Hallo liebes Forum-Team,
ich habe noch nie in einem Forum geschrieben und ich dachte auch nie, dass ich das mal machen werde..... Nur ich habe die Hoffnung, genau hier Personen zu finden, die mitfühlen können wie man selbst, wie man mit dem Schmerz irgendwie fertig werden könnte, usw....
Was passiert ist... Es war Freitag der 09.09.20, mein letzter Urlaubstag, Sonnenschein und Wärme, ich habe gerade meinen Stiefdad zum Ortopäden gefahren - meine Mama und er haben ihr Leben lang in der gleichen Firma gearbeitet - da erzählt er mir, dass meine Mama von Sanitätern abgeholt wurde aus der Firma weil sie eine Biene gestochen hat, ihr schwindlig geworden ist und umfiel - sie liegt evtl auf der Intensivstation und es würde sich jemand bei mir melden. So war unser wissen bis zu diesem Zeitpunkt. Ich schrieb ihr dann in Whatsapp ob es besser ist und ich ihr dann ihre Sachen bringe. Wir haben währenddessen eine Tasche mit ihren Klamotten gepackt. Dann kam der Anruf, dass wir sofort rein kommen sollen und wir ihre Schwester, also meine Tante mitbringen sollen. Angekommen auf der Intensivstation und zitternd, haben wir geklingelt und es kam eine Ärztin raus. Jetzt kommts..... Sie teilte uns mit, dass meine Mama einen anaphylaktischen Schock erlitten hat. Der Bienenstich ging direkt in die Halsschlagader. Sie war eine rauchen draußen, hatte noch mit ihrem Lebenspartner telefoniert, dann meinte sie, dass sie eine Biene gestochen hat und ihr schwindlig ist - das Gespräch war weg. Was wir nicht wussten, was uns dann mitgeteilt wurde..... Sie war sofort bewusstlos - ihr Hals war komplett geschwollen - vom Kinn bis zur Brust war alles dick geworden, was ihr die Luft abgeschnürt hat, sie gebrochen hat und bewusstlos wurde. Zwei Kollegen haben sie reanimiert bis der Notarzt ein paar Minuten danach eintraf. Dieser hat sie laufend reanimiert bis sie in der Notaufnahme ankamen + nochmals eine halbe Stunde. Die Sauerstoffzufuhr im Gehirn war somit unterbunden für eine lange Zeit..... Sie hatte multiples Organversagen - lediglich ihre rechte Lunge und das Kleinhirn haben noch funktioniert.... Die Ärztin sagte uns, dass es verdammt schlecht aussieht und es sehr schnell gehen kann bis sie letztendlich sterben wird.... Selbst wenn sie es schaffen würde, was niemand glaubt, sind die Folgeschäden unvorstellbar schlimm, was sie niemals gewollt hätte. Sie meinte eine Woche vorher zu mir (weil es bei meiner besten Freundin ihrer Mama auch zum Ende ging..), dass wenn sie sterben sollte, sie will, dass es ganz schnell geht - auch wenn das niemand gerne hört, vor allem nicht ich als einzige Tochter.
Fix und fertig durften wir dann zu ihr rein.. Die Ärzte meinten, dass der Anblick wirklich schlimm ist durch die Schwellungen, dass ihr Körper runtergekühlt werden muss, sie sediert ist (Koma) und alles zusammen.... Sie haben nicht übertrieben... Der Anblick war die reinste Hölle... Sie so zu sehen, so hilflos... Keine Pupillenreaktion....Einmal telefonierst du noch miteinander, hörst ihre wundervolle Stimme.... Auf einmal nicht mehr.... Ja, in der Erinnerung, aber nicht mehr persönlich.... Wir sollten dann alle anrufen, ich meinen Papa (ihren Ex-Mann), ihre Mutter, meine Tante aus Amerika, Onkel, &&&..
Meine Tante aus Amerika hat dann am Sonntag einen Flug bekommen und war Montag da.. Wegen dem Verschissenen covid-test durfte sie ewig nicht rein... erst Dienstag mit dem Go vom Arzt und mit extra Maske, konnte sie noch so viel Zeit wie möglich mit ihr verbringen.. Jeder von uns hat anders viel Zeit gebraucht... Jeder war aber nochmal drin (bis auf ihr Vater aber der ist eh abgeschrieben...)... Ich war gefühlt jeden Tag von Früh bis Spät Nachts drin, hab ihr so viel erzählt, so viel Schmarrn wo nur zum lachen war, was ihre Hände immer mal wieder zucken ließ und in meine gedrückt hat <3, wie sehr ich sie geliebt hab, was ich alles an ihr geliebt habe, was wir alles zusammen erlebt haben, egal ob Urlaub, schlimme Zeiten, gute Zeiten oder einfach nur zusammen zu sein als Mama und Tochter... Ein Team Für immer! Ich bzw. niemand von uns hätte diesen Schmerz nur ansatzweise beschreiben können... Und das kann ich auch bis heute nicht.... Ich war die ganze Zeit mit bei ihr, hab sie mit umgezogen, gewaschen, angezogen, bei allem mit geholfen, wo sie so hilflos war und das gab mir einen gewissen Frieden... Dienstag Abend war ich dann bei meinem Psychotherapeuten (der nun leider keinen einzigen Termin mehr frei hat...), ich hab rotzzuwasser geweint.... Er hat mir aber dann vor Augen geführt, dass es egoistisch wäre, wenn sie mit brutalsten Folgeschäden weiterleben müsste, was niemand wollert... Und er meinte, dass jeder für sich persönlich oder zu ihr sagen muss, dass es okay ist, wenn sie geht.. dass man sie gehen lässt.... erst dann wird sie auch wirklich gehen... Ich war in dieser Nacht bis fast 0 Uhr bei ihr, hab so geweint wie noch nie (es war aber meistens eine Invensivschwester an meiner Seite worüber ich ewig dankbar bin), hab ihr alles gesagt, wirklich alles, sie gestreichelt, auf die Stirn geküsst, die Zeit noch genossen, egal wie schwer es war... und ihr letztendlich gesagt, dass es okay ist..... Das auszusprechen war das Schwerste überhaupt.... Am nächsten Tag gegen Mittag, bekamen wir den Anruf, dass wir bitte reinkommen sollen... Ich, mein Stiefdad, meine beiden Tanten... Sie meinten, dass sie den Turbusschlauch ziehen werden und dass sie dann entweder auf Station kommen wird oder es ganz schnell gehen kann... Da die Werte vom Kalium mittlweile fast bei 8 lagen (bei 6 ist es schon lebensbedrohlich), und es eh ein Wunder war, dass sie noch so lange ausgehalten hat, war es uns klar, dass es schnell gehen wird... Als sie den Schlauch gezogen haben waren wir bei ihr... der Puls und die Sauerstoffsättigung sank.... immer mehr... aber langsam... wir waren alle bei ihr, haben sie gehalten und immer wieder gemeint, dass es okay ist.... der Schmerz war/ist unbeschreiblich.... als der Puls bei ca. 30 war, öffnete sie die Augen - und sah uns alle nochmal an - jeden Einzelnen! Das Gefühl war unbeschreiblich! Sie hat sie Augen bewegt und und jeden von uns nochmal tief in die Augen gesehen <3! Dann schloss sie die Augen wieder und der Puls ging weiter nach unten... als der Puls bei 9 war, kam (und das ist kein Witz), ihre Mutter ins Zimmer gestürmt (bei ihr klingelte es an der Tür, niemand war da und sie fuhr instinktiv los), lag ihre Hand auf ihr Bein, der Puls ging nochmal kurz auf 40 hoch und dann auf 0...... So schlief sie ein... Wir öffneten sofort das Fenster damit ihre Seele fliegen kann... Die Sonne schien so hell warm aber meine Mama ging....
Die kommenden Wochen waren unfassbar anstrengend... die Organisation der Beisetzung, der ganze Bürokratie-Kram der zu klären war.... man funktionierte - man weinte schrecklichst aber man musste irgendwie funktionieren.. Der Bestatter fragte mich, ob ihc meine Mama im Krematorium mit zurecht machen wollte und ich sagte sofort ja... Für viele ne schlimme Vorstellung, für mich aber ne Sache der Ehre und selbstverständlich... Sie brachte mich auf die Welt, zog mich auch immer an weil ich es ja nicht konnte - sie ging von der Welt und ich durfte sie in ihren Lieblingsklamotten kleiden und ihr die Haare zurecht machen... sie sah so unfassbar friedlich aus... Nur die Kälte war unheimlich.... Es gab mir dennoch innerlichen Frieden, für mich ganz persönlich...
Die Beisetzung der Urne war an einem sonnigen Nachmittag, wo wir alle echt Angst davor hatten.. Meine Mama kannte jeder im Dorf... Auch wenn wir es nicht in der Zeitung public machten, kamen knapp 300 Leute... Echt unfassbar...Wir trugen alle weiße Hemden und weiße Sneaker (ja, richtig gelesen), da es meine Mama ganz genau so gewollt hätte. Sie war vom Typ her ein Freigeist, trug am liebsten sportlich, hell oder knallbunt - ganz nach dem Motto: Mit gefällt es, wem nicht? > Mir egal Und genau so hat sie gelebt, wirklich immer! Sie machte was sie wollte und was sie für richtig hielt - was ihr persönlich gut tat. Das hat auch der freie Redner perfekt an alle rübergebracht.. Den Abschiedsbrief, welchen ich an sie geschrieben hatte aber der Redner vorlaß hat alle berührt.. Ich habe ihn instinktiv geschrieben, genau so wie wenn ich es ihr sagen würde... Genauso wie ich es jetzt gerade schreibe, seit gefühlt 3 Stunden, weine ich fast ununterbrochen... Sie fehlt mir so unfassbar sehr...
Ich versuche mich immer an positive Dinge zu heften, wirklich von Herzen dankbar für alles zu sein, nur Momente wie diese holen einen immer wieder ein... Meiner besten freundin ihre Mama ist knapp drei Wochen später an Krebs mit 55 verstorben.. paar Monate vorher meine Kollegin im gleichen Alter.. letzten Sonntag mein Freund/Kollege im Alter von 40 an nem Herzinfarkt... der letzte Sonntag hat bei mir das Kartenhaus komplett zum Einstürzen gebracht... Es ist wirklich so unfassbar schwer...
Meine beiden Katzenbabys geben mir tatsächlich die Kraft und Ruhe in den schlimmsten Momenten... Komischerweise hatte meine Mama denke ich eine Vorahnung.. sie meinte paar Tage bevor das alles passierte "Isa hol dir halt wieder ne Katze, dann bist du nicht so alleine".. Zufall? Ich denke nicht... Auch mein Fernstudium zur Fachpraktikerin Massage habe ich endlich gestartet - sie meinte zu mir "Isa mach das, du hast ein Talent dafür - wenn nicht jetzt wann dann?" - als das Studienmaterial kam lag ein Zettel dabei wo drin stand "Viel Erfolg bei Ihrem Fernstudium - Liebe Grüße Christine" << genau so hieß meine Mama... Seitdem glaube ihc definitiv nicht mehr an Zufälle.
Meine Mama war die Beste - wirklich die aller beste Person für mich (was sich durch ihren Tod natürlich niemals ändern wird..).
Ich denke es werden sich manche Leute von euch in dem Geschriebenen wieder finden.....
Ich wünsche euch alles erdenklich Liebe, genießt die Zeit mit euren Liebsten und mit euch selbst & seid dankbar für jeden noch so kleinen Moment
Liebe Grüße
Isabella