Fängt meine Trauer erst jetzt an?

  • Hallo ihr Lieben,
    ich weiß nicht warum ich das jetzt denke, aber seid meine Betäubung von dem Medikament so gut wie runter ist geht es mir schlechter. Ich könnte nur noch weinen, was aber nicht gut ist, denn ich habe noch immer Besuch vor dem ich nicht weinen möchte. Auch wenn sie Verständnis hat. Mein Kopf wird klarer und das ist kein schönes Gefühl. Würde dieses Medikament lieber weiter nehmen um mich zu betäuben. Es tut so weh. Diese Klarheit im Kopf nicht zum aushalten. Ich weiß nicht wie ich damit umgehen soll und denke das ich durch diese Betäubung nie richtig trauern konnte. Weshalb ich massive Angst davor habe wenn das Medikament ganz aus meinem Körper ist.
    Habe das Gefühl es war erst gestern wie ich ihn da liegend gefunden habe und versucht habe ihm das Leben zu retten. Es kam mir auch Bor als hätte der Krankenwagen eine Ewigkeit gebraucht um endlich mal an zu kommen. Es war alles zu spät. Werde auch nie seinen Ausdruck im Gesicht vergessen, er sah nicht zufrieden aus sondern eher wütend und bedrückt. Bei seinem Vater jedoch war es anders. Er sah zufrieden aus und völlig erleichtert. Der Vater war auch die erste Leiche die ich je gesehen hatte. Auch ein Bild was ich nie vergessen werde. Es waren so Liebe Menschen so dankbar für alles. Ich vermisse die so sehr. Ich wünschte die könnten beide wieder bei mir sein oder ich bei den beiden. Ich verstehe das alles nicht bin mit dem ganzen extrem überfordert.
    Hoffe es ist ok wenn ich so offen schreibe. Wenn nicht dann sagt es bitte, dann löschen ich es wieder.


    LG
    natascha

  • Liebe Natascha!


    Natürlich ist es ok wenn du offen schreibst. Dazu ist das Forum ja da.
    Ich kann mir vorstellen, dass die extremen Trauerphasen wirklich durch die Medikamente nicht so spürbar waren, und du jetzt dafür um so mehr davon überrollt wirst.
    Es ist schwierig hier zu raten.


    Im Normalfall würde ich sagen, meist lässt das eigene Ich nur so viel Schmerz zu, dass man es noch aushält. Es ist meist so wellenweise - sehr schmerzhafte Phasen wechseln mit ein wenig leichteren ab. In jedem Tief kann man sich bewusst machen, es wird nicht ewig bleiben, es geht wieder vorbei und wird wieder leichter. Man muss den Schmerz durchleben, damit er wieder weniger wird.


    Bei deinem Fall, wo du doch krank bist und auch schon Suizidgedanken hattest, ist es echt schwer dir zu raten. Sobald du merkst dass solche Gedanken wieder kommen, musst du dir Hilfe holen. Ansonsten muss es wahrscheinlich einfach so sein, dass wir alles im Gedanken noch einmal und noch einmal durchleben. Das kann man ja selber oftmals nicht so steuern und gehört sicher zum Heilungsprozess dazu.


    Ich verstehe dein Vermissen so gut! Es ist oft wirklich schwer zu ertragen. Wenn du weinen musst, dann weine einfach, denke nicht darüber nach. Dein Besuch hält das sicher aus und es kann dich auch erleichtern.


    Ich wünsche dir viel Kraft und hoffe, dass es dir bald wieder ein wenig besser geht!
    Lg Hedi

  • Liebe Natascha ,


    Ja das ist das negative an den Anti depressivas das sie den schmerz wegdrücken und sobald man damit aufhört kommt der Schmerz plötzlich und sehr sehr viel stärker . Das einzige was ich dir raten kann hole dir psychologische Unterstützung ohne medikamentöse Behandlung, vieleicht auch in einer Akut Tagesklinik , aber lass dieses teufelszeug weg , es schadet mehrmals es nützt .
    Und noch etwas weine , weine weine dein besuch hält das aus ,sei egoistisch es ist dein Schmerz, deine Trauer lebe diese aus mit allem was dazu gehört , das erleichtert dich . Und schreibe , schreibe , schreibe dir alles von der Seele hier in diesem Forum , es verstehen dich alle hier und sind für dich da .
    Du wirst es schaffen die Trauer auszuhalten, die Trauer wellen sind nicht steuerbar gib dich hin sobald sie dich überrollen .
    Ich wünsche dir viel kraft und eine mitfühlende tröstende und verstehende Umarmung
    LG Petra

  • Liebe Natascha,
    nimmst du noch andere Medikamente oder war es nur das Tavor, das du ja jetzt abgesetzt hast?


    Liebe Petra,
    Tavor ist kein Antidepressivum, sondern ein Benzodiazepin.Benzodiazepine sind starke Beruhigungsmittel, sie werden verschrieben, wenn jemand z.B. suizidal ist oder eine schwere Angststörung hat und um die Zeit bis zum Eintreten der Wirkung des Antidepressiuvums zu überbrücken. Sie sind ausdrücklich nur kurzfristig anzuweden, da sie sehr schnell abhängig machen und zu lange genommen, eine gegenteilige Wirkung eintreten kann. Natascha hat sie offensichtlich zu lange genommen. Ich wünsche dir, Natascha, von Herzen, dass du möglichst bald ohne dem zeug auskommst!


    Ganz anders wirken Antidepressiva. Sie sind kein Teufelszeug und es ist ein Segen, dass es sie gibt.Die Suizidrate in Deutschland und Österreich hat sich seit 1980 halbiert! Das liegt unter anderem auch an den Antidepressiva, die immer besser geworden sind. Wer unter schweren Depressionen leidet, ist ohne diese Medikamente nicht therapierbar, dieTherapie kann nicht greifen. Ich selbst habe unter einer Depression gelitten und ohne das Antidepressivum damals, wäre ich heute nicht mehr da.


    Trauer ist keine Depression, sie ist überhaupt keine Krankheit, darf also auch nicht mit Medikamenten behandelt werden. Allerdings gibt es Menschen, die unter einer Depression oder einer anderen psychischen Erkrankung leiden und einen Menschen verlieren. Sie dürfen deshalb aber die Medikamente nicht absetzen. Und es gibt Trauernde, die in eine Depression entgleisen, d.h. Trauer kippt in Krankheit. Für diese Betroffenen sind Medikamente wichtig, weil sie sonst aus dem Loch nicht mehr herauskommen, in das sie fallen und das Risiko hoch ist, dass sie suizidal werden.
    Wichtig ist, dass ein Psychiater abklärt, ob ein Patient noch gesund trauert oder in eine Depression gekippt ist und dann einen Therapieplan macht. Bei einer leichten Depression kann eine Psychotherapie ausreichen, bei schwereren oder mittelgradigen Depressionen, macht ein Medikament Sinn und natürlich eine begleitende psychotherapeutische Maßnahme.


    AL Christine

  • Liebe Hedi, Liebe Petra und Liebe Christine,
    danke für eure lieben Worte.
    Das was Christine über Tavor geschrieben hat ist schon richtig Und ich nehme es schon seid August Tavor. Und ja ich nehme noch andere Medikamente so wie Atosil Olanzapin und ein Antidepressiva was aber auch vor kurzem geändert wurde. Zu dem kommt noch das ich schon mal vom Tavor abhängig war wo ich dann 13mg am Tag genommen hätte.
    Das mit der Trauer ist echt extrem schwer Ais zu halten und ich kann das alles schwer Ais halten jede Kleinigkeit wirft mich aus der Bahn und das macht mich gerade sehr nervös. Bin auch nicht beim Psychologen zur Zeit also seid Januar schon nicht mehr.


    Danke für eure Wünsche


    LG

  • Liebe Natascha,
    dass Trauer schwer auszuhalten ist, das kennen alle hier, ich denke, dass deine Grunderkrankung es aber schwerer für dich macht, weil du starke Gefühle schwerer regulieren kannst, oder liege ich da falsch? Hast du Augenblicke, Minuten, Phasen, in denen es dir besser geht, oder ist es immer ganz gleich?
    Sinnvoll wäre es schon, wenn du neben der medikamentösen Therapie doch auch noch zum Psychologen gehen könntest und regelmäßig alles, was dich belastet ansprichst. Natürlich kennen sie dich primär als ihre Borderline-Patientin, vielleicht ist es auch so, dass sie dich aufgrund deiner Erkrankung primär als Borderlinderin wahrnehmen und die Trauerproblematik vernachlässigen oder "übersehen". Umso wichtiger, dass du es nochmals ansprichst, dass man dich dabei unterstützt Kanäle zu finden, durch die du deinen Schmerz rauslassen kannst. Einen Kanal hast du ja gefunden - nämlich dieses Forum hier. Aber vielleicht helfen dir noch andere Möglichkeiten: Mal- oder Musiktherapie? Oder eine spezielle Bewegungstherapie? Hast du da schon Erfahrungen?
    AL Christine

  • Liebe Christine,
    Ja das weiß ich das alle anderen hier genauso stark leiden. Es ist ja auch nicht einfach.
    Das ist leider das Problem, denn wenn ich zum Psychologen hin gehe sehen die nur die Borderline Patientin und nicht das was da hinter steckt. Die sagen ja auch das meine Erkrankung wieder so weit in den Vordergrund gestiegen ist das ich nicht in der lage bin es mit der Trauer auf mich zu nehmen. Ja mit den Gefühlen ist es beim Borderline leider so das man die Gefühle sieben mal so stark empfindet als ein gesunder Mensch. Also ich bin gerade dabei ein Lied zu singen was mit meinem Freund aber auch mit der Trauer zusammen hängt. Und ich hoffe das ich es schaffe das fertig zu bekommen denn das ist mir sehr wichtig auch wenn ich keine gute Sängerin bin. Und wenn es fertig ist möchte ich diesen Song auch im netz veröffentlichen egal wie grausam ich es finde aber ich möchte das alle wissen wie wichtig er mir war und auch noch ist.


    LG

  • Liebe Natascha,
    hast du eine Liste der TherapeutInnen in deiner Umgebung?
    Ich möchte mich dem, was Christine schrieb anschließen:


    Auch in der Therapie ist es wichtig zu sagen, was du willst und brauchst.
    Wenn du für jede Stunde dein Thema Trauer in de Vordergrund stellst, wirst du auch dort begleitet.
    Und wenn, was du ja selbst auch bestätigst, dein Borderline die Trauer beeinflusst, dann brauchst du auch dort Hilfe.


    Trauer ist Schwerstarbeit und die Gefühle überschwemmen einen. Ich möchte dich auch nochmal fragen, ob du die Wellen spüren kannst, von denen Hedi schrieb oder ob es für dich immer gleich schwer ist.


    Du rätst Andrea, auf sich selbst zu achten. Ich wünsche dir, dass du auf dich achten kannst. Jetzt, hier und heute - und dann in einer Stunde und dann in zwei Stunden und dann in einem Tag und in zwei Tagen - achte auf dich in jedem Moment und das immer nur JETZT. Sei lieb zu dir.


    Lg. Astrid

  • Liebe Christine ,


    Ich danke dir für die ausführliche Aufklärung , denn diesbezüglich habe ich keinerlei Erfahrung .


    Ich bewundere deine Offenheit und durch diese Lebenserfahrung die du gemacht hast , kannst du dich neben deiner Berufsausbildung ja sehr gut hineingehen.


    LG Petra

  • Liebe Astrid,
    Ja so eine Liste hatte ich schon mal, nur das ich meistens für eine Strecke schon 50km fahren müsste. Die die in der Nähe war ist auch weg gegangen. Zur Zeit ist es gleich schwer denn es wird Anfang August ein Jahr her sehr als es passierte und das ist halt gerade auch im Vordergrund.
    Naja anderen diese Ratschläge zu geben kann ich aber was mich selbst betrifft da bekomme ich es einfach nicht hin. Und lieb zu mir selbst sein davon bin ich auch weit weg.


    LG

  • Liebe Natascha,
    vielleicht magst du mit einem Versuch starten: massiere dir jeden Abend ganz langsam und sorgsam deine Hände mit einem feinen Öl. Das kann sowohl ein Oliven- oder Sonnenblumenöl sein oder eines mit einem feinen Duft. Schau dir deine Hände dabei genau an und denk daran wie wertvoll sie sind, was sie den ganzen Tag für dich tun.
    Wenn du deine Hände nicht so gerne magst, dann nimm einen anderen Körperteil.
    Gut zu sich zu sein, beginnt mit ganz kleinen Schritten. Könnte das einer sein?


    Hättest du jemanden der dich zu Therapie begleiten könnte? Oder gibt es vielleicht eine Klinik, in der du gut aufgehoben wärst?


    Hast du schon eine Idee, wie du den Jahrestag begehen möchtest? Die Erfahrung hat mir gezeigt, dass es zu planen und vielleicht ein Ritual zu entwickeln, helfen kann diesen Tag leichter zu überleben.


    Lg. und einen erträglichen Tag wünscht dir
    Astrid.

  • Liebe Natascha,


    darf ich dich fragen, ob du eine Strategie für deine Trauerverarbeitung hast oder ist der Verlust noch zu nah und überwältigend, als das du an aktive Trauerarbeit gar nicht denken kannst?


    Liebe Grüße,


    Christian

  • Liebe Astrid,
    Das mit dem achtsam einschmieren, ist an sich eine gut Idee, wenn man es ja. Denn ich verachte mich und meinen Körper, daher ist das für mich nicht möglich. Ja also ich habe eine Betreuerin die mich dahin begleiten würde, aber ich habe schon einen Antrag für eine Klinik gestellt wo ich 2015 auch schon war und daher bringt es mir jetzt nichts einen Therapeuten vorab zu besuchen.
    Nein leider habe ich noch keine Idee wie ich diesen Tag gestalten möchte, weil ich nicht weiß was zur Zeit gut wäre. Aber ich werde auf jeden Fall noch mal drüber nachdenken was geht.


    LG
    Natascha

  • Liebe Natascha


    Schön, dass Du Dich hier so öffnen kann und so herzlich aufgenommen wurdest.


    Ich habe das Bedürfnis Dir zu schreiben, weil ich Deine Problematik verstehe.


    Ich habe mich früher geschnitten und kenne immer noch die Gefühle dahinter, doch ich habe schon lange nicht mehr das Bedürfnis es zu tun (über 20 Jahre).


    Ich sehe eine Gefahr die Persönlichkeit an eine Diagnose zu koppeln (Borderline). Man ist nicht die Krankheit, genauso wie man nicht der Krebs wäre, man ist individuell und man hat Gefühle, die gerade vielleicht anders sind wie bei anderen. Doch wissen wir wirklich wie die anderen fühlen?

    Klarheit im Sehen und Spüren wäre eigentlich ein Geschenk. Doch dieses Geschenk kann man nicht annehmen, weil man nicht weiss, was sich dahinter verbirgt. Es macht Angst.


    Und Trauer ist auch für mich ein sehr tiefes intensives Gefühl, bei dem man denkt es nicht händeln zu können. Es ist überwältigend.


    Mein Weg war da durch zu gehen und alles zu fühlen und mir alles zu erlauben was ich fühlte und was ich dabei dachte ohne Urteil. Und mich tief fallen zu lassen mit einer Musik, die mich durch diese Gefühle sanft trägt und auffängt. Komischerweise sind für mich gerade die melancholischen Stücke die Seelentröstenden.


    Ich wünsche Dir mehr leichte Momente und das Leben mit Gefühlen


    Liebe Grüsse


    Katarina

  • Liebe Katarina,
    danke das du mir geantwortet hast. Das du es schon 20 Jahre geschafft hast dich nicht selbst zu verletzen finde ich echt klasse. Hatte es auch eine lange Zeit ohne geschafft bis dann meine Störung wieder mehr im Vordergrund war. Nein ob es mit den Gefühlen wirklich so stimmt, das weiß ich nicht. Mir wurde es immer nur in der Klinik so erzählt. Ja das ist so weil man nie weiß was kommt danach. Was man ja gerne vorher wissen möchte deswegen macht es auch solche Angst. Ich liebe Musik, konnte aber lange keine hören durch Tavor. Jetzt geht es wieder und ich kann mich endlich wieder auf das Lied konzentrieren.


    Danke für deine Wünsche.
    LG
    Natascha