Liebe MausebärBine,
in der letzten Woche hat sich der Tod von Jens zum ersten Mal gejährt. Ich habe den Tag mit meinen Kindern verbracht, wir waren zusammen auf dem Friedhof,
haben wieder eine Flasche von seinem Lieblingsbier auf seiner Grabstelle ausgegegossen.
Abends sind wir spanisch essen gegangen und haben auf ihn angestoßen. Spanisches Essen und ganz besonders Tapas liebte er.
Wir haben den Tag so verbracht, als wäre er noch dabei, es hätte ihm sehr gefallen!
Die dunkle Jahreszeit ist schwierig, da kommen schlimme Erinnerungen zurück.
Nach wie vor gehe ich jede Woche zur Psychotherapie, das erleichtert mich jedes Mal.
Ich gebe mir große Mühe, mein Leben ohne Jens auf die Reihe zu kriegen. Ich gehe arbeiten, laufe danach viel mit dem Hund, versuche Haus und Garten einigermaßen in Schuss zu halten, treffe mich mit guten Freunden und mit den Kindern.
Und doch habe ich jeden Tag das Gefühl, dass es ein Leben zweiter Wahl ist. Das alte, vertraute und gute Leben ist fort, meine Prioritäten haben sich geändert.
Ich merke, dass ich reifer geworden bin. Ja, auch mit 60 Jahren kann man reifen.
Vieles, über das ich mich früher aufgeregt hätte, ist jetzt nur ein müdes Lächeln wert.
Denn das Wichtigste im Leben ist die Liebe! Ich liebe immer noch...
Meine Seele hat es eilig
Ich habe meine Jahre gezählt und festgestellt,
dass ich weniger Zeit habe zu leben,
als ich bisher gelebt habe.
Ich fühle mich wie dieses Kind, das eine Schachtel Bonbons gewonnen hat:
die ersten isst es mit Vergnügen, aber als es merkt,
dass nur noch wenige übrig sind, begann es sie wirklich zu genießen.
Ich habe keine Zeit für endlose Konferenzen, bei denen die Statuten, Regeln,
Verfahren und internen Vorschriften besprochen werden, in dem Wissen,
dass nichts erreicht wird.
Ich habe keine Zeit mehr mit Mittelmäßigkeit zu kämpfen.
Ich will nicht in Besprechungen sein, in denen aufgeblasene Egos aufmarschieren.
Ich vertrage keine Manipulierer und Opportunisten.
Mich stören die Neider, die versuchen, Fähigere in Verruf
zu bringen, um sich ihrer Position, Talente und Erfolge
zu bemächtigen.
Meine Zeit ist zu kurz, um Überschriften zu diskutieren.
Ich will das Wesentliche, denn meine Seele ist in Eile.
Ohne viele Süßigkeiten in der Packung.
Ich möchte mit Menschen leben, die sehr menschlich sind.
Menschen, die über ihre Fehler lachen können,
die sich nichts auf ihre Erfolge einbilden.
Die sich nicht vorzeitig berufen fühlen und
die nicht vor ihrer Verantwortung fliehen.
Die die menschliche Würde verteidigen und
die nur an der Seite der
Wahrheit und Rechtschaffenheit gehen möchten.
Es ist das, was das Leben lebenswert macht.
Ich möchte mich mit Menschen
umgeben, die es verstehen,
die Herzen anderer zu berühren.
Menschen, die durch die harten Schläge des Lebens lernten,
durch sanfte Berührungen der Seele zu wachsen.
Ja, ich habe es eilig, ich habe es eilig mit der Intensität zu leben,
die nur die Reife geben kann. Ich versuche, keine der Süßigkeiten,
die mir noch bleiben, zu verschwenden.
Ich bin mir sicher, dass sie köstlicher sein werden,
als die, die ich bereits gegessen habe.
Mein Ziel ist es, das Ende zufrieden zu erreichen,
in Frieden mit mir, meinen Lieben und meinem Gewissen.
Wir haben zwei Leben und das zweite beginnt, wenn du erkennst,
dass du nur eins hast.
Gedicht von Mario de Andrade (Sao Paulo, 1893-1945), Dichter, Schriftsteller, Essayist und Musikwissenschaftler.
Ich weiß nicht, ob ich dieses Gedicht hier im Forum bei jemandem gefunden habe.
Es hat mir jedenfalls so gut gefallen, dass ich es abgespeichert habe.
Liebe MausebärBine, ich drücke dich auch ganz fest und wünsche dir noch mehr wunderbare Begegnungen!