Hallo zusammen,
ich bin Simone, 32, aus Bonn und seit 23.12.2017 total aus dem Gleichgewicht. Mir wurde geraten mich mit anderen auszutauschen und ich hoffe, dass dies hier möglich ist.
Ich bekam am 23.12 einen Anruf auf mein Handy. Ich erkannte die Nummer meines Vaters und freute mich. Ich dachte er würde anrufen, um zu fragen, wann wir uns am nächsten Tag (heilig Abend) treffen wollten. Leider war nicht mein Vater am Apparat, sondern sein Freund Haegar. Er war sehr aufgeregt und erzählte mir, dass mein Vater am Tag zuvor während seiner Arbeit als Kurierfahrer für Arzneimittel einen Herzinfarkt erlitten habe und im Herzzentrum in Köln liege. In dem Moment war ich erstarrt, meine Ohren sausten, mein Herz schlug wie wild. Das konnte doch nicht sein?!
Haegar erzählte mir im Schnellverfahren, was passiert war und das ich und mein Bruder Felix uns schnellstmöglich in der Klinik melden sollten. Ich rief erstmal meine Mutter an (die beiden waren schon lange geschieden, aber noch befreundet und Familienfeste feierten wir immer zusammen), da es meinem Bruder nicht gut ging (Probleme mit Mobbing auf der Arbeit). Sie war entsetzt und wir vereinbarten, uns gemeinsam bei ihr zu treffen und es meinem Bruder gemeinsam zu sagen. Gesagt, getan. Mein Bruder nahm es still und geschockt auf. Wir riefen dann gemeinsam in der Klinik an und erfuhren die Basisdaten: Am 22.12 um ca. 11 Uhr brach mein Vater beim Verlassen einer Apotheke seiner Tour leblos zusammen. Er hatte keine Vitalzeichen mehr und wurde 25 Minuten wiederbelebt. Die Ärzte diagnostizierten dann eine schwere beidseitige Lungenentzündung, die einen Herzinfarkt ausgelöst hatte. Wir fuhren dann nach Köln. Es war furchtbar. Allein schon der Aufbau dieser Station, man muss klingeln, kommt in einen Warteraum und wird dann irgendwann abgeholt. Man darf maximal zu zweit rein. Mit bangem Herzen gingen mein Bruder und ich hinein. Ich sah meinen Vater in einem Bett, an Schläuche und Monitore angeschlossen, bewusstlos, nackt und zusammengefallen liegen. Ich versuchte Fassung zu bewahren, was mir nur teilweise gelang. Die Ärztin kam zu uns und schilderte uns den Zustand und die Prognose. Zu dem Zeitpunkt bestand noch Hoffnung, was uns erstmal in eine gewisse brüchige Sicherheit einlullte. Ich redete mit meinem Vater, streichelte ihm den Arm und begann mir ein dünnes Hoffnungskorsett umzuschnüren. Als wir zu Hause ankamen, waren wir fix und fertig. Wir redeten noch lange und verbrachten eine schlaflose Nacht. An den nächsten beiden Tagen waren wir im Krankenhaus und haben die restliche Zeit gemeinsam verbracht. Es war sehr schlimm, angsterfüllt und anstrengend. Da wir kein Auto besitzen, mussten wir mit Zug und öffentlichen Verkehrsmitteln fahren. Meine Mutter zog sich in der Zeit einen schweren grippalen Infekt zu und konnte uns daher nicht mehr begleiten. Am 27.12 haben wir dann den ersten Dämpfer bekommen. Mein Vater wachte nicht auf und die Hirndiagnostik konnte noch nicht durchgeführt werden (wie wir später erfuhren, da kein Personal da war). Mein Bruder und ich machten uns immer mehr Sorgen. Es war kaum zu ertragen, unseren geliebten Papa so hilflos daliegen zu sehen. Der nächste brachte dann leider die erste schlimme Diagnose: Sein Hirn-CT zeigte eine massive Hirnschwellung, was darauf hindeutete, dass die Reanimation (25 Minuten) nicht gewirkt hat und große Teile des Gehirns abgestorben seien. Die Ärztin stellte die Prognose, dass er im günstigsten Fall ein Schwerstpflegefall bleiben würde. Weitere Tests seien aber von Nöten. Nach dieser Hammerdiagnose bin ich zum ersten Mal völlig zusammengebrochen. Ich weinte und konnte mich schwer beruhigen. Ab dem darauf folgenden Tag wurde ich dann richtig wütend. Eine andere (nicht sehr kompetente) Ärztin, wollte uns auf einmal einreden, dass ja alles gar nicht so schlimm wäre und sie ihn ja auf jeden Fall "ans Atmen kriegen würden". Wir hatten mehrmals betont, dass mein Vater so ein "Leben" nicht gewollt hätte, da er aber leider keine Patientenverfügung hinterlegt hat (die wir schon in der Wohnung, bei Ärzten, Notaren und Freunden gesucht hatten), hatten wir keine Handhabe. Stichtag für den abschließenden Bericht war nun der 2.1.18. Ich war so wütend, dass ich die nächsten Tage nicht mehr hin konnte. An Neujahr war ich mit meinem Bruder da und an dem Tag war zum Glück der leitende Oberarzt wieder im Haus, der mit uns sehr einfühlsam und ehrlich alles besprochen hat. Am 2.1 lagen alle Ergebnisse vor: Das Hirn war massiv geschädigt. Lediglich die Stammhirnfunktionen (Reflexe etc.) war noch in Teilen aktiv. Schweren Herzens, aber immer mit den Wünschen unseres Vaters im Hinterkopf, veranlassten wir mit Hilfe des Arztes, dass die lebenserhaltenden Maßnahmen abgestellt wurden und mein Vater gehen durfte. Da sein Atemreflex noch aktiv war dauerte es noch bis zum 5.1 bis er verstarb. Es war quälend und grausam für uns. Er hat hoffentlich nichts gespürt. Wir haben uns lange von Ihm verabschiedet. Da es ein großer Raum mit vielen Betten war, wo ständig Patienten, Angehörige, Ärzte und Schwestern zugegen waren, war es keine sehr intime Situation. Ich fühlte mich beobachtet und konnte meine Gefühle nicht so zum Ausdruck bringen, wie ich es gerne gemacht hätte. Dies vor anderen zu tun fiel mir immer schon schwer. Außerdem musste ich immer daran denken, was die Ärzte gesagt hatten, dass er nichts mitbekommt. Den Anruf bekam ich am 5.1 um 23.26 Uhr. Ich war einerseits erleichtert, dass er nicht mehr dahinvegetieren musste, andererseits aber zutiefst erschüttert. Ich meine, eine Welt ohne meinen Papa, das geht doch gar nicht!!! Es ist so surreal. Die Tage und Wochen danach verbrachte ich wie auf Autopilot. Wir mussten so viele furchtbare, aber notwenige Dinge tun. Beerdigung organisieren, Papiere ordnen, Testament suchen (es gab keins), Wohnung anfangen auf-bzw. auszuräumen. Diese ständige Konfrontation konnte ich nur so ertragen, indem ich mich emotional abkapselte. Ich meine wir mussten alle Fotos sichten (und wir hatten so viele schöne Erinnerungen - Urlaube, Feste, Besuche an den Wochenenden etc.), seine Sachen durchwühlen und alles materialisierte 10000ende von Erinnerungen. Was gut ist, dass wir nicht schweigen, sondern reden, das hilft manchmal. Aber alles reden der Welt bringt mir meinen Papa nicht zurück. Und das ist das Einzige, was ich mir wünsche. Besonders bitter für mich ist, dass wir Weihnachten nicht mehr zusammen hatten. Das war unser höchstes Familienfest. Das haben wir nie ohne einander verbracht. Immer gemeinsam gegessen, gespielt, gelacht. Silvester, Geburtstag meiner Mutter, Karneval.....alles ohne Papa.....mir graut schon vor meinem Geburtstag am 10.3. Die Beerdigung war die Hölle. Mein Bruder und ich waren der Mittelpunkt, die meisten Leute kannte ich gar nicht oder nur entfernt. Familie die sich sonst einen Dreck kümmert, kommt unter den Steinen hervor und tut ach so betroffen. Und alles was mir bleibt, ist freundlich zu lächeln und für die Anteilnahme zu danken. Ich habe das für meinen Vater gemacht. Weil Ihm Familie immer über alles ging. Das ist bei mir auch so, aber ich sehe nur meine Mutter, meinen Vater und meinen Bruder als meine Familie an. Die anderen haben mich zu oft enttäuscht. So --das Aufschreiben hat mich jetzt echt viel gekostet.....hab lange überlegt....das ist längst nicht alles was mich beschäftigt, aber ein guter Teil.
Mein Problem ist seit letzter Woche geht es mir richtig dreckig. Ich bin in richtig depressiver Stimmung, ständig krank und sehe im Moment keinen Ausweg. Ist das normal?
Ich meine ich weiß, dass mein Papa das nicht gewollt hätte. Dass wir alle traurig sind. Aber ich kann es nicht abstellen und es lähmt mich im Moment. Ich bin zwischendurch immer wieder arbeiten gegangen, konnte es aber auf Dauer nicht. Die Akkus waren immer sofort wieder leer. Wann hört das auf? Was kann ich tun?