Schließlich kam das
ambulante Palliativteam. Leider riefen sämtliche Beruhigungsmittel ein
Paradoxon hervor, sie wirkten nur ganz kurz oder überhaupt nicht und danach
wurde Silvia noch unruhiger. Mir wurden dann Spritzen dagelassen, von denen ich
ihr alle vier Stunden eine geben musste. Genützt habe sie nichts. nachts um 1
Uhr wollte Silvia noch einmal aufstehen und ich führte sie durch die Wohnung.
Es war im nachhinein, als wollte sie damals Abschied von ihrer Wohnung nehmen.
Am nächsten
Tag kam die Dame vom Palliativteam wieder und Silvia bekam einen Schreikrampf,
als sie diese nur sah. Die mitgebrachten Beruhigungsmittel brachten nichts,
Silvia wurde immer unruhiger und schrie und so wurde beschlossen, sie auf die
Palliativstation nach Reutlingen zu bringen. Das war am Samstag, 26. Januar. In
der Notaufnahme wollte sie noch essen und trinken, der Chefarzt gab ihr eine
Spritze, welche exakt 5 Minuten wirkte und dann schrie sie wieder. Nach vier
Stunden wurde sie dann endlich, endlich auf die Station gebracht und dort
sediert. Nachdem sie dann endlich - wenn auch unruhig - schlief, führ ich mit
Nadine nach Hause.
Am Tag darauf
blieb ich zuhause, ich konnte einfach nicht mehr. Montag besuchte ich sie dann
wieder gemeinsam mit Nadine. Silvia war stark sediert, aber sie drückte meine
Hand und öffnete auch einmal die Augen, als ich sie darum bat. Mittlwerweile
war sie rechtsseitig gelähmt.
Ich
beschloss, von Dienstag auf Mittwoch bei Silvia im Zimmer zu übernachten. Am
Dienstag angekommen, hatte sie sehr viel Besuch, alle Töchter und Enkelkinder
waren da, ebenfalls eine Arbeitskollegin und eine Cousine. Silvia war die ganze
Zeit extrem unruhig, zeigte aber keine Reaktionen mehr.
Als sich
gegen 18 Uhr der ganze Besuch verabschiedet hatte und nur noch ich da war,
wurde sie plötzlich ganz ruhig und schlief, als ob nichts wäre. Ich setzte mich
ans Bett und hielt ihre Hand, ab und zu trank ich auf der Station einen Kaffee
und irgendwann gegen 1 Uhr legte ich mich auf Anraten der Nachtschwester (heute
Nacht passiert nichts mehr) dann hin. Kurz nach 3 Uhr wachte ich wieder auf.
Silvia atmete sehr schnell und gurgelte beim atmen. Ich verständigte die
Nachtschwester, welche dann meinte, dass es wohl doch dem Ende zugehe. Sie gab
Silvia eine Spritze, worauf das Gurgeln aufhörte. Ich setzte mich dann zu ihr
ans Bett, hielt ihre Hand und streichelte ihr über die Stirn. Ihr Atem wurde
immer flacher und langsamer und setze dann um 3:40 Uhr aus. Die Liebe meines
Lebens war gestorben.
Ich
verständigte ihre Töchter, welche auch sofort kamen. Gegen 13:00 Uhr fuhr ich
dann nach Hause. Bis zur Beerdigung am 7. Februar bekam ich sehr viel
Unterstützung von den Töchtern, wofür ich sehr dankbar bin. Mittlerweile hat
der Kontakt etwas nachgelassen, da sie natürlich auch eigene Familien haben und
ich ihnen auch nicht dauernd zur Last fallen will. Zu Nadine habe ich noch am
meisten Kontakt, sie ist auch die stärkste von den dreien.
Am 25.
Februar war Silvias Geburtstag, sie wäre 51 Jahre alt geworden. An dem Tag
trafen wir uns noch einmal alle am Grab und gingen anschließend gemeinsam essen.
Seit dem 26.
Februar arbeite ich wieder. Tagsüber geht es so halbwegs, aber jetzt gerade, wo
ich das hier schreibe, fließen die Tränen. Die Abende sind furchtbar und die
Wochenenden sind noch viel schlimmer. Sie fehlt mir so. Mein Leben hat keine
Struktur mehr. Ich bin nur noch verzweifelt. An einem Abend habe ich mich
betrunken, das war ganz schlimm. Der Alkohol hat den Schmerz erst so richtig
nach oben gespült.
Mein Hausarzt
hat mir jetzt Tranquilizer verschrieben, die helfen ein kleines bisschen. Am
21. März habe ich Termin beim Neurologen/Psychiater und erhoffe mir da weitere
Hilfe.
Abends sitze
ich dann zuhause und schreie die Wände an. Ich sehe die ersten Schneeglöckchen
im Garten und muss weinen. Meine beiden Störche sind aus dem Winterquartier und
ich muss heulen, wenn ich sie nur klappern höre. Wenn ich den Kühlschrank
aufmache, muss ich heulen, weil da noch so viele Sachen drin sind, welche sie
gerne gegessen hat. Bevor ich dann ins Bett gehe, nehme ich drei Tranquilizer,
eine Schlaftablette und trinke ein Bier, damit ich überhaupt schlafen kann. Ich
habe die Beruhigungsmittel, welche das Palliativteam mitbrachte daheim und
einmal 20 Tropfen genommen und dann 14 Stunden am Stück geschlafen. Die hebe
ich mir auf, falls ich mal einen Notausgang brauche. So weit ist es aber noch
nicht, weil ich mich ja noch um meine zwei Katzen kümmern muss.
Zehn Tage vor
ihrem Tod sagte Sivia noch zu mir, dass sie hoffe, bald wieder gesund zu
werden, damit wir endlich heiraten können. Warum nur haben wir nicht
geheiratet, als es ihr noch besser ging? Das werfe ich mir nun vor.
Sorry, dass
ich jetzt einen Roman geschrieben habe, aber es tat gut, mir das alles von der
Seele zu schreiben.
Liebe Grüße
und euch alles Gute
Josh