Abschied vom Ausblick
Ich verzeihe dem Frühling,
daß er wieder kam.
Ich zürne ihm nicht,
daß er wie alle Jahre
seine Pflicht tut.
Ich weiß, meine Trauer
hält das Grün nicht auf.
Und bebt ein Halm,
so ist es der Wind.
Es tut mir nicht weh,
daß die Erlen am Wasser
etwas zu rauschen haben.
Ich nehme zur Kenntnis,
daß das Ufer des Sees
- als lebtest du noch-
so schön ist, wie's war.
Dem Ausblick bin ich nicht gram
wegen der Sicht
auf die Sonnenbucht.
Ich kann mir auch vorstellen,
daß zwei, nicht wir,
in diesem Augenblick
auf dem Birkenstamm sitzen.
Ich achte ihr Recht
auf Geflüster, auf Lachen
und glückliches Schweigen.
Ich nehm sogar an,
daß sie Liebe verbindet
und daß er sie umarmt
mit zitterndem Arm.
Etwas Neues, Vogelhaftes
raschelt im Schilf.
Ich wünsch ihnen ehrlich,
daß sie es hören.
Ich verlang keinen Wandel
von den Wellen am Ufer,
die mal flink sind, mal träge
und mir nicht gehorchen.
Ich verlange nichts
von der Flut hinterm Wald,
mal smaragden,
mal saphiren,
dann wieder schwarz.
Nur eins kann ich nicht.
Dorthin zurück
Privileg des Dortseins -
Ich verzchte darauf.
Nur um so viel, nur so weit
hab ich Dich überlebt;
um aus der Ferne zu denken.
WISLAWA SZYMBORSKA