Mutter und Freundin verloren

  • Die Zeit vergeht einfach weiterhin...am Donnerstag vor einem Jahr wurde meine Mom operiert - man entfernte ihr erfolgreich den rechten Lungenflügel. Ich bangte Zuhause und wartete auf die Nachricht des Operateurs, dass alles gut gegangen sei. Als er anrief und dann sogar noch mitteilte, dass im entfernten Gewebe nicht einmal mehr aktive Tumorzellen nachweisbar sind, war ich so glücklich und fuhr direkt in die Klinik um meiner Mom diese tolle Nachricht zu überbringen.

    Obwohl sie noch sehr schwach war, spaßten wir darüber, dass sie nun ihren Krebs beerdigt habe und nächstes Jahr "Geburtstag" gefeiert wird...?(.

    Das ist nun schon ein Jahr her, aber es kommt mir noch so nah vor. Dieses Hochgefühl war so schön. Leider hielt es so gar nicht lange.


    Gestern hatte mein Bruder Geburtstag. Letztes Jahr konnte unsere Mom durch die OP auch nicht dabei sein. Dennoch war es gestern sehr merkwürdig, dass sie nicht dabei war. Es fehlte einfach etwas...es fehlte jemand ?.


    Ja und heute haben wir den 1.12....jeder fängt an die Vorweihnachtszeit zu genießen. Ich habe heute auch den Adventskranz für morgen aufgestellt - meine Tochter freut sich auf diese Zeit, aber für mich ist es noch sehr befremdlich.


    Ich gehe heute schon eher ins Bett und wünsche euch allen eine erholsame Nacht

  • Meine Mom wurde 54 Jahre alt. Meine Tochter ist noch nicht ganz 3 Jahre alt und mein Sohn ist 6 Monate.


    Meine Tochter liebt ihre Oma...jetzt erinnert sie sich noch an manche Momente und z.B. auch was sie zuletzt von ihr bekommen hat. Aber ich habe Angst, denn sie wird es wahrscheinlich vergessen bzw. die Erinnerungen werden verblassen.

  • Das ist sehr jung - auf beiden Seiten! Meine Kinder waren 5 und 2 Jahre alt und mein drittes Kind noch nicht geboren, als meine Mutter schwer krank wurde, Ich habe noch eine Nachricht von meiner Mutter auf dem Anrufbeantworter, in der sie meinem Sohn zum 5. Geburtstag gratuliert. Mit das Schlimmste für mich war, als ich ihm diese vorspielte und er fragte: "Wer ist das?". Er hatte ihre Stimme vergessen.

    Ich erzähle ihnen viel davon, wie ihre Oma früher war, was sie mit ihnen gemacht hat, und von den Dingen, von denen ich weiß, dass sie sie so gern als Oma mit ihnen getan hätte. Manchmal sagen meine Kinder jetzt schon von allein, dass Oma dieses oder jenes sicher bestimmt auch mit ihnen gemacht hätte, wenn sie könnte. Ich denke, sie spüren die LIebe meiner Mutter zu ihnen durch mich und meine Erzählungen davon, aber für mich ist es trotzdem sehr schwer auszuhalten. Besonders, wenn andere nebenbei erzählen, dass die Oma am Wochende kommt, oder die Kinder in dern Ferien eine Oma-Woche machen und noch schlimmer, wenn andere sich darüber beschweren, dass die Großeltern die Kinder so verwöhnen oder Zeit mit ihnen verbringen möchten, oder die "falschen" Geschenke oder Klamotten aussuchen. Ich kann genau vor mir sehen, wie unser Leben gewesen wäre, wäre alles anders gekommen - meine Kinder können das nicht, weil sie zu klein waren. Meine Schwiegereltern sind weit weg und haben kaum Interesse an den Kindern, das macht es doppelt schwer. Aber meine Kinder sind trotzdem glücklich. Die Trauer liegt hauptsächlich bei mir. Sie nehmen die DInge so, wie sie sind und wissen ja nicht, was ihnen fehlt.

  • Ich habe von deinem Schicksal gelesen und es tat mir wirklich weh beim Lesen. In vielen Punkten habe ich auch Situationen oder Gefühle gelesen, welche sehr zu meiner Mom und mir gepasst haben.

    Auf meinem Handy habe ich auch Sprachnachrichten meiner Mom...die neuste war gerade mal zwei Wochen alt als meine Mom eingeschlafen ist - sie hatte mir zum Geburtstag gratuliert. Ich höre diese Nachricht oft an, einfach weil ich ihre Stimme nicht vergessen möchte.

    Meine Kinder werden sie wahrscheinlich beide später nicht erkennen.

    Leider habe ich auch niemanden mit dem ich wirklich Erinnerungen teilen kann - das Verhältnis zu meinem Vater ist eher eine weitere Baustelle.


    Ich wünsche dir von Herzen, dass du die Trauer annehmen kannst, auch wenn deine Mama noch lebt.

    Bei meiner Oma vor einigen Jahren habe ich es immer als zwei Todesnachrichten verstanden...das erste Mal starb sie, als sie einen schweren Schlaganfall hatte (sie lag danach nur noch im Bett, war voll pflegebedürftig und konnte sich nicht mehr mitteilen) und das zweite mal starb sie an dem Tag, an welchem ihr Herz die Funktion eingestellt hatte...dazwischen lagen auch ca drei Jahre.


    Ich würde sehr wohl behaupten, dass man in einem solchen Fall trauert bzw trauen darf.

    Ich trauere im Grunde auch seit wir von den Metastasen erfahren hatten....

  • Manche Tage sind einfach doof! In so einer Phase befinde ich mich...ich hänge irgendwie in einem Loch.

    Dazu kam nun noch, dass wir ein Haus zum Kauf gefunden hatten, welches uns endlich zusagen würde. Es liegt etwas über unserem Budget, dennoch wollten wir es versuchen. Es wird uns nun aber nicht finanziert, da ich in Elternzeit bin und kein Einkommen heim bringe.

    Ein kleiner zusätzlicher Tiefschlag.


    Dann gestern die Mitteilung meines Bruders - sie werden nochmal Eltern. Termin im Juni. Bisher alles gut. Statt mich zu freuen habe ich Angst wann der tatsächliche Geburtstag des Babys sein wird und hoffe hoffe hoffe so sehr, dass es nicht am gleichen Tag sein wird wie Mom eingeschlafen ist. Ich kann mir innerlich einfach nicht vorstellen wie ich meiner Nichte/ meinem Neffen an diesem Tag zum Geburtstag gratulieren soll ?.


    Ach einfach nicht mein Tag. Ich finde alles im Moment unerträglich und wäre am liebsten den ganzen Tag über im Bett und alleine...

  • Das Loch hält mich gefangen...ich komme nicht richtig heraus. Alles ist so unglaublich anstrengend im Moment und für alles muss ich mich rechtfertigen.

    Weihnachten steht vor der Türe, es belastet mich! Letztes Jahr waren meine Eltern bei uns - welch ein glückliches Fest...dieses Jahr muss ich das aller erste Weihnachten ohne meine Mom bestreiten und da ist es mir nicht nach großen Familienfesten...

    Meine Tanten (Schwestern meiner Mom) scheinen es zu versehen und überlassen es mir, ob ich zum Familientreffen komme oder nicht.

    Anders bei meiner Schwiegerseite..."ich könne meinen Kindern doch Weihnachten nicht nehmen" oder "ich wäre es meinen Kindern schuldig" ?.

    Meine Große ist noch nicht mal ganz drei. Sie wird sich später wahrscheinlich nicht daran erinnern und ich will ihr Weihnachten ja nicht nehmen...Zuhause ist ja auch Weihnachten. Ich kann gerade nur mit dem Gedanken an glückliche, feiernde, sich liebende Familien nicht umgehen.

    Warum versteht das denn keiner? Ist das so eine Ausnahme?

  • Hallo Regentropfen,


    Weihnachten ist schwer für trauernde Angehörige. Je enger die Beziehung desto schwerer wahrscheinlich.

    Was hast du denn geplant, wie möchtest du es gestalten? Ich meine jetzt in Bezug auf deine Kinder?

    Ich finde es trotz der Schwere auch eine Ablenkung. Und ich freue mich mit. Mit meinen Kindern. Die Unbeschwertheit tut auch mir gut.

    In nichtmal 3 Wochen ist diese Zeit vorbei, dann wird es für dich bestimmt ein klein wenig leichter. Vielleicht hilft dir dieser Gedanke etwas.

    Fühl dich gedrückt,

    Vilja

  • Hallo Vilja.

    Vielen Dank für deine liebe Nachricht. Genau vorgestellt habe ich mir zu Weihnachten noch nichts...es wird einen Baum geben, an Heilig Abend werden wir schön kochen und gemeinsam essen und zur Nacht auf den 25. kommt das Christkind sodass unsere Tochter am 25. auspacken und "spielen" kann. Weiter bin ich nicht.

    Am 25. hat meine Tante (Schwester meiner Mama) eingeladen und am 26. meine Schwiegereltern, aber bei beiden habe ich noch nicht zugesagt weil ich schlichtweg Angst habe ?. Erst vorhin wurde ich von meiner Hebamme ganz direkt gefragt wie ich durch die Adventszeit komme und beim Antworten musste ich die Tränen unterdrücken...mir fehlt derzeit noch jegliche Kontrolle über mich was das Weinen angeht...

  • Die Einladungen an Weihnachten - kannst du es dir offen halten?

    Zusagen mit dem Zusatz, "Ich würde gerne kommen, weiß nur noch nicht, wie es mir dann geht. Es könnte sein, dass ich nur auf einen kleinen Sprung vorbei komme, weil mir im Moment alles schnell zu viel wird. Und es könnte sein, dass ich doch länger bleibe. Ist das ein Problem, wenn wir das so offen halten? Dann habe ich weniger Angst davor."


    Und für dich selber den Vorsatz, hinzugehen und wirklich auf dich zu achten. Wenn du nach 5 Minuten wieder gehen magst, dann tu das. Und wenn es fein ist, dann bleibe. Doch den Versuch hin zu gehen, würde ich dir wünschen. Denn es wird sich jedes Jahr wiederholen und um so länger du wartest, um so schwerer wird es werden.

    Das sind einfach meine Gedanken dazu. Ich wünsche dir, dass die Tage erträglich für dich - und für alle hier - werden.


    Lg. Astrid.

  • Liebe Astrid.


    Vielen Dank für deine Gedanken. Es klingt wirklich sehr gut...die Schwachstelle die ich sehe, ist die Entfernung ?. Meine Tante wohnt bei gutem Verkehr 1,5h weg und meine Schwiegereltern 45-60 Minuten. Besonders mit dem Kleinen sind solche Strecken nur zu meistern wenn dazwischen gut Zeit vergeht. Zwei Stunden packt er gut...alles drüber wird schwierig.


    Wir sind wegen einer Stelle meines Mannes vor zwei Jahren "weg" gezogen. Für meine Mom war das sehr sehr schlimm. Als dann ein halbes Jahr später die Diagnose kam, hab ich mich schuldig gefühlt und tue es noch ?. Aber das ist ein anderes Thema...


    Einen guten Tag euch allen

  • Hallo Regentropfen,


    erst jetzt habe ich deine Antwort gelesen. Ich danke dir dafür. Für mich ist es tatsächlich also ob meine Mutter auch zweimal sterben wird. Einmal körperlich und an dem Tag als sie die Diagnose bekommen hat, ist sie auch gestorben. Danach war sie nie wieder wie vorher, sie hat sich und das Leben aufgegeben. Es ist Mitternacht und ich sitze hier wieder und kann nicht schlafen und muss weinen. Die schweren Phasen kommen und gehen. Im Moment ist es gerade wieder sehr schwer. Das liegt sicher auch mit an Weihnachten. Früher war das immer ein schönes Fest, heute bin ich total unter Druck, Stress und Spannung, wenn meine Eltern kommen. Ich kann nie wissen, ob meine Mama wieder einen Weinkrampf bekommt und meine Kinder dann wieder Angst bekommen, ob mein Vater seine Überforderug an mir auslässt und mich wüst beschimpft. Ich bin für alle zuständig. Meine Aufgabe ist es, allen irgendwie einen schönen Abend zu bereiten, was für mich selbst schön und gut wäre, das spielt keine Rolle mehr seitdem meine Mutter krank ist. Das ist zum Teil okay und ich weiß, es ist eben so und geht nicht anders, auf der anderen Seite mache ich das jetzt seit vier Jahren und frage mich, wann kann ich denn mal wieder Luft holen. Heute Abend habe ich meiner Mama ein paar Zeilen aufgeschrieben, die ich ihr nie schicken werde, denn es würde ihr Leid nur noch größer machen. Aber wohin mit diesen Zeilen? Mit diesen Worten? Wen interessieren sie? Niemand. Und dann scheint es so sinnlos sie zu schreiben. Trotzdem schreibe ich sie jetzt hier einmal auf, dann liest sie wenigstens jemand. Dann ist es nicht, als sei der ganze Schmerz, der mich in Stücke zerreist nicht da. Denn allen anderen darf ich ihn nicht zeigen. Immer nur funktionieren, für die anderen da sein.


    "Liebe Mama du fehlst mir jeden Tag, jede Minute und jede Nacht. Wie gern würde ich deine Stimme hören und mich in deine Arme werfen und mich trösten lassen. Einmal schwach sein dürfen, einmal Trost finden, mich sicher und zu Hause fühlen. Einmal nicht alles wissen müssen, trösten müssen, stark sein müssen, verantwortlich sein. Einmal nur geliebtes Kind sein, sonst nichts. Nichts müssen, nur sein. Ich weiß du kannst das alles nicht mehr und es bricht dir und mir das Herz. Du fehlst mir so sehr, das sich schreien und um mich schlagen möchte und gleichzeitig hilflos zu boden sinke und nichts davon tue, weil es ja doch nichts ändert."

  • Achso, was ich dir noch sagen möchte, Regentropfen

    - wir hatten ursprünglich vor im Ausland zu leben. Mein Mann kommt nicht aus Deutschland und sprach damals die Sprache auch noch nicht gut. Als die Diagnose kam, war ich damals sehr froh, dass es dann doch nicht so gekommen war und wir quasi "vor Ort" (eine Stunde Fahrt) sind. Für meine Mutter ist das so sicher besser und gut. Aber manchmal, an schlimmen Tagen, denke ich auch, dass es für mich auf eine Art leichter gewesen wäre, weiter weg zu sein. Nicht immer vor Augen zu haben, wie immer weniger von ihr übrig ist. Nicht immer da zu sein, als diejenige auf der man all seine dunklen, trüben Gedanken ablädt. Ich denke manchmal, ich wäre dann vielleicht eine bessere Mutter. Mehr bei meinen Kindern, weniger mit dem Kopf woanders. Wahrscheinlich wäre es einfach auf andere Art sehr schwer, wenn es anders wäre. Aber ich denke das trotzdem manchmal und dann fühle ich mich deswegen schuldig. Ich glaube, wir fühlen uns immer schuldig, egal wo wir sind, weil wir immer das Beste für unsere Mutter wollen. Tief drinnen weiß ich, sie will auch das Beste für mich und das es mir gut geht, aber seit sie krank ist hat sie sich auch da sehr verändert. Manchmal ist es, also ob sie der Meinung ist, es leidet sowieso niemand so wie sie, deswegen ist es auch in Ordnung, wenn andere leiden müssen. Das hört sich gemein an und ich fühle mich auch sofort schuldig, wenn ich das so schreibe, dann natürlich ist es für sie am Schlimmsten. Aber es gibt Momente, da empfinde ich das so.

  • Liebe Nordlys,


    das ist zwar der Beitrag von Regentropfen, aber deine Zeilen haben mich sehr bewegt, drum möchte ich dir hier kurz antworten. Ich möchte dir sagen dass MICH deine Zeilen interessieren!!!

    Es stimmt mich sehr traurig wenn ich deine Zeilen lese.

    Du schreibst: "Ich bin für alle zuständig. Meine Aufgabe ist es, allen irgendwie einen schönen Abend zu bereiten, was für mich selbst schön und gut wäre, das spielt keine Rolle mehr seitdem meine Mutter krank ist. Das ist zum Teil okay und ich weiß, es ist eben so und geht nicht anders, auf der anderen Seite mache ich das jetzt seit vier Jahren und frage mich, wann kann ich denn mal wieder Luft holen."


    Ich verstehe es einerseits weil ich auch lange Zeit diese "Rolle" in der Familie hatte und teilweise noch habe. Ich habe sie mir aber selber auferlegt. Als Kind auferlegt bekommen habe ich sie als Erwachsene fortgeführt. Und es ging mir nicht gut damit.


    Es ist schön, dass du für deine Familie und vor allem deine kranke Mutter da bist.

    Aber auch dein Leben zieht weiter. Bitte achte auch auf dich. Du bist für niemanden mehr da wenn du selber krank wirst. In erster Linie musst du auch dir treu sein.


    Ich kenne es auch, dass ich enttäuscht war, da ich meine Mutter so egozentrisch wahrgenommen habe. Als sei sie neidisch auf alle die gesund sind. Das war sie wohl auch, in Kübler-Ross habe ich darüber gelesen. Einerseits war ich enttäuscht und traurig und fühlte mich schuldig. Ich dachte: " ist die Erkrankung meiner Mutter nicht so schwerwiegend, dass man ihr alles verzeihen muss?"


    Ich wünsche dir alles Liebe und viel Kraft, vor allem für dich, dass du kleine Momente findest um Kraft zu tanken!


    Vilja

  • Liebe Nordlys.

    Vielen Dank für deine Worte und auch mich interessieren deine Worte an deine Mutter. Ich weiß nicht in wie weit du noch mit ihr kommunizieren kannst, aber ich glaube, sie würde wissen wollen, wie es dir geht.

    Aber allein das Aufschreiben finde ich gut und auch wichtig. Ich selbst sehne mich manchmal danach, Briefe zu schreiben, aber so blöd es klingt, mir fehlt irgendwie die Zeit dazu.

    Kann sich deine Mutter noch mitteilen? Hast du das Gefühl, sie nimmt noch teil an deinem Leben? Wenn ja, vllt kannst du ein paar wenige Gefühle äußern...vllt spürt sie auch selbst, dass du leidest, kann es aber nicht kommunizieren?


    Ich selbst fühle mich unglaublich einsam, seit meine Mom fort ist. Beinahe täglich hatten wir telefoniert. Sie wusste so viel und vieles musste ich nicht mal verbalisieren...

  • 21. Dezember...kürzester Tag im Jahr...genau vor einem halben Jahr - am längsten Tag des Jahres ist meine Mama gegangen. Heute schmerzt es so sehr! Ich backe und höre dabei eine CD, die es in meiner Kindheit jedes Jahr zur Weihnachtszeit gab.

    Ich bin erfüllt voller Ärger! Warum muss ich dieses Jahr ohne sie Weihnachten bestreiten? Warum wurde sie mir genommen und nicht jemand anderes? Warum muss ich, nachdem allgemein so viel scheiße lief die letzten Jahre, auch noch meine Mom verlieren?

    Diese "warum ich...." oder "warum sie..." Gedanken sind egoistisch und kindisch, das weiß ich. Dennoch kommen sie mir ständig hoch.

    So gerne würde ich mich heute betrinken, vollkommen abschießen und morgen mit einem Kater aufwachen. Ja, auch dieser Wunsch ist kindisch und naiv...dennoch kommt er in mir hoch.

    Umsetzbar ist er nicht...Mein Mann verbringt 24h auf Arbeit. Somit bin ich mit beiden Kindern allein und der Kleine wird noch immer nahezu voll gestillt...ergo - alkoholfreien Hugo für mich ?.


    Jetzt muss ich auch gleich los die Große von der Kita holen und davor muss ich mir das Gesicht waschen und aufhören zu weinen.


    Der vierte Advent steht vor der Türe, der Christbaum auf der Terrasse und ich wünsche mir, dass alles schnell vorbei zieht.


    Entschuldigt, das musste nun raus...

  • Liebe Regentropfen,

    auf Englisch habe ich vor einer Weile einen Spruch gelesen, der lautete "I sat with my anger long enough until it told me its name was grief!" Den finde ich sehr treffend. Ich war und bin oft so unglaublich wütend. Manchmal aus dem Nichts heraus. Manchmal kann ich gar nicht sagen, woher das jetzt kommt. Und sehr oft merke ich dann hinterher, dass ich einfach nur tief traurig bin und es nicht anders ausdrücken kann.

    Meine Mutter ist bei vollem Bewusstsein, eingeschlossen in ihrem eigenen Körper. Sie kann noch rudimentär über Augenbewegungen ja/nein kommunizieren. Als es ihr noch besser ging, habe ich mal versucht mit ihr zu sprechen, darüber wie es mir geht. Das hat sie abgeblockt bzw. entweder dann selbst so schlimm angefangen zu weinen, dass sie keine Luft mehr bekommen hat (die Krankheit lähmt auch die Atemmuskulatur) oder das Thema schnell wieder darauf gelenkt, was IHR entgeht. Sie hat oft gesagt, wie dankbar sie ist, dass sie mich hat. Das ist ja auch schön und richtig, dass ich ihr Stütze und Trost bin. Sie ist mir immer die beste aller Mütter gewesen. Ich weiß, sie würde auch jetzt gern für mich da sein und kann es einfach nicht. Dennoch bin ich auf einmal allein. Ohne Stütze und Trost und besonders an harten Tagen, an denen man mit den kleinen Kindern den ganzen Tag allein ist, weil der Mann lange arbeitet, ist das sehr schwer. Man solle doch Hoffnung und Trost aus den Kindern ziehen, bekommt man dann oft gesagt und natürlich tue ich das. Und trotzdem ist es einfach auch sehr anstrengend kleine Kinder zu haben, viel Arbeit und wenn man so sehr trauert ist an manchan Tagen schon das Zubereiten des Abendbrots oder das Beantworten einfacher Kinderfragen ein großer Kraftakt. Dazu kommt, dass einem gerade MIT Kindern die Person fehlt, die einen selbst absolut bedingungslos liebt und bestärkt und die die Kinder mindestens so sehr liebt wie man selbst, die Oma. Die einen so ganz besonderen Blick auf die Kinder hat, sie so wohlwollend betrachtet wie niemand anderes, eine Art hat mit ihnen umzugehen und zu reden, wie eben nur die Oma es kann. Warum ich, warum sie, frage ich mich auch oft. Ich bin gerade in der Weihnachtszeit oft neidisch auf Freundinnen, die ihre Mutter gesund an ihrer Seite haben. Neulich war eine Tochter mit ihrer Mutter bei Tchibo hinter mir in der Schlange. Sie haben nett geplaudert und wollten sich einen Kaffee bestellen - waren gemeinsam auf Shoppintour und ich konnte es plötzlich nicht mehr aushalten vor Sehnsucht. Auf einmal liefen die Tränen und ich hätte den beiden Damen hinter mir eine reinhauen können, vor Einsamkeit, Trauer, Neid und der furchtbaren Frage nach dem Warum.

    Ich hasse es auch, wenn Leute so etwas sagen wie "Sie lebt in dir weiter" oder "du verlierst sie nie wirklich". In meinen Augen ist das Schwachsinn. Natürlich leben ihre WERTE in mir weiter, gebe ich die Liebe, die ich von ihr erfahren habe weiter... aber wenn sie dann irgendwann gar nicht mehr da ist, dann ist sie weg. Schlicht und ergreifend eben NICHT mehr da. Nur noch Erinnerung. Als Mensch verloren. Klar lebt jemand, der gestorben ist, in der Erinnerung weiter, das lindert aber die Sehnsucht nicht, im Gegenteil. EInfacher wäre es doch, wenn mit dem Tod alle Erinnerung an den Menschen ausgelöscht würde. Traurig finden wir einen solchen Gedanken nur, weil wir uns an die schönen Dinge, die wir mit dem Menschen erlebt haben, erinnern. Wir wollen diese Momente festhalten, wir wollen sie zurück, ich klammere mich daran fest und breche am Ende doch nur wütend und verzweifelt weinend zusammen, weil die Momente nie wieder kommen und immer weiter weg schwimmen.

    Ich habe keine schlauen Tipps für die Weihnachtstage, ich kann dir nur versprechen, trotz der schweren Zeiten, wirst du auch an diesen Tagen Momente zum Lächeln haben. Mach dir keinen Druck und nimm die guten Momente ,die leuchtenden Augen deiner Tochter, mit und wenn du ansonsten einfach nur " da durch" willst, dann ist das normal und in Ordnung finde ich.


    Zum Schluss möchte ich dir auch noch fürs Zuhören danken und auch dir liebe Vilja. Ja, ich versuche mein eigenes Leben bei alldem nicht zu verpassen, aber das ist schwer. Ich ertappe mich oft bei dem Gedanken, wie schön es wäre, wenn ich einfach nur mein Leben leben könnte. EInen Schlusstrich ziehen, endlich mein Herz ein bisschen heilen könnte, beginnen könnte, die Geschehnisse zu verarbeiten. AUf bessere Zeiten hoffen könnte, statt immer nur auf das Schlimmste, das ja noch bevorsteht, der endgültige und komplette Verlust. Manchmal wünschte ich, dass das Leid meiner Mutter vorbei wäre und ich mich ohne Schuldgefühle mal wieder auf mich und meine Familie konzentrieren könnte. Kein schlechtes Gewissen haben müsste, wenn ich schöne Momente erlebe und genieße. Mir nicht, wenn ich von schönen Dingen erzähle, als Antwort anhören müsste, wie schlecht es meiner Mutter, meinen Eltern geht. Und gleichzeitig fühle ich mich dann doppelt schuldig. Denn welche Tochter wünscht ihrer Mutter den Tod? Und ich wünsche ihn ihr ja auch nicht, bin ja dankbar, dass sie noch da ist und freue mich über alles, an dem sie teilhaben kann, auch wenn sie nur zuschaut. Trotzdem ist da manchmal dieser Wunsch sich endlich nicht mehr ständig sorgen zu müssen, jede freie Minute zu geben, immer für jemand anderen stark zu sein. Einfach mal frei zu sein. Ich bin gleichzeitig eine furchtbare Tochter für meine Mutter und eine furchtbare Mutter für meine Kinder, weil niemand von mir so viel Energie und Zeit bekommt, wie er verdient hätte, ich mit den Gedanken jeweils oft woanders bin. Dasselbe gilt für meinen Mann, dessen Verständnis grenzenlos scheint, der aber dennoch traurig ist, dass ich nicht mehr Energie, Freude und Elan für ihn habe. Mir fehlt ein Mensch, der mal nichts von mir möchte, sondern für mich da ist. Das wäre früher meine Mutter gewesen. Jetzt ist da ein Vakuum, dass ich bisher durch nichts füllen könnte und wie ein schwarzes Loch manchmal mein ganzes Leben aufzusaugen scheint.

  • Liebe Nordlys.


    Vielen Dank für deine Zeilen. So treffend, dass sie teilweise auch von mir hätten sein können. So traurig es ist, mir vorstellen zu können wie sehr du unter deiner Situation leidest, so gut tut es zu lesen, dass mein Schmerz zumindest von dir verstanden werden kann.


    Mein Tag wurde heute nicht besser. Ich habe mich riesig mit meinem Vater gezofft und es fielen Aussagen, die nicht mehr rückgängig zu machen sind.

    Im Grunde hat er deutlich gemacht, dass er mit dem Misstrauen meines Bruders und mir ihm gegenüber (meine Mom war sich sicher, dass er spielt und er hatte es auch schon zugegeben, leugnet nun aber alles und stellt meine Mom so dar, als hätte sie sich in etwas verrannt) nicht klar kommt und dass wir ohnehin schon lange keine "Familie" mehr repräsentieren.

    Natürlich kommt so etwas auf, wenn es um das Erbe geht - wie könnte es auch anders sein...

    Letztlich hat er mir vorgeworfen, ich wäre wie meine Mutter und das Vertrauen sei dahin...


    Das Telefonat war am frühen Nachmittag und seither bin ich unfähig irgendetwas zu tun. Ich habe das Gefühl vollkommen den Halt verloren zu haben. Ja, es ist nichts neues. Mein Vater und ich haben nicht mehr das beste Verhältnis, aber so schmerzend eskaliert ist es noch nie.


    Ich habe meinen Alltag heute nicht mehr geschafft, fühlte mich nicht in der Lage noch weiter zu backen, zu putzen oder die Wäsche zu machen. Meine zwei, meine zwei eigentlich unglaublich liebenswerte Kinder waren mir heute zu viel. Ich hab meine Große mehrmals vollkommen ungerechtfertigt sngedchnauzt und meinen Kleinen missachtet, um kurz durch zu atmen.


    Ich kann nun nicht mehr über dieses Thema schreiben. Es wühlt mich noch zu sehr auf.