Beiträge von Manu-ela

    Liebe Birgit,

    heute nach dem Beten war ich noch bei meiner Schwester Zuhause. Es war das erste Mal, dass ich sie nach dem Tod ihres Mannes gesehen habe. In ihrer Küche steht jetzt eine kleine Urne mit Bernds Asche. Sie und ihre Töchter tragen auch Ketten, in denen die Asche verarbeitet wurde. Ich freue mich für sie, wenn es ihr hilft. Ich wollte es damals nicht. Ich kann auch nicht erklären, warum es für mich nichts wäre. Ich nehme halt lieber Helmuts

    Kissen in den Arm. Dann ist er mir ganz nah.

    Aber meine Schwester muss noch sehen, wie sie am besten mit ihrer Trauerarbeit klarkommt. Das braucht alles Zeit.

    Lieber Ben,

    auch ich fühle mit dir mit. Ich hatte auch so ein inniges Verhältnis zu meiner Oma. Mein Opa ist gestorben, als ich sechs Jahre war. Da bin ich dann in Omas Schlafzimmer gezogen und habe in Opas Bett geschlafen, bis meine Oma auch gestorben ist. Da war ich in der 9. Klasse. Ich bin das dritte von vier Kindern. Meine kleine Schwester ist elf Jahre jünger als ich. Ich kam mir auch immer vernachlässigt und überflüssig vor, nur Oma hatte immer Zeit für mich.

    Ich weiß noch, dass ich als kleines Kind dermaßen enttäuscht war, dass ich meinen kleinen Kinderkoffer gepackt und zu meiner Tante gezogen bin. Laut meiner Mutter habe ich dann auch zu meiner Tante Mama gesagt. Wenn sie gekommen ist, um mich wieder abzuholen,

    bin ich nicht mitgegangen. Erst Oma hat es geschafft, dass ich wieder mit nach Hause gekommen bin. Ihr zuliebe habe ich dann Abi gemacht und studiert.

    Omas Grab gibt es schon seit Jahren nicht mehr, aber der Grabstein von meinem Mann erinnert sehr an sie. Sie war immer für das Natürliche und das hat mich auch geprägt.

    Liebe Grüße

    Manuela

    Liebe Birgit,

    es geht oft unheimlich ungerecht zu im Leben. Du musst gleich zwei so große Verluste erleiden. Aber was ist schon gerecht?

    Als ich Helmut damals nach Hause geholt habe, hat sein Arzt noch gesagt, dass er noch drei Tage hat. Dabei ist er schon am nächsten Tag gestorben. Was hätte ich für die zwei versprochenen Tage noch gegeben. Ich weiß, dass es für Helmut besser war, er musste sich nicht mehr quälen. Das sagt mein Verstand. Mein Herz vermisst jede Stunde, die wir nicht mehr gemeinsam verbringen konnten.

    Ich denke oft an unsere letzte Nacht. Wir haben geredet und geredet. Helmut hatte noch so viele Pläne. Es deutete einfach nichts darauf hin, dass es am nächsten Tag schon vorbei ist. Vielleicht mache ich mir auch was vor und Helmut wollte mir den Abschied einfach nicht so schwer machen.


    Zur Zeit habe ich auch immer wieder unsere letzten Stunden vor Augen. Wie er meine Hand gedrückt hat und ihm die Tränen übers Gesicht gelaufen sind.


    Du musst alles allein durchmachen. Das tut mir wahnsinnig leid. Bei mir ist immer viel Trubel. Aber so richtig verstehen kann mich auch keiner. Also überspiele ich vieles und spiele nach außen immer die Starke.

    Die einzige, die mich jetzt wirklich versteht, ist meine Schwester. Sie macht ja jetzt das selbe durch, nur dass sie ihre drei Töchter mit Familien in ihrem unmittelbaren Umfeld hat. Aber sie sagt auch, dass sie ihnen nicht zur Last fallen will.

    Meine Tochter kommt zur Beerdigung. Ursprünglich wollte sie schon Donnerstag Abend kommen. Da hatte ich mich schon drauf gefreut. Aber jetzt hat sie gesagt, dass sie das nicht schafft. Sie kommt erst Freitag und fährt gleich nach der Beerdigung wieder zurück. Das war schon eine Enttäuschung für mich. Ich will meiner Tochter nicht das Leben schwer machen, also habe ich nichts dazu gesagt.

    Aber ich sitze hier und heule, was ich kann.

    Ich muss morgen wieder früh raus, kann mich aber auch nicht aufraffen, ins Schlafzimmer zu gehen. Egal, irgendwie werde ich auch morgen überstehen.

    Verzweifelte Manuela

    Liebe Birgit,

    ich bin wieder im normalen Alltagsstress. Hatte die letzten Tage wenig Zeit. Habe hier zwar viel gelesen, konnte mich aber nicht aufraffen zu schreiben.

    Meine Schwester ist seit Freitag aus der Quarantäne. Gott sei Dank. Es war echt total schlimm für sie. Wir telefonieren nach wie vor jeden Tag. Gestern hatte sie ihren ersten Sonntagsblues. Sie hat nur geweint.

    Am Mittwoch wird für meinen Schwager gebetet. Ich muss jetzt makabererweise sagen, dank Corona fallen unsere Nachmittagsveranstaltungen aus und ich gerate nicht in Zeitnot. Die Beisetzung ist am Freitag. Da bekomme ich frei.

    Ich habe meine Betten frisch bezogen, weil meine Schwester danach zu mir kommen möchte und ich ihr zeigen will, dass sie auch über Nacht bleiben kann.

    Meine Mutter hat endlich begriffen, dass es ihr im betreuten Wohnen gut geht und sie allein in dem großen Haus nicht mehr zurecht kommen würde.

    Meiner Schwiegermutter geht es gesundheitlich auch gut. Ich habe mich nur über meine Schwägerin wahnsinnig geärgert. Sie war Donnerstag kurz hier und hat ihr gesagt, dass sie sich am Samstag sehen. Schwiegermutter hat gewartet und gewartet, meine Schwägerin hat sich aber nicht blicken lassen. Dafür kam sie gestern, nur um zu sagen, dass sie keine Zeit hat und jetzt zurück nach Hause fährt. Sie war keine 10 Minuten hier. Ich bin ja froh, dass sie jetzt über den Winter wieder weg ist, aber meine Schwiegermutter tut mir leid. Ihre Enkelsöhne waren wohl übers Wochenende auch hier, hatten aber keine Zeit, bei ihrer Oma mal vorbeizuschauen.

    Ich musste sie dann gestern Nachmittag wieder aufbauen. Dann ist meine Patentochter mit ihrer Familie vorbeigekommen. Ich habe ihr gesagt, dass wir nicht hoch zu mir sondern zu meiner Schwiegermutter gehen. Durch den Kleinen wurde sie wunderbar abgelenkt.

    Meine Schwägerin hält mir oft genug vor, dass es ihre und nicht meine Mutter ist. Leider verhält sie sich nicht so. Ich habe meine Schwiegermutter auch noch nie angeschrien. Ich glaube auch, dass sie in meiner Familie besser umsorgt wird.

    Ich habe dir ja am Telefon erzählt, dass Helmut mich den einen Morgen gerufen hat. Gestern früh war ich auf dem Balkon und die Wolkenformationen waren so, als ob da Helmuts Gesicht war. Auch die Frisur, es hat alles gestimmt. Ich war so geflasht, leider war ich zu langsam mit der Kamera. Heute habe ich gewartet, aber es ist nichts passiert.

    Ich warte immer auf Zeichen von ihm. Er fehlt mir unendlich.

    Manuela

    Bei uns war es den ganzen Tag grau und bedeckt, von Sonne war nichts zu sehen.

    Ich war heute Abend zur Gräbersegnung auf dem Friedhof. Das ist bei uns immer abends nach 19 Uhr. Die Atmosphäre kann ich gar nicht richtig beschreiben. Es war ja schon stockdunkel, aber durch die ganzen Grablichter und Taschenlampen doch schön.

    Ich habe den ganzen Tag mit mir gerungen, ob ich gehe oder nicht. Ich bin eigentlich immer am liebsten allein auf dem Friedhof. Im Nachhinein bin ich aber froh, dass ich dort war.

    Liebe Birgit,

    gesundheitlich gesehen geht es meiner Schwester gut. Von Corona merkt sie zum Glück nichts. Sicherlich, weil sie zweimal geimpft ist.

    Seelisch ist sie natürlich ziemlich am Ende. Bis zum 5. November ist sie noch in Quarantäne, Noch 5 lange Tage. Wir telefonieren zwar regelmäßig, das ist aber nicht das Gleiche, als wenn man sich sehen kann.

    Wir sind vier Geschwister, aber wir halten alle zusammen.

    Heute Abend hat mich meine Schwiegermutter noch mal runtergerufen. Sie war ziemlich fertig, weil sie von ihren Töchtern wieder so angebrüllt wurde. Ich verstehe meine Schwägerinnen nicht. Es ist doch klar, dass man mit 96 nicht alles richtig macht. Ich musste sie beruhigen und sie sagte wieder einmal, wie froh sie ist, bei mir zu wohnen.

    Ich hoffe nur, sie wird noch lange bei mir sein.

    Liebe Grüße

    Manuela

    Liebe Birgit,

    du weißt, dass meine Schwiegermutter bei mir lebt. Also muss ich kochen. Heute gab es einen Minirollbraten, ungefähr 400g, der reicht für morgen noch mit.

    Wenn sie in der Tagespflege ist, koche ich nicht. Nur für mich - da habe ich einfach keine Lust zu. Am Mittwoch muss ich wieder kochen, da hole ich ja meine Mutter schon zum Mittagessen ab. Für drei kochen geht dann schon.

    Als Helmut vor gut 10 Jahren erwerbsunfähig wurde, hat er sich natürlich die erste Zeit sehr gelangweilt. Ich habe ihm dann das Buch "So kocht Mann " geschenkt. Ich hätte es nie für möglich gehalten, aber er wurde ein leidenschaftlicher und begnadeter Koch. Er hat alles nur mit frischen Zutaten gekocht. Maggi Fix oder ähnliches durfte nicht mehr gekauft werden. Aber es war richtig köstlich. Solche Ansprüche habe ich heute nicht. Ich kaufe auch oft Fertiggerichte aus der Truhe.

    Essen ist irgendwie nebensächlich geworden.

    Liebe Grüße

    Manuela

    Liebe Birgit,

    der Tag heute bei mir verlief ganz gut. Ich habe Mutti um 11.30 abgeholt. Im Heim gab es Kaiserschmarrn mit Vanillesoße. Da war sie froh, dass sie bei mir Eintopf essen konnte. Sie hat für ihre Verhältnisse auch gut gegessen, 1 1/2 Teller. Auch bei den Gesprächen war sie immer dabei. Ich habe schon überlegt, ob sie sonst mittwochs eigentlich überfordert ist. Wenn meine Geschwister mit da sind, wirkt sie einfach nur abwesend. Heute konnte man sich die ganze Zeit gut mit ihr unterhalten. Wir waren ja auch nur zu dritt. Ich habe sie nach dem Kaffee gegen 16 Uhr zurück gebracht. Und gleich angemeldet, dass ich sie Freitag um 11 wieder hole, weil wir einkaufen wollen.

    Weil ich nächste Woche noch zu Hause bin, habe ich mir überlegt, dass ich sie Mittwoch wieder hole und eine Peking-Suppe vorbereite. Die liebt sie einfach.

    Später habe ich noch lange mit meiner Schwester telefoniert. Ihr fällt natürlich die Decke auf den Kopf. Sie sagt , dass sie sich zu nichts aufraffen kann.

    Dann kommt der Ärger mit den Behörden dazu.

    Finanziell sieht es wohl auch nicht so gut aus. Sie weiß aber auch, wenn es ganz schlimm wird, kann sie sich auf ihre Geschwister verlassen.

    Meine Mutter hat heute das erste Mal gesagt, dass sie so froh ist, dass ihre Kinder so zusammenhalten. Sie hat inzwischen begriffen, dass es bei den Kindern von ihren so geliebten Schwestern nicht so ist.

    Die eine Schwester, mit der sie im letzten Jahr mehr Kontakt hatte, ist weggezogen, ohne sich von ihr zu verabschieden. Ich glaube, das gab den Ausschlag, noch Mal über die gesamte Verwandtschaft nachzudenken.

    Ich wünsche mir so sehr, dass Mutti auch in Zukunft einfach so ist wie heute.

    Ich wünsche dir noch einen angenehmen Abend.

    Manuela

    Liebe Birgit,

    ich wünsche dir wirklich, dass das Rotkehlchen von Nadja geschickt wird. Ich hoffe auch, dass deine Freundin dir bei den finanziellen Problemen helfen konnte.

    Meine Schwester weiß auch nicht, wie es weiter geht. Ihr Mann war ja schon lange krank, aber noch nicht im Rentenalter. Sie weiß im Moment auch nicht, wie es finanziell weitergeht. Diese Sorgen kommen also auch noch dazu.

    Morgen hole ich meine Mutter zum Mittagessen zu mir. Mittwochs gibt es wohl oft Reis- oder Grießbrei, was sie nicht mag. Also habe ich einen Eintopf gekocht, den sie gern mag.

    Ich habe schon oft geschrieben, dass Mutti schwierig ist, trotzdem versuche ich immer, ihr das Leben so angenehm wie möglich zu machen. Leider merkt sie es nicht.

    Liebe Birgit,

    unser Gespräch gestern Abend hat mir sehr gut getan. Ich habe heute früh bis gegen 7.00 Uhr geschlafen. Ich weiß gar nicht mehr, wann ich zuletzt so lange geschlafen habe. Normalerweise stehe ich immer zwischen 4 und 5 Uhr auf.

    Meine Schwester hat verständlicherweise kein Auge zubekommen. Körperlich geht es ihr aber gut. Sie ist gesund und zweimal geimpft. Sie ist zwar positiv, merkt aber zum Glück von ihrer Infektion nichts. Wir haben heute wieder lange telefoniert. Ihr Mann war seit 25 Jahren krank. Es waren zum Teil beschissene Zeiten, aber er war da. Weil niemand zu ihr darf, merkt sie natürlich jetzt besonders, wie sie allein ist.

    Die Beerdigung ist am 12. 11. Sie müssen so lange warten, weil meine Schwester ja in Quarantäne ist.

    Ich bin heute lange spazieren gegangen, musste den Kopf frei kriegen. Und das Wetter war ja wirklich wunderschön.

    Ich war auf beiden Friedhöfen. Die Alpenveilchen bei meinem Schwiegervater blühen noch so wunderbar. Am Wochenende werde ich sie aber ausmachen müssen, weil da das Gesteck hin soll. Bei Helmut ist es einfacher. Da tausche ich die Schalen einfach aus. So ein Rasengrab ist immer schnell fertig gestaltet. Und Helmut ist ja auch in meinem Herzen.

    Der Pfarrer war nicht bereit, die Beerdigung auf den Samstag zu legen. Sie findet nun am Freitag um 10 Uhr statt. Das ist natürlich für uns Berufstätige blöd. Ich werde schon frei bekommen, aber bei den Kindern von meiner jüngeren Schwester sieht es schon anders aus. Um so mehr habe ich mich gefreut, als meine Tochter sagte, dass sie Urlaub eingereicht hätte und auf alle Fälle kommt. Sie kommt zwar allein, aber das ist schon in Ordnung. Ihre Kinder sind für Beerdigungen noch zu klein und ihr Mann wird die Kinder nehmen. Ich habe mich einfach nur gefreut. Da stehe ich nicht allein am Grab, sondern habe meine Tochter an meiner Seite.

    Als Helmut gestorben ist, habe ich auch Hand in Hand mit ihr am Grab gestanden und ihr Mann hat sich um meine Schwiegermutter gekümmert. Das fand ich damals schon schön, obwohl ich inzwischen auch denke, der Trost von ihrem Mann hätte ihr auch gut getan.

    Liebe Birgit, wie war dein Tag?

    Ich wünsche dir eine angenehme Nacht.

    Manuela

    Ich danke euch allen für eure Anteilnahme. Klar, dass mich das Ganze sehr aufgewühlt hat, aber ich bin jetzt nicht wichtig.

    Ich habe heute mehrfach mit meiner Schwester telefoniert, ich kann ja schließlich nicht hin fahren und sie einfach in den Arm nehmen. Das tut mir besonders leid.

    Bei unserem ersten Gespräch merkte ich, dass wir doch ähnlich ticken, obwohl wir eigentlich sehr unterschiedlich sind. Sie sagte, sie könne einfach nicht beten. Das ging mir genauso. Auch heute fällt mir das Beten noch schwer. Ich mag auch nicht in die Messe gehen, sitze lieber in der Kirche, wenn niemand da ist. Die Ruhe dann tut mir gut.

    Mein Schwager wird Mitte November beigesetzt. Bis zum 5. November ist meine Schwester in Quarantäne, dann wird sie wieder getestet. Es ist gut so, dass sie mit der Beerdigung so lange warten.

    Noch zwei Wochen darf meine Schwester nicht raus und niemand zu ihr. In dieser Situation einfach grausam. Nur gut, dass es das Telefon gibt.

    Wenigstens was in dieser traurigen Zeit.

    Manuela

    Hallo ihr Lieben,

    für mich war es heute wieder ein schrecklicher Tag.

    Mein Schwager ist seit zig Jahren Dialysepatient. Am Mittwoch wurde er vor der Dialyse positiv getestet, einige von den anderen Patienten auch. Bei meiner Schwester war Mittwoch noch alles in Ordnung, sie wurde gestern aber auch positiv getestet. Gestern Abend ging es bei meinem Schwager so rapide abwärts, dass er ins Krankenhaus musste. Der Dickdarm war abgestorben, der musste in einer Notoperation entfernt werden und er hat jetzt einen Seitenausgang. Wofür? Er liegt jetzt im künstlichen Koma. Durch den Tubus sind Essensreste in der Lunge gelandet. Also ist der nächste Entzündungsherd vorprogrammiert. Auf Helmuts Beerdigung hat er zu mir gesagt, dass er immer davon ausgegangen ist, als erster zu gehen.

    Meine Schwester steht jetzt ganz allein. Durch ihre Coronaerkrankung darf ja auch niemand zu ihr. Ich würde sie so gern mal in den Arm nehmen. Sie steht mit allem jetzt allein da. Beide waren zweimal geimpft. Ihre drei Töchter wohnen zwar unmittelbar in ihrer Nähe, aber sie dürfen ja auch nicht zu ihr.

    Die Coronaregeln besagen wohl, dass die Beatmungsmaschine angeschlossen werden muss. Sie hofft jetzt auf Montag und dass da die Patientenverfügung greift.

    Meinem Schwager wünsche ich, dass er in Würde gehen kann. Aber das alles hat mich natürlich auch sehr aufgewühlt.

    Dann hat meine Mutter noch angerufen und gesagt, wie gern sie für Bernd gehen würde.

    Das hat sie bei Helmut auch schon gemacht und auch meinem Bruder gesagt, dass sie liebend gern ihre Lunge für ihn spenden würde. Wer meine Mutter kennt, weiß, dass das alles nur geheuchelt ist.

    Allen noch einen schönen Samstagabend.

    Manuela

    Ich habe heute wieder einen schrecklichen Tag hinter mir. Eigentlich wollte ich mich auskurieren, fehle heute genau den zweiten Tag auf Arbeit. Dann bekam ich die Nachricht, dass meine Klasse heute total neben der Spur war. Sie haben jedem Kollegen heute das Leben zur Hölle gemacht. Das passiert nicht, wenn ich da bin. Also habe ich den ganzen Nachmittag mit Elterngesprächen verbracht, statt zu inhalieren usw.

    Ein Elternpaar habe ich informiert, dass ihre Tochter gestern beim Rauchen erwischt wurde. 6. Klasse, 12 Jahre. Wenn ich dann nur als Antwort bekomme, das finden sie auch nicht gut, könnte ich verzweifeln.

    Ich war vorhin lange damit beschäftigt, welches Gesteck ich auf Helmuts Grab will. Letztes Jahr habe ich es bei uns im Blumenladen anfertigen lassen.

    Dieses Jahr hat das Kornhaus wieder Gestecke. Meine Schwester ist dort die Chefin und erwartet schon, dass ich bei ihr kaufe. Aber so richtig gefallen mir ihre Angebote nicht. Ich habe ihr jetzt ein Bild vom letzten Jahr geschickt, damit sie weiß, was ich will.

    Ich habe es wirklich wahr gemacht und habe heute früh bei meinem Arzt angerufen und gesagt, wie es mir geht. Da hieß es, ich müsse hinkommen, aber nicht reinkommen, sondern an die Fensterscheibe klopfen. Hab ich gemacht. Da meinte die Schwester, in dem Zustand dürfe ich die Praxis nicht betreten. Ich musste draußen warten, bis ich dran war. Der Arzt ist dann zu mir raus gekommen. Habe meinen Krankenschein bekommen. Als ich wieder zu Hause war, habe ich mich gleich wieder ins Bett verkrochen. Da hatte ich ja heute Zeit für. Dann habe ich auf einmal Helmuts Stimme gehört, der sagte, Manu du musst jetzt aufstehen. Das ist mir noch nie passiert. Aber es war definitiv seine Stimme. Und

    ich war allein im Haus.

    Morgen ist meine Schwiegermutter zu Hause, übermorgen wieder in der Tagespflege.

    Ich werde auf alle Fälle versuchen, diese Woche mal zur Ruhe zu kommen.

    Bevor ich heute früh wieder nach Hause gefahren bin, war ich noch auf dem Friedhof. Irgendwer war schneller und hatte schon eine Kerze angezündet. Da habe ich dann den Grabstein und die Platte abgewaschen.

    Jetzt sieht es wieder ordentlich aus.

    Nächste Woche werde ich eine Schale für den Winter bestellen und die Sukkulenten wieder mit nach Hause nehmen.

    Ich müsste dringend mal wieder im Haus putzen, kann mich aber irgendwie nicht dazu aufraffen. Auch egal. Ich habe ja für diese Woche allen abgesagt. Und mich stört es nicht mehr, wenn etwas Staub da ist. Das war früher auch anders. Da konnte ich nicht auf dem Sofa liegen bleiben, wenn ich irgendwo ein Staubkorn gesehen habe.


    Mal sehen, wie es weiter geht. Ich will im Moment keine Pläne mehr machen.

    Liebe Linchen, liebe Birgit,

    es geht mir momentan echt nicht gut. Es entspricht eigentlich so gar nicht meiner Art, aber ich habe auf Arbeit gesagt, dass ich morgen zum Arzt gehe und sicher diese Woche nicht mehr komme. Auch alle privaten Termine habe ich für diese Woche abgesagt. Meine Tochter meint, sie ist stolz auf mich, dass ich das geschafft habe. Ich bin mir da noch nicht so sicher.

    Ich freu mich aber auch irgendwie auf morgen, wenn ich einfach mal im Bett bleiben kann. Schwiegermutter ist ja in der Tagespflege. Oder bin ich da schon wieder zu egoistisch?

    Auch für Mittwoch, unseren Muttitag habe ich allen abgesagt. Ich habe zwar gesagt, dass ich niemanden anstecken möchte. Ich bin mir aber nicht sicher, ob sie das verstehen. Dafür habe ich sie für nächste Woche schon zum Mittag eingeladen. Da koche ich dann Bohnensuppe, die lieben alle.

    Helmut mochte sie gar nicht, ihm waren die Prunkbohnen einfach zu mehlig. Unsere Tochter hat sie aber schon immer geliebt. Also habe ich dann immer für Helmut Linsensuppe gekocht. Sind ja im Prinzip auch die gleichen Zutaten und alle waren zufrieden. Früher habe ich unsere Bohnen im Garten angebaut, inzwischen bestelle ich sie fertig in Österreich.

    Dieser ganze Herbst schlägt mir aufs Gemüt. Eigentlich mag ich es ja, wenn das Laub die Farbe ändert. Aber diese ganze Herbststimmung macht mich einfach nur depressiv.

    Ich grübele auch ständig darüber nach, ob es richtig war, so lange noch zu arbeiten.

    Ich hatte einfach Angst, wenn ich nicht mehr zur Arbeit fahre, dass Helmut denkt, ich hätte ihn aufgegeben und würde nur noch auf seinen Tod warten.

    Ich war immer der Meinung, wenn ich zur Arbeit fahre, heißt das, du bist doch noch lange bei mir.

    Ich glaube, ich habe alles falsch gemacht.

    Ich bin todunglücklich.

    Manuela

    Wieder ein Wochenende geschafft. Zum Glück. Ich musste wieder nach außen die Starke spielen, obwohl mir nur zum Heulen zu Mute war.

    Letztes Wochenende habe ich die Geburtstage von meiner Mutter und Schwiegermutter bei mir ausgerichtet. Weil ich keine Geschenkidee hatte, habe ich beide heute zum Essen eingeladen. Wir waren beim Chinesen. Meine Schwiegermutter hat es richtig genossen. Meiner Mutter kann man leider nie etwas recht machen. Sie hatte dauernd etwas auszusetzen. Weil sie Geburtstag hatten, haben beide vom Restaurant einen Stockschirm geschenkt bekommen. Da war die Welt für sie wieder in Ordnung und der Tag hat sich doch gelohnt.

    Jetzt muss ich noch eine Woche arbeiten, dann habe ich zwei Wochen frei. Leider ist diese freie Zeit auch schon wieder verplant. Ich bräuchte unbedingt mal Zeit für mich, weiß aber nicht, wann ich die mir nehmen kann.

    Ich bekomme immer sofort ein schlechtes Gewissen, wenn ich mal nein zu wem sage. Ich denke immer, ich bin doch sowieso allein, also kann ich auch helfen. Dass ich inzwischen an meine Grenzen gekommen bin, interessiert doch eh keinen.

    Nächstes Jahr im Juli habe ich 10 Tage für mich eingeplant, hoffentlich kommt nichts dazwischen.

    Neben Helmut ist unser ehemaliger Hausarzt beerdigt. Dort wurde jetzt auch der Grabstein gesetzt. Der sieht fast genauso aus, wie der von Helmut. Gefällt mir.

    Früher sind Helmut und ich im Herbst immer noch mal ein paar Tage weggefahren. Wie ich auch das vermisse. Die Tage sind jetzt einfach nur trostlos und öde. Bleibt das für den Rest meines Lebens so?

    Liebe Linchen,

    danke für deine Umarmung. Gerade heute kann ich sie so gut gebrauchen.

    Meine Schwägerin schrieb gerade, 1 1/2 Jahre wäre doch eine lange Zeit. Für mich ist es das nicht. Haben alle meinen Helmut schon vergessen?

    Mein geliebter Schatz,

    heute genau vor 1 1/2 Jahren hast du mich verlassen.

    Ich bin heute früh aufgewacht und es ging mir nicht gut. Da hatte ich das Datum von heute noch gar nicht auf dem Schirm. Ich habe nur festgestellt, dass es mir körperlich und psychisch nicht gut geht.

    Deine älteste Schwester war heute zum Kaffee hier. Es war sehr anstrengend für mich. Sie ändert immer sofort das Thema, wenn ich von dir erzählen will.

    Beim Abendbrot mit deiner Mutter bekam ich dann einen richtigen Heulflash. Sie sagte zwar, dass sie auch jeden Tag an dich denkt, das war es aber auch.

    Ich bin im Moment ziemlich fertig. Muss immer stark sein, aber auch meine Reserven sind mal erreicht.

    Ich vermisse dich so sehr. Du fehlst überall.

    Die Zeit heilt keine Wunden.