Liebe Ini,
Es ist total normal, dass sich nach der ersten Starre alles so anfühlt, als würde es immer schlimmer werden.
Man ist grad zu Beginn wie betäubt, auch wenn einem alles merkwürdig klar vorkommt - man funktioniert einfach. Niemand weiß hinterher, woher die Kraft kam, die erste Zeit zu stemmen.
Und irgendwann bricht das weg und demzufolge auch alles irgendwie über einen herein.
Wie lange das dauert und wie man "zurück ins Leben findet"? Darauf gibt es leider, leider keine allgemeingültige Antwort.
Jeder ist anders, erlebt es anders, geht anders mit dem Alltag um. Und vor allem hat auch jeder einen anderen Alltag. Manche sind Rentner, haben also viel Zeit, wollen die aber gar nicht, weil ihnen die Decke auf den Kopf fällt. Andere haben Jobs, die sie ausfüllen. Wieder andere haben Jobs, in denen sie sich eher quälen und die es ihnen schwerer machen, sich Zeit für sich und ihre Trauer zu nehmen. Andere sind selbständig, und manche davon, wie ich, haben das Glück eine so gut wie freie Zeiteinteilung zu haben und zudem noch großartige, verständnisvolle Kunden. Manche sind allein zu Hause, ohne Familie und sie fühlen sich einsam, anderen macht das allein zu Hause sein nichts aus - zu denen ich auch gehöre.
Es gibt Menschen, die einen Job haben, die aber auch wenn sie dann zu Hause sind, nicht still sitzen können oder wollen, sondern sich alle möglichen "Projekte" suchen, weil sie sich darin ihren Liebsten sogar nahe fühlen und zudem genau diese Action brauchen, um zur Ruhe zu kommen.
Es gibt so viele verschiedene Menschen, so viele verschiedene Umstände. Wir haben nur eines gemeinsam: Uns ist das Wichtigste in unserem Leben entrissen worden. Ungefragt. Und wir wollen das nicht, müssen damit leben, und einige haben keine Ahnung, wie - und warum.
Wenn ich dir also jetzt sage: Ich mache vieles mit mir selber aus, empfinde auch meine Trauer, gerade in den heftigen Wellen, als eine sehr persönlich Sache, die ich zu 100% zulasse und nicht verdränge, habe aber ganz tolle Freunde und auch die Schwiegereltern, bei denen ich mich anlehnen kann, wenn ich das brauche, sowie ein schönes Hobby mit wunderbaren Menschen - dann hilft dir das mal gar nichts, weil du womöglich ein ganz anderer Typ Mensch bist. Ich bin introvertiert, mir macht weder Stille noch allein zu Hause sein etwas aus, auch wenn ich mich nach der Gemeinsamkeit mit meinem Schatz zurücksehne. Aber dazu muss man eben die Stille akzeptieren und auch das hilft dir nur als Tipp, wenn du der Typ dafür bist. Wenn dem so ist, wirst du schnell sehen, dass die Stille keine ist, denn dein Mann und euer gemeinsames Leben ist sehr farbenfroh und "lautstark" immer noch in deinem Leben, wenn auch anders. Es ist nur ... nun ... ruhiger geworden.
Wenn du kein Typ für Stille bist, dann musst du entweder versuchen, dich der Stille zu stellen, oder sie in etwas umwandeln, das dir gut tut.
Mir hilft es, die Trauer zuzulassen. Diesen heftigen Schmerz, den man nicht beschreiben kann und den man keinem wünscht. Wenn eine Welle kommt, lasse ich sie zu, damit ich auf und mit ihr schwimme und sie mich nicht untertaucht und wegreißt. Du hingegen schreibst von Alpträumen - ob das also eine Option für dich ist, sich dem zu stellen, kann ich nicht sagen.
Aber einen Tipp kann ich dir geben, der denke ich für so gut wie alle Seelen, die trauern, zutrifft: Gib dir und deiner Trauer Zeit. Und zwar so viel, wie die Trauer möchte. Lass sie nicht das Szepter übernehmen, aber unterdrücke sie auch nicht und setze dich nicht unter Druck. 
Was die Bewerbungen angeht, z.B.: Ich weiß nicht, wie sehr das finanziell aktuell ein Muss ist. Wenn es noch nicht sein muss und du dich nicht wohl dabei fühlst, dann lass es. Versuche das genau zu ergründen. Wenn du es möchtest, nicht nur finanziell, sondern weil du eine Art "Sinn" für den Alltag brauchst, dann mach es. Aber bei alledem: Versuche, dass du bei allem, was du machst, besonders bei allem, was du für dich machst, auch das Tempo selbst bestimmst.
Es ist dabei absolut verständlich, dass du Angst vor der eigenen Courage hast. Da musst du ganz genau in dich hinein horchen, ob du meinst, du schaffst es. Sei aber ehrlich zu dir selbst und zwar in beide Richtungen.
Ich kann mir vorstellen, dass es so oder so gut ist für dich, wenn du zu dem Vorstellungsgespräch gehst, denn dann weißt du, was du dir zumuten kannst für die Zukunft. Vielleicht ist es eine Option mit offenen Karten zu spielen. Klar machen, dass du grad nicht du selbst bist und deshalb das Gespräch vielleicht merkwürdig verläuft, dass das aber keinen Einfluss auf deine Arbeit haben wird. Das muss natürlich glaubwürdig rüberkommen, aber das wäre wahrscheinlich so mein Ding: Flucht nach vorn. Kommt natürlich auch drauf an, in welchem Bereich du dich bewirbst, wie generell dein Lebenslauf aussieht, etc.
Eine Frage zu eurer Firma: Kannst du die denn nicht selber weiterführen? Ich weiß ja nicht, was der Gegenstand der Firma ist, aber wenn ihr sie zusammen hattet, auch wenn du angestellt warst, dann ist das doch vielleicht eine Option? Es sei denn natürlich, es war etwas Handwerkliches und du hast die Administration gemacht oder etwas in der Art?