Hallo zusammen,
ja, das Thema gesellschaftliche Konventionen kenne ich gut. Ahnen meiner Mutter stammen vom Landadel ab. Da es verarmter Adel war, wurde der Titel irgendwann mal verkauft. Aber das Erbe bleibt. Repräsentieren, nach außen hin Bella Figura machen. Sich in der „Gesellschaft“ bewegen und Emotionen nicht zeigen, keine Schwäche zeigen, tapfer sein….. Aber auch so Dinge wie, klassische Werte und Traditionen (Verlässlichkeit, Loyalität, Verantwortungsbewusstsein…). Auch Sinn für Geschichte, Kultur, Tischkultur, Ästhetik….
Ebenso ist mein Mann aufgewachsen. Er entstammt einer Unternehmerfamilie über mehrere Generationen. Auch hier gab es Regeln und Erwartungen. Präsenz in der „Gesellschaft“ etc.
Wir beide haben uns erst unabhängig voneinander (bevor wir uns kannten) und danach auch zusammen ganz bewusst für die Themen unseres „Erbes“ entschieden, mit denen wir uns identifizieren können. Und die, die uns nicht so entsprechen, entweder nur mit Mindesteinsatz oder gar nicht mehr zu bedienen. Eine bewusste Entscheidung, mit der wir sehr im Reinen waren.
Das ist aber etwas was sich entwickeln muss und kommt nicht zuletzt mit zunehmendem Alter und Lebenserfahrung. Konventionen können durchaus auch als hilfreich empfunden werden wenn sie als Stütze in unsicheren Zeiten gesehen werden.
Z. B. hat meine Großmutter als Ostpreußen Vertriebene ihren 7 Kindern auch Halt gegeben durch die Vermittlung von Werten, Traditionen und Gebräuchen. Die Kinder haben es als Geländer gesehen in Zeiten, wo alles Kopf stand.
Ebenso habe ich für nach dem Tod meines Mannes für die „Gesellschaft“ eine Messe mit allen für die Vereine wichtigen Möglichkeiten der Präsenz (Fahnen etc.) organisiert. Das wurde sehr geschätzt und nicht nur weil „man das so macht“ sondern auch, weil mein Mann ein wichtiger Teil der Gesellschaft vor Ort aber sich überregional war. Er hat sich Zeit seines Lebens immer ehrenamtlich für seine Heimatstadt eingebracht und so war es vielen ein Bedürfnis, sich zu verabschieden. Ich persönlich (und auch seine Kinder) hätten darauf verzichten können. Die Beerdigung wiederum war im kleinen Kreis (Familie und engste Freunde).
Auch jetzt bin und bleibe ich ja weiterhin bekannt als Witwe von …. Das stört mich aber nicht, damit kann ich umgehen. Ich bin und bleibe gerne in Kontakt mit Menschen, die wir/ich mag und beim Rest bin ich immer höflich und korrekt. Funktioniert gut.
Warum schreibe ich das? Ich kann denke ich ein Stück weit Hankas Vorgehensweise nachvollziehen (im Sinne von: ich weiß, was dahinter steht und was ggfs. erwartet wird). Letztendlich muss jeder ihren/seinen Weg finden, mit Erwartungshaltungen anderer und Konventionen umzugehen. Eigentlich betrifft es jeden, denn wir alle sind ja in die Gesellschaft (im allgemeinen) eingebunden (mehr oder weniger). Keiner lebt nur für sich allein aber jeder muss auch für sich entscheiden wie er leben will.
Ich wünsche Hanka, dass sie ihren Weg findet und den Kindern außer dem „Vererben“ von Erwartungshaltung auch Raum für Trauer und damit auch Halt geben kann. Liebe Carmen, das ist für Dich nicht einfach, dieses ganze „Theater“ mit anzusehen, musst Du auch nicht. Du darfst für Dich entscheiden, wie Du damit umgehen willst. Ich glaube auch, dass Du und Deine Familie ein wertvoller Halt für Deine Enkel sein kannst. Denn sie tragen ja auch das Erbe ihres Vaters ins sich und wer könnte das besser vermitteln als Du? Dafür wünsche ich Dir viel Kraft!
lg Cathrin😘