es ist eine "Lebensgruppe" in der gut getrauert werden kannn und darf...
    aber wir sind auch voll im Leben ... mit aufkommenden Tränen , Trauer ... und immer mehr...
    tief empfundenes Glückes ...
    das wir LEBEN...


    Wenn du weiter dich "starr" fühlst... ist es wirklich sehr gut... wenn du BALD eine psychotherapeutische Therapie für dich als gut ansehen würdest...
    In einem "geschützten Rahmen" kannst du dich wirklich fallen lassen und alle Emotionen rauslassen ( besonders bei Körperbetonten Therapien)... Jedenfalls ging das bei mir und meinen Therapien...


    Schreibe hier weiter ... alle Gefühle die du hier niederschreibst, erleichtern deine Seele ...
    und das ist GUT...
    Herzlichst <3
    deine Amitola

  • Liebe Lena!
    Ich weiß ja nicht, wo du zu Hause bist, aber vielleicht können dir die Fachleute von Niederösterreich


    "Hilfe akut in Krisensituationen" weiterhelfen
    Info-Telefon: 02742 / 9005 17417
    E-Mail: akutteam@noe-lak.at


    Du bist auf einem guten Weg! Fremdhilfe anzunehmen erfordert großen Mut und ich wünsche dir die Kraft, dass du dir professionelle Hilfe gönnst!
    Freunde und das Umfeld tätigen manches Mal gutgemeinte, schnelle Aussagen, weil sie selbst mit dem Betroffen und der Thematik überfordert sind! Daher auch deine Schutzmauern... nimm außenstehende Hilfe an, um in deinem Innersten Klarheit zu schaffen...


    Ganz liebe Grüße schickt dir Marsue

  • Liebe Lena,


    ich habe heute abend Deine Geschichte gelesen. Ich kann dich sehr gut verstehen.
    Meine Mama ist auch im letzten Jahr mit 61 Jahren gestorben. Bei ihr wurde im Juni ein Glioblastom gefunden und 13 Wochen später ist sie daran gestorben. Diese Zeit habe ich immer als Höllenachterbahnfahrt bezeichnet, wir wussten irgendwann knallen wir vor die Wand aber nicht wann. Es gab viele trotz allem noch schöne Momente, an die ich oft denke, aber auch viele Momente der Hilflosigkeit, auch Wut und der Angst.
    Mir hat es sehr geholfen, darüber zu sprechen, in dieser Zeit habe ich gemerkt, wer wirklich ein Freund ist, und wer mir zur Seite steht.
    Auch online habe ich Menschen kennengelernt, die mich in dieser Zeit begleitet haben und es auch heute noch tun.
    Einen Rat zu geben ist schwer, ich finde es sehr gut, dass Du hierher gefunden hast. Hier teilen alle ein gemeinsames Schicksal.


    Mir hilft sehr, dass ich weiss, das es meiner Mama jetzt gut geht, dort wo sie jetzt ist. Es gibt dort keine Angst und keine Schmerzen.
    Ob du auch an so etwas glaubst, weiss ich nicht.
    In den Momenten, in denen die Trauer einem ohne Vorwarnung in den Rücken springt, nehme ich mir die Zeit auch traurig zu sein. Für den Rest geht das Leben weiter wie bisher, für uns nicht und da müssen wir nicht funktionieren.


    Ich wünsche Dir sehr, dass Du für Dich einen Weg findest, mit dieser Trauer zu leben.


    LG
    Sverige

  • Liebe Lena,
    sei ganz herzlich willkommen hier! Der Tod deiner Mutter, die ganzen Umstände, das Versagen der Ärzte, die vernichtende Diagnose, das alles war sehr traumatisch. Dazu kommen weitere Todesfälle im engen Umfeld, die Psyche baut hier einen starken Schutz auf, der nun langsam zu bröckeln beginnt und dann doch wieder recht stark wirkt. Was ist denn passiert, dass das Fallen der Schutzmauer dich so beängstig hat, dass du sie nun versuchst aufrecht zu erhalten?
    AL Christine

  • Hallo, liebe Lena,


    ich fühle mit dir.
    Meine Mutti ist vor 3 Monaten gestorben.
    Das Krankenhaus, der so genannte soziale Dienst, hat uns die Hölle heiß gemacht.
    Obwohl die Ärzte sagten, Mama könnte dort sterben, wir aber nach einem Hospizplatz gefragt haben, kamen Anrufe, sehr unfreundlich, fordernd und brutal verlangte die Dame, dass Mutti verlegt wird.
    Sogar noch am Sterbetag.
    Wir konnten uns nicht wirklich auf das bevorstehende Ende einlassen.
    Auch meine beiden Schwestern haben sich wie ich beschwert.
    Es hieß dann, die Gespräche haben nie stattgefunden....
    Anders ausgedrückt...es ging um Gefühl, knallharte Verwaltung, hin und her...


    Als Mutti dann tot war, konnte ich nicht weinen.
    Am letzten Tag war ich nicht da.


    Wir können uns gegenseitig trösten.
    Fühl dich gedrückt.


    Gerade habe ich gelesen, dass die Trauer in Wellen kommt.
    Ja...so ist das bei mir...und bei dir?