Anfassen bei Aufbahrung?!

  • Hallo,


    ich/wir haben eine Frage, die uns schon ein ganzes Jahr beschäftigt.
    Als unsere Oma starb, wurde sie "zurecht gemacht" bevor wir sie sehen konnten. Der Anblick war dennoch erschreckend.
    Aber als wir sie berühren wollten, zum Abschied, wurde uns das von der Bestatterin untersagt, mit dem Argument: Tote fasst man nicht an, sie verändern sich dadurch! (??)


    Stimmt das denn überhaupt?
    In diesem Moment haben wir nicht genauer nachgefragt, was wir heute bereuen...denn ist es nicht rückgängig zu machen.



    Danke für evtl. Antworten!


    Gruß
    Heike & Familie

  • Hallo liebe Heike!


    Hab grad mal ein wenig gegoogelt, weil mich dein Thema jetzt doch neugierig gemacht hat.


    Zitat

    Um wirklich Abschied nehmen zu können, ist es für die meisten Menschen wichtig, die tote Person in ihrer Nähe zu haben - sie noch einmal greifbar zu erleben. Dies ist schon seit vielen Jahrhunderten bekannt. Deshalb gehört die Aufbahrung von Toten auch zu den uralten Bestattungsriten. So können Sie mit dem Verstorbene noch einmal reden, ihm Dinge sagen, die für Sie wichtig sind, ihn anfassen, streicheln, bei ihm weinen - ihren Gefühlen freien Laut lassen.


    Quelle:stillgeboren.de

    Notwendig ist im Augenblick des Todes ein unbesiegbarer Glaube voll höchster geistiger Gelassenheit.

  • Liebe Heike,


    das Berühren des verstorbenen Menschen ist eine sehr elementare Erfahrung beim Gang zum offenen Sarg. Wenn ich einen Abschied begleite, dann achte ich sogar darauf, dass die Angehörigen Ihren Verstorbenen berühren, streicheln und wenn sie es möchten auch küssen.


    Es gibt keinen Grund, den Leichnam eines verstorbenen Menschen nicht anzufassen.


    Hier noch ein paar hilfreiche Texte dazu - vielleicht solltest Du der Bestatterin diese Links zukommen lassen?


    Was geschieht bei der Versorgung? Klicke hier


    Sind Leichen giftig? Klicke hier


    Warum ist die Begegnung am offenen Sarg wichtig? Klicke hier


    Liebe Grüße,
    Markus

  • Liebe Heike!


    Tote verändern sich natürlich nicht, wenn man sie anfasst - auch nicht im metaphysischen Sinn!


    Und Christiane hat das sehr treffend gegoogelt - ich kann aus eigener Erfahrung nämlich bestätigen, dass es für viele Angehörige wichtig ist, den Verstorbenen noch einmal zu berühren.


    Natürlich ist so eine Verabschiedung am offenen Sarg richtig vorzubereiten - eine Beschreibung der Örtlichkeit und auch des Zustandes des Verstorbenen und ein langsames, begleitetes Heranführen an den Verstorbenen kann das "Erschreckende" des Anblickes oft verhindern.


    Aber im Nachhinein ist es natürlich leicht klüger zu sein -
    wie Du bereits richtig erwähnt hast: "...denn es ist nicht rückgängig zu machen".


    Vielleicht kannst Du meiner Kollegin ein kurzes Feedback darüber geben wie Du die Verabschiedungssituation empfunden hast. Ich glaube nämlich nicht, dass sie diese Aussage aus Böswilligkeit oder Desinteresse an Euren Gefühlen geäußert hat - das war sicher nur eine zurechtgebastelte Schutzbehauptung, weil sie, so wie die meisten meiner Bestatterkollegen, einfach noch nicht mit den immer öfter auftretendem Wunsch nach einem Abschied am offenen Sarg umgehen kann. Wenn Du ihr aber sagst, wie wichtig das für Dich gewesen wäre (sicher wichtiger als das Sargmodell oder die Größe der Todesanzeige) wird bei ihr sicher ein Umdenkprozess stattfinden und sie wird sich mit dem Thema in Zukunft sicher mehr auseinandersetzen - schließlich sind wir Bestatter auch Unternehmer und wir leben davon, dass unsere Auftraggeber mit den erbrachten Leistungen zufrieden sind.


    Martin

  • Danke für die Links, ich hab mir alles durchgelesen und ich fand es sehr informativ.


    Mir kam diese Aussage im Nachhinein auch seltsam vor, habe es aber so hingenommen, ich weiß nicht warum.


    Schade, dass ich dieses Wissen nicht schon vorher hatte...aber man beschäftigt sich meist erst mit solchen Dingen, wenn sie aktuell sind.


    Gruß
    heike, sandra, björn und tanja

  • Hallo Heike,
    ich kann mich meinen"Vorrednern" nur anschließen!Ich spreche jetzt als Trauernde(mein Vati ist im Januar plötzl.gestorben)-kann mir nicht vorstellen ihn zum Abschied nicht berührt zu haben.Das hätte mir niemand untersagen dürfen!Auch meine Tochter(erst11 Jahre) hat sich streichelnd von ihrem lieben Opa verabschiedet!! ;( Er hat sich natürlich nicht verändert!Außerdem spreche ich als Krankenschwester.Der Tod gehört zum Leben,natürlich hat mancher Berührungsängste.Aber man handelt dann instinktiv richtig.Tote sind,wie Markus sagt nicht giftig,wieso denn auch?
    Schade,das man euch einen solchen Rat(nicht berühren)gegeben hat.
    Liebe Grüße von Karla

    Mein Kind Juliane,
    Mein Bruder Rene,
    Mein lieber Vati,
    Ihr seid mir nur einen Schritt voraus-tief in meinem Herzen lebt ihr weiter :005:

  • Bei uns war es so dass sowohl Stiefpapa als meine Mama nicht im Sarg augebahrt lagen. Sie lagen jeweils in ein "Einzelzimmer" sehr würdevoll gehalten und lagen auf ein Art Bett. Dadurch habe ich mich auf jeden Fall leichter getan sie zu berühren. Bei meinem Stiefvater war es eher zaghaft. Aber bei meine Mama... ich habe sie in meine Armen genommen, geküsst, gestreichelt... es ist doch MEINE Mama. Und obwohl sie durch den Unfall schwer entstellt war, ist es für mich die wichtigste Entscheidung gewesen, nochmal bei ihr zu sein.
    Wir waren mal mit die Geschwister zusammen, ich und meinem Mann und ich dann ganz alleine... Das schlimmste war als wir das letzte Mal bei ihr waren vor dass sie zum Krematorium überführt wurde... ich konnte kaum ihr Zimmer verlassen. Am nächsten Tag war dann die Verabschiedung.
    Also für mich ist es unheimlich wichtig gewesen meine Mama zu berühren und zu küssen.
    Katrien

    Alles wird gut. Es gibt viel Trauriges auf der Welt und viel Schönes. Manchmal scheint das Traurige mehr Gewalt zu haben, als man ertragen kann, doch dann stärkt sich indessen das Schöne und berührt wieder unsere Seele. (Hugo von Hofmannsthal)

  • Liebe Katrien,


    danke für diesen Beitrag. Das ist durchwegs die Erfahrung, die wir bei den Abschieden machen und ich bin außerdem der Meinung, dass zum Abschied unbedingt Berührungen gehören. Wenn wir uns im Leben verabschieden, dann geben wir uns ja auch die Hand oder umarmen uns. Umso wichtiger ist das beim letzten Abschied!


    AL


    Christine