Meine kleine Schwester

  • Meine allerliebste kleine Schwester ist vor einem guten Jahr gestorben. Sie war gerade 22 geworden. Sie war krank, aber der Tod kam plötzlich und unerwartet. Der Artzt sagte noch einen Tag vorher, dass alles in Ordnung sei und man sich keine Sorgen machen müsse. Es ist so furchtbar traurig und auch wenn ich mittlerweile tatsächlich weniger häufig traurig bin, kommt der Schmerz doch immer wieder - ganz plötzlich und drückt mich zu Boden. Dann weiß ich gar nicht wie ich da wieder rauskommen soll und die Tränen laufen mir haltlos über die Wangen. Ich kann auch mit niemandem wirklich drüber reden - ich weiß auch nicht was mich davon abhält, aber ich will irgendwie nicht, obwohl es mir ja vielleicht auch gut tun würde. Wenn ich bei meinem Freund doch mal den Schmerz rauslasse (was fast nie passiert), dann weine ich bloß und sage nichts, weil ich jeden Gedanken in meinem Kopf für zu doof finde, ihn auszusprechen. Was soll man dazu auch sagen? Da gibt es nichts. Diese Trauer, diese unendliche Traurigkeit kann man nicht in Worte fassen.
    Mit meinen Eltern mag ich auch nicht drüber sprechen, ich weiß auch nicht wieso.
    Mir steigt manchmal alles über den Kopf. Ich hätte sie so gerne noch hier. Sie war so lieb und gut und ich vermisse sie so sehr. So sehr so sehr so sehr.
    Und alle anderen Menschen in meiner Umgebung meiden das Thema, ich hab das Gefühl, ich darf nicht mal ihren Namen erwähnen, Geschichten von früher erzählen oder sonstwas. Dann gucken mich alle an wie ein Gespenst als hätten sie Angst vor mir. Dabei ist es doch normal, dass mir ab und zu mal eine Geschichte von ihr einfällt, und würde sie noch leben, fänden das alle auch normal, dass ich irgendwas von ihr erzähle.
    Es ist alles so schwierig geworden. Ich hab sie einfach unendlich doll lieb und genauso traurig bin ich jetzt auch.
    Ich weiß nicht, was ich noch schreiben soll, vielleicht mag mir ja jemand antworten...

  • Liebe Katou,
    es tut mir so leid, dass Du Deine Schwester verloren hast. Der Schmerz, der einen innerlich zerreisst, kenne ich all zu gut. Ich denke es ist gut über Deine Schwester zu reden bzw. hier zu schreiben. Es ist gut zu heulen, lass es einfach zu. Man trauert ja nur wenn auch Liebe dagewesen ist. Mir hilft es schon mit meiner mama (ist vor 2 Jahren total unerwartet gestorben) zu reden, oder ich bin irgendwo im Wald und sag ihr dann: schau mal wie schön, das hätte dir auch gefallen.
    Hast Du Angst, bzw. traust Du Dich nicht mit Deine Eltern zu reden weil Du glaubst dass sie dann trauriger werden? Glaube mir, es ist für alle Betroffenen leichter wenn man es schafft diese Schweigebarriere zu durchbrechen und zusammen zu heulen, aber auch schmunzeln um gute, lustige, schöne Erinnerungen.
    Hast Du Dich in irgend einer Form verabschieden können von Deiner Schwester? Vielleicht kannst Du ihr Briefe schreiben und ihr nochmal mitteilen wie sehr sie Dir fehlt.
    Auf jeden Fall heisse ich Dich hier leise willkommen und ich hoffe, dass Dir den Austausch hier im Forum weiterhilft.
    Kathrin

    Alles wird gut. Es gibt viel Trauriges auf der Welt und viel Schönes. Manchmal scheint das Traurige mehr Gewalt zu haben, als man ertragen kann, doch dann stärkt sich indessen das Schöne und berührt wieder unsere Seele. (Hugo von Hofmannsthal)

  • Liebe Katou!
    Willkommen hier bei uns.Deine Schwester ist sehr jung und dazu noch an einerKrankheit gestorben.Wenn ich richtig verstehe,war sie nicht lange und offensichtlich nicht lebensbedrohlich erkrankt? Oder täusche ich mich?
    Es ist alles erst ein Jahr her.Da ist es vollkommen normal,das dir in gewissen Situationen, einfach so, die Tränen kommen.Du hast einen Teil von dir verlohren!
    Da geht man nicht so zur "Tagesordnung" über.Den Schmerz kann dir keiner abnehmen.Aber wir sind hier für dich da,hören zu.Irgendwann wird es etwas leichter.
    Schreib doch,wenn du möchtest über deine Schwester,erzähl uns von ihr.
    Oder mach es,wie Kathrin dir geraten hat.Schreib ihr,wenn es dir besonders mies geht einen Brief,oder schreib gemeinsame Erlebnisse auf.
    wie geht es denn deinen Eltern,das du nicht mit ihnen reden magst?
    Ich wünsch dir viel Kraft und nehm dich mal in den Arm (virtuell) wenn ich darf :30:
    Liebe Grüße
    Karla

    Mein Kind Juliane,
    Mein Bruder Rene,
    Mein lieber Vati,
    Ihr seid mir nur einen Schritt voraus-tief in meinem Herzen lebt ihr weiter :005:

  • Liebe Katou,
    auch von mir ein stilles und herzliches Willkommen hier im FOrum.
    Ich will Dir auch meine aufrichtige Anteilnahme aussprechen und Dir viel viel Kraft für die ach so schwere Zeit schicken.
    Liebe Grüße sendet Dir
    Josef

  • Liebe Kathrin, liebe Karla und lieber Josef,


    ich danke euch für eure Worte, es tut wirklich unglaublich gut, das zu lesen. Und auch hier reinzuschreiben und mich meiner Trauer endlich mal wieder zu stellen, die ich aus Angst meistens gar nicht zulassen will.
    Ich erzähle einfach mal ein bisschen, wie es dazu kam.
    Sie war eigentlich schon sehr sehr lange krank - seit ihrem 16. Lebensjahr - aber immer mit Höhen und Tiefen. Sie hatte Magersucht. Es gab aber auch Jahre, in denen es ihr besser ging, sie Normalgewicht hatte und auch eine Ausbildung begonnen. Irgendwann kam die Krankheit dann zurück - so ganz weg war sie eigtenlich auch nie. Sie war immer wieder in Therapie - zwei Wochen nach ihrem Tod hätte sie wieder einen Platz in einer Klinik gehabt. sie hat alles dafür getan, dort so schnell wie möglich hinzukommen, doch hat es nicht mehr gereicht.
    Das letzte Mal, dass ich sie sah, war 5 Wochen vorher, als ich bei meinen Eltern zu Besuch war. Sie kam kaum aus ihrem Zimmer raus, doch als ich mich verabschiedet hab, kam sie, drückte mich ganz lange und sagte mir mehrmals, dass sie mich ganz doll lieb hat und ich ihr auch. Ich bin so froh darüber, dass wir uns auf diese Weise verabschiedet haben, auch wenn wir nicht wussten, dass es für immer sein sollte.
    Ich danke euch dafür, mich so warm willkommen zu heißen. Ihr habt ja auch alle so schreckliche Schicksalsschläge erlitten, die man sich einfach kaum vorstellen kann. Ich denke an euch und nehme eure Kraft und Umarmungen dankbar an, ich schicke euch meine zurück!!!


    Eure Katou

  • Liebe Katou!


    herzlich willkommen bei uns und mein herzliches Beileid zum Tod deiner Schwester!


    Magersucht ist eine sehr schwere Erkrankung und Frauen, die diese Krankheit bewältigen, kommen selten ganz darüber hinweg, sie bleibt immer latent vorhanden und bricht dann in Krisensituationen oft wieder durch. Meine Vorschreiber(innen) haben dir ja schon ganz viel Wichtiges geschrieben.


    Weinen ist gut, der Schmerz muss ja raus! Wenn du darüber reden möchtest: Bitte, es gibt keine "dummen Gedanken" und bei uns im Forum schon lange nicht. Also - wenn du sonst Schwierigleiten hast deine Gedanken loszuwerden, dass bist du hier genau richtig. :)


    Kathrin hat absolut recht, wenn sie sagt, dass es für die Familie leichter ist zu sprechen als zu schweigen, aber sehr häuft braucht es jemanden, der den Bann des Schweigens bricht und allen die Erfahrung gibt, dass es gut tut, offen zu sprechen. Sag deiner Familie doch einfach, dass dir das Gespräch über deine Schwester fehlt. Sie bleibt - auch nach ihrem Tod - ein Teil der Familie und durch das Gespräch über sie, bleibt sie durch die Erinnerung lebendig für euch.


    Alles Liebe
    Christine

  • Liebe Katou!


    Als erstes möchte ich dir mein tiefstes Mitgefühl ausdrücken.
    Das bedürfniss über den geliebten Menschen reden zu wollen kann ich sehr gut nach vollziehen.Mein Papa ist am 02.08.2010 plötzlich und unerwartet aus unserer Mitte gerissen worden.


    Anfangs hatte ich richtig Anst über meinen Papa zu reden, aber irgendwann gab es da eine Situation,wo ich ohne nachzudenken gesagt habe " Oh mann,wisst ihr noch wie Papa damals mit uns hier war?" und irgendwie ist da der Damm gebrochen.Wir haben alle drei so sehr geheult,aber auch dabei gelacht,weil wir uns an so vile lustige sachen erinnert haben!
    Seitdem reden meine Schwestern und ich viel über ihn und auch unser großer kommt oft zu uns und redet von seinem "Opa Bumm"!


    Vielleicht weiß deine Familie einfach nicht wie sie es anfangen soll über deine Schwester zu sprechen.Vielleicht haben sie auch einfach Angst eine nicht verheilte Wunde noch weiter aufzureißen und Salz reinzustreuen.
    Ich weiß ja nicht wie dein Verhältnis zu eurer Mutter ist,aber vielleicht kannst du sie ja mal in einer ruhigen Minute in den Arm nehmen und einfach mal anfangen ein positives Erlebnis mit deiner Schwester zu erzählen.Es muss ja gar nichts trauriges sein.Ich denke,auch lachen ist vollkommen in Ordnung wenn man sich an eine geliebte Person erinnert.


    Das andere dich wie ein Gespenst anschauen wenn du über deine Schwester redest ist denke ich relativ "normal".Es ist in unserer Gesellschaft einfach so dass die meisten Menschen einfach nicht wissen wie sie einem Trauernden begegnen sollen.Sie sind einfach verunsichert wie sie angemessen reagieren und was von ihnen erwartet wird.


    Ich meine,viele der Bekannten meines Vaters waren auf der Beerdigung ganz entrüstet,weil ich nicht eine Träne vergossen habe (muss dazu sagen,dass er zwar nicht mein Erzeuger ist,aber halt mein Herzenspapa der immer und überall für mich da war und das mein Leben lang).Aber ich konnte einfach nicht!Jeder hat seine Art und Weise damit umzugehen.Die einen heulen bis zum umfallen,andere schreien und toben und wieder andere (so wie ich) sind einfach nur leer!!!!


    Vielleicht kannst du dir ja eine Erinnerungsschachtel anlegen,wo du Briefe an deine Schwester reinlegen kannst oder sonst irgendetwas was dich in einer bestimmten Situation an deine Schwester erinnert!


    Alles Liebe und viel Kraft
    Mone