Liebe alle,
das Thema "Schuldgefühle" taucht immer wieder hier im Forum auf und momentan ist es bei mehreren Mitgliedern sehr stark, die kurz nach dem Tod ihrer Mamas oder dem Papa den Eindruck haben, sie hätten den nahenden Tod übersehen, sie hätten, wenn sie früher etwas unternommen hätten oder eingegriffen hätten, das Leben ihrer Eltern retten können.
Ich habe bei einigen ja schon geantwortet, dass man das im Nachhinein gar nicht wissen kann, ob es denn anders oder besser gekommen wäre. Es könnte ja auch noch schlimmer kommen: Wenn wir dem Tod ein Schnippchen schlagen, kann es, gerade bei älteren Menschen dazu führen, dass sie ein Pflegefall werden, dass sie im Koma liegen. Gerade jetzt habe ich einen solchen Sterbefall: Ein älterer Mann, der nach monatelanger Qual endlich hat sterben dürfen. Er hatte einen Herzinfarkt im Sommer. Er hatte eine wunderschöne Nahtoderfahrung und wäre gerne gestorben. Aber er wurde nach erfolgreicher Reanimation zu einem Pflegefall, was für ihn eine Katastrophe war, er verweigerte Essen und Trinken, also wurde er künstlich ernährt, er hatte noch 2 Schlaganfälle, auch da akzeptierte man nicht, dass er nicht mehr wollte. Die letzten beiden Wochen verbrachte er mit Nierenkoliken, weil man ihn immer wieder mit Flüssigkeit versorgte, obwohl die Nieren nicht mehr richtig funktionierten. Die Angehörigen hatten keine Macht über das, was im Krankenhaus geschah. Vorgestern durfte er endlich sterben. Die Erleichterung der Angehörigen ist groß - neben aller Trauer.
Vielleicht sollten wir uns einfach bewusst machen, dass man den Tod einfach nicht in der Hand hat. Früher oder später kommt er zu jedem. Er ist nicht vermeidbar. Schuldgefühle tauchen bei Hinterbliebenen fast immer auf, auch wenn dazu überhaupt kein Grund besteht und zwar, weil wir wünschen, dass wir durch unser Verhalten etwas ändern hätten können, statt dem Schicksal ausgeliefert zu sein. Die Ursache liegt zu eine großen Teil an unserem Hang zu Perfektionierung und Optimierung: Wir neigen dazu, uns auf das zu konzentrieren, was schief gelaufen ist und nicht auf das, was wir gut gemacht haben. Dann versuchen wir es besser zu machen. Den Tod kann man aber nicht optimieren, er kommt in jedem Fall, auch wenn wir uns noch so bemühen ihn zu verhindern, es ist vergeblich. Uns bewusst zu machen, dass wir ihm gegenüber machtlos, kann Angst machen, gleichzeitig ist diese Bewusstwerdung eine Chance, die uns die Last der Schuld wegnehmen kann.
Toller Buchtipp dazu: "Das erste Trauerjahr" - von Eva Terhorst: Gerade das Kapitel zu den Schuldgefühlen finde ich ganz toll!
Allen, die sich im Moment so sehr mit Schuldgefühlen und Selbstvorwürfen plagen: Ihr seid nicht schuld!
Eine feste Umarmung
Eure Christine :24: