Guten Tag.
Ehrlich gesagt, weiss ich nicht so genau, womit und wie ich am besten anfangen soll...Ich bin neu hier, habe mich aufgrund eines alten Beitrags von Coeur "Ich weiss nicht mehr weiter...", angemeldet. In besagtem Beitrag trauert(e) die Erstellerin des Themas um ihren (französischen) Lieblingssänger und Schwarm Grégory Lemarchal, der vor fast genau zehn Jahren mit nur 23 Jahren an einer unheilbaren schweren genetischen Erkrankung (Mukoviszidose) verstorben war. Lange bevor ich auf den Beitrag gestossen bin, war ich ebenfalls ein grosser Fan von Lemarchal, hörte oft seine Lieder und tauchte verträumt in sein Bild ein. Ich habe zwar nie von ihm geträumt, aber sein Tod hat mich wahnsinnig mitgenommen...
...So, nun sind wir bei meinem "Problem" angekommen: Denn an der Stelle würden wohl die meisten Fans / Menschen folgendermassen vorgehen, wenn ein beliebter Künstler, am Beispiel von Grégory Lemarchal, an einer Krankheit oder aber durch Suizid oder einen Unfall verstirbt: Schockiert sein, Trauern, Nachdenken, nach vorne schauen, zur Normalität übergehen, fröhlich sein...". Dasselbe gilt auch für Katastrophen wie Mordfälle, Brände und Flugzeugabstürze.
Bei mir hingegen hat sich schon sehr früh herauskristallisiert, dass ich mir derartige Geschehnisse viel mehr zu Herzen nehme. Ich gehe ins Detail, stelle mir die schlimmsten Horrorszenarien vor dem Tod vor, obwohl es nichts bringt.
Wenn ich "nur" um den jungen Sänger Grégory Lemarchal so trauern und an dessen Ende (bei Mukoviszidose ist es oftmals Ersticken) denken würde, wäre meine Sorge vielleicht nicht so gross. Aber seit ein paar Jahren beschäftigen mich auch Schicksalsschläge von Privatpersonen über Jahre hinweg. Mi manchen Hinterbliebenen bin ich schriftlich in regem Kontakt. Besonders die Eltern eines bildhübschen und mir sofort vertraut gewesenen 14-jährigen Mädchens, das sich auf grausame Art das Leben genommen hatte, und für deren Familie ich Erinnerungsvideos erstellt habe, freuen sich über meine Anteilnahme. Erst heute Morgen hat die Mama eines meiner Gedenkvideos mit ihren Freunden geteilt. Solche Erlebnisse zeigen mir wiederum, dass ich alles richtig mache.
Seit dem 24. März 2015 denke ich jeden Tag an die Opfer des Germanwings-Flugzeugabsturzes in den französischen Alpen. Wie immer, sind auch da einzelne Todesfälle dabei, die mich besonders bewegen und nicht mehr loslassen. Vor allem eine junge Frau mit demselben Jahrgang wie der meinige geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Auch für sie habe ich Erinnerungsvideos erstellt mit Bildern, welche betont bereits vorher öffentlich zu sehen waren und auch nach der Flugzeugkatastrophe nicht gelöscht wurden. Ihre Familie wollte der jungen Frau ihren Platz lassen und nichts von dem, was sie einst mit der Welt geteilt hatte, einfach ausradieren. Das berührt mich so sehr. Eines Tages, vor ziemlich genau einem Jahr, hat eine ihrer Tanten eines meiner Erinnerungsvideos für ihre Nichte geteilt und mir eine Freundschaftsanfrage versendet. Natürlich habe ich diese sofort angenommen. Es gibt noch zwei weitere wieder komplett unterschiedliche fremde Todesfälle, die mich auf ähnliche Weise mit den Angehörigen / mit den Eltern in Kontakt gebracht haben.
Vielleicht lösen meine Gedenkvideos gerade deshalb etwas bei den Hinterbliebenen aus, weil meine Empfindungen über die Schmerzgrenze hinausgehen. Einerseits brauche ich diese Abgründe, die Beschäftigung mit schweren fremden Schicksalen und mit der Erinnerung an den mir unbekannten Verstorbenen, um leben zu können. Andererseits macht es mich natürlich fertig, wenn ich mir die lachenden Bilder anschaue, jede Mimik und Gestik studiere - und mir immer wieder vorzustellen versuche, was in diesem Menschen vorgegangen sein muss in seinen letzten Minuten und Sekunden, wie er/sie den Tod erreicht hat und wo die Seele hingegangen sein möge. Insbesondere der Fall der jungen Frau, die beim Germanwings-Flugzeugabsturz mit 149 weiteren Menschen, darunter zwei Freunde von ihr, unaufhaltsam gegen eine Felswand geschmettert wurde, lässt mich noch immer heulend zusammensacken. Ihre Art zu schreiben, ihre Art zu tanzen, zu lachen, zu grinsen, wie wunderschön sie einfach war, diese Mundwinkel, dieser Blick...und wie liebevoll sie von ihrer ganzen Familie und ihren Freunden (bei Facebook) angesprochen und später noch beschrieben wurde, macht mich sprachlos...Sie wurde wirklich geliebt, ich habe es gesehen. ABER ich habe SIE NCHT gesehen...Manchmal komme ich kaum klar damit, obwohl es absolut absurd ist. So gerne würde ich einfach mit ihr reden und sie fragen, was sie zuletzt noch gesehen, gehört und gespürt hat, wohin sie dann gegangen ist...Es fällt mir unsagbar schwer, von diesen Horrorgedanken loszukommen...
Ähnliche Gedanken mache ich mir auch bei Suizid-Fällen. Bei Unfällen merkwürdigerweise weniger. Warum, kann ich nicht erklären. Es sind vor allem schwere Krankheiten, Flugzeugabstürze und Suizide von faszinierenden Persönlichkeiten, die mich beschäftigen. Die Faszination für einen Menschen stelle ich auf Bildern für mich fest. Nicht jeder, der ein aussergewöhnliches Schicksal hat, berührt mich...Manche Gesichter bleiben in meinem Kopf, und dann werde ich sie nicht mehr los. Im Gegenteil: Sie gehören von da an zu meinem Leben dazu, obwohl ich diesen Gesichtern nie begegnet bin...
Kennt hier jemand dieses "Phänomen"? Was hat es zu bedeuten? Warum fühle ich mich diesen Menschen und deren Schicksal so nahe? ist jemand selbst betroffen, oder gibt es hier jemanden, der mit solchen Erlebnissen arbeitet und mir vielleicht Tipps geben kann, wie ich meine Emotionen besser kontrollieren kann, damit ich mich nicht allzu sehr in fremden Lebensgeschichten und Schicksalen verliere?
Über respektvolle und ernstgemeinte Antworten würde ich mich sehr freuen.
LG Glasherz111