Verlust beider Eltern

  • Hallo, ich bin heute auf dieses Forum gestoßen und so froh, meine Geschichte mit Menschen teilen zu können, die meine Gefühle nachvollziehen können.

    Alles begann im Frühling 2020. Mein Vater klagte vermehrt über Unwohlsein, wurde von seinen Ärzten aber immer wieder vertröstet und mit neuen Medikamenten weggeschickt. Eines Tages stand er vor meiner Mama und mir (damals 23 Jahre alt, Studentin und noch Zuhause wohnend) und kündigte an, sofort zum Arzt zu wollen. Aufgrund des Wochenendes ging es direkt ins Krankenhaus. Dank der Corona-Situation durfte meine Mama nicht mit rein. Sie fuhr nach einiger Zeit wieder nach Hause, um mir etwas Sicherheit zu geben. Wenig später kam der erste Anruf, meine Mama solle bitte Klamotten bringen. Mein Vater hätte vor einiger Zeit einen stillen Herzinfarkt gehabt und müsse nun operiert und dann dort bleiben. Sie fuhr sofort los, wurde vor Ort noch beruhigt, dass alles gut würde und fuhr wieder nach Hause. Wenig später der Anruf, mein Vater sei verstorben, es tue Ihnen sehr leid.
    Meine Mama und ich hatten schon immer ein sehr gutes Verhältnis und hielten in den folgenden Monaten zusammen so gut wir konnten.


    Einige Wochen vor dem ersten Todestag meines Vaters, bekam meine Mutter eine Bronchitis. Ihr Husten klang schon immer enorm, seit ich mich erinnern kann, daher machten wir uns anfangs keine Sorgen. Als es immer schlimmer statt besser wurde, ging sie mehrfach zum Arzt. Die ersten Male war alles in Ordnung. Dann entdeckte der Arzt Geräusche in der Lunge und schickte sie sofort ins Krankenhaus. Kaum hatte ich sie dort abgesetzt kam der erste Nervenzusammenbruch. Sie informierte mich später, sie habe Wasser in der Lunge und ich solle ihr bitte Klamotten bringen, sie würde etwas dort bleiben müssen, aber alles halb so wild. Die Ärzte fanden in den nächsten Tagen heraus, dass sie eine Zufuhr zu viel zum Herzen hatte. Eine reine Routine, die bei vielen Menschen vorkäme und manchmal ein Leben lang keine Probleme machen würde. Ich zog für die nächsten Tage zu meinem Freund, um nicht alleine zu sein. Jeder Tag und jede Nacht waren die Hölle. Schließlich waren ihre Werte wieder gut, sodass sie mit einem Termin zur Verödung der Zuleitung das Krankenhaus wieder verlassen durfte. Über die nächsten Tage wurde sie langsam fitter. Nur der Blutdruck und der Puls waren sehr niedrig. Laut den Ärzten angeblich wegen des langen Liegens in der Woche zuvor und nicht aufgrund der Betablocker, die sie seit der Einweisung ins Krankenhaus nehmen musste.

    Eine Woche, nachdem sie entlassen wurde, fand ich sie morgens tot in ihrem Bett, genau 363 Tage nach dem Tod meines Vaters. Für mich brach eine Welt zusammen. Es folgte die Planung einer Beerdigung, ein Umzug und jede Menge Papierkram, aber keine Zeit für Trauer.


    Die Folgen zeigten sich einige Monate später, als ich mit einer Panikattacke ins Krankenhaus kam. Monatelang hatte ich bei jeder Kleinigkeit Todesangst, konnte nicht mehr alleine raus gehen, geschweige denn überhaupt alleine bleiben. Nicht ein mal duschen war möglich, ohne dass jemand neben mir stand. Erst eine Therapie konnte mir in ein einigermaßen normales Leben zurückhelfen. Ich kämpfe noch immer mit Ängsten und Panikattacken, aber es ist weniger geworden.

    So, so weit meine Geschichte und ich bin froh, sie einmal aufgeschrieben zu haben.

  • Oh meine Güte liebe JenNa,


    beim Lesen hielt ich die Luft an, ohne es zu merken, so sehr war ich bestürzt über dein Schicksal und es tut mir unsagbar leid.


    So jung, beide Eltern zu verlieren... unvorstellbar für mich.


    Es ist gut, dass du einen Anfang gewagt hast, uns deine Geschichte anzuvertrauen.

    Wann immer es dir danach ist, schreibe, was dich bewegt. Es wird gelesen und es wir dir immer jemand antworten.


    Zum Glück konntest du mit anscheinend guter therapeutischer Hilfe, der Angst und Panik soweit entkommen, dass du wieder selbstständig leben kannst, soweit es deine Trauer zulässt.


    Im Verstehen Pia 🥀

  • Hallo Pia,


    Ich bin froh, dass du so schnell antwortest. Ich habe schon an meiner Offenheit gezweifelt und wollte den Beitrag wieder löschen,

    Ja, es war hart. Mein Papa war 52, meine Mama 47, beide viel zu jung. Und dann immer diese Gedanken, dass es mit anderen Ärzten oder wenn ich sie mehr zu den Ärzten gedrängt hätte anders hätte laufen können.


    Da ich nur einen Halbbruder habe, der mich sofort nach Papas Tod fallen lassen hat, war ich nach Mamas Tod auch familiär sehr alleine. Wenn ich heute darauf zurückblicke bin ich irgendwo stolz, dass ich das alles bis hierhin geschafft habe, weiß aber keineswegs, wie ich das gemacht habe.

  • Du musst nichts löschen, niemand muss das, hier kann alles und muss nichts.


    Das ist unfassbar, so jung deine Eltern und du so jung, das erleben zu müssen.

    In Zeiten, in denen es gilt zu handeln ohne gefragt zu werden, entwickeln wir ungeahnte Kräfte und du kannst zu Recht unglaublich stolz auf dich sein ❤️

  • Vielen Dank für deine lieben Worte.


    Ich war mir nicht sicher, ob mir das hier noch hilft nach allem, was ich schon versucht und gemacht habe, aber es tut gut, jemandem davon erzählen zu können, der die Geschichte nicht schon 10x gehört hat.

  • Liebe JenNa


    auch mir geht dein Schicksal sehr nah und es ist mehr als richtig dich hier deiner Seelenqual geöffnet zu haben.

    Du kannst darauf vertrauen hier auf tröstende verständnisvolle Worte zu treffen.
    Hier sind wirklich liebevolle Menschen mit den unterschiedlichsten Schicksalen, aber immer in Verbindung einen liebsten Menschen , einen Seelenmenschen , verloren zu haben. Das vereint uns alle in dieser Gemeinschaft.


    Und deshalb ist es gut dass es dich hierher geführt hat


    Herzlichst ♥️♥️

  • Liebe Jenna,

    tief ergriffen habe ich deine Geschichte gelesen...

    Es ist nie ein Phrase wenn du hier geschrieben liest das wir dir ein stilles, leises Willkommen senden in dem Forum in dem man eigentlich nicht sein möchte...


    Doch es ist so wie du schriebst .

    "so weit meine Geschichte und ich bin froh, sie einmal aufgeschrieben zu haben. "---


    Es ist eine schwere Geschichte die du durchlebt hast und ja weiterhin durchlebst ... In so kurzer Zeit als junger Mensch die Eltern zu verlieren bedarf einer grossen Kraft die man eigentlich nicht hat ...


    Dankbar habe ich gelesen , das dein Freund dir damals und auch vielleicht jetzt zur "Seite steht", UND das du dir therapeutische Hilfe geholt hast.

    Scheibe dir immer und immer wieder alles von der Seele , auch wenn du meinst , das hast du ja schon geschrieben.

    Jedes Beschreiben der gleichen Situaion ist dennoch anders im Empfinden , das wirst DU merken und nach einiger Zeit wenn du deinen ersten und zweiten und dritten Herzenstrauerbericht liest , wirst DU den Unterschied merken.


    Ja, LEIDER kommt immer erst so viel organisatorisches ... Das "lenkt " . Man ist dann wirklich fokussiert , auch rein zwangsläufig..

    Auch das haben wir hier ALLE individuell erlebt.

    Auch aus diesem Grunde sind wir alle Wegbegleiter fuereinander geworden...

    Dieses virtuelle fuereinander da sein wuensche ich dir auch sehr ...


    Ja, und sehr viele kennen in ähnlicher Art und Weise diesen Tod , diesen körperlichen Tod den deine Eltern erlitten haben...

    Auch aus dieser Ähnlichkeit wächst eine Verbindung ...


    Eines möchte ich noch schreiben...

    Du hast auch schon SOFORT getrauert . trotz allem Organisatorischen .

    Es hat sich nicht "gerächt"...

    Trauer IST gerade so kurz nach diesem endgueltigen DANACH ein "Seelen - und Körpersturm" den du durchstehen musst.


    Hier gibt es auch die Geschichte von dem Wellenmeer der Trauer...

    Manchmal schlagen die Wellen ueber dir zusammen , doch dann gibt es Zeiten wo das Meer ruhig ist , oder nur sanfte Wellen zu sehen sind...

    Das sind dann die Ruhepausen die wir DRINGEND brauchen um wieder ein bisschen ein kleines bisschen Kraft "tanken" ...


    Ich hoffe das du weiterhin reale therapeutische Hilfe hast , deinen Freund und vielleicht auch noch Familie hast

    und "wir hier" stehen dir immer virtuell zur Seite.


    Fuehle dich aufgenommen und mit der Zeit "aufgehoben , beschuetzt , ein wenig geborgen" ...

    Es kann wirklich so sein...

    das wuenscht dir Sverja

  • Ja, das du schon so liebevolle Antworten bekommen hast habe ich nicht gelesen , weil ich etwas langsam im tippen bin.

    Doch eines

    Hier kannst du 29 mal ,30 mal etwas schreiben

    und ja nicht löschen . Es gibt keinen Grund dafuer

  • Meine Zitierfunktion geht gerade nicht.

    eine wirklich gute Möglichkeit , diese brauche ich auch absolut weil meine Lieben auch sehr weit weg wohnen.

    Whatsapp Austausch , Videotelefonate , auch alltägliches berichten , Fotos machen und verschicken . das erschafft mehr Nähe . Das ist eine kleine Hilfe...

    Ja, das verdrängen , das kennen auch viele von ihrer Familie und Freunden.

    Vielleicht hilft es dir ein wenig , das du dir dennoch sagst ... sie trauern anders...

  • Mittlerweile komme ich ganz gut damit klar. Es bleibt in einigen Momenten schwierig, zum Beispiel immer dann, wenn ich merke, dass gerade völlig das Verständnis für meine Situation fehlt. Zu Weihnachten zum Beispiel war es sonst jedes Jahr so, dass wir Heiligabend bei der Familie meiner Mama waren und am ersten Weihnachtstag zu der Familie meines Papas eingeladen wurden. 2020 waren meine Mama und ich ganz normal bei ihrer Familie und auch bei der meines Vaters. Als ich 2021 dann erstmalig alleine war, wurde ich widerwillig noch zu der Familie meiner Mama eingeladen, die Familie meines Vaters hatte schlichtweg die Einladung vergessen und ich sie nicht als selbstverständlich gesehen.
    Dieses Jahr bin ich bei der Familie meiner Mutter sogar ausgeladen zu Heiligabend. Sie wollen es dieses Jahr nicht so stressig haben. Von der Familie meines Vaters habe ich bisher nichts gehört, werde mich aber nochmal melden.

  • Oh ,oh oh.

    das ist eine neue Herausforderung,,,

    Hast du eine Idee was du machen willst ?

    Wäre dein Freund und seine Eltern eine Möglichkeit Weihnachten mit dir zusammen zu verbringen ?

    Wenn Nicht

    ein Wellnes Hotel ( allerdings sind da viele ältere Menschen was ein Trigger sein kann)

    Ich bin ein spiritueller Mensch ... da käme ein retreat bei mir in Frage ...


    Melde dich UNBEDINGT bei der Familie deines Vaters. wuerde ich sagen

  • Für die Familie meines Freundes ist das gar keine Frage, die hatten mich letztes Jahr schon eingeplant und waren schon fast enttäuscht, dass ich erst spätabends dazu kam. Ich bin also auf keinen Fall alleine. Aber dass es Strenggenommen „Fremde“ sein müssen, die einen auffangen, statt der eigenen Familie, tut dann doch noch weh.

  • Liebe Jenna

    Familiengeschichte ist wirklich komplex ...Da gibt es auch häufig Verwundungen von denen du nichts weisst.

    Andere Menschen und ich auch gleuben an Seelenfamilien oder Seelenfreunde . Das sind vielleicht die Eltern deines Freundes.

    Betrachte es als DEIN Geschenk welches du erhalten hast.

  • Liebe Jenna,

    tief betroffen habe ich gerade Deine Geschichte gelesen. Das ist so furchtbar was Du erleben musstest, und dann auch noch so jung! Ich bin "schon" 31 und musste dieses Jahr meine Mama nach einer Krebserkrankung gehen lassen und das war das schlimmste überhaupt. Ich kann nur erahnen wie es Dir gehen muss....beide Elternteile so kurz nacheinander verloren...das ist ein Alptraum aus dem man nicht aufwacht. Es tut mir schrecklich Leid. Es ist "gut" dass Du hierher gefunden hast und Deine Geschichte erzählen magst. Mir hat das Forum bisher immer sehr gut geholfen. Hier wird man verstanden, Du kannst Dir alles von der Seele schreiben. Es ist wie ein Ventil, wenn die Trauer und der Schmerz zu groß werden. Das Schreiben verschafft dann zumindest etwas Linderung. Gut, dass Du auch zur Therapie gehst und Dir helfen lässt. Diese Panikattacken kenne ich und viele andere hier auch. Ich glaube Du hast schon sehr viel Trauer zugelassen und das wird Dir helfen, das Erlebte zu verarbeiten.


    Ich hoffe Du musst die Tage nicht alleine durchstehen und dass Du gute Freunde um Dich herum hast bzw Menschen, bei denen Du Dich wohl fühlst und öffnen kannst. Auch wenn jemand, der so einen großen Schmerz noch nie hatte, das nicht nachvollziehen kann tut es gut nicht alleine zu sein. Nimm Dir alle Zeit der Welt um zu trauern. Das ist glaube ich auch sehr wichtig an diesem ganzen Prozess des Verarbeitens. Man muss erst realisieren was passiert ist. Wenn man soetwas überhaupt begreifen kann - keine Ahnung. Meine Mama ist vor 11 Monaten verstorben und ich realisiere es bis heute an manchen Tagen nicht. Ich wünsche Dir ganz viel Kraft und hoffe dass Du hier im Forum ein wenig Hilfe bekommst. Du kannt hier immer schreiben, es wird immer jemand antworten. Du bist nicht alleine mit Deiner Trauer und dem Schmerz, so traurig es ist, Hier sind Menschen die Dich verstehen.