nicht verarbeitete Trauer??

  • Hallo liebe Trauergemeinde,


    mein Name ist Christian und ich habe vor 6,5 Jahren meinen Vater verloren. Im Moment bin ich in einer kleinen Krise. Hat mit Angst und Panikattacken zu tun da ich im Dezember starkes Herzrasen mit Panikattacke bekommen habe und seitdem in einem Loch stecke. Bin auch in therapeutischer Behandlung (fängt jetzt erst grade so richtig an). Und natürlich spielt hier auch die Vergangenheit eine große Rolle. Einschneidende Erlebnisse, etc. wie z.B. der Verlust eines Elternteil. Ich bin 44 und kann nicht grade behaupten, das ich mit dem Tod meines Vaters gut zurecht komme. Der liegt nun aber auch schon 6,5 Jahre hinter mir. Dennoch beschäftigt mich sein Tot immer noch sehr. Wie haben erst in späteren Jahren eine engere Bindung aufgebaut. Bin durch ihn zu meinem Hobby gekommen, wir haben uns gegenseitig respektiert, ich habe Anerkennung durch in ihn erfahren, wir führten gute Gespräche, etc. Alles in einem ein sehr herzliches Verhältnis, hingegen war in den Jugendjahren eher eine autoritäre Beziehung. Mein Vater hatte Bauchspeicheldrüsenkrebs und, wohl auch dank seines starken Willens, noch gute 2 Jahre nach der Diagnose zu Leben. Er starb mit 67. Es war sehr schwierig sich darauf einzustellen und zuzusehen, wie die Krankheit ihn mürbe macht. 3 Monate vor seinem Tot hat er alle Kraft zusammengenommen und mit uns noch unsere Hochzeit gefeiert. Kurz vor seinem Tode war ich fast täglich bei ihm und konnte immer mehr die Angst in seinen Augen sehen. Bilder, die mich nicht mehr loslassen. Einer der letzten Augenblicke, wo wir uns sahen war auch so einer. Ich verliess sein Zimmer (zum Glück war er zu Hause bei seiner Frau) und seine Augen sagten mehr wie Tausend Worte. Sie sagten: "ich habe Angst zu sterben und dich nicht mehr wiederzusehen".......mir zerreisst es das Herz wenn ich daran denke. Vielleicht habe ich die Trauer nicht richtig angepackt, aber offensichtlich holt es mich nach über 6 Jahren nun wieder ein. Sicher ist das nicht das einzige, was zu meiner jetzigen Situation geführt hat, aber wahrscheinlich ein größtes Puzzlestück....wie kann ich mich dem am besten Stellen? Wie kann ich das nachholen was ich ggf. verpasst habe? Freue mich über jeden Tip. Viele Grüße, Christian

  • Lieber Christian! Sei herzlich Willkommen hier!

    Es tut mir sehr leid, dass du deinen Vater verloren hast! :30:

    Ich denke, dass Trauer immer wieder kommen kann und manches vielleicht auch nicht gleich verarbeitet wird und erst viel später zum Vorschein kommt!

    Ich bin sicher, dass dir noch andere Mitglieder schreiben werden, die dir vielleicht mehr weiterhelfen können als ich! :24:

    LG Andrea

  • einen guten bis bestmöglichen Abend wünsche ich dir ,lieber Christian


    DANKE , das du uns schon so viel über dich und deinen Vater erzählst , bzw. es ist ja ein besch ieben hast


    Ja, die Eltern werden in einer Therapie irgendwann immer präsenter und natürlich auch die erlebte Geschichte mit ihnen.


    Wenn dann klärende Gespräche durch den Tod nicht mehr möglich sind sucht man sich anderweitige Hilfe

    DAS HAST DU GEMACHT !

    Du hast dich hier angemeldet um , so sehe ich das , dich an Menschen zu wenden , die ALLE den Tod erlebt haben... Vor ganz kurzer oder längerer Zeit...


    Dies alleine könnte schon für dich eine Art "Tipp" werden... Du könntest dich mehr und mehr geborgen und verstanden fühlen , obwohl hier jede Geschichte einzigartig ist ... Genauso wie deine.

    Eigentlich frage ich nicht so gerne ... Doch manchmal ist das hilfreich ...


    Du schreibst , das du gerade in Therapie bist. Kann es sein, dass du durch eine gerade jetzige Lebensgeschichte irgendwie an den Tod deines Vaters erinnerst wirst?

    Oder es ist sogar ein schönes Erlebnis was dir auf einmal die schöne Zeit mit deinem Vater in Erinnerung ruft?


    Ich habe sehr viele Therapien im Laufe meines Lebens gemacht und gehe jetzt einen sprituellen , meditativen Weg , der aber durch sehr heftige Erkenntnisse sowohl durch die Lebensereignisse als auch durch die Therapie einen guten , ja einen guten "Nährboden" gebildet hat.


    Ja, der Bauchspeicheldrüsenkrebs.... 2 Jahre Lebenszeit daMIT sind eine sehr lange und aussergewöhnliche Zeit? Sie hat euch ALLEN sehr viele aussergewöhnliche und auch schwere Erlebnisse gebracht !

    Fühle dich als liebender Begleiter deines Vaters verständnissvol gedanklich umarmt wenn du dir das vorstellen kannst...

    Einer der letzten Augenblicke, wo wir uns sahen war auch so einer. Ich verliess sein Zimmer (zum Glück war er zu Hause bei seiner Frau) und seine Augen sagten mehr wie Tausend Worte. Sie sagten: "ich habe Angst zu sterben und dich nicht mehr wiederzusehen".......mir zerreisst es das Herz wenn ich daran denke.

    Darf ich dir schreiben , dass diese Eindrücke deine schmerzhaften , SEHR LIEBEVOLLEN Eindrücke waren ?!? Oder hat dein Vater mit dir Gespräche geführt , die seine Angst vor dem sterben ausdrückten ??? in der heutigen Zeit ist Serben immer noch ein TABU , sogar an Krebs zu erkranken ist für viele Menschen eine grosse Herausforderung. Sowohl für den Erkrankten als auch für die Familie und Freunde...


    Wieder Fragen...

    DOCH

    unser aller Erfahrung hier ist

    Je mehr man hier schreibt und sich und seine Gedanken und Gefühle und Erlebnisse mitteilt , umso mehr wird die Trauer realer .

    Die Frage , ob du die Trauer verdrängt hast , sie nicht "richtig " verarbeitet hast stellt sich dann immer weniger !


    Die Trauer um alle unserer Lieben , und Eltern sind so immens prägend, und begleitet uns unser ganzes Leben lang...

    Nur sie verändert sich. Sie wird sanfter , milder .

    Ich möchte dich ermutigen hier weiter zu schreiben und somit in DEINER TRAUER um deinen Vater sagen wir mal

    dann "GANZ JETZIG" das alles anzuschauen.

    .und vor allem dich durch die gemeinsame Trauer "hier" geborgen zu fühlen. Das ist gut möglich.


    Noch etwas zu mir.

    Ich habe meine Eltern verabschieden müssen , eine sehr geliebte Nichte, meinen langjährigen Lebensgefährten mit dem ich 27 Jahre gemeinsam erlebte, sehr , sehr, sehr , viele Freunde.

    wegen dem Tode von leider 6 Freunden ( nein ,kein Tippfehler) im letzen Jahr bin ich wieder in dieses Forum gekommen...

    Meine "Tipps"

    einfach ALLES , wirklich ALLES was an Gefühlen auftaucht bestmöglich akzeptieren...

    Sich, das ist immer noch ein Thema : sich selbstbewusst dazu bekennen in Therapie zu sein !!

    Emotionen wie Trauer , oder Wut konnen

    durch weinen , schreien

    oder

    genau das Gegenteil ruhig sitzen und die Gefühle sich achtsam anzusehen...

    in der Natur zu laufen

    oder sogar durch sportliche Aktivitäten in diesem Fall ist es meistens eine gewisse Wutenergie die dadurch abgearbeitet wird zu machen

    Emotionsbilder malen

    bei Musik einfach wild tanzen oder selber Musik machen...

    und immer wieder ... sitzen und die Gefühle schweigend zulassen, sie sich ansehen... und wenn es geht verabschieden...

    Noch eine Frage

    welche Art von Therapie machst du?

    JETZT

    wünsche ich dir hier mehrere Antworten und wie schon geschrieben <3 dich geborgen hier fühlen<3

    Alles gute bis bestmögliche für diesen Abend , diese beginnende Nacht wünsche ich dir

    deine <3 Sverja

    "deine" schreibe ich immer wegen der gemeinsamen Trauer die uns alle hier verbindet

  • Hallo Wolle/Christian,

    wenn man funktionieren muß, und die Welt macht ja einfach weiter auch wenn einem ein wichtiger, geliebter Mensch verlassen muß, dann trauert man wahrscheinlich nicht zu Ende.

    Das ging mir mit meinem Vater genauso wie Dir. Zuerst war es eine Erleichterung, daß er es geschafft hatte und die Belastung aufhörte. Danach war viel zu regeln und zu kümmern und somit blieben meine Tränen ungeweint.

    2006 starb mein Vater und 2019 war ich wegen einer Depression im Langzeitkrank in einer Psychosomatischen Reha.

    Da habe ich bei einem 4wöchigem Angebot mitgemacht was Trauerseminar hieß. Ich habe mich davon angezogen gefühlt ohne konkret an eine bestimmte Trauer zu denken. Es interessierte mich einfach nur.

    Und schon in der ersten Stunde habe ich mit den anderen zusammen geweint. Für mich überraschender Weise um meinen Vater. Und es waren doch 13 Jahre vergangen.

  • Ups, jetzt hab ich ausversehen schon weg geschickt.

    Ich habe dort in den Stunden sehr um meinen Vater geweint. Auch darum, da# ich nun auch Die Hoffnung aufgeben kann jemals das von ihm zu bekommen um daß ich immer gekämpft habe. Seine Anerkennung.

    Es ist gut, daß Du Dich jetzt traust, die Trauer zuzulassen. Manchmal braucht es eben Zeit.

    Svenja hat ja schon viel dazu geschrieben. Schreibe uns Deine Gefühle, Gedanken, Stimmungen, Deine Erinnerungen und Bedürfnisse. Teile Dich mit, tausche Dich aus. Lese mit und schreibe etwas dazu. Du scheinst ja besonders betroffen zu sein von der Angst vorm Sterben oder vorm tot sein? Die Blicke Deines Vaters, die Dir als inneres Bild vor Augen stehen.

    Was könnten Sie alles gemeint haben? Was war wirklich und was ist Deine Interpretation? Was glaubst Du, was nach dem Tod kommt? Was glaubte Dein Vater?

    Ein Abschied war es allemal. Und natürlich ein großer Verlust.

    Ich zum Beispiel habe seit dem Tod von meinem Schatz im Nov. 2020 keine Angst mehr vorm Sterben oder dem Danach.

    Ich glaube daran! Daß wir "nach Hause" kommen werden. Daß wir uns wieder"sehen" werden. Und ich weiß, daß es ihnen gut geht, da wo sie jetzt sind.

    Das erfüllt mich mit einer Ruhe und Gelassenheit. Ich versuche jetzt ein anderes Leben gelingen zu lassen mit Freude, Begeisterung und Glück. Aber das ist schwierig. Ohne meinen Schatz. Er fehlt einfach bei all dem.

    Ich hoffe sehr, daß Du bei uns weiter kommst. Jedenfalls werden wir Dich verstehen. Willkommen.

    Ralfsheidemarie

  • Hallo Sverja und Ralsheidemarie,


    danke für eure lieben und ausführlichen Antworten. Ich will meine Worte mal zusammenfassen, was beide Antworten von euch betrifft. Die Therapie die ich begonnen habe hat nicht direkt was mit meinem Vater zu tun. Vielleicht indirekt. Durch das Herzrasen und den Panikattacken die ich erlebt habe, hat mein Körper mir wohl aufgezeigt das ich nicht mehr viel Reserve habe um weiterhin so weiterzumachen wie gewohnt. Die Angst und Panikattaacken sind besser geworden aber im Unterbewusstsein regiert leider zu häufig die Angst. Keine Angst vorm Versagen oder ähnliches. Dadurch das ich, wohl ausgelöst durch die Psyche, auch permanent Begleiterscheinungen habe (ziehen in der linken Brust, Kopfdruck, Tinitus, Schwindel) und die Fachärzte keine organischen Probleme erkannt haben, wird das wohl viel Psyche sein. Und damit verbunden dann halt auch häufig Angst das es doch was schlimmeres ist. Panik, wenn was passiert, wer hilft dann? Negative Gedanken die ich gar nicht will. Der "Auftrag" meiner Therapeutin ist nun, hinter diese Angstfassade zu schauen. Was sind Dinge die mich bewegen? Die mein Unterbewusstsein beeinflussen? Alles in einem bin ich aktuell zu dünnhäutig, emotional, schnell gereizt, etc. Und meine Symptome werden schlimmer bei Stress. Derzeit führen einfachste, emotionale Eindrücke zum weinen oder traurig wirken. Oder halt einfach emotional mitgenommen. Und da spielt das Erlebnis mit dem Tod eine Rolle. Und die beschriebenen Bilder (seine letzten Blicke....) sind halt auch sehr präsent. Wollte mich nach seinem Tod auch nicht mehr von ihn bzw seinem Leichnam verabschieden sondern die letzte Erinnerung lieber an den lebenden Vater haben, auch wenn es eine traurige gewesen ist.

    Ja, ich glaube an den Herrn. Was danach kommt, weiss ich aber auch nicht. Hoffen tue ich, das unsere Seele einen guten Platz bekommt. Mein Vater war jicht gläubig, zumindest wusste ich davon nichts. Aber ist halt sehr präsent. Es schmerzt sehr wenn ich an seiner Gedenkstätte bin (er wurde verbrannt und im Wasser bestattet, sein Element wo er gerne gewesen ist, auf seinem Boot). Diese Leidenschaft teile ich mit ihm. Vielleicht macht es mich auch trauriger als ich annehme, das meine Frau und ich keine Kinder bekommen können und das unsere Linie leider ausstirbt. Ich nichts weitergeben kann. Ich weiss es nicht was da alles mit reinspielt. Fakt ist, es hat mich stark getroffen diese Erfahrungen mit dem Tode eines Elternteils zu machen. Auch wenn ich weiss, dass das dazu gehört. Vielleicht sind meine Angststörungen (die sich ja zumeist um das Leben drehen) davon beeinträchtigt....


    im Moment fehlt mir der Weg da raus. Trotzdem zahlreicher Arzttermine wegen meiner beschriebenen Begleiterscheinungen und der Therapie.
    Es ist derzeit viel Gegenwart und Vergangenheit, wenig Zukunft, Ausblick nach vorne. Hoffnung schöpfen durch Verbesserung.

    Alles nicht so einfach derzeit....


    Grüße, Christian

  • ach so, was ich vielleicht noch ergänzen sollte. Ich habe sonst ein gutes Leben. Keinen finanziellen Druck, eine liebe Frau, einen tollen Hund, viel Wohlstand, eine gute Arbeit. Will damit nur sagen, das ich nicht in einer Krise bin was das alltägliche Leben mit all seinen Schwierigkeiten betrifft.


    Nicht ganz unwichtig da bei vielen anderen vielleicht auch Trostlosigkeit oder fehlende Lebensperspektive dazu kommt. Das ist generell nicht der Fall bei mir.....

  • lieber Wolle020500 Christian

    Ich sitze hier gerade an dem Zusammenfluss zweier Bäche , die bald in einen der grossen Seen in Schweden fliessen.

    Sowohl RalfsHeidemarie als auch deine ausführlichen Antworten habe ich gelesen und schreibe jetzt "nur" das ich dir heute zu relativ später Stunde ausführlich antworte...

    Ich wünsche dir Zeiten ohne körperliche Beschwerden

    💖Sverja

  • Lieber Christian,

    Es tut mir leid, dass du deinen Vater verloren hast.

    Es kann durchaus sein, dass sich Trauer auch erst Jahre später zeigt. Oder eben eine andere Facette davon. Das bedeutet nicht, dass man gar nicht getrauert hätte.


    Bei Trauer hilft nur trauern. Lass alle Emotionen zu die da sind. Meist kommt es auch in Wellen und ist nicht immer präsent.

    Vielleicht könnten dir auch nochmal kleine Abschiedsrituale helfen, wie einen Brief zu schreiben, oder ein kleines Feuerritual. Spür mal rein, was für dich passen könnte.


    Was ist für dich die größte Belastung in der Trauer? Welches das zentrale Gefühl (neben der Traurigkeit)?


    Alles Liebe & Schön das du hier bist <3

    Isabel