Liebe Stillcrazy, liebe Amitola, liebe Nebelfrau
danke für eure Worte und deine Geschichte, StillCrazy. Das tut mir sehr leid, dass dein Bruder so einen schlechten Start ins Leben hatte und vor allem, dass dieses Trauma noch das ganze Leben nachwirkt. ich hoffe, er kann wirklich da die Ausbildung machen, die er sich wünscht!
Ich verstehe auch deine Gefühle, ja, es fühlte sich immer so an, als wäre ich die 'Bessere', weil ich eben ein 'besseres' Leben führe, zumindest wie es manche so ansehen. Die, die eben Sozialhilfeempfänger als Looser sehen und die, die arbeiten, 'Karriere' machen als etwas Besseres. Dabei ist das total relativ. ich bin trotzdem ein looser, auch wenn ich Arbeit und ein gutes einkommen und eine schöne Wohnung habe. Nämlich in anderer Hinsicht, aber da schaut die Gesellschaft eben mal drauf oder nicht. Alles eine Definitionssache...
Ja, ich klage mich selbst an. Ich war kalt, hartherzig und gemein zu meiner Schwester, habe sie im Stich gelassen! So ist es nun mal, wenn ich wirklich für sie da gewesen wäre, hätte sie mir mehr anvertraut und ich hätte gedacht: schei*** auf das Geld, es ist meine Schwester und sie leidet. Oder einfach für sie da sein, sie mal in den Arm nehmen, trösten.
Ich habe mich öfter bei dem Gedanken ertappt, dass sie bestimmte Dinge nicht 'verdient' hatte, weil sie früher recht egoistisch und raffsüchtig war. Z.B. hat sie dann Geld von meinen Eltern bekommen, aber zum Geburtstag meiner Mutter nicht mal Blumen für 1,99€ mitgebracht. Oder sie hat behauptet, sie hätte die Blumen vergessen, aber es ist ihr erst eingefallen, wenn wir schon fast bei meiner Mutter angekommen waren. Das habe ich ihr nicht geglaubt. Das hat mich dann verärgert, denn das Geld hätte sie gehabt, um meiner Mutter eine Freude zu machen, denn nur darum wäre es ja gegangen. Dass man daran denkt. Oder sie es halt früher ausgenutzt hat, wenn unsere Oma mit ihr einkaufen war, dass sie sich sozusagen als Entschädigung fürs Benzin etwas mit einkaufen könnte...da hat meine Schwester direkt einen Wocheneinkauf daraus gemacht! Das hat sie ausgenutzt, und auch, als sie ihre Schwiegereltern versorgte, hat sie sehr viel Geld bekommen, und das alles ausgegeben für Krimskrams anstatt was beiseite zu legen, obwohl ich sie so häufig ermuntert habe, zu sparen. Sie hat auch immer vieles als selbstverständlich angesehen, dass ich z.B. die hohen Parkgebühren bezahle, wenn ich sie zum KH gefahren habe. Was ich ja auch gemacht habe und hätte, aber sie hätte sagen können: 'es tut mir leid, ich habe jetzt kein Geld dafür, kann ich dir vielleicht später geben', wäre nie passiert, aber es geht darum, es eben nicht als selbstverständlich anzusehen. oder immer über 25 km fahren, um sie abzuholen, obwohl sie mit dem Bus bis fast vor die Haustür meiner Eltern gekommen wäre.
Aber hätte sie mal gesagt, ich habe gerade kein Ticket oder ich kann schlecht laufen (ich glaube, sie hatte Polyneuropathie wegen dem Diabetes in den Füssen und dadurch einen unsicheren Gang und häufig Schmerzen im Oberschenkel etc.), dann wäre das anders bei mir angekommen. Natürlich hätte man es dann gemacht, weil sie es nicht konnte, das würde ich für jeden tun. Aber sie hat das nie so gesagt, erst gar nicht gebeten, sondern sozusagen geschwiegen. Scham? Misstrauen, weil sie dachte, sie wird dann bevormundet? Ich weiß es nicht.
Das sind jetzt alles Unwichtigkeiten und sollen keine Entschuldigungen sein, denn das wäre alles egal gewesen, denn es ging um das Leben meiner Schwester!! und nicht um das schei** Geld!
Und auch aus ganz egoistischen Gründen, denn ich hätte sie länger bei mir gehabt!
Warum kommen diese Erkenntnisse immer, wenn es bereits zu spät ist?? Warum sehne ich mich jetzt danach, meine Schwester zu umarmen, ihr über die Haare zu streicheln, mit ihr zu sprechen und nicht als es noch möglich war? Warum macht man so viele Fehler im Leben...
Verteidiger hin oder her, diese Schuldgefühle lassen sich nicht abstellen, sie sind ja nicht eingebildet. Ich mache mir heute noch Vorwürfe, mich nicht um meinen Kater gekümmert zu haben und ihn von den anderen Menschen einfach einschläfern zu lassen, nur weil diese umziehen wollten. Wie heißt es so schön: Du bist ewig für das verantwortlich, was du dir vertraut gemacht hast.
Und ich habe mich der Verantwortung entzogen...
Ich glaube, meine Schwester hatte ganz gute Kinderjahre, von ihrem biologischen Vater hatte sie ja nichts mitbekommen, und sie ist bei Oma und Opa groß geworden und hatte auch nach einem Streit mit meinen Eltern (warum auch immer) als sie so 16, 17 Jahre war, da gewohnt. Bei Oma und Opa ging es ihr gut und sie 'durfte' mehr. Meine Oma hatte für mich nichts übrig, da war Sylvia immer die Nummer 1, was auch ok ist, obwohl es natürlich als Kind weh tut, wenn man ignoriert wird. Mein Opa war toll, ist aber gestorben, als ich 11 Jahre war.
Erst als ihre Ehe zerbrach, und die Schwangerschaft und Geburt von meinem Neffen so problematisch und das Risiko bestand, dass beide sterben, ging es bergab.
Dann war sie alleinerziehend und es war schwierig, dass mit dem Vollzeitjob zu vereinbaren, und der neue Freund, der gesoffen hat, hat ein problematisches, traumatisiertes Kind mitgebracht, das war schwierig. Wir hatten lange Jahre keinen Kontakt, weil ich Streit mit ihrem Freund hatte, der mit einer Pistole vor den Kindern rumgefurchtelt hat, weil er sich über die Nachbarn aufgeregt hat. War ein absolut bekloppter Typ. Und wenn ich dann man meine Schwester eingeladen hatte oder wir uns treffen wollten, hat sie ihm zuliebe abgesagt, und wir haben uns nur noch zu den Geburtstagen der Eltern gesehen (wo er dann nicht dabei war). Das hat mir weh getan, klar. Nach seinem Tod haben wir uns dann ausgesprochen, ich habe ihr verziehen und wir sind wieder zu einander gekommen. Aber die Jahre fehlen!
Und dann wenig später die Kündigung usw.
Nochmal kurz zu arm, alleine, krank. Ich meinte nicht, dass man glücklicher ist, wenn man Geld hat oder wohlhabend ist, sondern eher, dass wenn alle Faktoren zusammen kommen, dass dann der Lebensmut schwindet, ist doch klar. Sie muss sich total alleine gelassen gefühlt haben, auch von meinen Eltern, von mir, von den Ärzten etc. Und das ist das Schlimmste, wie oft habe ich mich allein gelassen gefühlt, da half mir auch nicht das dicke Sparbuch oder dass ich gesund bin, aber das Gefühl alleine ist schon schlimm genug und ich war oft davor, Schluß zu machen, denn wofür der ganze Mist?
Aber es ging dann irgendwie weiter.
Mein Lebensweg ist nicht beeindruckend, sondern das Resultat von Zwang, Kampf, Neugierde (Ausbildungen), Motivation, der Situation zu entkommen und ein bessers Leben zu erlangen. Trotz aller Rückschläge ständig gebe ich eben nicht auf! Trotzdem bereue ich, dass ich nicht mehr aus meinem Leben gemacht habe und vor allem, keine oder wenige Menschenbeziehungen zu haben. Aber so oft hatte ich einfach keine Kraft mehr, wieder Rückschläge einzustecken und niemals richtig voran zu kommen...
Und jetzt im Angesicht der Tatsache, was mich noch erwartet, kann das Leben nicht mehr besser werden, ganz im Gegenteil, es wird immer trauriger, sorgenvoller, einsamer. Eine Freundin sagte, dass sie mich bewundert, wie es immer wieder meistere mit Jobs und den anderen Rückschlägen und jetzt der Verlust, woher ich die kraft nehme...ich weiss es nicht, aber die Kraft muss da sein, damit man ein paar Tage Glück und Freude und Unbeschwertheit hat. teuer erkauft, wie der einzig schöne Tag in diesem Jahr, der Tag am Meer, der dann ein jähes Ende durch die Nachricht des Todes fand.
Sorry, ich triefe eine bisschen vor Selbstmitleid...
Meine Mutter hatte gestern Geburtstag, gleich fahren wir hin zum 'Feiern' und einer fehlt...
Nebelfrau
, wie mache ich das mit der Schatzkiste? Danke!