Mein lieber Andreas, die Liebe meines Lebens, ist nicht mehr

  • Liebe Lilifee,

    Liebe Puzzle,


    Ich hoffe ich darf wieder mal meinen Senf dazu geben.


    Ich war dabei als mein Mann ging. Ich lag auf seiner Brust, hörte den letzten Herzschlag. Und die hätte, hätte Gedanken quälen mich immer noch.


    Wer meine Geschichte kennt weiß das ich mit der Entscheidung die Apparate auszuschalten, für immer, mir meinen eigenen Stein um den Hals gebunden habe, der mich schön langsam in den Abgrund zieht. Egal was alle anderen sagen, er zieht und zieht und lässt das Kopfkino nicht aufhören.


    Am 11 ging er, am 4 wurde er im Tiefschlaf gesetzt. Keine letzten Worte, kein verabschieden, keine Fragen die er mir noch beantworten hätte können beantwortet.


    Egal welches Szenario, alles wäre letztendlich zu wenig gewesen, und hätte auf alle Fälle, das " hätte" nicht ausgeschlossen.


    Damit durchs Leben zu gehen, und im besten Falle ansatzweise ein Leben zu leben, das einen Sinn hat, lebenswert erscheint, das Versuche ich zu meistern, seit Fast drei Jahren, und ja es gelingt mir manchmal, und manchmal nicht.


    Manchmal Frage ich mich warum ich mich so quäle, und nicht es so Nehmen kann wie es eben war.


    Und dann lese ich hier im Forum. Wir alle quälen uns.



    Bei den meisten hier, hätte ein "hätte", warscheinlich nicht wirklich viel geholfen, bei meinen Mann warscheinlich auch nicht, aber aus eigener Erfahrung weiß ich das man sich einfach daran Fest hält, und somit sich selber die Schuld gibt, denn irgendjemand muss doch schuld haben, so denken wir leider.


    Hätte, hätte fragen sind nichts anderes als Schuldzuweisungen. An sich selber.


    Das sehe ich so, und empfinde es als falsch, wenn ich selber mir die Schuld zuweisen, und trotzdem ist es so das ich es mache, und trotz der Zeit die jetzt schon vergangen ist, immer noch, nicht mehr so oft aber immer noch, diese hätte fragen auftauchen. Ganz leise nur, aber immer noch . Nervig, nur leider nicht abzudrehen.

    Wer den Schalter findet, bitte mir sagen.

  • Liebe Renate,


    ich glaube diesen Schalter gibt es nicht, ich glaube auch solche Situationen und Momente werden immer da sein und es wird immer wenn sie kommen quälend sein.

    Weil wir geliebt haben, weil wir gehofft haben, bis zum Schluss....vielleicht noch darüber hinaus.

    Wie waren teilweise nur in dieser Situation und funktionierten aber wirklich realisieren konnten wir es nicht.


    Vlg. Linchen

  • Genauso ist es, Renate 1967 . Egal, wie die Katastrophe passierte, egal, wie sie über uns hereinbrach, es geht uns allen gleich.
    Diese Gewissheit war für mich der „Schalter“, den du dir wünschst. Jedesmal, wenn eine dieser Fragen auftaucht, erinnere ich mich daran, dass es allen gleich geht und dass egal, wie das alles passiert wäre, es nichts geändert hätte. Es ist, wie es ist.
    Das fühlt sich metaphorisch betrachtet so an, als würde ich mich auf meinem Weg gerade umdrehen. Der Blick wandert weg von der Vergangenheit. Ich hab im übertragenen Sinne eingepackt, was er mir mitgegeben hat und breche auf mit dem Blick nach vor. Ich schau nicht mehr zurück. Dieses Zurückblicken hat für mich den Sinn verloren. Ich habe alles, was von ihm geblieben ist, in meinem Gepäck. Ich muss nicht mehr zurückblicken.


    Allerdings sehe ich, auch wenn ich nach vor schaue, nichts, was mich freut. Das ist gerade mein Problem, an dem ich knoble. Wie bekomme ich Licht, Farben und Freude auf diesen Weg?
    Momentan lasse ich den Weg, wie er ist - weil ich erstens keine Kraft mehr habe, großartiges zu ändern, weil ich zweitens keine Idee hab, was ich ändern könnte und weil ich es drittens normal finde, dass es dunkel, kalt und freudlos ist.


    Ich wache nunmal jeden Morgen auf und der Tag beginnt immer noch, ohne dass ich gefragt werde, ob ich ihn haben will. Also lebe ich halt dahin… das finde ich nicht schlimm, vielleicht ist es sogar notwendig… wer weiß schon, wie es weitergeht? Freude lässt sich nicht erzwingen.
    Für mich ist das in Ordnung und zwar genauso lange, wie ich in die Zukunft schaue, also ganz genau für einen Tag. Was morgen ist, das sehe ich dann ja morgen.


    Wer weiß schon, wann die Sonne wiederkommt? Wer weiß schon, wann die Farebn wieder leuchten und das Licht die Seele erreicht? Ich weiß es nicht - aber ich verspreche: ich sag’s euch, wenn’s so weit ist ;)


    Alles Liebe,

    Puzzle

  • Liebes Linchen,


    gestern habe ich leider nicht gleich geschaltet. Hast Du auch ein schönes Bild für unsere liebe Annie, die ja um ihren Papa trauert? Damit sie sieht daß wir an sie denken. Das wäre ganz lieb von Dir.


    Ich wünsche Dir einen besinnlichen 2. Advent

    Lilifee

  • Liebe Renate,

    darfst Du immer, schrieb ich auch schon mal. Was Du erleben mußtest ist ja noch schlimmer als der schlimmste Albtraum. Diese Entscheidung brauchte ich nicht treffen, und darüber bin ich auch sehr froh.

    Wer meine Geschichte kennt weiß das ich mit der Entscheidung die Apparate auszuschalten, für immer, mir meinen eigenen Stein um den Hals gebunden habe, der mich schön langsam in den Abgrund zieht. Egal was alle anderen sagen, er zieht und zieht und lässt das Kopfkino nicht aufhören.

    Das kann ich so gut verstehen, denn mir ginge es genauso. Ich hätte das Gefühl meinen Mann eigenhändig umgebracht zu haben. Das stimmt natürlich nicht, aber so würde es sich anfühlen. Angehörige, die zu allem Schweren auch noch diese Entscheidung treffen müssen, tun mir so unendlich leid. Andere Mitglieder waren auch in dieser Situation und ich habe immer gedacht, wie kann man das aushalten. Vermutlich wie alles andere, man hält es aus weil man es muß. Aber das würde mich auch für den Rest meines Lebens verfolgen. Du bist so tapfer, bewältigst einen arbeitsreichen Alltag und versuchst ein sinnvolles Leben zu leben. Das habe ich in etlichen Beiträgen von Dir gelesen. Auch wie schwer es Dir von manchen Menschen aus Deinem Umfeld gemacht wurde und vielleicht noch wird. Und dazu noch der Mühlstein um den Hals.


    Liebe Renate, verlange nicht zu viel von Dir. Andere wären längst zerbrochen. Ja, irgendjemand muß immer Schuld haben. So sind wir, das stimmt. und Im Zweifelsfall sind wir diejenigen die schuld sind. Auch das eint uns hier. Aber Puzzle hat auch Recht wenn sie schreibt „Dieses Zurückblicken hat für mich den Sinn verloren.“ Das stimmt auch, denn wir können die Vergangenheit nicht ändern. Alles „hätte, könnte, würde“ ist nur zu menschlich. Aber der Zug ist abgefahren wie es so schön heißt. Zu der Erkenntnis muß man sich durchringen, auch wenn es nicht immer einfach ist.

    Ich wünsche Dir Kraft und daß der Stein leichter wird.


    Liebe Grüße

    Lilifee

  • Liebe Puzzle,


    Du bist so wunderbar pragmatisch, das erdet. Und nicht nur Deine Ärztin hat Humor, sondern Du ebenso. Manchmal auch Galgenhumor, aber der hat auch seine Berechtigung. Und tut soooo gut.

    Egal, wie die Katastrophe passierte, egal, wie sie über uns hereinbrach, es geht uns allen gleich.
    Diese Gewissheit war für mich der „Schalter“, den du dir wünschst. Jedesmal, wenn eine dieser Fragen auftaucht, erinnere ich mich daran, dass es allen gleich geht und dass egal, wie das alles passiert wäre, es nichts geändert hätte. Es ist, wie es ist.

    Es klappt noch nicht immer, aber auch in mir wächst immer mehr die Erkenntnis, es nutzt nichts sich zu quälen, vorbei ist vorbei. Wir haben unser Möglichstes für unsere Lieben getan. Und wir sind leider nicht allmächtig sondern nur kleine schwache Menschen. Schuldgefühle werden uns immer wieder mal plagen, das wird sich nicht vermeiden lassen. Aber ich lasse mich von ihnen nicht mehr so erdrücken wie in der ersten Zeit.


    Allerdings sehe ich, auch wenn ich nach vor schaue, nichts, was mich freut. Das ist gerade mein Problem, an dem ich knoble. Wie bekomme ich Licht, Farben und Freude auf diesen Weg?
    Momentan lasse ich den Weg, wie er ist - weil ich erstens keine Kraft mehr habe, großartiges zu ändern, weil ich zweitens keine Idee hab, was ich ändern könnte und weil ich es drittens normal finde, dass es dunkel, kalt und freudlos ist.

    Das könnten meine Worte sein. Perfekt ausgedrückt was ich auch empfinde. Mir ist auch das Winterhalbjahr lieber. Da ist es draußen früher dunkel und oft trübe. Das paßt besser zu meinem Inneren als strahlender Sonnenschein. Freude läßt sich nicht erzwingen. Das ist so was von wahr.

    Wer weiß schon, wann die Sonne wiederkommt? Wer weiß schon, wann die Farebn wieder leuchten und das Licht die Seele erreicht? Ich weiß es nicht - aber ich verspreche: ich sag’s euch, wenn’s so weit ist

    Niemand weiß das. Vielleicht wird es ja noch mal so. Dann nehme ich es dankbar an und sage wieder leise zu Andreas „ich weiß daß Du das warst. Danke“ Und wenn es nicht mehr so wird, auch gut, ich bin ja inzwischen dran gewöhnt.


    Liebe Puzzle, Du bist hier sehr willkommen. Mein Wohnzimmer ist groß und hat Platz für alle lieben Menschen, die sich hier wohlfühlen können. Ich habe es Annie schon geschrieben, und das schreibe ich jetzt auch Dir: bleib solange Du möchtest. Die interessante Unterhaltung mit Dir bereichert mich und tut mir gut.


    Wünsche Dir noch einen besinnlichen 2. Advent

    Lilifee

  • Liebe Renate, ich weiß nicht, was diese Bürde mit mir gemacht hätte, aber eines ist sicher, du hast es nicht für dich getan, sondern für Walter. Und wenn die Organe ihren Dienst nicht mehr tun, und wenn die Kraft nachlässt, dann wäre ich dankbar, jemanden wie dich an meiner Seite zu wissen. Ich verstehe deine Zweifel, und keiner kann dir die absprechen, aber ich glaube es war notwendig und für den Moment der Entscheidung richtig. In stiller Anteilnahme. W.

  • Liebes Linchen,


    Danke für das schöne Bild und den Gedanken an mich und meinen Papa, der mir so unendlich fehlt.


    Liebe Lilifee,


    Danke, dass du an mich denkst. Ich schaue täglich bei dir rein und lese mit. Ich habe so eine große Ehrfurcht vor eurer Stärke. Was euch widerfahren ist, ist so unmenschlich. Du, Puzzle, Renate und die anderen auch, müsst nicht nur den Tod eurer Liebsten annehmen, sondern auch die Umstände, unter denen er eingetreten ist, mit den vielen quälenden Fragen.

    Vielleicht ist es noch zu frisch für mich, aber es macht mich so wütend, traurig und zieht mich richtig runter. Ich würde so gern meinen Kindern, wie mein Vater auch mir, vermitteln, dass man Vetrauen in das Leben haben kann, dass alles einen Sinn macht. Aber ich fühle genau das Gegenteil.


    Liebe Lilifee,


    Ich schreibe zur Zeit wieder weniger, weil es mir manchmal so weh tut, eure Beiträge zu lesen und ich alles so schwarz sehe, dass ich euch in deinem wunderschönen Wohnzimmer nicht runterziehen möchte. Dennoch zieht es mich immer hierher. Und ich habe mir selber versprochen, mehr auf meine Gefühle zu hören. Also bin ich hier, wenn auch etwas unsichtbar.


    Ich grüße euch alle ganz lieb

    Annie

  • Liebe Anni,


    wir sind auch schon etwas weiter und das ist einfach nur quälend wir alle haben unsere schlimmen Geschichten die wir hier vielleicht nicht immer schreiben weil der Grund warum wir hier sind unser Seelenmensch ist der es so unmenschlich und fast unmöglich macht weiter zu gehen also machen wir das Stück für Stück in dieser Gemeinschaft in der wir uns halten.


    Vlg. Linchen :24:

  • Liebe Annie,

    Ich weiß was du meinst, mich hat das lesen der vielen tragischen Schicksale anfangs auch fassungslos gemacht, und auch heute noch gelingt es mir nicht immer. Linchen schreibt es richtig. Ich denke nach einer Zeit , die wir jetzt schon haben, und du noch am Anfang bist, hilft man sich nur noch gegenseitig, mit der Hoffnung nicht vergessen zu werden wenn man selbst Hilfe benötigt. Am Anfang kann man nicht helfen , konnte ich gar nicht. Ich hab nur Hilfe entgegengenommen, geben konnte ich keine, ich tat nur mein Leid Kund. Was aber gut und wichtig war sowohl für mich als auch für andere, denn so war man nicht alleine, und irgendwann wurde mir klar, das alle hier genau das gleiche , mitmachen wie ich, und plötzlich war ich gar nicht mehr so unverstanden, und fühlte mich so als ob ich verrückt werden würde, plötzlich war ich eine von vielen.


    Ließ mit, schreib, teile dich mit, alles nur wenn du kannst, und wenn es dir gut tut. Viele von uns Schweigen für längere Zeit, weil's eben nicht anders geht. Viele bleiben auch weg, und ich denke dann immer ich hoffe sie haben einen Weg gefunden. Den ganz ehrlich, wenn es mir mal wieder so gut gehen sollte, werde ich warscheinlich auch nicht mehr so viel hier sein, wenn überhaupt.

    Was aber nicht heißen soll das ich nicht dankbar bin, das bin ich, aber ich denke auch, alles hat seine Zeit, und soll auch so sein.


    Liebe Grüße

    Renate


    PS: sorry ich Texte gerade dein Wohnzimmer voll, Lilifee, wenn du magst lösch ich es, oder verschieben es, oder was auch immer.


    Gute Nacht, alle zusammen:19:

  • Liebe Annie,


    es ist schön wieder von Dir zu hören, und vielleicht gibt es ja einen Grund warum es Dich immer wieder hierher zieht. Ehrfürchtig brauchst Du aber nicht sein. Was euch widerfahren ist war doch nicht viel besser, sondern genauso unmenschlich. Ihr mußtet und müßt auch sehr viel aushalten. Ihr habt Fragen die euch quälen, und auf die es vielleicht nie eine Antwort geben wird.


    Und ihr steht noch ziemlich am Anfang, eure Trauer ist noch frisch. Da kannst Du Deinen Kindern auch kaum vermitteln, daß man Vertrauen ins Leben haben kann, und daß alles einen Sinn hat. Laß Dir Zeit damit. Deine Kinder sind noch so klein. Was sie jetzt miterleben ist der Umgang mit dem Verlust eines geliebten Menschen. Daß das Leben endlich ist. Daß es verdammt weh tut wenn jemand stirbt. Aber eben auch, das Leben muß weitergehen und es geht weiter. Das ist auch eine wertvolle Erfahrung für das spätere Leben. So traurig es ist.


    Ich habe mir schon gedacht, daß es nicht gerade aufheiternd für Dich ist hier mitzulesen. Aber Trauer ist nun mal so, und manchmal nur schwer auszuhalten. Deshalb reagieren ja viele Menschen genervt wenn der Trauernde nicht bald wieder „normal“ wird. Weil es das eigene Wohlbefinden stört. Auch das muß man aushalten. Aber Du kannst hoffentlich auch lesen, daß der Schmerz irgendwann ruhiger wird. Das dauert natürlich, aber man lernt tatsächlich damit zu leben. Was jetzt nicht heißt daß die Trauer ganz verschwindet, und irgendwann wieder Friede, Freude, Eierkuchen ist, als wäre nichts gewesen. Das wird wohl nicht mehr so sein. Aber man kann weiterleben, muß es ja auch, selbst wenn man (noch) nicht viel Sinn darin sieht.


    Trotzdem gibt es einen, auch davon bin ich überzeugt. Er ist für uns nur nicht immer erkennbar. Ich werde mir den Sinn von Andreas erklären lassen wenn ich endlich bei ihm bin. Er kennt ihn nämlich inzwischen.


    Und was mein Wohnzimmer betrifft, hier ist auch Platz für alle Gefühle, und sie dürfen ganz offen geäußert werden. Damit ziehst Du niemanden runter. Wir wissen doch alle wie es ist. Und Du hast Dir ein gutes Versprechen gegeben. Hör auf Deine Gefühle und sei hier wenn und weil Du es möchtest. Sichtbar oder unsichtbar. So wie es für Dich richtig ist.


    Ich drücke Dich ganz sanft <3:24:<3

    Lilifee

  • Liebe Renate,


    hier ist jeder willkommen und darf schreiben was ihn bewegt. Annie ist auch mein lieber Gast, und jeder der möchte darf ihr hier schreiben. Was sollte ich denn mit einem Wohnzimmer in das niemand kommen will? Das wäre doch ganz traurig und einsam. Einsam will ich aber nicht sein. Ich brauche euch.


    :2::2::2: daß ihr da seid.