Beiträge von angie57

    Was wisst Ihr von mir


    Ihr glaubt ich hätte es überwunden
    hätte neuen Lebensmut gefunden
    Was wisst ihr von mir?
    Nichts!
    ich lebe nicht ich funktioniere
    mein Schmerz ist so gross
    nichts wisst ihr von mir, nichts versteht ihr


    ihr lacht und scherzt und ich lache mit
    denn das erwartet man doch
    aber wenn ich allein bin weine ich immer noch
    mein Schmerz ist so gross
    nichts wisst ihr von mir, nichts versteht ihr


    ihr erzählt von euren "kleinen Sorgen"
    und ich tu so als hörte ich zu
    aber während ihr wisst
    dass man all eure Probleme lösen kann
    gehe ich zum grab meines Kindes und zünde Kerzen an
    mein Schmerz ist so gross
    nichts wisst ihr von mir, nichts versteht ihr


    ihr sagt die Zeit heilt alle Wunden
    und irgendwann wird alles wieder gut sein
    doch ich weiss meine Wunden heilt keine Zeit
    ich werde nie mehr wie früher sein
    mein Schmerz ist so gross
    nichts wisst ihr von mir, nichts versteht ihr


    ihr vermeidet den Namen meines Kindes
    weil ihr denkt dass mir das Kummer bringt
    doch er ist sowieso immer in meinen Gedanken
    nichts ist mir wichtiger als die Erinnerung an mein Kind
    mein Schmerz ist so gross
    nichts wisst ihr von mir, nichts versteht ihr


    ihr sagt "das Leben geht weiter,
    das ist der Lauf der Zeit"
    ich weiss nur dass ich leben muss, obwohl ich es nicht will
    keiner fragt: bist du dazu bereit?
    mein Schmerz ist so gross
    nichts wisst ihr von mir, nichts versteht ihr


    darum nur eine Bitte
    gebt mir keine Ratschläge mehr wie ich leben soll
    lasst mich einfach wie ich bin
    und wenn ich gehen will so nehmt es hin
    mein Schmerz ist so gross
    nichts wisst ihr von mir, nichts versteht ihr


    Von Angelika Cammarata

    Lieber Josef!


    Danke daß du an mich gedacht hast.


    Momentan gehts mir nicht so gut,eigenartige Begegnungen die mich wieder runterziehen.Immer wenn ich mir denke jetzt gehts endlich ein bißchen bergauf kommt sicher wieder was daher daß mich wieder zurückwirft.


    Lieber Gruß


    Annemarie

    Hallo ihr Lieben!


    Möchte auch gerne zum Forumstreffen kommen mit Maki!Wir haben heute telefoniert und wir würden mit der Westbahn fahren.


    8.Dezember ist okay aber vielleicht geht es etwas früher von der Zeit her,wir möchten mit der Westbahn wieder zurück fahren ist doch um einiges günstiger und der letzte Zug von Wien nach Linz geht um 20 Uhr 30.


    Alles Liebe


    Annemarie

    Segen der Trauernden


    Gesegnet seien alle, die mir jetzt nicht ausweichen.
    Dankbar bin ich für jeden, der mir einmal zulächelt und mir seine Hand reicht,
    wenn ich mich verlassen fühle.
    Gesegnet seien die, die mich immer noch besuchen,
    obwohl sie Angst haben, etwas Falsches zu sagen.
    Gesegnet seien alle, die mir erlauben, mit dem Verstorbenen zu sprechen.
    Ich möchte meine Erinnerungen nicht totschweigen.
    Ich suche Menschen, denen ich mitteilen kann, was mich bewegt.
    Gesegnet seien alle, die mir zuhören, auch wenn das, was ich zu sagen habe,
    sehr schwer zu ertragen ist.
    Gesegnet seien alle, die mich nicht ändern wollen,
    sondern geduldig annehmen, wie ich jetzt bin.
    Gesegnet seien alle, die mich trösten und mir zusichern,
    dass Gott mich nicht verlassen hat...


    Marie-Luise Wölfing

    Berg der Trauer


    Trauern ist wie die Besteigung eines hohen Berges... Wir stehen zunächst atemlos vor dieser Aufgabe, die uns so aussichtslos erscheint. Wie sollen wir auch nur die ersten Schritte tun. Wir haben kein Werkzeug, wir haben nicht als unsere Hände. Wir nehmen das, das am nahesten liegt: Sand und türmen ihn aufeinander --- sinnlos, er rinnt uns durch die Hände, der kleine Hügel, der entsteht, sinkt immer wieder in sich zusammen - sie ein Sinnbild für uns selbst. Nein, wir haben keinen Plan, niemand, der uns sagt, wie man den Berg der Trauer erklimmt. Wir haben nur das Wissen, dass Tausende in diesem Moment vor der gleichen Aufgabe stehen, dass Millionen diese Berge bezwungen haben.
    Es gibt keine Baumeister, keine Architekten, nichts Allgemeingültiges und das, was wir lesen, was man uns sagt, was wir hören - es scheint uns so fremd, so weit weg von dem fassungslosen Schmerz in dem wir gefangen sind... "Laßt mich alleine mit dieser Aufgabe" - dies waren meine Gedanken. Wenn ich nicht selbst einen Weg finde, werde ich hier am Fuße des Berges in meiner Trauer und meinem Leid verharren".
    Der, nachdem all meine Sehnsucht schreit, kann seine Hand nicht ausstrecken, er ist nicht mehr. Die Hände, die mir gereicht werden, sie können mich nicht tragen, viel zu schwer bin ich, viel zu groß ist das, was mir widerfahren ist... Niemand, der wirklich ermessen kann, welche Aufgabe vor mir liegt.


    Meine Besteigung des Berges der Trauer begann damit, Steine zu suchen: kleine Steine, große Steine, runde und eckige - und ich gab diesen Steinen Namen wie "Hoffnung" "Zuversicht" "Loyalität" "Liebe","Verbundenheit" "Treue" "Glauben"
    "Freundschaft" "Vertrauen". Der letzte Stein, den ich bisher benannt habe, ist der Stein der "Zukunft".


    Mit diesen Steinen habe ich begonnen, einen Weg zu legen - Stein für Stein unter meine Füße und diese Steine tragen. Ich weiß nicht, was geschieht, wenn ich um die nächste Biegung des Berges komme, was auf mich wartet - aber ich habe meine Besteigung begonnen und ich setze sie fort: Ich habe keine Hast und Eile mehr. Ich habe in den Jahren erfahren, dass die Besteigung des Berges der Trauer ein ganzes Leben braucht! Manchmal wird mir ein Stein geschenkt: die Steine der "Anteilnahme" des "Mitgefühls" der "Empathie" - dies sind große Steine - und sie fügen sich in die meinen ein und ebnen manch kleine Strecke, die ohne sie viel mühsamer geworden wäre.


    Es gibt auch Steine, die mir in den Weg gelegt werden: Steine des "Unverständnisses" der "Missachtung" Steine der "Ungeduld" , der "Ignoranz",und sie erschweren den Weg, den ich muss sie aus den restlichen Steinen herausfiltern und sie an die zurückgeben, die sie mir in den Weg warfen. Es gibt auch den Stein der "Hilflosigkeit". Dies sind kleine Steine, die ich am Weg liegen lassen kann. Über sie falle ich nicht.


    Lasst mir meinen Weg. Lasst Trauernden ihre Wege. Jeder muss seine Steine suchen, benennen und mit ihnen seinen ganz individuellen Pfad bauen.
    Schenkt uns die kleinen Steine des "Mitgefühls", denn sie tragen uns ein Stück weiter und für sie sind wir dankbar.


    (Autor unbekannt)
    Quelle: http://www.trauerlyrik.de/berg-der-trauer

    Im Land der Trauer
    will die Nacht nicht mehr
    aufwachen.
    Mond und die Sterne
    haben längst ihr Leuchten eingestellt.
    Selbst die Schatten
    gingen in der Finsternis verloren.
    Schwarze Gräser
    säumen unseren Weg
    den wir nicht sehen.
    Doch die Hand
    die man uns entgegenstreckt
    verwandelt sich in Licht.


    Gedicht von Renate Salzbrenner aus Geda/enken-Zeitschrift meiner Selbsthilfegruppe

    Liebe Kathrin!


    Ich hab die Geschicht so schön gefunden,leider ist sie sooo lang und ich hab lange gebraucht um sie hier reinzustellen.


    Ich mußte auch lachen,gleichzeitig fand ich sie sehr berührend und auch lehrreich,vielleicht sollte man diese Geschichte unseren lieben Mitmenschen in die Hände drücken.


    Alles liebe für dich und ein lieber Gruß


    Annemarie

    Liebe Renate!


    Ich hab das Gedicht auch nur irgendwo abgeschrieben,ich hab es auch sehr schön gefunden.Bin nicht mehr so oft hier aber wenn ich was finde,eine Geschichte oder ein Gedicht, stell ich es gerne hier rein und ihr dürft es sebstverständlich verwenden.


    Allerheiligen steht vor der Tür,wieder so ein Tag und ich hoffe daß ich heuer nicht allein am Grab stehen muß,irgendwie hat keiner Zeit,Mein Partner möchte heuer zum Grab seiner Mutter ist auch verständlich ,sie ist im August verstorben.Ja,und meine zwei Kinder haben anscheinend was besseres vor als das Grab ihrer Schwester zu besuchen.Es verletzt mich und macht mich traurig daß anscheinend keiner mehr an Margit denkt.Meine Tochter sagte unlängst sie würde ihre Schwester nicht vermißen sie hätten früher auch nicht so viel Kontakt gehabt und sie haben sich auch nie so gut verstanden aber es ist wie ein Stich ins Herz wenn man solche Aussagen hört.


    Mein Sohn hat am 20.Oktober geheiratet und ich hab auch erfahren daß ich nächstes Jahr Oma werde ,endlich mal eine gute Nachricht und ich hab mich das erstemal seit langer Zeit wieder gefreut.


    Sonst läuft alles so dahin,ein Tag nach dem anderen vergeht und am 29. werden es 14 Monate seit meine Tochter nicht mehr hier ist.Es vergeht noch immer kein Tag ohne Tränen und Vermißen und wenn ich die Fotos ansehe kann ich es noch immer nicht faßen daß ich sie nie wieder sehen werde,nie wieder in der Arm nehmen kann.


    Gestern war ich beim Bipa und hab dran gedacht daß ich Margit nie wieder den Duft kaufen kann den sie so geliebt hat und den sie immer von mir bekommen hat und ich mußte mich so zusammnenreißen um nicht einfach loszuweinen.


    Schick dir eine liebe Umarmung,du hast auch ein Kind verloren ,es zwar schon länger her aber was ist Zeit?Wir werden unsere Kinder unser Leben lang vermißen,sie sind ein Teil von uns.


    Alles liebe


    Annemarie

    Liebe Maki!


    Schick dir eine ganz,ganz liebe Umarmung und wünsch dir von Herzen daß es deinen Papa bald wieder so gut geht daß er nach Österreich fliegen kann.


    Ich denk an dich.


    Annemarie

    Hätten wir einen Wunsch frei,
    einen Traum, der wahr werden könnte.
    Wir würden Gott von ganzem Herzen um Dich bitten.
    Tausend Worte können Dich nicht wiederbringen.
    Wir wissen das, weil wir es versucht haben.
    Auch tausend Tränen können das nicht.
    Wir wissen das, weil wir sie geweint haben.
    Zurückgelassen hast Du schöne, glückliche Erinnerungen.
    Aber wir wollten keine Erinnerungen
    - Wir wollten DICH!

    Etwas zerknirscht saß er an seinem Arbeitsplatz. "Vielleicht fehlt es dir einfach an persönlicher Trauererfahrung. Du musst deine eigenen Verluste erstmal aufarbeiten" schlug ein anderer Engel vor. Also entschied er sich, über sein Leben und seine Verlusterfahrungen nachzusinnen.


    Vor vielen, vielen Jahren hatte er einmal versehentlich seinen Lieblingsball in ein benachbartes Universum geworfen und nicht mehr zurück erhalten. Seine Mutter war schrecklich böse mit ihm gewesen und hatte ihn gescholten, weil er unter Lebensgefahr versucht hatte, dem Ball nachzufliegen. Sie hatte nicht verstanden, wie wichtig, gerade dieser Ball für ihn war. Ja, dachte er. Auch ich wurde missverstanden in meiner Jugend. Ich teile das Schicksal der Welt.


    Und einmal starb sein Goldfisch. Er lag plötzlich tot in seinem Aquarium. Seine Mutter hatte noch versucht, ihn zu täuschen, erzählte ihm, der Goldfisch würde nur einen Winterschlaf machen und wollte ihn dann mit einem anderen austauschen, bevor er es bemerkten würde. Aber er war gewiefter als sie dachte und überraschte sie dabei, wie sie gerade den alten aus dem Aquarium fischte, um ihn zu ersetzen.


    Auch er hatte Trauererfahrung. Er weinte über seinen Goldfisch und seinen Ball. Tagelang.


    Jetzt würde er der Menschheit besser dienen können. Mit seiner bewusstgemachten Verlusterfahrung konnte er ihr Leid teilen.
    Ein paar Tage später machte Bonifazius sich wieder auf den Weg zu einer Trauerfeier.


    "Ich weiß wie sie sich fühlen", sagte er den Hinterbliebenen und wischte sich eine Träne aus den Augen, "auch ich habe jemanden sehr wichtiges unter tragischen Umständen verloren." Erwartungsvoll sahen ihn die Angehörigen an. "Meinen Goldfisch, vor vielen, vielen Jahren....Möchten sie vielleicht ein Bild sehen?"
    Es erging unserem Engel kaum besser als beim letzten Mal. Zwar erhielt er keinen Kinnhaken von einem berühmten Boxer, aber der Hieb mit dem Regenschirm der alten Dame hat auch ganz schön gesessen.


    Vielleicht sollte er sich mehr auf Trauernde konzentrieren, die schon ein wenig weiter auf dem Weg waren und vielleicht nicht mehr ganz so empfindlich sind, dachte er. Also besuchte Bonifazius eine Trauergruppe. Anwesend waren ganz, ganz viele Frauen und sehr, sehr wenig Männer. Andächtig hörte Bonifazius zu, als die Trauernden berichteten wie es ihnen in der letzten Zeit ergangen war. Eine Frau fiel ihm ganz besonders auf, vor allem weil ihm die Zeit des Verlustes schon sehr, sehr lange her erschien (es war gerade mal ein Jahr) und diese Frau offensichtlich noch nicht damit zureecht gekommen ist.
    In der Kaffeepause sagte er zu jener Dame: "Sie trauern ja immer noch um ihn!" "Er ist ja auch immer noch tot!", entgegnete sie resolut.
    Zwar hatte sie ihn nicht geschlagen, aber es fühlte sich an wie eine Ohrfeige, und betroffen machte er sich auf zurück in sein Büro.


    Er würde ein paar Bücher zum Thema lesen, dachte er. Psychologische Bücher.
    Und immer wieder las er, dass man den Verstorbenen loslassen müsste.Loslassen. endlich mal wissenschaftlich fundierter, psychologisch begründeter Rat.


    "Sie müssen loslassen." Bonifazius übte diesen Satz mit passender Miene vor dem Spiegel. Er entschied sich für ein wohlwollendes , weises Lächeln. Bei der nächsten Gelegenheit setzte Bonifazius sein eingeübtes Gesicht auf und sagte mit warmem, mitfühlendem Ton: "Sie müssen loslassen."


    "Ich kann und will aber nicht", kam faustdick zurück. Das war eine klare Aussage.


    Bonifazius hatte genug. Er zog sich in den Himmel zurück und entschied sich, dass man Trauernden am besten aus dem Weg geht. Wenn er einen in der Stadt sah, tat er, als hätte er ihn nicht gesehen oder wechselte schon lange im Voraus die Straßenseite.


    So mied er sie allesamt, weil er dachte, er könnte nie erfolgreich sein sie zu trösten, er könnte nicht helfen, er könnte sie nicht wieder glücklich machen. Er würde immer alles nur schlimmer machen.


    Dabei wollte er so sehr, dass sie wieder lachten, dass sie wieder fröhlich sein könnten, dass sie endlich aufhörten so traurig zu sein.


    Und aus der Distanz heraus beobachtete er sie. Er sah wie schwer ihnen die ganz alltäglichen Dinge fielen. Die Wohnung aufzuräumen, die Wäsche waschen, die Rechnungen bezahlen und sich mit Versicherungen rumschlagen, die Kinder zur Schule bringen und öffentliche Verkehrsmittel benutzen, sich die PIN Nummern für EC Karten zu merken und Rentenanträge ausfüllen. Oft wollten sie nichts kochen und nichts essen.
    Und so schickte er sich an , ihnen einfach hin und wieder mal ungesehen etwas Gutes zu tun.


    Die Tür aufzuhalten, wenn sie schwere Taschen trugen, den Bus anzuhalten, wenn sie fast zu spät kamen, das Bügeleisen und Herdplatte auszuschalten, die sie vergessen hatten, den Wäscheknopf heimlich vom 90 auf 30 Grad zu drehen, wenn sie mal wieder Wolle kochen wollten und ihnen die PIN Nummer für ihre EC Karte zuzuflüstern. Andere anzupieksen, ihnen gelegentlich was zu Essen zu machen. Für eine beiläufige Umarmung zu sorgen.


    Manchmal, da schickte er den Witwen kleine, schwarze Möpse und andere Hunde, die sie streicheln konnten und die mit großen Augen zu ihnen aufblickten.


    Er lernte, ein Freund zu sein, der nichts tat, als da zu sein und den Schmerz auszuhalten.


    Er brauchte nichts zu sagen, weil es nichts zu sagen gab. Die Suche nach Worten hatte aufgehört. Und dann saß er da und lernte von ihnen. Er lernte wie man einen Menschen liebt, den man nicht mehr sehen kann. Er hörte ihren Herzen zu.
    Sie erzählten von ihrer unendlichen Sehnsucht und sprachen von der eindringlichen Nähe, die sie manchmal spürten. Von dem greifbaren Unbegreiflichen. Von der Tiefe und dem Schmerz. Von der Dunkelheit und der Wut. Und von diesem Ort, an dem die Toten leben, tief in ihnen. Von der Größe ihrer Seele, die immer weiter wird und dieser Wand zwischen Leben und Tod, die immer dünner wird.


    Und sie erzählten von den seltsamen Begebenheiten. Von der Verbindung zwischen Lebenden und den Toten.


    Und das konnte er nun endlich verstehen, denn er war ja von jener und nicht von dieser Welt, war selbst Grenzgänger.


    Und dann verstand er, was seine Aufgabe war, als Trauerbeauftragter des Himmels, der Trost auf die Erde bringen sollte.


    Und er schickte ihnen Regenbögen und Momente, in denen die Sonne ganz plötzlich durch die Wolken brach; Lieder im Radio, von denen er wusste, dass sie sie berühren würden; ein ungewöhnliches Vogelzwitschern dem einen und einen ganz besonderen Sonnenaufgang dem anderen.


    Und so ließ er sie wissen, dass im Raum des ewigen Lichts ein Platz für sie war, für ihre Liebe, für ihre Sehnsucht und für den Menschen, den sie verloren hatten.


    Denn Bonifazius, himmlischer Trauerbeauftragter - Engel vierten Grades, ehemaliger Schutzengel besonders gefährdeter Personen, hatte etwas ganz wichtiges gelernt:


    Die Liebe, sie hört mit dem Tod nicht auf. Sie bekommt nur einen neuen Namen: TRAUER.


    Ein Märchen von: Andrea Maria Haller
    Quelle: http://www.bestattungshaus-haller.de/PDF/troesten_web.pdf

    Vom Engel der das Trösten lernte


    Bonifazius war neu an seinem Arbeitsplatz. Schrecklich neu und schrecklich nervös. Schließlich hatte er so etwas noch nie gemacht. Er war hierher versetzt worden. Ob als Beförderung oder Strafversetzung konnte er noch nicht so ganz erkennen. Nervös blickte er auf seine neuen, schneeweißen Visitenkarten:


    Himmlischer Trauerbeauftragter - Engel vierten Grades


    stand da in großen Buchstaben drauf.
    Trost solle er den Trauernden auf Erden spenden, hatte sein neuer Hauptamtsleiter ihm gesagt. Trost. Das sei der Wille des Schöpfers. Selig sind die Trauernden denn sie sollen getröstet werden. Das war eine ganz neue Welt für ihn.
    Er war doch hoch qualifizierter Turboschutzengel. Er hatte eine Zusatzausbildung zur Deckung besonders gefährdeter Personen, das heißt Personen, die lebensgefährliche Leidenschaften pflegen: Bungee Jumping, Fallschirmspringen, Mountain biking, Haifischtauchen, Free Falling, Boxen.
    Er selbst hatte ein gewissens persönliches Interesse an solchen Sportarten und verpasste kaum eine Gelegenheit seine Schützlinge beim Spiel zu beobachten und flutschte gerne mal hinterher auch wenn es gar nicht nötig war. "Um in Form zu bleiben", sagte er immer.
    Und nun war er Trauerbeauftragter. Was hatten sich seine Vorgesetzten nur dabei gedacht?
    Er stöhnte und seufzte. Es führte kein Weg daran vorbei. Engel können sich ihre Aufgaben eben auch nicht auswählen.
    Notgedrungen besuchte unser Engel seine erste Trauerfeier auf Erden.


    "Au, ist das miserabel", dachte unser Engel, "miserabel", als er die Gesichter der Weinenden um sich sah. Aber weil unser Engel doch ein großes Herz hatte und das Weinen der Leute nicht aushalten konnte, klopfte er jedem väterlich auf die Schulter und sagte den einzigen Satz, der ihm einfiel: "Das wird schon wieder", sagte er immer wieder. "Das wird schon wieder."


    Aber irgendwie hatte er das Gefühl, dass dies nicht als sonderlich hilfreich oder tröstend empfunden wurde. Also zog sich unser Engel wieder in den Himmel zurück und überlegte, wie er dieser Situation beim nächsten Mal besser begegenen könnte. Und so machte er eine Liste mit Sätzen, die er den Trauernden sagen konnte. "Das wird schon wieder" hat offensichtlich nicht so gut funktioniert. Vielleicht sollte er sich mehr auf ihre Gefühle konzentrieren. Die Menschen haben es ja immer so mit Gefühlen. Denen müssen Schranken gesetzt werden.


    "Man darf den Kopf doch nicht hängen lassen." Schöne bildhafte Sprache. Das würden sie verstehen. "Lassen sie sich doch nicht so gehen." Das wäre ein guter Rat, dachte er, nickte und schrieb auch diesen Satz auf seine Liste.


    "Ist doch alles nicht so schlimm" könnte ihnen ein neues Verständnis der Wirklichkeit geben. Er könnte sie auch auf andere, noch tagischere Schicksale hinweisen. Das würde ihnen bestimmt helfen, ihren Verlust in Relation zu sehen. "Es hätte schlimmer kommen können" wäre auch gut. "Keiner weiß, was ihm alles erspart blieb durch einen frühen Tod."


    Und wenn das nicht half: "Sie sollten wirklich eine Therapie machen" - ja, die Menschen würden seinen Rat sehr schätzen. Therapie ist schließlich eine gute Sache.


    Mutig wagte er sich auf die nächste Trauerfeier auf Erden, ging schnurstracks auf die Anghörigen zu und verteilte großzügig seine (weniger hilfreichen aber durchaus gut gemeinten) Ratschläge.


    Viel Glück hatte er nicht. Einer der Angehörigen, den er von seinem früheren Aufgabenbereich erkannte, weil er ein bekannter Boxer war, hielt seine Meinung über die von Bonifazius gegebenen Ratschläge nicht hinterm Berg, holte einmal aus und verpasste dem Engel seinen allerersten Kinnhaken.


    "Dich hab ich mal beschützt", murmelte Bonifazius als er taumelnd wieder gen Himmel flog. Dass die Arbeit mit Trauernden so gefährlich werden würde, hätte er sich nie vorstellen können. Und Gefahrenzulage gab es für diese Beschäftigung auch keine.