6.4. Massenkarambulage Schweinfurt, mein Papa einzigster Toter (45j)

  • Liebe Andrea,


    erstmal ein herzliches, wenn auch sehr spätes, Willkommen von mir.
    Es tut mir im Herzen weh, zu lesen wie du deinen Papa verloren hast und überhaupt, dass es passiert ist.


    Als ich deine Zeilen las, dass du nicht weinen willst, dachte ich, Andrea hat Angst, oder? Angst es zuzulassen, die Worte, die Bilder, die Erinnerungen, und dann verrückt zu werden, ...es nicht zu verstehen...
    Andrea, ich kann dich so gut verstehen, ich hab diese Angst...immer wieder...


    Du hast diese roten Rosen so schön beschrieben, die Farbe der unendlichen, tiefen Liebe....


    liebe Andrea, ich danke dir, für die lieben Fotos von deinem Papa.


    ich finde es auch sehr interessant für mich, wie du mit deinem Glauben umgehst, du Kraft daraus schöpft und was ich zum Teil bewundere und dennoch nicht verstehe, auf Gott nicht böse bist und warst. Ich konnte das nicht, musste es lernen und das war nicht einfach.


    Andrea, danke, dass du bei uns bist und uns vertraust.


    von Herzen alles Liebe
    deine

  • Liebe Andrea!


    Mein herzliches Willkommen kommt leider auch recht spät.
    Es tut mir so leid, dass Du Deinen Papa so früh und auf so eine tragische Art verlieren musstest.


    Ich habe gerade Deine Zeilen gelesen - Du schreibst so liebevoll von ihm -
    man spürt, wie sehr Du ihn vermisst und welch' eine besondere Beziehung ihr hattet!
    Und glaub' mir, er weiss wie traurig Du darüber bist, dass er nicht mehr hier ist -
    und die Tränen kommen irgendwann, wenn die Zeit dafür richtig ist eh von alleine...


    Die Fotos sind wunderschön - sie zeigen die Herzlichkeit, die Wärme, die Ruhe -
    genau wie Du Deinen Papa uns beschrieben hast! - Ich danke Dir auch, dass Du sie uns zeigst!


    Du sagst, Dein Glaube gibt Dir Kraft und Du glaubst dass er nun bei seinem
    Vater ist und auf Euch herabsieht. Das ist finde ich sehr schön - Du hast
    in Deiner Vorstellung einen sicheren Ort für Ihn gefunden, wo es ihm gut geht.


    Ich freue mich sehr, dass Du zu uns gefunden hast, und wir Dich ein Stück
    des schweren Weges begleiten dürfen!


    Alles Liebe


    Kate

  • ihr seid alle so lieb zu mir!!!!


    ich hätte gar nicht mit solchen reaktionen gerechnet und dass ihr meine zeilen so mögt.


    ich hab einfach nur aufgeschrieben was mir in den sinn kam. was mir so einfiel.


    vorletzte nacht hat sich mein papa auch von mir verabschiedet.


    er hatte es schon einige tage vorher versucht (auch nachts) aber da bin ich immer wach geworden, ich habe gespürt dass er mir was sagen will, aber ich hatte solche angst und habe es nicht zugelassen. er wusste einfach dass ich angst bekommen würde, wenn er es genauso macht wie bei meiner mama.
    deshalb hat er einen anderen weg gefunden zu mir zu sprechen. es war wunderschön. ich bin morgens mit tränen aufgewacht aber wusste, dass es ihm jetzt gut geht.


    ja, ich habe angst vor dem fühlen. ich habe angst, dass ich mit meinen tränen zugebe dass es passiert ist. man weint eben nur, WENN was passiert ist. und irgendwie wehrt sich mein herz es zu fühlen, zu glauben, zu verstehen.


    obwohl ich es weiß.


    ich spreche ganz bewusst in sehr deutlichen worten um es mir genau vor augen zu halten. ich benutze worte, die ES genau treffen. z.b. "leiche", "tot", "kalt", "leichengeruch", "verwesung".
    damit ich es endlich begreife, das er wirklich TOT ist. zumindest hier auf erden.


    aber vermutlich dauert es wirklich noch eine weile bis ich es zulassen kann.


    er war einfach mein papa... ich hatte ihn nur 23 jahre und werde ihn die längste zeit meines lebens ohne ihn leben... vorallem mein kleiner sohn.
    ich habe tausende bilder von meinem papa mit meinem kleinen.


    ich hab mir jetzt ein riesenfotoalbum gekauft, hab ca 300 bilder entwickeln lassen und möchte nun sein leben in bildern dokumentieren. von seiner mama bekomme ich baby-und kinderfotos. dann sein hochzeitsbild, die familienbilder, sein anfang in der firma, der hausbau, seine terasse, der riesengarten, sein grill, grillfeste und feiern. dann bilder von seinem enkel und bilder von meinen eltern zusammen.


    ich kann mich gerade an den moment erinnern als er erfuhr dass ich schwanger bin...


    man muss dazusagen: ich hab mit 18 erfahren, dass ich unfruchtbar bin (chronische unterleibserkrankung, durch OP wurde festgestellt, dass beide eileiter KOMPLETT verschlossen seien, ich würde nie eigene kinder bekommen können)
    dann kam ich mit meinem jetzigen freund zusammen und 3 monate später war ich schwanger. kein arzt kann es erklären, "medizinisches wunder" meinten sie.


    ich war samstag früh auf arbeit (bin gel. krankenschwester) und holte mir danach einen test. er war positiv!!!!!! dann rief ich sofort meine mama an "mama ich bin schwanger!!!!" sie "was??? wie jetzt?? du???"
    bin dann gleich zu ihr gefahren und saß dann vorm haus in der sonne. meine mama neben mir. papa kam aus dem haus, lief an mir vorbei, grinste sich einen und sagte "ihr macht sachen..." er hatte so einen liebevollen, glücklichen blick drauf...


    abends 19:28 bekam ich meinen kleinen per kaiserschnitt (nach 19stunden) und am nächsten tag (vormittag) war mein papa der erste der da war. er kam in seinen firmensachen, voll bepackt und eigentlich voll im stress. aber er wollte seinen enkel unbedingt sehen.


    er machte gleich bilder und war sooooo stolz. "den habt ihr gut hingekriegt" sagte er.
    ich habe bilder, wo connor bei meinen eltern allein war. auf diesen sieht man wie sehr er ihn geliebt hat. er himmelte ihn regelrecht an. hielt sein händchen, gab fläschchen, hatte ihn auf seinem nackten oberkörper liegen und küsste sein köpfchen.......


    aber ich werde dafür sorgen, dass mein sohn ihn nie vergisst. ich erzähle ihm jeden tag vom opa.


    nun gut, ich hör jetzt auf. ich schreibe schon wieder romane.


    danke das ich bei euch sein darf!!!!!!!!



    nachtrag:


    so eben habe ich in einem forum (familienforum wo ich seit 5 jahren bin) erfahren, dass jemand bei dem unfall dabei war und meinen papa gesehen hat..... hab derjenigen geschrieben, mal sehen was sie antwortet...

    Glaubt nicht weil ich gestorben, daß
    wir uns ferne sind, es grüßt euch
    meine Seele als Hauch im Sommerwind.


    Papa du fehlst so, ich hab dich so lieb *16.6.62, gest. 6.4.08

  • ach andrea, dein worte, sie zaubern mir tränen in die augen! du schreibst so liebevoll und schön von deinem papa, dass ich oft an meinen denken muss.


    das mit dem fotoalbum finde ich eine wunderschöne idee!!!
    das sind erinnerungen, die dir keiner mehr nehmen kann, echt toll.


    er war und ist der beste opa für deinen kleinen!
    andrea, dein papa ist ein schutzengel für deinen connor und er wird immer gut auf ihn achten.


    ich erzähle meinem kleinen auch sehr viel von meinen eltern und er geht immer mit aufs grab. dort darf er eine kerze für oma und opa anzünden und schickt bussis in den himmel. für mich ist das sehr wichtig, denn meine mama hat sich nichts mehr gewünscht als oma zu werden.


    liebe andrea, wir haben alle ganz besondere menschen verloren und das verbindet. ich lese sehr gerne deine zeilen und worte über deinen papa und lass uns wissen, ob die person dir geantwortet hat, der du geschrieben hast.


    fühl dich gedrückt!
    alles liebe
    deine petra

    Und alles was bleibt ist Liebe, diese Liebe lässt euch niemals sterben.
    Mama & Papa - ich liebe euch!

  • Ich erzähle meinen Kindern auch tgl.von meinen Lieben, die bereits verstorben sind; mein Sohn Yan, 7 Jahre alt sagt :"Gell Mama, zuerst war nur die Mayr Oma (das war meine Oma mütterl.seits-mein Ein und Alles)unser Schutzengel und jetzt ist noch der Onkel Loisl dabei! Zwei sind immer besser als einer!" ... (hab zwar schon viele liebe Menschen verloren, aber nur von den beiden hab ich ein Foto aufgestellt :]
    Andrea, auch dein Vater breitet seinen schützenden Arme über euch aus, bewacht euch Tag und Nacht!


    Alles Liebe
    Christiane

    Notwendig ist im Augenblick des Todes ein unbesiegbarer Glaube voll höchster geistiger Gelassenheit.

  • Hallo Andrea!


    Ich verspäte mich hiermit sehr, ich weiß, aber ich war einfach krank: Mein herzliches Beileid und ein ebenso herzliches Willkommen bei uns (auch wenn das jetzt vielleicht in einem Satz komisch klingen mag ...)!


    Wie geht es dir denn inzwischen? Kannst du schon ein bissl weinen?


    Die Anderen haben es ja mehrfach sehr gut auf den Punkt gebracht: Du warst im Schock, bist es vielleicht noch.
    Der Schockzustand betäubt dich und dadurch kannst du Gefühle nur eingeschränkt oder gar nicht wahrnehmen. Schock ist am Beginn ein wichtiger psychischer und körperlicher Schutz des Organismus: Wenn wir sofort mit der Benachrichtigung vom Tod eines Menschen mit vollem Umfang realisieren würden, was der Verlust für uns bedeutet, würden wir das weder psychisch noch physisch verkraften.
    Das Realisieren ist auch wichtig. Es kommen nach dem Schock und mit der Realität dann auch all die schmerzhaften Gefühle. Trauerarbeit und Trauerbewältigung sind nur möglich, wenn wir alle diese Gefühle und auch die Tränen zulassen.
    Damit du in der Trauerarbeit gesund bleibst, sind aber beide Zustände wichtig: Das Verdrängen/Betäubtsein und auch das Realisieren. Gesunde Trauerarbeit ist, wenn man es genau betrachtet, ein Hin- und Herwechseln zwischen Realisieren - Betäubtsein/Verdrängen - Realisieren – usw.
    Die Realität muss allmählich durchsickern, dass wir sie Stück für Stück bewältigen können, alles auf einmal wäre zu viel.


    Lass dir also Zeit. Trauern ist kein Wettkampf, bei dem der gewinnt, der früher und am meisten weint. Jeder hat seinen eigenen Zeitplan dafür. Wichtig ist nur, dass du deinen Gefühlen einen Platz gibst.


    Zum Starksein: Wenn einer in der Familie stark sein muss bzw. das Gefühl hat, stark sein zu müssen, dann wehrt der Starke Gefühle ab, das beschreibst du ja selber sehr gut. Gefühle schwächen nämlich. Das Abwehren lässt dich in der Betäubung verharren, das hat ja seine Vorteile: Man fühlt nichts. Gefühle machen ja Angst und kosten sehr viel Energie. Aber dauernd stark sein und Gefühle abwehren, das kostet langfristig auch sehr viel Energie …
    Lass die anderen auch mal stark sein, denn die brauchen das auch, um mal die energieraubenden Gefühle auszublenden und sich zu erholen. Dann kannst du schwach sein und dich vom Starksein erholen …


    Was immer du jetzt auch bist, - ob stark oder schwach ...


    alles Liebe!
    Christine