Erfahrungs- und Erlebnisaustausch

  • Liebe Jutta


    Ganz herzhaften Dank für Deine aufmunternden und verständnisvollen Worte. Sie taten so gut, als ich sie am Montagmorgen, zwar erholt von der Nacht, aber immer noch irgendwie trauerschleierumweht, gelesen habe. Dein Sonnenstrahl für mein schweres Herz hat sofort gewirkt und reicht bis zu meiner guten, zuversichtlichen Stimmung von heute.
    Es ist doch einfach unglaublich, wie einen das Leben ergreift und durchschüttelt - ob hoch oder tief. So ganz neben dem "normalen" Alltag, der einfach nebenher läuft.


    Ich danke Dir auch dafür, dass Du meinen Mann bei seinem Namen nanntest. Es tut mir jeweils so gut, diesen Namen von anderen Menschen zu hören. Ist es wohl das, was jeweils gemeint ist mit "die Erinnerung lebendig erhalten"?
    Vorhin habe ich die Venus und ihren hellen Begleiter (Jupiter?) betrachtet und dabei Dir, liebe Jutta und allen, die trauern, die heiter werden, die zuversichtlich und auch wieder verzweifelt sind, allen einfach, die leben und sich redlich mühen, weiter zu machen, einen lieben Abendgruss geschickt - möge uns allen Licht leuchten, immer wieder und vor allem in den schwersten Stunden, denn da brauchen wir es am meisten.


    Danke, liebe Jutta, für Deine Umarmung - liebevoller Blick zurück!


    Giovanna

  • Ich kann nicht schlafen, denke über so vieles nach, zweifle, ob ich das alles schaffen werde und schreibe.
    Wäre mein Martin noch hier, wir würden im Bett miteinander sprechen über dies und das, er hätte mit einem kleinen Tipp, einem Satz alle meine Zweifel hinweggewischt, alle - mit irgendeinem Satz, einer Analogie, einer Gegenüberstellung, welche die Gewichtung klar zum Ausdruck gebracht hätte zwischen meinen Sorgen und der Welt. So wie die Aussage meiner Mutter: In hundert Jahren spürst Du nichts mehr davon. Nur dass Martins Satz hochphilosophisch gewesen wäre, er hätte ihn hingeschmettert, in unser Zimmer gestellt, ich hätte lauthals darüber gelacht und gleichzeitig die prioritäre Verschiebung und mein Problem als kein Problem erkannt, hätte gesehen, wie er wenig geschmunzelt und einen weiteren philosophischen Hauer entwickelt hätte, wir wären zu Wortspielen übergangen, hätten uns damit köstlich amüsiert und schlussendlich wären wir stiller geworden, Martin hätte mir etwas erzählt, irgendetwas, ich hätte seiner wunderbaren Stimme gelauscht, wäre dadurch müde geworden, eingeschlafen, er hätte gesagt, ich schlafe, während er wichtige Dinge für die Welt erzähle, meine Rechtfertigung, dass seine Stimme mich beruhigt, hätte er quittiert mit dem Halten meiner Hand und hätte das Licht gelöscht und wir wären in die Ruhe der Nacht eingetaucht, in eine neue, erneute gemeinsame Nacht.
    Das würden wir tun, wäre mein gelieber Mann noch hier...


    Es ist sehr schwer, mir bewusst zu sein, wie viel mir mein Mann war, wie viel wir geteilt haben und dass das in dieser Form nicht mehr geschehen wird auf dieser Erde. Dass sich eine unglaubliche, fast nicht zu überwindende Sehnsucht nach Wiedervereinigung breit macht, ist einfach so und auch schwierig auszuhalten. Ich weiss ja, dass ich hier auf Erden noch Aufgaben habe, dass mich Menschen brauchen, dass mich auch Aufgaben brauchen und ich mich noch ein wenig weiter entwickeln soll, aber... ich würde meinen Martin so gerne wieder sehen, jetzt sofort... Und morgen sieht es dann wieder anders aus, auch das weiss ich mittlerweile - . Mit dieser Hoffnung schicke ich Euch allen, die dies lesen, einen lieben Nachtgruss.


    Giovanna

  • Hallo Giovanna,


    wie geht es dir heute?
    Ich kann den Alltag ja meist ganz gut bewältigen, aber ich wäre so gern wieder mal glücklich. Dieses Gefühl glücklich zu sein, hatte ich wenn ich in Ulrichs Gesicht sehen konnte, seine markanten Gesichtszüge betrachten durfte und ein wenig seinen herben Männerduft atmen. Habe immer noch ein lang getragenes T-Shirt von ihm im Bett - und wenn ich meine Nase ganz tief rein stecke, kann ich ihn immer noch riechen. ^^


    Mich beschäftigt auch oft die Frage, ob es ein Wiedersehn geben wird. Meinem Sohn, der ja erst 5 Jahre ist, habe ich erklärt, dass der Papa jetzt im Himmel ist. Er hat so viele Ideen, wie wir den Papa wieder sehen könnten. Vor kurzem hat er gemeint, dass wir in der Sternwarte doch durchs große Fernrohr bis zum Papa schauen könnten. Er hat auch keine Scheu davor vorzuschlagen, wir könnten doch uns selber "tot machen" damit wir jetzt gleich wieder den Papa haben könnten. Zuerst hat mich das natürlich erschreckt, aber er will einfach seinen Papa wieder haben. Ich habe dann mit ihm darüber gesprochen, dass der liebe Gott entscheidet, wann jeder Mensch sterben soll und das Leben zuende ist. Wir sollen das nicht selbst entscheiden.
    Im Inneren habe ich natürlich keine Ahnung, was nach dem Tod kommen wird. Man kann nur hoffen, dass es zu einem Wiedersehen kommt. In welcher Form auch immer. Und ich versuche meinem Sohn zu vermitteln, dass man sich auch im Herzen nah sein kann.


    Hattet ihr auch Kinder zusammen? Oder war euer Garten das Verbindende zwischen euch?


    Liebe Grüße und eine Portion Kraft wünscht dir
    Melanie

  • Liebe Melanie


    Du fragst mich, wie es mir geht, Du Gute und selbst hattest Du den Geburtstag Deines geliebten Mannes vor Dir... Wie ist es Dir ergangen? Und wie geht es Dir heute, nachdem Du den ersten Geburtstag durchgelebt hast?
    Mein Mann hatte am 21. Januar Geburtstag und ist ja am 4.12.11 gestorben, zwei Tage nach unserem Hochzeitstag. Sein erster Geburtstag war für mich sehr, sehr traurig. Dann habe ich mir auch überlegt, das Ganze so anzusehen:
    Es ist zwar sein Todestag, ich weiss, doch ich kann es auch als Geburtstag in die jenseitige Welt betrachten. Diese Sichtweise hat mich ruhiger gemacht, ich habe wieder Zuversicht gewonnen.
    Ich finde es stark, wie Du Deinem Sohn Gewissheit gibst, wie Du ihn ernst nimmst mit seinen tiefsten Wünschen. Ich bin sicher, dass er viel versteht. Sein Glück, dass er Dich als Mama hat!
    Ich wünsche Dir ganz, ganz viel Kraft und auch das notwendige Durchsetzungsvermögen, um Luft zu kriegen in dieser schweren Zeit - Du brauchst Zeit zum Trauern und ich hoffe ganz fest, dass Du diese auch kriegst.


    Wir hatten keine Kinder, da mein Mann bereits in einer ersten Ehe Kinder hatte. Ich musste mich irgendwann entscheiden, diesen Mann ohne Kinder oder einen Mann mit Kindern suchen gehen... Dass ich so entschieden habe, habe ich nie bereut, es waren 27 fruchtbare, glückliche, lehrreiche und übervolle Jahre. Das Verbindende bei uns waren die Musik, die wichtigen Lebensfragen, unsere Weltanschauung, die Natur, das Wandern, die Philosophie, die Entwicklung, der Humor...
    Aber gerade heute - Du kennst das - an einem besonders freudigen Tag (ich habe eine wichtige Etappe in meinem Zweitstudium geschafft), schwingt mit der Freude auch ganz viel Trauer mit... immer wenn es schön ist, ist es auch traurig, ganz einfach. So wird es wohl auch bleiben. Die Trauer darum, dass mein Mann es nicht mehr miterleben kann (Du schreibst ja auch davon), dass er die Freude nicht mit mir teilen kann, diese Trauer schwingt halt einfach mit. Sie wird sich wohl mit der Zeit schon etwas abschwächen, in Wehmut vielleicht...


    Das mit dem Riechen an Dingen, die nach meinem Mann riechen, kenne ich gut. Deswegen suchte ich eine Trauerberatung auf, da ich dachte, so langsam beginne ich mich kurios zu benehmen. Aber - es ist alles im grünen Bereich, es gehört zum Trauern und ist auch wichtig für mich. Ich lerne bei der Trauerbegleiterin viel, über das Leben, über den Umgang damit und über mich. So gesehen eine gute Sache.


    Ich schicke Dir ein dickes Kraftpacket aus der Schweiz, liebste Abendgrüsse und denke auch ganz fest an Deinen kleinen, süssen Jungen!


    Giovanna


    PS: Jetzt habe ich wohl etwas doppelt verschickt...

  • Liebe Giovanna


    danke für deine lieben Worte. Ich habe heute Nachmittag schon einmal ganz fest an dich gedacht. Als ich auf dem Weg zum Friedhof war, ist mir eingefallen, dass heute ja Sonntag ist, dieser Wochentag der für dich immer besonders schwer ist. :30:


    Ja, ich hatte in der vergangenen Woche wirklich zum ersten Mal das Gefühl, etwas "gewachsen" zu sein an dieser schweren Lebenssituation. Ich fühle mich insgesamt gefestigter, ich habe den Eindruck, dass das Vertrauen in mich und meine Kräfte ein Stück zurück gekommen ist. Und es kommen mir erste zaghafte Ideen für meine Zukunft, und zwar ganz tief aus meinem Herzen heraus.


    Es wird eine lange steinige Reise auf dem weiteren Lebensweg, ich bin aber schon etwas gespannt, was da noch so kommen wird.


    Giovanna, ich denke fest an dich und :24: dich. Und jetzt gehe ich auf die Terrasse und zünde die Laterne für unsere Liebsten an.


    Schlof guet, Sandra

    Auch wenn alles einmal aufhört -
    Glaube, Liebe und Hoffnung nicht.
    Diese drei werden für immer bleiben.
    Doch am höchsten steht die Liebe.