Mein Vater, mein Seelenverwandter

  • Liebe Jenny,


    es ist wirklich schön, dass der Freund sich Sorgen um dich macht und dir offenbar helfen will. Aber ich glaube, er hat nicht Recht, dass die Trauer bedenklich ist. Vier Monate ist eine so kurze Zeit und du fühlst dich, wie du dich fühlst. Irgendwo hab ich mal gehört, dass Trauer keine Krankheit ist, aber dass unterdrückte Trauer krank macht. Ich glaube das stimmt. Wenn du nach vier Monaten noch traurig bist, sei traurig und wahrscheinlich wirst du es auch nach vier Jahren noch hin und wieder sein.

    Und was gegen Trauer hilft: Trauern:-). Das klingt so komisch, aber ich glaube es stimmt. Manchmal geht es mir einen Tag lang furchtbar schlecht und ich denke auch oft - hört das denn nie auf. Dann schreibe ich meist viel. Oft hier oder auch einfach so für mich. Und wenn ich die Trauer zulasse, dann gibt es auch wieder so viele Tage (in letzter Zeit werden mehr), an denen es mir richtig gut geht und ich dankbar an meinen Vater denken kann. Er war ja mein ganzes Leben für mich da - ich glaube der Abschied braucht Zeit. Im Grunde verabschiede ich mich jetzt schon seit drei Jahren von ihm, aber das ist ja nichts gegen 44 Jahre Anwesendheit in meinem Leben.


    Liebe Grüße

  • Liebe Jenny,

    Dein Beitrag ist ja schon eine Weile her, ich habe ihn aber erst jetzt gefunden und mich haben deine Worte zu Tränen gerührt. Wie geht es dir denn mittlerweile, wie kommst du im Alltag zurecht?

    Deine Geschichte hat mich ein wenig an meine erinnert. Mein Papa starb im Juni plötzlich mit 75, er war schon herzkrank, aber wir dachten er hat schon noch Zeit… und meine Mutter ist auch sehr mit sich selbst beschäftigt, seit ich ca 10 Jahre alt bin ist sie chronisch körperlich an ms erkrankt und war daher nie eine „klassische“ Mutter in ihrer Rolle. Mein Papa hat auch alles übernommen, sich aufgeopfert, auf so viel verzichtet, ihre Launen ausgehalten, ihre Undankbarkeit hingenommen. Ich bin bei einer Therapeutin seit seinem Tod, weil ganz viel Wut bei mir aufkommt. Ich stelle mir manchmal vor, wie es wäre, wenn sie gestorben wäre, mein Papa hätte vielleicht noch etwas mehr aufgelebt, er ist aus Sorge um sie kaum noch aus dem Haus, wollte sie nicht lange alleine lassen… mich beschämt der Gedanke, aber er war immer ein gütiger und liebevoller Papa, er hat sich viel mehr für uns Kinder und die Enkelkinder interessiert, als es meine Mutter tut. Und sie lässt nun kaum Hilfe von außen vom Pflegedienst zu, es ist einfach schwierig mit ihr, am liebsten wäre ihr, ich und meine Schwester machen alles. Aber dass es uns belastet und sie es für uns mal anders machen könnte, das kommt kaum bei ihr an. Sie ist auch kognitiv einfach nicht mehr so in der Lage dazu. Aber das macht mich oft noch wütender und trauriger. Ich habe auch eine kleine Tochter, sie konnte mit ihrem

    Opa noch den ersten Geburtstag im Januar feiern, aber sie wird sich nicht mehr an ihn erinnern. Und ich erwarte im

    November mein 2. Kind, habe die Urne meines Papas quasi auf meinem babybauch zum

    Grab getragen..,Das tut so weh und ich beneide alle Freunde, die ihre Eltern haben, die von ihnen unterstützen werden und so lieb zu ihren Enkeln sind.
    ich glaube für das Umfeld wird es schnell wieder zur Normalität und mich frägt auch kaum noch einer direkt, wie es mir mit dem Verlust geht, obwohl es noch keine drei Monate her ist.

    Das bleibt glaube ich unser Los und es versteht nur jemand, der Ähnliches erlebt. Ich schäme mich schon auch ein wenig dafür, dass ich im Gegenzug andere Freunde wenig gefragt habe, wenn der Verlust eines lieben Menschens einfach schon eine Weile

    Her ist. Aber eine Freundin, deren Papa lange verunglückt war, hat gesagt, dass es doch auch nach so langer Zeit immer wieder gut tut, darüber zu reden. Ich glaube, wir müssen unsere Kontakte gezielt

    Danach auswählen, wer einem

    Gut tut, Verständnis hat und man von sich aus einfach davon reden darf. Darauf warten, dass andere einem die Möglichkeit geben, enttäuscht glaube ich nur. Und ich hoffe, dass die Trauertherapeutin dir auch helfen kann, es ist glaube ich gut, einen Ort und Raum zu haben, einen „Termin“, um einfach so trauern zu dürfen, wie es gerade da ist.


    alles Liebe dir und viel

    Kraft

  • Hallo.

    Ich bin neu hier.

    Aber ich fühle genau das gleiche wie du.

    Mein Papa war für mich genau das was auch du beschrieben hast.

    Mein Herz ist ebenso gebrochen und das schlimmste ist das mein Umfeld mich nicht versteht.

    Alte Menschen sterben,sie hatten ein erfülltes Leben. Solche Sprüche bekommt man und das schmerzt sosehr. Immer soll man einfach weiterleben aber man kann das nicht

    Ich verstehe dich so gut und teile deine deinen Schmerz absolut.

  • Liebe Grollwoelkchen,


    mein Beileid zu Deinem schweren Verlust von Herzen.

    Es ist ein Alptraum aus dem man nicht mehr aufwacht es ist grausam und macht einen fertig.


    Wir wissen alle hier wie das ist.

    Fühl Dich hier geborgen und aufgefangen.

    Die Außenwelt tut sich schwer das zu verstehen und nachzuvollziehen wie es uns geht, deswegen ist dieses Forum mit seinen lieben Menschen so unglaublich wertvoll.


    Vlg. Linchen

  • Mein Herz ist ebenso gebrochen und das schlimmste ist das mein Umfeld mich nicht versteht.

    Alte Menschen sterben,sie hatten ein erfülltes Leben. Solche Sprüche bekommt man und das schmerzt sosehr. Immer soll man einfach weiterleben aber man kann das nicht

    Liebe Grollwoelkchen, ich sende dir mein tiefes Beileid zu deinem schweren Verlust - ich widerhole hier zwar die Worte von Linchen von mir, aber besser kann ich es auch nicht ausdrücken.


    Leider ist das Unverständnis der Umwelt ja schon ein Klassiker! Trauern die alle selber gar nicht, wenn ihre Eltern sterben?


    Als meine Hausärztin mich neulich bei dem Jahrescheckup empathisch fragte, wie es mir gehe, sagte ich: Nicht besonders gut, meine Eltern sind beide verstorben. Zwar meine Mutter im letzten Jahr, aber mein Vater weniger als ein halbes Jahr später in diesem Jahr und ich erhole mich gerade von der schlimmsten Trauerzeit und trauere natürlich immer noch.

    Da sagte sie in einem Tonfall, als ob man mir jemandem spräche, den man aber nun ein bisschen dringend auf den Teppich bringen müsse: "Naja, aber Ihre Eltern waren doch alt." (Weil sie so alt ist wie ich, die Ärztin.) Dann sagte sie noch: "Ich habe auch eine 97jährige Mutter." Das hörte sich an, als ob es locker wegsteckbar sei, wenn diese mal stürbe. Ich antwortete: "Mein Vater würde nächstes Jahr 100 Jahre alt und meine Mutter war 11 Jahre jünger, deshalb liebe und vermisse ich sie doch trotzdem als meine Eltern!"


    Also, liebes Grollwoelkchen, lies hier viel im Forum, da denken wir so wie du! Liebe Grüße von mayatochter!