Fall ins Bodenlose

  • Liebe Micky,


    deine Schilderungen über den schlimmen Verlust deiner geliebten Mama, haben mich tief berührt. Mein tief gefühltes Beileid und die tägliche Kraft bei Deiner Trauer.
    In vielen Dingen konnte ich mich bei meiner Trauer und den Hausnachbar wiedererkennen.
    Meine geliebte Mama ist am Pfingstmontag verstorben. Es war alles so paradox und bis heute noch nicht nachvollhziehbar wie alles gelaufen ist.
    Am 19. Dezember 2014 hatte sie einen schweren Schlaganfall. Meine Mama wohnte allein zu Hause wir telefonierten täglich. Auch am 19.12. versuchte ich sie zu erreichen. Aber sie ging nicht ans Telefon, mein Mann meinte sie wird schon ins Bett gegangen sein. Ich probierte es gleich am Vormittag auf meiner Arbeit sie hörte nicht. das lies mir keine Ruhe ich fuhr mittags nach Arbeit gleich zu ihr und ich fand sie Kopf und Arm nach unten auf ihren Lieblingssessel liegend. Ein schlimmer Anblick seine Mama so zu finden. Rief gleich den Notdienst. Da sie über 20 Stunden so auf dem Sessel lag, war viel Gehirn geschädigt. Im Krankenhaus vor Weihnachten sagten man mir, sie hätte keine Chance wieder sprechen zu können und war auf der gesamten rechten Seite gelähmt. Man wollte die Ernährung einstellen, versorgte sie jedoch medizinisch. So wollte sie nicht weiterleben. Aber ich kämpfte um sie. 30 Tage jeden Tag fuhr ich 20 km ins Krankenhaus. Ein Arzt erbarmte sich, was das soll. Vor Weihnachten, man kann doch den Menschen nicht sterben lassen. Ich war froh, dass es noch Ärzte gab, die Mitgefühl hatten. Es ging jeden Tag etwas besser mit ihr. Aber sprechen konnte sie nicht. Von 15.00 uhnr bis 19.00 Uhr war ich Krankenhaus täglich. Gab ihr Essen fütterte sie, da sie anfangs nicht Trinken und essen konnte, bekam sie Nahrung über eine Nasensonde. Lange verweigerte ich die PEG. Mitte Januar bekam sie eine Reha in Pulsnitz. Es gab immer wieder kleine Rückschläge, aber Mama konnte wieder im Rollstuhl sitzen. Erkannte ihre Enkelkinder, freute sich wenn sie zu Besuch kamen. Ich kämpfte um sie. Aller 2 Tage fuhr ich nach Pulsnitz. Einen Tag ohne ein zeichen von ihr, ohne sie zu sehen, ging nicht. Sie war Pflegestufe III konnte in der Reha wieder Breikost essen, aber nach wie vor nichts trinken. Sie litt immer noch an hohem Blutdruck. Trotz ihrer Behinderung lächelte sie und freute sich, wenn sie mich sah. Später fuhr ich sie mit dem Rollstuhl im Park spazieren.
    Nach 3 Monaten Reha, war sie einigermaßen stabil und konnte entlassen werden,. Ich suchte ihr ein schönes Heim, das Heim war schön, aber die Pflegekräfte liesen zu wünschen übrig. Ihre Medikamente bekam sie nicht pünktlich und wurde frühs lange im Bett liegen gelassen. Ich war täglich im Heim. Ab Nachmittag bis abends 20.00 Uhr (Heimschließung). Gab ihr jeden Abend das Abendessen, machte Abendtoilette, putze Zähne und machte sie bettfertig. Leider konnte ich sie nicht allein zu Bett bringen. Vom Rollstuhl ins Bett schaffte ich nicht allein. Mutti hatte Probleme mit dem Sitzen auf dem Rollstuhl. Wir mussten manchmal Stunden warten bis die Pfleger Mutti ins Bett brachten. Ich nervte sie, da ich täglich im Heim war. Heute bereue ich, dass ich sie nicht zu mir nach Huase genommen habe. Leider haben wir nur eine kleine 3-Raum-Wohnung zur Miete 2. Etage, gehe arbeiten und habe einen 14 jährigen Sohn, aber aus heutiger Sicht, würde ich ein Heim meiden.


    Kurz und gut ich komme auch nicht über den großen Verlust meiner geliebten Mama hinweg. Sie erlitt im Heim 2 weitere kleine Schlaganfälle, die nicht gleich erkannt wurden, Der Notarzt wurde 2x gerufen, Mutti wurde nicht ins Krankenhaus mitgenommen, obwohl ich es wollte. Zu hoher Blutdruck, wäre keine Indikation. Beim 3. Anruf des Notarztes innerhalb von 3 Tagen wurde Mutti dann ins Krankenhaus mitgenommen.
    Sie konnte nichts mehr zu sich nehmen und lag seit 3 Tagen im Bett, konnte nicht mehr im Rollstuhl sitzen.
    Sie wurde medizinisch versorgt und bekam ihre Sondennahrung, doch die Ärzte hatten keinen weiteren Handlungsbedarf, so dass sie nach 5 Tagen wieder ins Heim entlassen wurde. Ihren hohen Blutdruck bekamen sie nicht in Griff. Nach 2 Tagen Heimaufenthalt ein erneuter Anfall, sodass wieder der Notarzt gerufen wurde. Ich wurde auf Arbeit informiert, dass sie im Krankenhaus wieder lag Freitag vor Pfingsten.
    Das CT ergab Schädigung des Gehirns auf der rechten Seite. Beim 1. Schlaganfall war die linke Gehirnhälfte geschädigt. Der Arzt sagte mir sie sei nun auf beiden Körperseiten gelähmt. Der rechte und linke Arm sei gelähmt. Es wäre besser sie schläft ein. Mein Mann unterstützte dies sehr bedeutend, wie auch schon Weihnachten. Aber da kämpfte ich. Diesmal stimmte ich zu. Ich komme jetzt nachdem ich etwas zur Ruhe gekommen bin, nicht klar, dass ich meiner geliebten Mutti nach all der Angst um sie, passive Sterbehilfe geleistet habe, ohne mir Bedenkzeit zu erbeten. Es ging alles so schnell. Der Arzt nahm sich nicht einmal die Zeit mit uns in ein ZImmer zu gehen, auf dem Gang wo meineMutti lag, da sie kein Zimmer für sie hatten, wurde über Leben und Tod verhandelt. Ich war damals in einem Schockzustand, konnte es einfach nicht fassen, wie sie da lag, so rot im Kopf, der Blutdruck 180/120 . Nun gab ich sie so schnell frei zum Sterben, ohne zu Überlegen, vielleicht doch noch medizinisch zu versorgen. Ich komme über meine schnelle Entscheidung nicht darüber hinweg. Mein Mann ist froh, wie er sagt, dass sie nicht mehr leiden muss. Sicherlich, aber Mama ist nicht mehr da.


    Die vier Tage lag dauerte ihr Sterbeprozess ohne Essen, trinken und medizinsiche Versorgung waren auch eine Qual. Ein Arzt in der Nähe, nur überforderte Schwestern. Als Mutti Pfingstmontag qualvoll eingeschlafen ist, konnte ich es nicht fassen. Alle sagten es sei gut, sie ist erlöst.
    Keiner muss mit dieser Entscheidung leben, die ich jetzt mit Selbstvorwürfen tragen muss.


    Entschuldige, bitte ich wollte dich nicht mit meinem Problemen so behelligen, aber ich habe festgestellt, für viele meiner Bekannten und Freunden auch die Geschwister meiner Mutti geht das leben weiter. Sie feiern und fahren in den Urlaub. Ich bin einsam, trotz Mann, der mich nicht trösten kann, das Gespür nicht hat. Auch meine Mutti hatte 50 Jahre in einer Mietswohnung gewohnt. ich habe sie erst jetzt aufgelöst, obwohl sie seit Dezember 2014 nicht mehr wohnen konnte. Da ich jeden Tag im Krankenhaus, Rehe und Heim war, blieb keine Zeit. Auch die ihre Nachbarn, wie bei Deiner Mutti, hatten kein Gespür und Mitleid gezeigt. Die Menschen sind kühl und egoistischer geworden. Vielleicht auch froh, das man selbst noch lebt. Keine Hilfe von den Nachbar bekommen.
    Ich weiß nicht, wie ich mit meinem Schmerz fertig werde, bin krank geschrieben. Auf Arbeit versteht mich auch Niemand. In der heutigen Geserllschaft bleibt kein Raum und Zeit für Trauer, man muss nach der Beerdigung wieder funktionieren.
    Das furchtbare an der ganzen Sache ist, ich habe gekämpft, nachts KH und Reha angerufen wie es ihr geht und am Ende entscheide ich übr Leben und Tod meiner Mama. Das ist so schlimm, das kann keiner nachfühlen.
    Mit dieser Schuld muss ich nun weiterleben. Warum habe ich nicht gewartet und Bedenkzeit gebeten. Es ist so schlimm, dass ich manchmal auch nicht weiterleben möchte. Ich kann mich über nichts freuen.


    Es gibt mir nur einen kleinen Trost, dass viele liebe Töchter und Söhne um ihre Mütter oder Eltern trauern. ich nicht allein bin.
    Und die die trauern unsere Trauer auch nachfühlen können. Wenn man 10 bis 15 Jahre trauert, ist beängstigend - man kommt nicht zur Ruhe.
    Mein Papa hat sich vor 16 Jahren das Leben genommen, 5 Jahre war ich wie gelähmt. Nun habe ich diesen großen Schmerz überwunden und eine neue Wunde hat sich aufgetan.


    Ich schreibe zum ersten mal bei solch einem forum überhaupt. Mein Sohn hat mir dabei geholfen. Danke an Alle.


    Liebe Micky ich danke für Deine Aufmerksamkeit und wünsche Dir auch weiterhin viel Kraft und Gesundheit
    für die Zukunft.
    Alles Liebe Petra

  • Liebe Petra,


    ich habe gerade Deinen Bericht gelesen. Vieles von dem was Du schreibst kann ich sehr gut verstehen.
    Meine Mama ist im letzten Juni mit einem Hirntumor plötzlich und unvermittelt ins Krankenhaus gekommen. 13 Wochen später ist sie zu Hause verstorben.
    Auf diesem Weg kommen mir einige Deiner Erlebnisse sehr bekannt vor. Die Gefühlskälte der Ärzte, die sich keine Zeit für ein Gespräch nehmen wollen oder auch können, die Situation in einem Pflegeheim, in dem Mama gottseidank nur ein paar Tage war.


    Ich weiss, dass es sich sehr sehr schwer anhört, aber in die Vergangenheit zu schauen, und zu überlegen was alles hätte anders pasieren können wird dich kaputtmachen. Ich spreche aus eigener Erfahrung. Wir werden all das nicht ändern können.


    Du hast in der Situation Pfingsten so entschieden, wie es wirklich für Deine Mutter am besten war, und sie wäre sicherlich sehr stolz auf Dich, denn so eine Entscheidung ist eine der schwersten die wir treffen können. Trotzdem hast du das Wohl Deiner Mutter über den eigenen Wunsch, sie noch eine Zeit zu "behalten" gestellt, das ist sehr sehr bewundernswert. Eine Zeit der Entscheidung hätte sicherlich für Dich im Nachhinein eine Beruhigung bedeutet, aber für den Zustand Deiner Mutter nichts verändert.


    Ich habe gerade in einem Buch einen sehr klugen Satz gelesen. Wir sollten nicht immer nach dem Warum fragen, denn es hält uns in der Vergangenheit, sonder nachdem Wozu, denn es lenkt unseren Blick in die Zukunft.


    LG Sverige, die weiss wie schwer das ist.

  • Liebe Micky,
    ein verspätetes herzliches Willkommen hier bei uns! Wie ich sehe bist du wunderbar aufgenommen worden von den Lieben hier und sie haben dir schon gesagt, dass alles, was du derzeit durchmachst und dich verunsichert ganz normal ist: Gefühlschaos, Wechselbad der Gefühle und Stimmungen, mal großer Schmerz und dann wieder bessere Phasen dazwischen ... all das gehört dazu.
    An welcher Krebserkrankung ist deine Mama den gestorben und hattest du pflegerische und medizinische Unterstützung in der letzten Phase?
    Alles Liebe
    Christine

  • Hallo, liebe Petra,


    vielen Dank für deine Zeilen! Ganz aus tiefstem Herzen möchte ich dir gleich zu Beginn sagen, dass ich mit dir fühle! Ich habe deine Worte schon in der Früh auf dem Handy gelesen und seitdem habe ich immer wieder an dich gedacht und wollte dir gerne früher zurück schreiben - aber ich sitze erst jetzt wieder mit meinem Laptop da und per Handy zu schreiben wäre zu mühsam gewesen...


    Die Leidenswege unserer Mamas sind zwar klarerweise verschieden, ähneln sich in gewissen Punkten aber doch sehr. Es tut mir sehr Leid, was deine Mama und du alles durchmachen musstet und ich kann sehr gut nachempfinden, wie du dich fühlst - bei mir ist doch alles sehr ähnlich! Dass du aber auch erleben musstest, dass dein Papa sich selbst das Leben genommen hat, das ist besonders schlimm!


    Ich fürchte, dass Schuldgefühle eine sehr häufige und typische Reaktion sind, wenn eine geliebte Person uns verlassen hat. In deinem Fall ist es natürlich besonders schwierig, da du zumindest nach außen hin die Entscheidung über Leben und Tod deiner Mama treffen musstest. Aber bei näherem Hinsehen ist sehr offensichtlich, dass du nicht die Entscheidung über Leben und Tod getroffen hast - das hat bereits das Schicksal oder der liebe Gott oder woran auch immer man glaubt getroffen.


    Ich bin sicher, wir beide sind sehr "gute" Töchter. Wir haben für unsere Mütter alles getan, was in unserer Macht stand und so weit unsere Kraft ausgereicht hat. Und wahrscheinlich sogar noch ein bisschen mehr. Ich glaube, das ist nicht selbstverständlich, wenn man sich so umsieht und merken muss, wie viele Kranke von der gesamten Famile in irgendwelche Einrichtungen abgeschoben werden, ohne dass sich dann noch irgendjemand aus der Familie um sie kümmert.


    Du hast für deine Mama gekämpft wie eine Löwin, du warst sie täglich besuchen, du hast dein gesamtes Leben monatelang für sie komplett zurück gestellt. Das ist gut so, das hab ich ebenso getan und meiner Lebenseinstellung nach ist das auch das Selbverständlichste auf der Welt. Aber bitte mach dir keine Vorwürfe!!!


    Du schreibst, du hättest deine Mama zu dir nehmen sollen, erwähnst aber auch gleich, dass die wohnlichen Verhältnisse es nicht zugelassen haben. Weißt du, wenn du deine Mutter zu euch in die Wohnung genommen hättest, dann wäre auf so kleinem Raum und durch dein eigenes Familienleben wahrscheinlich sehr viel Spannung entstanden und das hätte deine Mama bestimmt gespürt. Du wärest vermutlich mit der Situation überfordert gewesen und wärest dann vielleicht manchmal auch ungehalten und ungeduldig mit ihr umgegangen. Dann würdest du dir jetzt noch schlimmere Vorwürfe machen! Außerdem hattest du ja überhaupt keine Ahnung über ihre verbleibende Lebenserwartung. Da hatte ich es insofern ein bisschen leichter, weil ich sowohl bei meinem Vater, als auch bei meiner Mutter wusste, dass die Zeit, die beiden noch bleibt doch absehbar ist. Natürlich weiß man nie genau, wieviele Wochen oder Monate man noch auf dieser Welt sein darf, aber ich wusste zumindest, dass es nicht mehr sehr viele Monate und schon gar nicht Jahre sind. Da ist es auch leichter, für jemanden zu Hause zu sorgen. Wenn das Ende total offen ist - wie soll denn das funktionieren? Du hättest deine Mama doch nicht jahrelang bei dir pflegen können. Im Nachhinein ist man immer gescheiter... Aber, liebe Petra, du hast dir größte Mühe gegeben, ein schönes Heim auszusuchen und das war auch gut so für deine Mama. Und du hast sie monatelang JEDEN TAG stundenlag besucht - das ist doch großartig!


    Dass du die Entscheidung treffen musstest, ob die medizinische Versorgung weitergeführt oder eingestellt werden soll, ist ganz schrecklich! Das ist bestimmt die schlimmste Entscheidung, die man in seinem Leben treffen muss und das zerreißt einem das Herz! Aber so wie du die Lage schilderst, hätte deine Mama noch länger noch schrecklicher leiden müssen, wenn du eine andere Entscheidung getroffen hättest. Sie hätte sich nicht mehr erholt und hätte nichts davon gehabt, vielleicht noch ein paar Tage oder Wochen länger liegen zu müssen, ohne sich bewegen zu können, ohne noch ein bisschen lebenswerte Zeit in Würde verbringen zu können. Du liebst deine Mama und du hast aus dieser Liebe heraus die richtige Entscheidung getroffen. Eine andere Entscheidung wäre nur egoistisch motiviert gewesen, nämlich, sich aus der Verantwortung zu winden und vielleicht auch den geliebten Menschen nicht gehen lassen zu müssen. Du aber hast die Entscheidung ganz im Sinne deiner Mama getroffen und ich denke, es war die einzig richtige Entscheidung!


    Dass ihr Sterbeprozess so mühevoll und langwierig war, tut mir sehr leid. Ich habe das sowohl bei meiner Mutter als auch bei meinem Vater leider ebenso erlebt und das hat mich total erschüttert. Von manchen Seiten habe ich schon gehört, dass geliebte Nahestehende sanft und friedlich eingeschlafen seien. Ich habe darüber unlängst mit einer Bekannten gesprochen. Sie ist Krankenschwester und hat schon viele Menschen sterben sehen. Sie meinte, sie hätte nur bei einem Einzigen ein friedliches Einschlafen miterlebt, bei allen anderen wäre es lange, mühevoll und teilweise auch qualvoll und schmerzhaft gewesen. Hmmm, ein richtiger Trost ist das wohl auch nicht ... Aber es zeigt zumindestens, dass Sterben, genauso wie eine Geburt einfach ein mühevoller und schmerzhafter Prozess ist... Leider ...


    Ich war heute bei einer Notarin - eine außergewöhnlich nette und legere Frau. Ich hab eineinhalb Stunden mit ihr geplaudert. Über meine Mutter, über den geerbten Hund (sie hat für mich homöopathische Medikamente gegoogelt), über Spiritualität usw. Und ich hab auch zu ihr gesagt, dass ich mir manchmal Vorwürfe mache, dass ich quasi Schuld daran habe, dass meine Mutter mit dem Hund so angebunden war, weil ich ihn ja aus Griechenland mitgebracht habe und sie ihn mir zuliebe aufgenommen hat. Und der Hund war in der letzten Zeit, seit er eben schon so alt und gebrechlich ist, eine große Belastung. Sie konnte ihn nicht lang alleine lassen und war sehr eingeschränkt. Und ich mach mir manchmal Vorwürfe, dass das vielleicht MIT ein Grund gewesen sein könnte, dass sie krank geworden ist.


    Und diese Notarin sagte zu mir: " Aber Ihre Mutter hat diesen Hund doch auch sehr geliebt und er war ihr bestimmt auch eine Stütze, als Ihr Vater gestorben ist. Und sie hat die Spaziergäng mit ihm bestimmt auch sehr genossen. Und außerdem waren Sie nur der Handlanger, Sie haben den Hund zwar mitgebracht, aber das war vom Universum schon so vorgesehen, dass dieser Hund zu Ihrer Mutter kommt. Die beiden haben sich gefunden, wie es sein sollte." Ich war so überrascht, dass eine (nüchterne) Notarin so etwas zu mir sagt und war tief gerührt.


    Und genauso ist es dann aber auch bei deiner Mama: Du hast die Entscheidung nur pro forma getroffen - das Universum oder ihr eigener Lebensplan hat diese Entscheidung schon viel früher so bestimmt.


    Zu den Nachbarn und Arbeitskollegen: Wir sind im Moment halt so verletzlich und empfindlich, dass wir unsere Mitmenschen vielleicht ein bisschen hart und ungerecht beurteilen. Viele, die Ähnliches noch nicht erlebt haben, können sich tatsächlich nicht vorstellen, wie wir uns im Moment fühlen. Und Andere haben vielleicht Berührungsängste, haben Angst, nicht die richtigen Worte zu finden (was soll man in so einer Situation schon viel sagen?!) und deshalb lassen sie es gleich ganz und sagen gar nichts. Ich habe ja geschrieben, dass ich von Vielen enttäuscht bin, aber wenn ich genau überlege, hat es auch einige sehr warmherzige Reaktionen gegeben: Zwei Kolleginnen, die mich an meinem ersten Arbeitstag danach einfach ohne Worte in den Arm genommen haben und mich ganz fest gedrückt haben. Das hat für mich von mehr Herzenswärme und Verständnis gezeugt als viele Worte. Oder eine meiner Klassen (ich bin Lehrerin), die mir ihr Beileid ausgesprochen haben und mir angeboten haben, mir bei der Räumung der Wohnung als gesamte Klasse zu helfen. Oder eine Freundin, die nicht in Wien wohnt und drei kleine Kinder hat und deshalb nicht nach Wien kommen kann hat mir ein Paket mit Kräutertee, Schokolade, Kerzen und einer ganz lieben Karte geschickt, auf der stand, dass ich nicht alleine bin... Manchmal sind es die kleinen Dinge, die kleinen Gesten, die sehr wohl da sind, die wir aber in unserem Schmerz und dem manchmal aufkeimenden Frust, dem Zorn und der Verbitterung nicht sehen.


    Es tut mir auch sehr leid, dass du dich von deinem Mann ungetröstet fühlst. Es ist wahrscheinlich wirklich schwierig für den Partner in einer solchen Situation die richtigen Worte (und auch Taten) zu finden. Aber das muss nicht unbedingt bedeuten, dass er nicht mit dir fühlt, sondern vielleicht ist er nur hilflos und ratlos, wie er es dir zeigen soll.


    Liebe Petra, ich umarme dich und freue mich, bald wieder von dir zu hören!


    Alles Liebe
    Micky

  • Liebe Christine,


    ja, hier in diesem Forum sind tatsächlich ein paar außergewöhnlich liebe Seelen, mit denen ich schon Bekanntschaft machen durfte!


    Meine Mutter hatte Blasenkrebs - leider eine sehr ungewöhnliche Variante, die von außen nach innen wächst und deshalb musste ihr auch gleich bei der ersten OP letztes Jahr die Blase (und auch Eierstöcke, Gebärmutter und Teile des Darmes) entfernt werden. Gestorben ist sie letzten Endes an einer Peritonealkarzinose.


    Ich hatte in den letzten 5 Tagen Hilfe vom mobilen Hospizteam - eine wunderbare Einrichtung. Leider sehr überlastet, daher erst das späte Eingreifen.


    Alles Liebe
    Micky

  • Liebe Micky!
    Schärfe deinen Blick und achte unbedingt weiter auf "die Zeichen"!!!! Ich finde es ganz toll von dir, dass du dich mit dem Mann nach 10 Jahren getroffen hast! Du bist mit Sicherheit auf dem richtigen Weg! Sei weiterhin offen für Neues, auch wenn es dazu eine gehörige Portion MUT braucht!
    Alles Liebe Marsue!

  • Liebe Micky,
    ja, wie haben außergewöhnliche und weise Seelen hier! Ich bin immer wieder unendlich überwältigt, was hier an Weisheit und Wissen gepaart mit großer Empathie gepostet wird. Da fühle ich mich fast überflüssig (was in diesem Fall ein wirklich gutes und entlastendes Gefühl für mich ist!) Man kann ein paar Tage weg sein, wenn man viel um die Ohren hat und weiß, dass alle hier so liebevoll aufgenommen und "beraten" werden, dass ich mir keine Sorgen machen muss! :) :2:


    Gut, dass ihr (deine Mutter und du) Unterstützung vom Mobilen Hospiz hattet! Wirklich eine wunderbare Einrichtung, sie sind auch schmerzmittel-technisch auf dem besten Stand - im Knowhow und in der Ausrüstung!
    Alles Liebe
    Christine

  • Liebe Micky,
    ganz ganz lieben Dank für Deine einfühlsamen und tröstenden Worte und lieben Zeilen Deiner langen E-Mail. Ich habe mich gefreut darüber.
    Sie gaben mir Kraft und etwas Selbstvertrauen für meine Entscheidung. Die ich immer noch nicht verarbeitet habe.
    Entschuldige, dass ich mich erst heute Abend melde. Wir hatten gestern eine Einladung zur Silberhochzeit vom Neffen meines Mannes in Oschatz bei Sachsen (mit Übernachtung). Zuerst wollte ich nicht hingehen, aufgrund meiner Trauer, aber ich bin froh, dass wir am Fest teilgenommen haben. Es brachte mir etwas Ablenkung und wir haben Freunde und Verwandtschaft getroffen, die wir schon lange nicht mehr gesehen haben. Schöne Gespräche geführt und neue interessante Menschen kennengelernt.
    Die Feier war schön aber auch anstrengend durch die extreme Hitze in Sachsen. Heute zum Sonntag bin ich mit meinem Sohn ins Freibad gefahren, damit wir uns etwas Abkühlen.


    Liebe Micky, ich denke dass Du mit dem Geschenk des Hündchen an Deiner Mutti eine Freude gemacht hast. So ein Hund ist ein treuer Gefährte und kann tröstend wirken. Natürlich macht ein Hündchen auch Arbeit. Deine Mama musste durch den Hund jeden Tag an die frische Luft und kleine Spaziergänge halten jung und gesund. Meine Mama ist manchmal 3-4 Tage (als sie noch zu Hause wohnte) nicht an die Luft gegangen, sie war auch etwas schüchtern. Ich kaufte auch für Mama Lebensmittel u.,a. ein, so dass sie nicht unbedingt jeden Tag vor die Tür musste.
    Für deine Mama war Dein Hündchen immer eine Erinnerung an Dich und sie hatte auch eine kleine Aufgabe, was wichtig im Alter ist.
    Deine Mama, dachte sicherlich, das ist das Hündchen von meiner lieben Tochter und um ihn werde ich mich kümmern, wie damals um meine liebe Tochter, als sie klein war. Mütter lieben bedingungslos, und tun alles für ihre Töchter.
    Mach Dir keine Sorgen und Vorwürfe, durch das Hündchen war sie nicht einsam und allein, wie meine Mama.


    Finde ich toll, das Du Lehrerin bist. Welche Fächer unterrichtest Du? Hast Du auch Kinder?
    Ich arbeite in der Verwaltung und bin 53 Jahre - meine Mama wurde leider nur 77 Jahre alt. Sie wollte immer 80 Jahre alt werden.
    Sie sagte immer, wenn ich 80 bin, ist mein lieber Enkelsohn Marc 18 Jahre alt. Ich sagte immer zu ihr, dass schaffst Du, Sie spürte ihren Tod.
    Denn kurz zuvor, meinte sie, manchmal kann es schnell gehen. Und so war es.
    Ihre eigene Mutter ist 97 Jahre geworden und hat bis zuletzt allein in einer kleinen Neubauwohnung gewohnt. Essen gekocht, geputzt und Wäsche wurden gewaschen. Ansonsten war meine Omi fit im Kopf und körperlich. Hatte 5 Kinder und die Bombennacht am 13.2. in Dresden mit ihren Kindern überlebt.Irgendwie ein Wundern, aber schön für meine liebe Omi, dass sie so alt wurde.
    Meine Mama sagte immer, so alt wie meine Mutter werde ich nicht. Der hohe Blutdruck jahrelang hat ihre Adern geschädigt, Vorhofflimmern und Diabetes, diese Krankheiten taten das Übrige. Sie nahm immer ihre Blutdrucktabletten, aber diese Krankheit ist heimtückisch und schleichend,


    Liebe Micky, ich lese momentan ein interessantes Buch von Dr. Jeffrey Long "Beweise für ein Leben nach dem Tod" - eine Dokumentation von Nahtoderfahrungen aus der ganzen Welt. Es sind Studien über Jahre, die von mehr als 500 Patienten durchgeführt wurden.
    Es bringt mir etwas Erleichterung und Frieden. Am Anfang war ich skeptisch, aber beim Lesen finde ich Trost und Frieden.Momentan gehe ich jeden Tag (außer gestern) auf den Friedhof, um meiner Mama nah zu sein.
    Frische Blumen zu bringen und die Pflanzen zu gießen. ich habe sie auf den Friedhof in meiner Nähe geholt und ein Grab gewählt neben ihrer Mutti. Jetzt liegen Mutter und Tochter zusammen und werden Frieden finden, so hoffe ich. Es ist gut, einen Ort zu haben, wo man trauern kann und mit MAMA reden und eine kleine Kerze anzünden kann.
    Früher bin ich mit meiner Mama ans Grab meiner Omi gegangen und habe Blumen gebracht nun gehe ich allein oder manchmal mit meinem Sohn an diesen Ort der Stille. Es ist schon alles sehr eigenartig, dass sich der Kreislauf schließt sich. Später liege ich bei meiner Mama im Grab und mein Sohn (mit seinen Kindern ?) wird Blumen bringen.


    Liebe Micky, danke für Deine herzensguten Worte, die mir gut tun.
    Ich wünsche Dir einen guten Wochenstart Morgen mit lieben Grüßen von Petra.
    Ich umarme Dich.

  • Liebe Micky,
    entschuldige bitte, ich hatte soeben Deine Eingangs-Mail gelesen. Damit wäre meine eine Frage beantwortet.
    Tut mir leid, danach gefragt zu haben.


    Mit dem Karussell der Gefühle kann ich Dir nur zustimmen. Es gibt Tage da weine ich bitterlich laut und voller Verzweiflung, da mir alles so leid tut wie es gelaufen ist und dann gibt es Tage, wo ich Frieden finde, und mich damit abfinde, das es so ist, als ob sie schon ein halbes Jahr von mir weg ist. Vielleicht, weil sie auch schon seit einem halben Jahr nicht sprechen konnte. Aber ich konnte sie in die Arme nehmen und drücken und sagen, wie sehr ich sie liebe und mich für all die schöne Zeit bedanken im Leben.


    Ich finde es ganz toll, dass Du wieder guten Kontakt zu Deinem Ex-Mann hast. Sieh in als guten Freund und nehme jede Hilfe an. Gute Gespräche oder auch mal ein Treffen in einem Café helfen bei unserer Trauerbewältigung.


    Du hast ja außergewöhnliches bei der Betreuung Deiner Mama geleistet. Bist zu ihr gezogen um ihr nah zu sein, damit sie nicht allein ist.
    Das wird sie Dir nie vergessen und dankbar vom Himmel auf Dich schauen, wie sehr Du ihr in ihrer schweren Zeit beigestanden hast. Hast Dich vom Dienst freistellen lassen und sie betreut. Das ist hoch anzurechnen, Ich glaube, dass hätte sich meine Mama zuletzt auch gewünscht.
    Heute bereue ich viel, was ich falsch gemacht habe.
    Damit muss ich leben.


    Liebe Micky, bis bald. Sei mir gedrückt.

  • Liebe Micky und liebe Petra,


    da ich jetzt wirklich so ungemein müde bin, schicke ich euch einfach einige, völlig
    "Hier und Jetzige Umarmungen"... :24: :24: :24:
    Schön, wie ihr euch austauscht und euch gegenseitig unterstützt...
    Das kann man wirklich in diesem Forum erreichen...


    Gute Nacht oder guten Morgen
    eure Amitola

  • Meine lieben, guten Seelen,


    ich danke euch (liebe Claudia, liebe Marsue, liebe Petra,...) sehr herzlich für eure Beiträge und für eure Herzenswärme und Interesse an mir und meinem Schmerz! Ich habe das schon öfter gesagt, aber ich kann es immer wieder nur betonen, wie gut ihr tut und wie überaus hoch eure empathischen Fähigkeiten sind, andere, also auch mich in eurem eigenen Schmerz zu trösten und ein offenes Ohr und Herz auch für die Seelenqualen anderer Menschen zu haben!


    Ich komme heute (wieder) als ein Häufchen Elend zu euch mit der Bitte um Hilfe und Trost. Es ging mir jetzt ein paar Tage besser, ich bin ein wenig aus meiner Lethargie erwacht und hab "draußen" etwas unternommen. Hab es geschafft, ein wenig Rad zu fahren und mich zu bewegen usw. Seit zwei Tagen/ Nächten plagen mich Schlafstörungen - ich liege die dreiviertel Nacht wach und mir fällt die Decke auf den Kopf.


    Es scheint also wieder eine Trauerwelle über mich drüber zu schwappen. Eine sehr heftige noch dazu. Seit den frühen Morgenstunden komm ich aus dem Heulen nicht heraus. Sogar als ich jetzt grad vorhin mit dem Hund spazieren war hab ich durchgehend geheult.


    Es ist wieder mal das totale Gefühlschaos. Ich weiß nicht einmal, ob meine tiefe Traurigkeit von der Trauer um meine Mutter ausgelöst worden ist oder ich wegen einer Summe von verschiedenen Problemen gerade wieder in ein so tiefes Loch geplumpst bin. Manchmal bin ich total überrascht und auch erschrocken, dass ich (zumindest vordergründig und bewusst) im Moment gar nicht so viel an meine Mama denke und frage mich dann, was ich wohl für eine Tochter bin, die gar nicht um ihre Mutter trauert, zumal ich sie doch so sehr geliebt und alles für sie getan habe.


    Ich schäme mich so richtig - ich habe euch doch erzählt, dass ich mich quasi wieder in meinen Ex-Mann verliebt habe, weil er mir ein wenig hilft und in meiner momentanen Situation ein wenig zur Seite steht. Ich glaube, er mag mich sehr, findet mich sogar attraktiv, aber er sagt klar, dass er sich nicht mehr als Freundschaft mehr mit mir vorstellen kann.


    Vor einer Woche taucht nun ein anderer Mann wieder auf. Er war der Erste, mit dem ich mich getroffen habe - etwa ein dreiviertel Jahr, nachdem mein Ex-Mann mich verlassen hatte. Wir hatten damals eine kurze Affäre, danach ist er plötzlich ohne Aussprache verschwunden und hat mir eben nur mehr in großen Abständen ab und zu ein sms geschrieben. Nun hab ich mich in der letzten Woche eben wieder ein paar Mal mit ihm getroffen, zum Spazierengehen, auf ein Getränk, viel gesmst, ab und zu telefoniert und ich merke schon wieder, wie meine Gefühle davon galloppieren. Das ist doch nicht normal!! Ich bin 47 und habe eine Gefühlswelt von einer 14Jährigen! Was ist denn bloss mit mir los?!? Bitte verzeiht mir, es ist mir schon klar, dass ich mich in einem Trauerforum befinde und ich labere euch da mit meiner chaotischen Gefühlswelt was Männer angeht an, aber vielleicht hat das alles ja auch einen Zusammenhang?!


    Ich war jetzt ein Jahr lang beinahe 100%ig mit meiner Mama beschäftigt mit allen Ängsten und Sorgen und kleinen Erfolgen und Freuden und nun, da sie nicht mehr da ist, bin ich von 100 km/h auf 0 abgebremst worden. Ich hab nun keine Lebensaufgabe mehr. Nicht viel Grund, in der Früh aufzustehen. Ich bin so leer, hab eine innerliche Wüstenlandschaft. Und ich kann es gar nicht in Worten ausdrücken, wie sehr ich mich nach Nähe, Verständnis, Wärme, Zärtlichkeit, nach einer Schulter zum Anlehnen, nach LIEBE sehne. Und, liebe Marsue, ich hab diesen MUT, zumindestens heute, einfach nicht. Ich bin so oft in meinem Leben verlassen und zurück gewiesen worden, dass ich schon so sehr an mir zweifle. Aus objektiven Kriterien heraus verstehe ich das nicht, dass ich immer so um Liebe kämpfen und betteln muss, denn ich bin recht umgänglich, bemühe mich schon mein ganzes Leben lang darum, mich menschlich weiter zu entwickeln, ich stehe an sich auch mit beiden Beinen fest im Leben (zumindestens nach außen hin) und bin auch nicht hässlich. Aber irgendetwas in mir läuft gründlich schief.


    Ich weiß, dass ich Geduld haben sollte. Aber ich habe nun schon seit beinahe 10 Jahren keinen Menschen mehr an meiner Seite, auf den ich mich so richtig verlassen kann und der mir das Gefühl gibt, etwas ganz Besonderes für ihn zu sein. Und das erzeugt eine derartige Sehnsucht nach Liebe in mir, diese Sehnsucht tut richtig körperlich weh. Ich fühle mich so unendlich einsam.


    Womit fülle ich bloss dieses riesige Loch in mir?

  • Liebe Petra,


    wir haben schon wieder eine Parallele: Meine Oma ist im Gegensatz zu meiner Mama auch sehr alt geworden. Sie lebt sogar immer noch - ist mittlerweile 101 (!!) und es geht ihr sogar altersgemäß sehr gut. Meine Mutter ist hingegen auch nur 78 geworden, genauso wie mein Vater. Das haben wir eben nicht wirklich in der Hand, wann der Zeitpunkt zu gehen gekommen ist. Ich habe aber auch schon oft gehört, dass man es schon einige Zeit vorher spürt, wenn der Zeitpunkt näher rückt, so wie du es von deiner Mama berichtest.


    Ich freue mich, dass du die Energie aufgebracht hast, zu der Feier zu gehen und gestern auch mit deinem Sohn der Hitze im Bad getrotzt hast! Es ist wichtig, sich immer wieder zu bemühen, aktiv am Leben teilzunehmen. So wie du schreibst, hab ich den Eindruck gewonnen, dass du eine sehr gute und enge Beziehung zu deinem Sohn hast! Sprichst du mit ihm über seine Oma und über deine Trauer? Wie geht es ihm damit, dass seine Oma gestorben ist? Kannst du mit deinem Mann gar nicht über deine Trauer sprechen, oder hast du das Gefühl, dass er dich nicht versteht, wenn du weinst und traurig bist?


    Ich bin Lehrerin in einer Berufsschule für Bürokaufleute und unterrichte kaufmännische Fächer wie Buchführung und Betriebswirtschaftslehre, aber auch politische Bildung, Deutsch und Englisch. Ab heute habe ich 9 Wochen Ferien - einerseits gut, damit ich mich ein bisschen erholen kann, andererseits aber auch ein Nachteil, weil ich mich (wie du oben vielleicht schon gelesen hast) im Moment in einem ganz tiefen Loch befinde und mich innerlich so unbeschreiblich leer fühle, dass der Zwang, in der Früh aufzustehen und arbeiten zu gehen vielleicht gar nicht so schlecht wäre. Ich weiß durch diese innerliche Wüstenlandschaft an manchen Tagen überhaupt nichts mit meiner freien Zeit anzufangen. Arbeit wäre da wahrscheinlich schon eine gute Ablenkung.


    Da ich in den letzten Tagen kaum schlafen kann, ziehen sich auch die Nächte wie Strudelteig. Heute hab ich zum Beispiel den ganzen Tag nichts vor. Nichts Nettes zumindestens. Ich hab heute keine Lust, alleine ins Bad zu gehen oder alleine Rad zu fahren oder alleine...was auch immer zu tun. Ich hab eine Menge Freundinnen, aber manche wohnen nicht in Wien und haben kleine Kinder, können also nicht nach Wien kommen und ich nicht zu ihnen (wegen des Hundes). Andere wiederum sind auf Urlaub oder mit ihrer Familie oder Hausbau oder oder oder beschäftigt. Klar, ich sollte einkaufen gehen, die Wohnung weiter entrümpeln, mich um VErlassenschaft und finanzielle Dinge kümmern, aber zu all diesen Dingen fehlt mir im Moment jeder Funken Kraft.


    Ich hoffe, liebe Petra, morgen oder in den nächsten Tagen kann ich wieder etwas positiver schreiben, aber heute ist leider ein rabenschwarzer Tag...


    Alles Liebe
    Micky

  • Guten Morgen Micky!
    Dieses riesige Loch kannst du sehr wohl füllen und zwar mit SELBSTLIEBE!!!!!
    Realisiere und verinnerliche, dass dir kein außenstehender Mensch das geben kann, was du dir nicht selbst schenken und gönnen kannst! Finde zu dir selbst - achte auf dein Äußeres, gehe deinen Interessen und Hobbies wieder aktiv nach, pflege Freundschaften,... und alles ganz bewusst und mit vollem Herzen!!!!
    Es ist ja schön, dass du das letzte Jahr Tag und Nacht für deine Mum präsent warst, aber diese Aufopferung hatte einen hohen Preis: Du hast dich nicht um dich selbst gekümmert und dich vernachlässigt!
    ZEIT FÜR VERÄNDERUNG!!! Dein Herz ist schon lange bereit dazu, jetzt kannst du aktiv daran arbeiten immer wieder deinen Verstand auszuschalten und lernen all die schönen positiven Gefühle einfach anzunehmen, wie sie sind! Du brauchst auch auf keinen Fall ein schlechtes Gewissen haben, dass du nicht jede Minute um deine Mama weinst! Sie hat einen Fixplatz in deinem Herzen und es ist die tiefe Liebe, die dir Freiräume schenkt um für dein eigenes Leben wieder Energien zu tanken!


    Genieße bewusst die Augenblicke des Lebens! Fang an im Hier und Jetzt zu leben, die Vergangenheit können wir nicht ändern, aber wir können an unseren Erfahrungen wachsen! Lege deine Kopflastigkeit ab!
    Ist es nicht ein zauberhaftes Gefühl, dass man dazu fähig ist, wie eine 14 jährige zu fühlen?!!!
    Liebe lässt sich nicht erzwingen! Wenn du Liebe ausstrahlst, wird dich die Liebe finden! Hab viel Geduld und fang an dich anzunehmen, wie du bist! All deine positiven wie negativen Eigenschaften machen dich zu dem was du bist: DU BIST ETWAS BESONDERES!
    Ich wünsch dir viel Kraft und Geduld bei deiner Selbstfindung - du wirst sehen, es lohnt sich! ;) :thumbsup:
    Dicke Umarmung schickt dir Marsue!

  • ... die rabenschwarzen Tage sind auch völlig in Ordnung! Sie zeigen dir, dass du ENTSCHLEUNIGEN musst! Du hast heute doch etwas vor, es ist dir nur nicht bewusst: Reflektiere dein Inneres! Lerne, dass du dir jeden Tag etwas ganz bewusst gönnst!
    Die 9 Wochen Ferien sind perfekt für Trauerarbeit und Selbstfindung! Würdest du jetzt arbeiten müssen, dann wärst du zwar abgelenkt, ABER du würdest deinen Wachstums- und Reifeprozess nur verschieben!!! Wir alle müssen durch die Trauer, da führt kein Weg vorbei! Was raus muss muss raus! Gefühle annehmen - nicht unterdrücken!!!!
    Jeder Mensch darf für sein Seelenwohl selbst die Verantwortung übernehmen! :)
    Dicken Drücker :24:
    Marsue

  • Ihr Lieben "hier " alle,


    Mal wieder einfach müde... nach einem intensiven Tag... Aber ich wollte "euch sagen" das ich alle Berichte gelesen habe, aber keine Energie JETZT habe ... meine Gedanken dazu zu schreiben...
    Alle finde ich so gut , treffend und weiterhelfend geschrieben :thumbsup:
    morgen , schreibe ich meine Gedanken... versprochen...
    Herzlichst und eine gute Nacht wünschende
    Amitola

  • Hallöchen liebe Micky,


    vielen lieben Dank für Deine einfühlsamen und offenen Zeilen, die mich sehr bewegt haben.
    Solche rabenschwarzen Tage kenne ich auch.Da kommt man nicht aus dem Bett, wenn doch, schleppt man sich heraus, trinkt einen Kaffee, hockt auf der Couch und grübelt. Denkt über alles nach, kommt nicht zur Ruhe. Mir hilft dann meistens, ein gutes Buch zu lesen oder mit Freunden telefonieren. Ich gehe nachmittags in den Park oder Spielplatz setze mich auf eine Bank, genieße die Luft und schaue den Kindern beim Spielen zu. An solchen Tagen muss an die Luft gehen. Sonne tanken. Du schaffst das liebe Micky. :)


    Mein Sohn hatte ein gutes Verhältnis zu seiner Omi. Aber er kommt besser mit der Trauer zurecht als ich. Er hatte sie oft in der Reha besucht, sah ihre körperliche Verfassung mit anderen Augen als ich. Ich hatte sehr geklammert und gekämpft um sie.
    Er denkt manchmal auch, dass seine Omi noch im Krankenhaus liegt und irgendwann entlassen wird. Mir geht es ähnlich, mir kommen Anwandlungen, dass ich manchmal denke, jetzt rufe ich sie an. Auch wenn ich an ihrem Grab stehe, denke ich, nachher rufe ich sie zu Hause an.
    Es ist so ein komisches Gefühl, als wenn sie noch unter uns wäre.
    So richtig, habe ich es noch nicht realisiert, dass sie nicht mehr bei mir ist.


    Meine Mutti hat wie Deine Eltern über 50 Jahre in ihrer schönen Neubauwohnung gewohnt. Ich konnte lange nichts aus ihrer Wohnung heraus räumen, da ich dachte, wenn sie zurück kommt,und die Dinge sind weg, ist sie traurig.
    Ich hatte 6 Monate gebraucht, bis ich ihre Wohnung leergeräumt hatte. Mit einer guten Freundin hatte ich ihre Weihnachtsdeko erst zu Ostern weggeräumt. Ihr Schlaganfall war vor Weihnachten. Liebe Micky, wenn Du es Dir leisten kannst, dann sortiere die Sachen Deiner Eltern alles in Ruhe. Da meine Tochter schon vor einiger Zeit ausgezogen ist, habe ich ein Zimmer frei von unserer Mietswohnung. Ich habe die schöne Wohnzimmer Vitrine und Anrichte aus den 60-er Jahren hineingestellt. Auch viele Bilder, die mein Opa gemalt hatte, hängen an der Wand in diesem Zimmer. Ich brauche das zur Trauerbewältigung. Meine Eltern hatte diese Möbel vor 50 Jahren teuer bezahlt, ich kann nicht alles in den Container werfen. Bringe ich nicht übers Herz.


    Liebe Micky, Du schaffst das mit dem Beräumen der Wohnung Deiner Eltern. Lass Dir Zeit.
    Vielleicht helfen Dir Deine Freunde, oder frag das nette Mädchen aus dem Haus Deiner Mutti, vielleicht benötigt sie etwas.?



    Ich wünsche Dir alles Liebe sei <3 umarmt und gedrückt von Petra

  • Liebe Micky,


    mein herzliches Beileid. Ich ziehe vor Dir meinen Hut, mit wie viel Liebe Du für Deine Mutti da warst. Das hätte ich so wahrscheinlich nicht geschafft.
    Das Buch von Gian Domenico Borasio:...Über das Sterben.... ob das eine gute Idee ist?! Meine Trauerbegleiterin empfahl mir den Film, wie wir sterben, habe ich mir angesehen aber ich fand normalerweise hätte sie mir diesen gar nicht zeigen dürfen, hatte mir auch im Übrigen nichts gebracht. Das Ableben eines geliebten Menschen ist so ein schmerzlicher Prozeß für den Hinterbliebenden und dann noch zu erfahren welche Organe wann ihre Funktionen einstellen. Ich kann ja auch mit meiner Ansicht falsch liegen.
    Ich stehe auch noch unter Schock nach 6 'Wochen dürfte das noch so sein, meine Mutti ist plötzlich und für mich ganz unerwartet am Pfingstsonntag verstorben.

  • Liebe Rosaline, liebe Petra, liebe Marsue, liebe Amitola,


    vielen Dank wieder mal euch Lieben!!


    Ich bin im Moment nicht in der Verfassung genauer auf eure Zeilen einzugehen, aber werde das bestimmt in den nächsten Tagen nachholen!


    Ich sitze grade (immer noch in der Wohnung meiner verstorbenen Mutter) und warte auf den Tierarzt, der in den nächsten ein bis zwei Stunden kommen wird, um den Hund einzuschläfern. Wieder eine sehr, sehr traurige Situation. Ich hab ja schon geschrieben, der Hund ist 17 Jahre alt, für einen Hund also ein richtiger Methusalem, hat seit Jahren einen riesigen Tumor auf der Leber, ist beinahe blind, tut sich altersgemäß schwer beim Gehen und seit zwei Wochen pinkelt er ständig in die Wohnung.


    Ich hatte gestern schon einen Tierarzt hier, um seine Meinung einzuholen, ob es mehr Quälerei für ihn wäre, ihn einzuschläfern oder ihn noch am Leben zu lassen. Er meinte auch, es wäre ein Grenzfall. Der Hund kann noch aufstehen und frisst auch noch sehr gerne, deshalb ist es auch nicht unbedingt notwendig, ihn sofort zu euthanasieren. Aber ICH kann nicht mehr. Als ich heute in der Früh wieder lauter "Lackerln" überall in der Wohnung vorgefunden habe, hab ich mich zu dem Schritt entschlossen. Aber ich habe auch große Schuldgefühle.


    Andererseits bin ich mittlerweile schon so am Ende, dass ich kaum mehr schlafen kann und auch kaum mehr essen, Brechreiz kommt in den letzten Tagen auch noch dazu...


    Meine Mama ist genau heute vor 5 Wochen gestorben. Am Anfang hab ich erstaunlicherweise schlafen können und auch gegessen habe ich ganz normal. Aber nun geht auch das nicht mehr. Ist das normal, dass das erst so spät kommt?


    Vielleicht liegt es aber eben auch an meinen Lebensumständen - dem Hund zuliebe immer noch in ihrer Wohnung zu wohnen, was mit total depressiv macht und das ständige Wissen darum, die Entscheidung treffen zu müssen, was wie ein Damoklesschwert über mir hängt, wie es mit Niko, unserem Hund, weiter gehen soll.


    Entschuldigt bitte, ich klage um meinen Hund und ihr trauert um eure Partner oder Eltern - das scheint mir nicht ganz angemessen. Aber andererseits ist es bei mir einfach NOCH ein zusätzlicher Puzzleteil zu dem, was ohnehin schon alles Schlimmes in den letzten Wochen und Monaten passiert ist, der langsam das Fass zum Überlaufen und mich dem Zusammenbruch nahe bringt...


    Liebe Amitola, ich hoffe, dass es auch bei euch ein wenig kühler geworden ist und du dich vielleicht auch deshalb gesundheitlich wieder ein wenig wohler fühlst! Du bist so eine großartige Frau mit einem so riesengroßen Herzen und einer umfassenden Weisheit! Ich hoffe, wirklich sehr, dass es dir gut geht!


    Alles Liebe
    Micky

  • Liebe Marsue,


    extra noch ein paar Dankeszeilen an dich, weil du mir so lieb und für mich sehr hilfreich geantwortet hast! Du hast den Nagel auf den Kopf getroffen! Ich bemühe mich, meine Kopflastigkeit ein wenig einzudämmen. Das ist zwar mit Sicherheit an langwieriger Prozess, aber es lohnt sich bestimmt, sofort damit anzufangen!


    Mit der Selbstliebe hast du auch ganz bestimmt recht. Wie ich die aufbauen soll, weiß ich zwar noch nicht so ganz, aber vielleicht werde ich mich tatsächlich mal eine zeitlang in psychotherapeutische Behandlung begeben, wenn mal ein bisschen Ruhe eingekehrt ist.


    Und auch zu entschleunigen und Geduld zu haben sind wichtige Hinweise...


    :2: :2: :2:


    Alles Liebe
    Micky