Liebe
Sonnenente,
was
Du schreibst klingt nicht wirr sondern mehr suchend. Aber Suchende
sind wir ja mehr oder weniger alle. Wir suchen nur nicht alle
dasselbe. Der Horizont hat natürlich auch nicht für alle dieselbe
Bedeutung. Da kommen wieder die unterschiedlichen Lebenssituationen
und auch die unterschiedliche Mentalität ins Spiel. Auch die Frage
„was erwarte ich (noch) vom Leben, und was erwartet mich hinter dem
Horizont“ wird jeder anders beantworten. Für mich ist der Horizont
der Punkt an dem Andreas auf mich wartet. Für andere ist er
vielleicht eine Verheißung für das was noch kommt im Leben.
Binsenweisheiten
klingen banal, manchmal sogar platt, aber es gibt sie ja nicht
umsonst. Daß niemand weiß was die Zukunft bringt ist banal, aber so
wahr. Und wie Du es schreibst, es geht nicht nur die ferne Zukunft
(hinterm Horizont) sondern auch um die unmittelbare sehr nahe
Zukunft. Sogar um die nächste halbe Stunde. Ganz krass gesagt,
niemand weiß ob er in einer halben Stunde noch lebt.
Dazu meine ich zudem auch nicht, dass der Horizont das Ende ist, sondern eben einfach der Punkt, ab dem man nicht mehr sofort sieht, was dahinter liegt.
Ich
finde, das hast Du sehr schön ausgedrückt. Manchen macht das sicher
Angst. Nicht sehen zu können was auf mich zukommt. Aber ist das
nicht ein permanenter Zustand in unserem Leben? Wir planen dieses und
jenes, gehen ganz selbstverständlich davon aus daß bestimmte
Ereignisse stattfinden, oder daß wir dies und das tun werden oder
eben nicht. Aber wir können ja nie wissen ob es auch wirklich so
kommt, ob wir das überhaupt noch erleben, und das macht sich kaum
jemand bewußt.
Der
Tod von unseren Herzens- und Seelenmenschen, ob er sich nun
angekündigt hat oder plötzlich kam, verändert die Sichtweise. Auf
einmal ist nichts mehr selbstverständlich. In unserem Leben gibt es
jetzt ein „davor“ und „danach“. Ändert das auch den Sinn des
Lebens, oder den Blickwinkel darauf?
Ich
habe auch keine Angst vor dem Tod, höchstens davor daß ich erst
noch leiden muß. Ich habe auch keine Angst davor nicht mehr zu leben
und vielleicht etwas zu verpassen. Der Gedanke auf einmal nicht mehr
da zu sein ist allerdings schon etwas abstrakt für mich. Nach
Andreas` Tod mußte ich ja -wie alle Angehörigen- die bürokratischen
Dinge erledigen, Verträge kündigen, Büroschlüssel abgeben,
Bankkonto auflösen, den Personalausweis ungültig machen lassen usw.
Danach hatte ich das Gefühl, jetzt ist wirklich alles von seinem
irdischen Leben ausgelöscht. Kein schöner Gedanke, obwohl Andreas
natürlich trotzdem noch lebt, nur halt nicht mehr irdisch.
Irgendwann wird auch mein irdisches Leben so ausgelöscht. Diese
Vorstellung schreckt mich nicht, aber sie ist eben abstrakt.
Meine
Schwägerin ist so alt wie ich und sehr neugierig was das Leben noch
so bringt. Sie will deshalb unbedingt 100 werden. Darf sie auch
gerne. Sie will es aber nicht alleine, und deshalb soll ich
gefälligst auch 100 werden. Ich habe zu ihr gesagt, Du kannst mir
schön die Ruhe lassen. Das fällt mir im Traum nicht ein. Ich bin
nicht neugierig ob noch was kommt oder nicht.
Hinter
dem Horizont gibt es kein "wir sind gemeinsam alt geworden, aber
dafür ein „wir sind jetzt für immer zusammen. Nie wieder Trauer
und Schmerz“. Das ist natürlich nur meine Überzeugung und keine
Gewißheit. Aber daran halte ich mich fest, und deshalb möchte ich
nur noch darauf zulaufen. Weil ich glaube wir werden noch etwas
Schöneres bekommen als einen roten Luftballon.
Und
wenn das alles nicht so sein sollte werden wir es nicht mehr merken,
und ob es einen Sinn des Lebens gibt oder gegeben hat ist mir dann so
was von egal.
Liebe
Grüße
Lilifee