Ihr Lieben,
lange habe ich mich nicht mehr gemeldet, jetzt hat mich Renates Eintrag in ihrem Thread zu einer Antwort inspiriert, die so lang geworden ist, dass ich sie lieber in meinen eigenen Thread verschieben möchte:
Liebe Renate,
ich weiß genau was du meinst.
Auch wenn es nach vier Jahren bei mir innerlich etwas ruhiger wird, weil ich verstanden habe, dass dieses "den Schmerz nach außen zeigen" und zu hoffen, dass andere Menschen mit ihrem Verständnis zumindest Linderung bringen, keine Lösung in sich birgt.
Ich bemühe mich immer möglichst authentisch zu sein und seit einiger Zeit habe ich gar nicht mehr das Bedürfnis meinen Schmerz nach außen zu tragen, dennoch ist er immerlich immer da.
Das was mir geblieben ist, ist die Panik vor dem Alleine sein.
So schaue ich immer genug zu tun zu haben, mir Termine zu machen, mich nützlich zu machen in irgendeiner Weise, um nur ja keine einsamen Tage Zuhause verbringen zu müssen.
Und wenn es einmal so ist, fahre ich mit dem Auto herum, gehe stundenlang spazieren oder ins Kino, nur um nicht den ganzen Tag daheim sein zu müssen.
Und genau das ist mein wundester Punkt momentan:
Manchmal bin ich richtig erschöpft und bräuchte eine Pause, die ich mir aber nicht gönnen kann, weil ich diese Geborgenheit im eigenen Heim, die mir mein Leben lang Kraft und Erholung gegeben hat nicht mehr finde.
Gegen diesen Umstand habe ich bisher noch keine Strategie gefunden und es ist für mich auch deshalb so unfassbar, weil ich nie im Leben damit gerechnet hätte, dass ich mit dem Alleine sein jemals in meinem Leben Probleme haben könnte.
Im Gegenteil habe ich mich immer über Menschen gewundert, die dauernd andere Menschen um sich herum gebraucht haben, um sich wohl zu fühlen.
Jetzt habe ich doppelt Probleme, weil ich mein ganzes Leben gewohnt war, Erholung beim Entspannen zu Hause zu finden und mich das Zusammensein mit anderen Menschen auf Dauer eher angestrengt hat und jetzt alles auf den Kopf gestellt ist, bis auf den Umstand, dass mir die Ruhepausen mit mir selbst daheim so fehlen, seit mir nicht nur mein Mann und meine Eltern fehlen, sondern ich überhaupt keine Bezugsperson mehr habe.
Als ich neulich über diesen Umstand nachgedacht habe, fielen mir meine Pferde ein und dass Pferde in Gruppen leben und die Einzelhaltung von diesen wunderbaren Tieren ohne Sicht und Hörkontakt sogar gesetzlich verboten ist.
Pferde haben Tiefschlafphasen wie alle Säugetiere, aber in der Gruppe ist immer einer wach und passt auf während die anderen schlafen. Wird ein Pferd alleine gehalten, kann es sich nicht mehr entspannen, weil der Aufpasser fehlt und genauso fühle ich mich momentan auch.
Es ist bei mir ein bisschen anders als bei dir, liebe Renate, denn du bist übervoll mit Arbeit und hast auch die Familie und Angestellte immer um dich herum, dazu deinen treuen Hund, der dich begleitet.
Aber ist es nicht so, dass du am Ende des Tages dennoch alleine bist?
All die Menschen um dich herum können diese eine, die wichtigste, die geliebte Bezugsperson nicht ersetzen, stimmts?
Ich bin ja, ich glaube anders als du, der Meinung, wenn es soweit ist, dass wir mit uns soweit im Reinen sind, dass wir es gelernt haben mit der Trauer zu leben, ist es auch wieder möglich eine neue geliebte Bezugsperson kennen zu lernen.
Und wenn das passiert, dann wird auch diese unerträgliche Sehnsucht milder werden, die drängenden Wünsche werden in den Hintergrund treten und auch wenn sie immer noch da sind, werden sie uns nicht mehr von einem erfüllten Leben abhalten, das zwar anders sein wird, aber dennoch gut.
Hier im Forum habe ich es an Hedi gesehen, die ja leider ein zweites Mal diesen schweren Schicksalsschlag erleiden musste, die aber weiß, dass ein Leben trotz Trauer wieder gut sein kann, ich habe es auch an Sverja beobachtet und es gibt ein weiteres Paar, das sich im Forum gefunden hat, aber nicht mehr schreibt, man kann vermuten, dass es ihnen gut geht.
Bei mir sind nun vier Jahre vorbei und sehr vieles ist geschehen, ich habe neue Menschen kennen gelernt, mache die Dinge, die ich gerne tue und fange langsam an, in dieses neue Leben hinein zu finden.
Langsam merke ich eine Veränderung tief in mir, eine Art inneres Loslassen von diesem übermächtigen Schmerz und auch wenn die Trauer, die Sehnsucht und der Wunsch, es wäre nie geschehen, oder wir hätten gemeinsam gehen dürfen immer noch Priorität hat, habe ich eingesehen, dass es diese Gabi in mir gibt, die leben und die Aufgaben, die für dieses Leben noch anstehen annehmen möchte (etwas, was vor einem Jahr noch undenkbar gewesen wäre).
Liebe Renate, bei dir sind es ein wenig mehr als zwei Jahre, das ist immer noch die Zeit der Trauerwellen, aber immerhin schon die Zeit in der man erstmals versucht innerlich wieder aufzustehen und vorwärts zu gehen, bis einem die nächste Trauerwelle wieder zu Boden drückt und die Verzweiflung wieder überhand nimmt. Bei mir sind es vier Jahre, doppelt soviel und deshalb kann ich dir sagen, etwas verändert sich und das geht ganz von selber, wenn du innerlich dafür bereit bist.
Leider ist unser Weg sehr lang und steinig und nicht alle empfinden ihn als gleichartig, aber schwer ist er dennoch für uns alle und wir alle können stolz auf uns sein, weil wir nie aufgeben und immer weiter machen.