Lieber Christoph,
das erste Jahr ist aus einem Grund anders, als die Kommenden: Alles, jede Minute, jede Stunde, jede Nacht und jeden Tag zum ersten Mal.
Die vielen ersten Male ohne deine Frau, das zermürbt.
Die ersten Male werden weniger. Im zweiten und dritten Jahr ist schon ein bisschen mehr Platz für das Neue, als im ersten Jahr.
Vorbei wird die Trauer noch länger nicht sein. Doch die schmerzleichteren Tage werden mehr und es werden manchmal sogar 1-2 Wochen, dann wird wieder eine Welle der Trauer und des Schmerzes kommen und dann wieder eine längere Zeit der Erholung. Es bleibt nicht so wie es ist - und es ist schmerzvoll.
Der Frage aus deiner ersten Therapiestunde ist ganz wichtig. Bist wirklich du es, der dich daran hindert? Das Etwas in dir, das dich glauben lässt, du hättest deine Frau nicht genug geliebt, wenn der Schmerz weg ginge, was ist das? Versteh mich nicht falsch, dieses Etwas ist in fast allen Trauernden.
Hast du schon manchmal das Gefühl, dass deine Frau bei dir ist, auch wenn du gerade nicht an sie denkst? Wenn du dieses Gefühl kennst, kannst du nachspüren, in welchen Situationen das ist und wie oder durch was du deine Frau bei dir weißt. Vielleicht kannst du ihr ganz bewusst einen Platz in deinem Herzen zuordnen - vielleicht auch in Gedanken visualisieren.
Nein die nächsten 2-4 Jahre gehen nicht so weiter, wie bisher. Es ist schön zu beobachten, wie du für dich sorgst. Hilfe in Anspruch nimmst und offen davon schreibst. Hättest du vor einem halben Jahr schon so für dich gesorgt?
Kann man es schaffen? Ich glaube du kannst es in dein Leben integrieren oder für mich fast das schönere Wort, in dein Leben aufnehmen. Als Teil der dazugehört - manchmal schmerzhaft und manchmal einfach nur da und irgendwann eine Sehnsucht und ein Wissen um das Schöne und das Schwere in deinem Leben.
Ich wünsche dir Geduld - und die Kraft und den Mut die Geduld zu haben. Denn auch mit der Therapie (die wahrscheinlich eher Begleitung ist) ist die Trauer nicht schneller abzuarbeiten und doch durch das bewusste Umgehen damit, manchmal leichter zu tragen.
Alles Liebe
Astrid.