Liebe Susanne,
uns zurückbleibenden bleibt nichts als die Hoffnung. Die Hoffnung, dass unsere Lieben ohne Schmerzen ihre letzte Reise antreten dürfen. So oft wird diese Hoffnung zerstört, weil der Körper von Krankheiten zerstört wird. Dass deine liebe Nachbarin in so einem grauenhaften Zimmer liegen muss, ist wirklich sehr traurig. Man kann nur hoffen, dass sie entweder ganz schnell heimgehen darf, oder ganz schnell ins Hospiz kommt, wo man sich ihrer liebevoll annimmt.
Hab euch doch geschrieben, dass die Mama meiner Freundin vor ein paar Wochen verstorben ist. Die Ärzte wollten sie damals in einem 6 Bettzimmer sterben lassen. Man wusste, dass es sehr bald so weit sein würde... Meine Freundin hat den Kampf mit der ganzen Station aufgenommen, dann wurde sie doch noch in ein "Klassezimmer" gelegt. Dort bekam sie dann noch eine schmerzstillende Spritze, dann schlief sie ein. Wenige Stunden später starb sie im Beisein ihrer Familie im Schlaf, ohne noch einmal das Bewusstsein zu erlangen. Das hat mich sehr betroffen gemacht, weil es deutlich zeigt, wie abgebrüht die damalige Ärztin war. Die hätte sie glatt mit 5 weiteren schwerst kranken im Zimmer gelassen... So ist es auch bei deiner Nachbarin. Es ist schrecklich zu sehen, wie manche Menschen in den letzten Tagen ihres LEbens hin- und hergeschoben werden, wie ein Stück Ware. Es macht uns auch Angst, das mitzuerleben, weil wir uns fürchten, auch einmal so menschenunwürdig gehen zu müssen...... :13:
Meine Schwester meinte vor einiger Zeit zu mir: Weißt Michi, im Krieg hatten einige Leute einen Giftring. Um selbst entgegen zu steuern, damit man nicht z. B. in Gefangenschaft kommt, gefoltert oder vergewaltigt wird, oder ähnliches. Ring aufklappen, Giftpille schlucken und gleich ist es vorbei. So etwas hat sich meine Schwester auch heimlich gewünscht. Sie hat eigentlich recht..... So lange wir noch ein wenig Frau unserer Sinne sind, selber entscheiden dürfen, in Würde zu gehen....
Liebe Susanne, ich wünsch dir viel Kraft, deiner Nachbarin und deren Familie auch ein wenig beizustehen. Du hast den furchtbaren Schmerz vor einem Jahr erlebt, du weißt genau, was deine Freundin und ihr Bruder erwartet.
Liebe Grüße, im Gedanken bei dir :24:
deine Michi