Meine lieben Freunde!
Meine schlimme Phase dauert jetzt schon ziemlich lange. Ich kann zwar meinen Alltag ziemlich gut bewältigen, aber meine Gedanken drehen sich fast nur um Gerhard. Es hört einfach nicht auf. Bin überhaupt nicht in der Lage über ihn zu sprechen, da muß ich sofort wieder weinen.
Ich wurde von der Kontrollärztin ab 5.11. wieder "arbeitsfähig" geschrieben, sie meinte ich kann die Tabletten und die Gesprächstherapien auch neben dem Arbeiten machen. Ich habe lange darüber nachgedacht was ich tun soll, ich bin ja früher immer gerne arbeiten gegangen. Aber ich kam zu der Einsicht dass ich es nicht kann und will. Man kann mich doch nicht zu etwas zwingen, was ich nicht aushalte. Allein die Vorstellung wieder neue Menschen kennenzulernen, blödsinnige Phrasen und Gespräche anderer mitzuhören, usw. , ich hab einfach keine Kraft dazu.
Gott sei Dank hat die Fachärztin bei der ich einen Tag vor meinem Kontrollarzttermin war, einen sehr guten Befund an meinen Hausarzt geschickt. Sie hat mich wirklich verstanden und erklärt, dass ich in meiner Situation sogar zwei Mal versucht habe wieder arbeiten zu gehen, es mich aber nach einiger Zeit total überfordert hat. Dass ich seit langem schon unter Panikattacken leide und durch das schlimme Erlebnis mit meinem Sohn (ich bin nicht mal fähig, das Wort zu schreiben was er gemacht hat) sich meine psychische Situation noch mehr zugespitzt hat.
Ich ging also am 5.11. zu meinem Hausarzt und redete mit seiner Sprechstundenhilfe. Ich konnte es kaum glauben, aber sie war total meiner Meinung, dass ich nicht arbeitsfähig bin. Ich kann gar nicht beschreiben wie gut mir das tat, dass wieder mal jemand Verständnis für mich hat. Man hört ja von allen nur "du MUSST blablabla . . ." Angeblich ist auch unsere Kontrollärztin momentan sehr krass und schmeißt alle mit Depressionen aus dem Krankenstand. Jedenfalls wurde ich wieder krank geschrieben, der Bericht der Fachärztin zur Krankenkassa geschickt, dann hab wieder eine Zeit Ruhe.
Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich meine Tochter, Isabella und meine Tiere habe. Aber ich hab eines gemerkt, was mir total fehlt: Eine starke Schulter zum Anlehnen, wo ich einfach nur "Kind" sein und mich fallen lassen kann. Ich möchte weder Isabella, noch Kathrin zu sehr belasten. Sie haben ja auch selber zu kämpfen.
Ja, ich "jammere" darüber Hanna, weil meine Eltern nicht für mich da sind und die wenigen wichtigen Menschen in meinem Leben. Du hast es sicher gut gemeint, aber wenn ich zurückdenke, dass ich und meine Tochter - einzige Hilfe war mein Neffe Thomas - ALLES allein machen mußten, Überführung, Bestattung, Parte, Wohnung ausräumen, alles kündigen, man kann sich das nicht vorstellen, wenn du in die Wohnung deines Sohnes kommst und du weißt dass er tot ist und du mußt jetzt alles ausräumen. Ich hab keine Ahnung wie wir das geschafft haben, es hat uns nur ein Freund von Kathrin und Gerhard geholfen, aber sonst niemand!!! Meine Mutter hat nicht einmal gefragt, ob sie mir wo helfen kann, im Gegenteil: im Nachhinein sagte sie: Hast ja eh Kathrin, das gehört sich eh so, dass einem die Tochter hilft.
Ich glaube ich hab alle Rechte, dass ich jammern darf, ich glaube nicht, dass jeder diesen Schicksalsschlag so gemeistert hätte wie ich. Auch bin ich dankbar, dass ich in Isabella so eine liebe Freundin gefunden habe und sie mir hilft, aber andererseits bin ich oft überfordert, weil sie mich mit ihrem Leben und ihren Problemen nur so überschüttet. Ich möchte für sie da sein, aber allein ein Telefongespräch dauert meistens mindestens eine halbe Stunde, weil sie nicht zu reden aufhört. Ich verstehe es ja weil sie auch viel allein ist, aber es überfordert mich einfach. Ich hab es ihr schon mal gesagt, aber es hilft nichts. Sie merkt das selber nicht.
Na ja, so jetzt hab ich euch wieder mal ganz schön "Stoff gegeben". Ehrlich gesagt hat mir das seeeehr gut getan!
Danke, liebe Grüße an euch meine Lieben