Wer kann es mir erklären?

  • Nun, wo fang ich an? Vielleicht mal so.


    Ich habe mich in einen Mann verliebt der vor fast 2 Jahren seinen damals 20 jährigen Sohn verloren hat.
    Wir haben uns als Teenager kennengelernt, eine Brieffreundschaft begonnen (wir wohnen 160km auseinander) und uns dann wieder verloren.
    Im Dezember 2009 fanden wir uns zufällig im www wieder und begannen eine sporadischen Mail austausch.
    Nach einigen Monaten ohne Mails schrieb er mir dann im Mai 2010 wieder und erzählte mir das sein Sohn verstorben ist.
    Von diesem Tage an ist unser Mail und SMS Kontakt immer intensiver geworden.
    Im Sommer 2011 wollten wir uns nach 27 Jahren das erstemal wieder sehen. Dieses Treffen hat er dann zwei Tage vorher abgesagt. Es ging ihm nicht gut und saß in einem dunklem Loch.
    Wir haben weiter geschrieben, auch mal telefoniert und sind uns immer Näher gekommen.
    Über seinen Sohn, den Tod und die Umstände wollte er aber nie reden.
    Im Dezember 2011 haben wir uns dann doch wieder gesehen. Es war der absulute Hammer. Es fühlte sich gleich Richtig an und wir wussten beide das wir genau diesen Menschen der uns da gegenüber saß gesucht haben. Auf Grund der Entfernung und seiner Arbeit (er ist weltweit tätig) sehen wir uns nicht so häufig, aber das ist nicht schlimm.
    Vor einer Woche wollten wir uns eigentlich wiedersehen. Schon seit Tagen schrieben wir uns wie sehr wie uns darauf freuen und wie wichtig es uns ist.
    Sonntag bekam ich dann eine Mail in der er mir mitteilte das er unsere Beziehung so wie sie ist nicht weiter führen kann und sie auf Mails und SMS Kontakt beschrenken will.
    Er liebt mich, will aber nicht glücklich sein. Wenn er glücklich ist, hat er ein schlechtes Gewissen, zieht sich zurück und stößt alle Menschen von sich. Er will sich einen Liebe nicht gönnen.


    Ich weiß was ich ihm bedeute und das dass keine blöde Ausrede ist. Ich möchte ihn verstehen. Ihm helfen und keine Fehler dabei machen. Ich habe noch keinen Menschen verloren und kann mich wohl nicht in sein Gefühlchaos versetzen. Vielleich könnt ihr mir helfen ihn zu verstehen und mir Tipps geben wie ich ihm helfen kann.


    Lieben dank schon mal vorab.

  • Servus,


    ein liebes Willkommen hier.
    Es tut mir leid für dich, daß deine Liebe unter einem so schwierigen Stern steht.


    Mhm, wo fange ich an? ;-)
    Es ist sehr oft so, daß Hinterbliebene das Gefühl haben, sie "dürfen" nicht mehr glücklich sein, ihr Leben nicht mehr genießen, weil der Verstorbene es ja auch nicht mehr kann. Umso mehr, wenn es ein Kind ist, das der/diejenige verloren hat. Das "schlechte Gewissen" kommt ganz von alleine, da kann man willentlich nur sehr schwer etwas dagegenhalten, auch wenn es keinen Grund für ein schlechtes Gewissen gibt wenn man "sein eigenes" Leben weiterlebt. (Ich persönlich bin mir sicher, daß unsere verstorbenen Lieben es "begrüßen", wenn wir wieder glücklich sein können. Vergessen können wir sie sowieso nicht. Und es ist allemal besser, das, was wir hier auf Erden noch "erledigen müssen" mit Freude zu tun als "Trübsal zu blasen". (Sorry für die saloppe Ausdrucksweise - ich weiß selbst gut genug, daß das alles zwar leicht gesagt, aber nur sehr, sehr schwer getan ist.)
    Ich würde sagen: versuche deinem Freund zu signalisieren daß du ihn verstehst und daß du trotzdem für ihn da bist. Daß du ihm gerne zuhörst, wenn er reden möchte, daß du das gerne mit ihm gemeinsam tragen möchtest - daß er dich nicht "belastet" (natürlich nur, wenn du das auch ernst meinst - aber deine Zeilen scheinen mir das auszudrücken)
    Aber drängle ihn nicht. Männer tun sich da oft noch viel schwerer als wir Frauen, ihre Gedanken und Gefühle auszusprechen. Ich glaub das wichtigste wäre, daß du so gut es dir möglich ist Geduld hast.


    Ich hoffe, daß sich noch die eine oder andere unserer verwaisten Mütter zu Wort meldet. Sie können dir sicher ein bissel besser "weiterhelfen" als ich.


    Hat dein Freund "professionelle" Hilfe? Ich glaub, das könnte ihm guttun. Es muß ja nicht eine "richtige Therapie" sein, wenn er das gar nicht mag - vielleicht gibt es bei ihm in der Nähe eine Trauergruppe? Wo er "lernen" könnte seine Gedanken und Gefühle in Worte zu fassen. Denn das hilft meist sehr.


    Schreib ruhig, wenn du Probleme mit dieser Situation hast. Wir können zwar nicht direkt helfen, doch oft ist es schon eine Erleichterung wenn man seine Gedanken "aussprechen" kann.


    Dir und auch deinem Freund alles Liebe
    Jutta

    Der Tod eines geliebten Menschen ist wie
    das Zurückgeben einer Kostbarkeit,
    die uns Gott geliehen hat.

  • Hallo Suppenstern!


    Was für ein lustiger Name! :)


    Ich möcht mich Jutta voll und ganz anschließen und noch etwas hinzufügen. Dein Freund ist noch mitten in seiner Trauerarbeit, er ist in tiefer Trauer. Das ist nach dem Verlust eines Kindes ganz normal. Und in dieser Phase sind Trauernde meist noch nicht beziehungsfähig. Sie benötigen alle Kraft und Konzentration für sich und den verstorbenen Menschen.
    Von Trauerbewältigung oder Neuorientierung spricht man, wenn Menschen wieder arbeits- und beziehungsfähig sind, wenn die 3 Ls "Lieben, Lachen, Leisten" wieder möglich sind.
    Ich glaube, dass du deinem Freund sehr wichtig bist und ihm gut tust, dass er aber noch nicht beziehungsfähig ist. Deshalb: Habe Geduld und lass ihm Zeit, signalisiere ihm das. Ich kann mir vorstellen, dass das für dich sicher nicht leicht ist, aber es ist - soweit ich das aus deinem kurzen Schreiben ableiten kann - die wichtigste Basis für eine Beziehung, die allerdings noch etwas Zeit braucht, um wachsen zu können.
    LG
    Ariadne

  • Zuerst einmal ein ganz ganz dickes Dankeschön an Jutta und Ariadne für eure Antworten. Ihr könnt euch gar nicht vorstellen wie gut es tut, wenn jemand da ist der einem zuhört und auch noch versucht zu erklären was mein Freund gerade durchmacht.


    Er besucht seit etwas mehr als einem Jahr eine Trauergruppe und sagt selbst die Menschen dort, seien die einzigen die ihn verstehen könnten und das sie ihm das Leben gerettet haben. Denn wie wohl die meisten Trauernden konnte er sich damals nicht vorstellen ohne seinen Sohn weiterzuleben.


    Geduld habe ich ganz sicher mit ihm, aber die Maske, hinter der er sich versteckt, kann er wohl auch bei mir nicht richtig absetzen. Dadurch, dass er unseren Kontakt nur noch auf E-Mails beschränkt, ist es auch nicht gerade einfach tiefer hinter die Fassade zu blicken. Ich habe ihm mal gesagt, dass ich ihm keine Fragen zum Max und dessen Tod stellen würde, sondern dann wenn er mir etwas darüber erzählen möchte, sehr gern zuhöre. Ich weiß leider nur das er in einer Entzugsklinik an einem Kollaps gestorben ist, als alle schon dachten das Schlimmste sei wohl überstanden.
    Mittlerweile überlege ich aber, ob ich ihn nicht vielleicht doch mal ganz vorsichtig danach Frage. Allerdings habe ich Angst das er sich dann vielleicht doch bedrängt fühlt.
    Dazu kommt noch, das die Situation zwischen uns ihn doch sehr belastet. Er schreibt das er mich vermisst und das er sich meine Nähe wünscht, aber es einfach nicht zulassen kann. Und dann kommen Sätze wie: "Ach Süße, was soll wir nur tun."


    Auf jeden Fall würde ich mich sehr freuen, wenn mir hier noch mehr Betroffene ihre Sicht der Dinge erklären könnten.


    Mit ganz besonderen Grüße
    Anja

  • Liebe Anja,
    ich kann mir vorstellen, dass das schwierig ist - für euch beide!
    Ich meine aber, du hast dich bisher genau richtig verhalten, dich nicht aufgedrängt aber Gesprächsbereitschaft signalisiert...
    Wenn das für dich auszuhalten ist, würde ich mich seinem Rhythmus und seiner Zeit, die er dafür braucht, noch Zeit geben und bei der Gesprächsbereitschaft bleiben bzw. ihn fragen, was genau er braucht, dass er sich nicht überfordert fühlt.
    AL
    Ariadne

  • Hallo liebe Anja!
    Habe Deine Geschichte gelesen.
    Villeicht hilft es Dir wenn ich Dir von meinen Gefühlschaos erzähle.
    Bin eine Mutter die ihren Sohn im Juni 2010 mit 19 j. verloren hat und bis Heute keinen richtigen Boden unter den Füßen gefunden hat.
    Kann Deinen Freund gut verstehen es ist für uns nicht leicht zu lachen ohne gleich wieder ein schlechtes Gewissen zu haben .
    Dieses Gefühlschaos das uns beherscht ist furchbar.
    Kaum glaubt man es geht einen Schritt nach vor fällt man drei Schritte wieder zurück.
    Obwohl man sich bemüht und das ja gar nicht will.
    Man hat das Gefühl alle anderen leben weiter und keiner denkt mehr an den verstorbenen, und auf meine Gefühle die ich habe nimmt niemand
    Rücksicht. dann kommen Sätze wie : Es ist ja schon fast zwei Jahre her , das Leben geht weiter ,od. du mußt nach vorne schauen.........
    Aber das will man gar nicht hören.
    Denn man versteht nicht WARUM das gerade mir passieren mußte WARUM mein Sohn. Dieses ewige nach grübeln nach dem WARUM hat einem fest im Griff.
    Hoffe konnte Dir ein bischen näher bringen ,wie wir verweiste Eltern uns so fühlen.
    Wünshe Dir und Deinen Freund das ihr eine Lösung findet. Mein Rat lass ihn auf Dich zukommen und gib ihn die Zeit die er braucht.
    Liebe Grüße Renate

  • Liebe Anja!


    Möchte dich auch hier im Forum herzlich willkommen heißen.


    Ich bin eine Mutter die vor 7 Monaten ihre Tochter verloren hat und ich kann dir nur aus der Sicht einer Mutter berichten.Meine Tochter war 33 und sie hatte eine Gehirnblutung.


    Das schlimmste was Eltern passieren kann ist sein Kind zu verlieren,man verliert den Boden unter den Füßen und das Leben wird nie mehr so sein wie es mal war.


    Männer trauern anders als Frauen,das ist auch hier im Forum ersichtlich,es gibt keine Väter hier nur Mütter die sich austauschen.


    Reden wäre so wichtig aber Männer tun sich einfach schwer,sie verschließen sich und machen alles mit sich selbst aus.


    Hab einfach Geduld,laß ihm die Zeit die er braucht und vielleicht erzählt er dir auch was passiert ist.Kann sein das er sich auch Sebstvorwürfe macht,die machen sich die meisten von uns obwohl keiner was dafür kann wenn sowas schlimmes passiert.


    Alles Liebe


    Annemarie

  • Liebe Anja!!!
    ich kann dich verstehen!
    es ist nicht leicht zu zusehen
    wie eine person all die last mit sich trägt
    obwohl es einen menschen gibt
    der ihm so gerne etwas abnehmen würde


    glaub mir in dieser situation, steckte meine aller beste freundin MsOrange


    ich würde es sagen man ist machtlos, als verweistes elternteil! all die gefühle die dich überkommen, die sind so heftig so das man selber nicht weis wie man damit fertig werden soll. es ist änlich wie in der achterbahn, bist du mal achterbahn gefahren Anja? wenn du die augen zu machst bei der fahrt weist a ned WAS alls nächstes kommt und WANN es aufhört. so ist es in der Trauer wir wissen nicht WANN die nächste Tallfahrt kommt und WIE lange es dann dauern wird
    ich denke mir dein Freund, will dich und sich mit der Tallfahrt schützen!!!
    Ich kann dich gut verstehen, dast ihm soooo gerne helfen würdest und an seiner seite sein würdest. leider in solchen momenten haben sogar schon viele langjährige bezihungen keine chanse gehabt. ich denke mir mit der zeit wird auch dein freund mit den ABs und AUFs umgehen lernen. das braucht er. Wenn die liebe Groß ist zu ihm, wirst du DA sein wenn er dich braucht. Ganz wichtig ist liebe Anja sag ihm das du ihn liebst und du DA bist wenn er mag, nur nicht unterdruck setzten


    ich hoffe das i da a wengal helfen konnte, die andere seite zu verstehen, falls noch fragen sind oder DU auch deine SEELE befreien willst, HIER bist du in besten händen :30:


    ganz ganz liebe grüße, maki