Liebe Chanda,
ich habe gerade deine Beiträge gelesen und alles beschschreibt sehr treffend die Gefühle von uns Trauernden.
Zu den letzten Beiträgen, in denen du von deinem "Rucksack" berichtest, möchte ich dir gerne eine Sinngeschichte schenken, die ich immer wieder gerne in meiner Trauerbegleitung einsetze und fast jeder Trauernde findet sich darin wieder.
Der Rucksack
Es hat einmal jemand gesagt, dass die Trauer um
einen geliebten Menschen wie ein Rucksack ist, den man für immer am Rücken
trägt. Nur irgendwann passt er besser und dann kann man ihn leichter tragen.
Aber in der Zwischenzeit?
Zu Beginn ist er einfach viel zu schwer, man meint, ihn gar nicht heben zu
können.
Man kann kaum atmen, weil er den Brustkorb zusammenpresst und er drückt auf den
Schultern. Weil er so schwer ist, kann man nicht gerade gehen, man schwankt und
verliert das Gleichgewicht. Und stürzt immer wieder zu Boden.
Am liebsten würde man dann dort liegenbleiben, aber auch das ist gar nicht so
einfach. Irgendetwas treibt einen immer wieder hoch. Vielleicht ist es die
Hoffnung darauf, doch bald am Gipfel angekommen zu sein, wo man den Rucksack
endlich abnehmen kann und mit einer schönen Aussicht belohnt wird, vielleicht
ist es der Überlebenstrieb, weil man im Wasser gelandet ist, und zu ertrinken
droht. Dieser Überlebenstrieb übernimmt einfach die Regie, er fragt nicht, ob
man mit dieser Last das Leben überhaupt noch will.
So stolpert man durch das Leben, begegnet immer wieder anderen Menschen.
Etliche haben nur ein leichtes Daypack am Rücken, andere sind schon so gut an
ihren Rucksack gewöhnt, dass man ihnen die Last nicht gleich ansieht.
Manchmal schafft man ein paar Schritte, dann wieder lässt man keine Wurzel,
keinen Stein aus, um darüber zu stolpern.
Wenn man dann am Boden liegt, kommen manchmal Menschen, die einem aufhelfen
möchten. Sie meinen, ein kleiner Schubser genügt und man kann wieder aufstehen.
Aber man ist ja völlig kraftlos unter der Last zusammengebrochen. Doch leider
gibt es den Rucksack nur als Gesamtpaket, und niemand kann einem ihn abnehmen.
Es hilft auch nicht, dass sie von anderen mit schwerem Gepäck erzählen, die es
schon viel früher geschafft haben, wieder auf die Beine zu kommen. Die eigene
Kraft wird trotzdem nicht mehr, ja im Gegenteil fühlt man sich oft sogar
schlechter, weil man seiner Aufgabe anscheinend nicht gewachsen ist. Und wenn
sie einen mit Gewalt hochziehen, dann fällt man nur umso schmerzhafter wieder
auf die Schnauze.
Doch manchmal gibt es Menschen, die setzen sich zu dir auf den Boden. Das tut
so gut, denn man fühlt sich nicht so alleine inmitten des Trubels rundherum.
Sie können einen Schutzwall bauen, damit man nicht von der fröhlichen Masse
überrannt wird, bringen Essen und Trinken, damit man allmählich zu Kräften
kommen kann, warten ab, bis man aus eigener Kraft wieder hochkommt.
Irgendwann schafft man es, ein kurzes Stück halbwegs aufrecht zu gehen. Da
freuen sich die Menschen um einen herum, denn sie sind schon schön langsam
ungeduldig geworden, weil man nicht so recht weiter kommt. Und meinen gleich, dass
man jetzt doch noch ein wenig schneller gehen kann.
Doch dafür reicht die Kraft noch lange nicht. Auch sind die Schultern
wundgescheuert und die Schmerzen werden wieder unerträglich.
Manche schultern auch den Rucksack voller Wut und stürmen davon. Und alle
staunen, wie schnell sie unterwegs sind. Doch dann klappen sie plötzlich völlig
entkräftet zusammen.
Andere glauben, sie können einfach davonlaufen und den Rucksack stehen lassen.
Doch dann merken sie, dass im Rucksack auch alles Lebensnotwendige war – Essen,
Trinken und Kleidung für schlechtes Wetter. Sie kommen in ein Gewitter und sind
ihm schutzlos ausgeliefert. Sie müssen durch die Wüste und verdursten. Oder sie
werden einfach immer schwächer, weil sie nichts mehr zu essen haben.
Und manche können den Rucksack einfach nicht tragen. Er ist zu schwer. Sie
bleiben liegen und kommen nicht mehr von der Stelle. Und niemand kann erklären,
warum sie diesen für sie viel zu schweren Rucksack bekommen haben.
Die meisten aber haben nur eine lange Zeit vor sich, bis sie gelernt haben mit
der schweren Last am Rücken zu gehen. Sicher langsamer und vorsichtiger als
vorher. Aber sie kommen voran. Aber bis es soweit ist, sind sie verzweifelt,
weil die Last so schwer ist und wütend, weil sie nicht verstehen, warum sie sie
tragen müssen. Und sie fühlen sich oft sehr allein, wenn rundherum alle so viel
schneller unterwegs sind. Aber irgendwann haben sie es geschafft.
Ich weiß, dass du zu dieser letzten Gruppe gehörst, DU WIRST ES SCHAFFEN.
Es ist so schön, wenn jemand ab und zu für ein Weilchen sein Tempo anpasst und
mitgeht, darum möchte ich dich damit ein paar Schritte begleiten.
Ich wünsche dir liebe Menschen, die dich verstehen und dich in deiner Trauer begleiten.
Und,... lass alle deine Trauergefühle zu und lebe sie aus, dann wird sich mit der Zeit dein Trauerschmerz in dankbare Erinnerung verwandeln, denn deine Lieben leben ja in deinem Herzen weiter.
liebe Grüße
Sabine