Leben auf kleiner Flamme

  • Sonntagnachmittag, Sonnenschein, das ist das Schlimmste. Im Fernsehen Utta Danella, das setzt allem noch die Krone auf, Flucht nach vorn, mit Novalis-Biografie hinaus auf die Terrasse, Zorro der Schleicher ist noch nicht da. Die längst totgeglaubten Krokusse blühen doch nochmal, und sowas von. Kalt ist es, trotz Sonnenschein, aber weit unten auf der Straße sind doch schon die Kinder unterwegs auf ihren Plastikfahrzeugen, die Straße hat so ein gefälliges Gefälle, das gefällt ihnen, Kreischen und Lachen, das Leben hält wieder Einzug. Ich hab' weiserweise gleich die Breckis mit rausgebracht, Zorro der Schleicher ahnt das und lugt hinter dem Pfeiler hervor, bevor er sich auf meine Hosenbeine stürzt. Ich sage, Zorro, heute ist Laetare, also freu' dich erstmal, und denk' nicht gleich wieder ans Fressen. Ich fotografiere das ganze Idyll mit meinem Smartphone, wer weiß wozu es gut ist, man könnte auch den Verwandten mal ein Bild schicken, seht her, ich bin auch noch wer. Das Signal vom Handy lässt Zorro kurz aufhorchen, war nix weiter, nur der alte Mann da in dem Sessel. Dann ist die Plastikschaufel mit den Breckis leergeschlabbert bis auf ein Krümchen, das ist er seiner unberechenbaren Katzennatur schuldig. Geht er jetzt auf seinen Katzenstein, um sein Reich zu überblicken? Heute nicht, erst ist Putzen angesagt, Pfötchen links schlapp, Pfötchen rechts schlapp und über die Schnurrhaare damit, das rote Zünglein fährt aus und ein, die Breckis schmecken noch einmal nach. Ich denke, jetzt schleicht er sich von hinten an, um auf mich und meinen Novalis zu springen, denkste, bin ich Katze, mach' ich ganz was Anderes. Ein paar Rotkehlchen fliegen ihm um die Ohren, schnell fliegt das Köpfchen herum, wer wagt es...? Aber das volle Bäuchlein besänftigt ihn schnell, und die Äuglein fallen ein bisschen zu, aber nur ein bisschen. Ich sage, Zorrochen, du kriegst einen kalten Bauch. Das leuchtet ihm ein, und er sieht nochmal auf seiner Plastikschaufel nach, richtig, da liegt noch ein Krümchen, so eine Überraschung. Mir wird es zu kalt, mit dem Novalis wird es heute nichts mehr, Zorro hat sich auch schon verdrückt. Leben auf kleiner Flamme - immerhin.

  • Liebe Christine,


    du musst mich nicht verulken. Zuerst war mein heutiger Beitrag überhaupt nicht zu sehen, jetzt taucht er langsam auf. Auf der linken Dashboard-Seite ist er immer noch nicht. Unter "Sonstiges" schreib' ich lieber nichts mehr, das ist mir zu abenteuerlich.


    D.

  • Nein, liebe Angie, Zufriedenheit ist zu wenig, es sollte schon Glück sein. Aber das Glück ist IN uns, Kleinvieh macht auch Mist, und 100 Cent machen auch 1 Euro. Einen stotternden Motor darf man nicht ganz abwürgen, vielleicht läuft er bald wieder rund. Das kann doch nicht alles gewesen sein? War es auch nicht. Die Sonne scheint, die Krokusse blühen, das ist mehr als viele Menschen haben. Mein Ischias tut heute nur halb so weh wie gestern, hurra! Tut mir leid, ich hab' heute nur Phrasen drauf, aber viele Phrasen sind einfach wahr.
    Schönen Dienstag!

  • Liebe Angie,


    deine Frage hat mir keine Ruhe gelassen: "Das kann doch nicht alles gewesen sein?". Das Märchen vom Tannenbaum von Hans Christian Andersen fiel mir ein, und ich wollte mal nachlesen, wie das zuendeging. Das war nicht sehr erfreulich. Aber dann stieß ich in demselben Märchen auf "Klumpe-Dumpe, der die Treppe hinunterfiel und doch den Thron errang und die Prinzessin erhielt". Ach, so habe ich schon lange nicht mehr gelacht! Und ich glaube, das Lachen war die Antwort auf meine und deine Frage. Ich wünsche dir, dass du auch so darüber lachen kannst.


    Tschüssi!

  • Wie soll ich es erklären? Sicher weiss ich Kleinigkeiten zu schätzen aber im Grunde fehlt mir die Lebenslust und die Frage:wozu das alles? stellt sich täglich.
    Früher habe ich wenn ich Probleme hatte, einfach das Umfeld gewechselt, doch der Trauer kann man nicht davonlaufen.


    Ich funktioniere, lese viel, sehe fern ,rede ab und zu mit anderen Leuten, aber es ist alles so oberflächlich und bedeutungslos.
    Ich hab eine schöne Wohnung, genug zu essen, kann meine Zahlungen erledigen, sicher Zufriedenheit ist manchmal da. Aber Kleinigkeiten als Glück empfinden, nein das schaff ich nicht. Die Sehnsucht nach dem Glück bleibt und die Chance auf ein neues Glück ist sehr gering, weil meine Ansprüche hoch sind.


    Also war das schon alles, eine schon weggezogene Tochter, eine alte Katze, 2,3 gute Freunde und das soll mein weiters Leben sein?

  • Liebe Angie,
    ich sehe, dass du das halbe Leben noch vor dir hast, in einer Weltstadt lebst und kontaktfreudig bist - wo ist das Problem? Natürlich ist alles noch sehr frisch, und es hat dich ja auch ganz schön erwischt in den letzten Jahren, ich meine, so ein Verlust nach dem andern. Aber, mal ganz allgemein gesprochen, ist der Zug doch noch nicht abgefahren. Vielleicht einfach mal nichts tun und abwarten? Dem Leben deine freundliche Seite zuwenden? Bleib' ruhig anspruchsvoll, aber stelle die richtigen Ansprüche. Sei lieb zu deiner Katze und zu deinen 2,3 guten Freunden, ich wollte, ich hätte welche. Sagte der weise Uhu.
    Gruß D.

  • Das mit dem halben Leben vor mir ist Wunschdenken (aber lieb von dir <3 ), 106 werde ich bestimmt nimmer. Und weil mein Leben jetzt so leer ist, fühle ich mich wie 80ig.Mit Rudy, den ich ja auch erst mit 49 Jahren kennengelernt habe, fühlte ich mich wie 17. Da war kein Tag gleich , immer etwas anders zu erledigen oder zu unternehmen. Und jetzt nur mehr Stillstand und die größte Herausforderung nur: wie bringe ich den Tag rum?

  • Lieber Dieter,
    liebe Angie,


    zum Thema: Leben auf kleiner Flamme und Lebenslust


    Lieber Dieter,
    Zitat Dieter: "Leben auf kleiner Flamme - immerhin.. "
    Ist doch schon was und sehr oft viel beglückender, als ein Leben auf großer Flamme, an der man sich ganz stark verbrennen kann. ;)
    Ich lebe auch auf kleiner Flamme - auf sehr kleiner Flamme. Ich bin diesbezüglich sehr bescheiden geworden in den letzten Monaten und weißt du was - ich lebe dennoch - oder gerade deswegen - viel intensiver und ehrlicher.
    Sehr oft fühlte ich mich "zu kurz gekommen", aber inzwischen bin ich etwas besonnnener geworden und bin inzwischen meistens einverstanden mit all meinen unerfüllten Bedürfnissen. , Ich habe irgendwie Friede geschlossen mit mir und meinem Leben. Darf ich das unter Altersweisheit verbuchen? Es ist gut so wie es war - egal wie, es war eben mein Leben.
    Oft erwiesen sich meine Wünsche, als sie dann tatsächlich irgendwann wahr wurden, als erschreckend langweilig und öde,. weckten aber den Hunger und die Gier nach immer mehr...nach etwas, was mich allerdings meistens, nie befriedigte...Sehr oft mündete das Begehren nicht in Genuss...
    Das Leben auf kleiner Flamme ist inzwischen - für mich - sehr bereichernd,


    Zitat Dieter: "hab' heute nur Phrasen drauf, aber viele Phrasen sind einfach wahr." Ja, oft sind sogenannte Phrasen wahr und tiefsinnig - genau wie viele Sprüche bzw Kalenderweisheiten. Früher habe ich sie belächelt, fand sie banal, kitschig - meinen Verstand verletzend.... jetzt geben sie mir oft Kraft und Halt.


    und du schreibst: " Zufriedenheit ist zu wenig, es sollte schon Glück sein". , Da stimme ich dir voll und ganz zu.
    Zufriedenheit setzt sich alerdings aus vielen glücklichen Augenblicken zusammen.und das Glück liegt - genau wie du schreibst -, IN UNS.selbst. Kommt nicht von außen! Kein Mensch kann einen anderen glücklich machen, er kann höchstens den Nährboden bieten,damit der andere sich glücklich machen kann.
    Leider sind Menschen, die häufig glückliche Augenblicke erleben dürfen, nicht zwangsläufig frei von Unzufriedenheit und umgekehrt kann man sehr wohl zufrieden, aber nicht glücklich sein.
    Klugscheissermodus an* Die antike Philosophie, der Buddhismus, und die Neurowissenschaft sagen übereinstimmend: Glücksgefühle sind eine Folge der richtigen Gedanken und Handlungen - sie sind kein "Zufalls"produkt. Und Heinrich von Kleist schrieb:"Die Kunst des Lebens besteht darin, Honig aus jeder Blüte zu saugen" und weitergeführt könnte man vervollständigen : und sie besteht darin, Freude an jedem Nektar zu finden.! *Klugscheissermodus aus


    und liebe Angie,
    es genügt nicht, Freude zu finden bzw, glücklich zu sein, man muß sein Glück auch bemerken.
    Daher führe ich seit längerem ein Glückstagebuch, in das ich alle schöne Momente notiere - nur die schönen, guten Momente ( habs leider in den letzten Wochen "vergessen" und schwupps, ging es mir wieder viel schlechter.Seit einigen Tagen schreibe ich wieder dizipliniert solche Momente ( auch die allerkleinsten ) auf, Ich gehe regelrecht auf Suche nach ihnen und bin erst zufrieden, wenn ich was gefunden habe und sei die Begebenheit noch so klein. Und ich werde IMMER fündig!! Es steht dann alles schwarz auf weiß zum Nachlesen in meinem Büchlein und kann so von meinem Gehirn nicht mehr wegdiskutiert werden.oder gar vergessen werden. Mein Gedächtnis lässt mich nämlich diesbezüglich oft im Stich und ich sehe alles schwarz in schwarz, was eigentlich - bei genauer Betrachtung - doch bunt und erfreulich war . Wenn ich dann später meine Einträge lese, ändert sich sehr oft meine Perspektive und ich finde das Leben wieder lebenswert.- trotz allem.


    Wäre so ein "Schöne Momente Tagebuch" auch etwas für dich liebe Angie? Für mich ist es echt eine Kraftquelle.und ich bemerke beim Nachlesen, daß ich mich in der Realität doch freuen kann ( und weil ich es merke, finde ich immer mehr Dinge und Situationen über die ich mich freuen und sie aufschreiben kann - ein positiver Kreislauf.!), Es wird mir immer bewußter, daß mein Leben doch nicht so leer und so sinnlos ist, wie ich vermute und daß ich mich, ungeachtet den weiterentwickle und mein Leben nicht Stillstand bedeutet. Das Büchlein ist echt eine kleine Schatztruhe geworden, meine kleine Lebensfibel, - zumal ich auch noch aufbauende Sprüche hineinschreibe, Bilder hinein klebe etc.

    Ach Angie, ich kann dich sehr gut verstehen, denn auch ich denke öfters als mir lieb ist.:" wie bringe ich den Tag bloß rum?" und auch deine Frage: "das kann doch nicht alles gewesen sein?! " ist mir nicht fremd.
    Ich habe noch Jahre nach den Tod meiner Tochter das Gefühl gehabt, innerlich, wie in einer total zerbomten Stadt zu leben. - jahrelang lag in meinem Inneren alles in Schutt und Asche. - kein Stein war mehr auf dem anderen..( und ich beginne erst jetzt richtig aufzuräumen...). Und so stelle ich mir deine Gefühle vor. ....
    Das Gute - auch wenn du das heute noch nicht sehen und dir noch nicht vorstellen kannst - das Schlimmste liegt schon hinter dir.
    Und diese zerstörerische Traurigkeit, die dich so lähmt, geht vorbei...Irgendwann wird deine Energie, dein Tatendrang wieder zum Vorschein kommen und damit auch wieder ganz langsam deine Lebenslust
    Gib dir Zeit, liebe Angie.Gib dir die Zeit, die du brauchst- egal wie lange es andauert.Zwing dich zu nichts,stell keine zu hohen Anforderungen an dich, fordere nicht zuviel von dir, respektiere deinen eigenen Rhythmus deiner "Heilung", hab Vertrauen in dich . Das Leben hat dir übel mitgespielt. Du hast so viel Schweres in letzter Zeit erleben müssen. Du trägst noch so viel Trauer in dir...Aber es kommen bessere Tage - versprochen - und du schaffst es - du bist dazu in der Lage. Glaube mir, das Leben hat noch viel mit dir vor....das war noch nicht alles - du wirst wieder Glück empfinden - ein erfülltes Leben führen - hab Geduld...


    Ich wünsche dir, daß dir die kleinen Freuden des Alltags noch bewusster werden können , daß du die kleinen Glücksmomente intensiver spüren und sie in dir wachhalten kannst.


    Es ist jetzt 4 Uhr früh. Hoffe, ich habe nicht allzu wirr geschrieben und ihr könnt meine Intention erahnen....


    Euer
    rabelein :24:



  • nochmal ich


    für euch beide eines meiner Lieblingsgedichte:


    Sozusagen grundlos vergnügt


    Ich freu mich, dass am Himmel Wolken ziehen
    und dass es regnet, hagelt, friert und schneit.
    Ich freu mich auch zur grünen Jahreszeit,
    wenn Heckenrosen und Holunder blühen.
    Dass Amseln flöten und dass Bienen summen,
    dass Mücken stechen und dass Brummer brummen.
    Dass rote Luftballons ins Blaue steigen.
    dass Spatzen schwatzen und dass Fische schweigen.
    Ich freu mich, dass der Mond am Himmel steht
    und dass die Sonne täglich neu aufgeht.
    Dass Herbst dem Sommer folgt und Lenz dem Winter,
    gefällt mir wohl. Da steckt ein Sinn dahinter,
    wenn auch die Neunmalklugen ihn nicht sehn.
    man kann nicht alles mit dem Kopf verstehn!
    Ich freue mich, das ist des Lebens Sinn.
    ich freu mich vor allem, dass ich bin.
    In mir ist alles aufgeräumt und heiter;
    die Diele blitzt, das Feuer ist geschürt.
    an solchem Tag erklettert man die Leiter,
    die von der Erde in den Himmel führt.
    Da kann der Mensch, wie es ihm vorgeschrieben,
    weil er sich selber liebt - den Nächsten lieben.
    Ich freue mich, dass ich mich an das Schöne
    und an das Wunder niemals ganz gewöhne.
    Dass alles so erstaunlich bleibt, und neu.
    Ich freu mich, dass ich,
    dass ich mich freu.

    von MASCHA KALEKO


    „Ich freue mich. Das ist des Lebens Sinn.“ Ist das nicht schön!!


    Da man auf einem Bein nicht stehen kann: :P


    Es wird Sommer.
    Die Sonne scheint für dich-
    deinethalben,
    und wenn sie müde wird, fängt der Mond an,
    und dann werden die Sterne angezündet.


    Lerne von der Lilie
    und lerne vom Vogel,
    deinen Lehrern: Zu sein heißt: für heute da sein.
    Das ist Freude.
    Lilie und Vogel
    sind unsere Lehrer der Freude.

    SÖREN KIERKEGAARD


    Ich hoffe, ich habe euch ein wenig erfreut


    rabelein :24:

  • LIEBE Rabelein, herzallerliebste Anna-Maria, <3


    heute aufgewacht lag mir die Nacht (in der du gewacht hast) noch schwer in den Knochen.
    In den letzten Wochen wurde ich sehr verletzt, und die Veränderungen in meinem Leben verlangen mir einiges ab, vor allem Kraft und - meine alten Freunde die Zweifel... und es wollte mir kein schöner Gedanke zum Aufstehen, keine kleine Morgenmeditation einfallen (las ich kürzlich man solle i.d. Früh immer eine kleine Meditation machen, da sich hier das Gehirn vom Träumen verabschiedet / erholt und die Haltung für den Tag entwickelt werden kann) - diesen Gedanken mochte ich nur heute - woher nehmen wenn nicht stehlen?


    Nachdem ich mein Kind liebkost habe und mich aus seiner Umarmung geschält habe (denkend, dass ich mich viel zu wenig ihm noch zuwende) habe ich als Morgenroutine beim Kaffee vom Handy als stille Leserin in dem mir lieb gewordenen Forum gelesen. Aktiv schreiben fällt mir derzeit schwer.


    UND DA LAS ICH DEINE WORTE: es war so als wäre, nein, als ist die Sonne aufgegangen und leuchtet in die dunklen Winkel meines Herzens. Du hast mir Friede, Liebe und unglaublich viel an Schönheit geschenkt, und das, obwohl der Tag noch so jung ist. Wenn du erlaubst werde ich mir deinen bezaubernden Brief, ja, ein Brief ist es, ein Brief an das Leben, an die Lebenden, aus deinem vollen Leben heraus - so fühlt es sich an - ausdrucken und auf die erste Seite meines Glückstagebuches heften.



    Rabelein, Anna Maria, ich möchte dir einfach nur DANKE sagen. Ich möchte dich umarmen und dir einen Kuss auf die Wange drücken. Was soll ich hinzufügen?


    Zwei Dinge - nur zwei Dinge - ein Lied dass ich sofort im Kopf hatte als ich dich las
    und ein Gedicht von Rilke, du kennst es bestimmt, damit auch du deinen Schlaf findest - du


    und nein, es ist kein Klugscheissermodus
    es ist ein Rabenmodus oder ein
    Eulenmodus
    weil weise und nachtaktiv


    (es ist die dunkelste Stunde vor dem Sonnenaufgang)...


    ich wünsche dir für heute einen bezaubernden
    eine liebevollen Tag


    sei herzlich gegrüßt,
    MLena <3



    Die Wahrheit triumphiert nie, nur ihre Gegner sterben aus (Max Planck)


    rilke.de/briefe/160703.htm


    VORÜBUNG FÜR EIN WUNDER


    Vor dem leeren Baugrund
    mit geschlossenen Augen warten
    bis das alte Haus
    wieder dasteht und offen ist

    Die stillstehende Uhr
    so lange ansehen
    bis der Sekundenzeiger
    sich wieder bewegt

    An dich denken
    bis die Liebe
    zu dir
    wieder glücklich sein darf

    Das Wiedererwecken
    von Toten
    ist dann
    ganz einfach

    (Erich Fried)

  • Liebes Rabelchen,


    das ist so schön, dem ist kaum etwas hinzuzufügen. Über das Sich-selbst-Lieben haben wir ja schon diskutiert. Es geht so leicht von der Zunge: "weil er sich selber liebt, den Nächsten lieben" (Kaleko). Also erst mich und dann den Nächsten? Nicht doch. Entweder ich liebe, oder ich liebe nicht. Wenn ich liebe, dann den Wind, die Sonne, die Katzen, mich, die Wolken, die Spatzen...
    Danke für deinen wunderbaren Text. Klugscheißermodus an. Aber nachts um 4 solltest du lieber schlafen. Klugscheißermodus aus.


    Viel Glück heute!
    D.

  • Habe gerade festgestellt, dass ich auch seit vielen Jahren ein Glückstagebuch laufen habe. Es begann eigentlich mit Eintragungen zu Reparaturen im Haus und Arbeiten im Garten und wurde dann immer mehr zu Naturbeobachtungen rund ums Jahr: die ersten Schneeglöckchen, die ersten Schnecken und Zecken, der erste Amselgesang, das Wetter, sowas halt. Jetzt ist mir erst klar geworden, dass es eigentlich ein Glückstagebuch ist. Übrigens: gestern blühten die ersten Anemonen (Buschwindröschen), heute schon teppichweise. Die blauen Immergrün-Blüten sind schon unterwegs. Noch sind die Blätter der Bäume nicht da, überall kommt noch Licht hin. Dies ist die schönste Jahreszeit bei mir im Wald. Klar, wo nicht.

  • Gottfried Benn


    Nur zwei Dinge


    Durch so viel Form geschritten,
    durch Ich und Wir und Du,
    doch alles blieb erlitten
    durch die ewige Frage: wozu?


    Das ist eine Kinderfrage.
    Dir wurde erst spät bewußt,
    es gibt nur eines: ertrage
    - ob Sinn, ob Sucht, ob Sage -
    dein fernbestimmtes: Du mußt.


    Ob Rosen, ob Schnee, ob Meere,
    was alles erblühte, verblich,
    es gibt nur zwei Dinge: die Leere
    und das gezeichnete Ich.


    ---------



    Liebe Angie,


    ich verstehe deine Frage gut. Wenn du von deinem Rudy schreibst da finde ich spürt man so stark, dass deine Liebe für ihn noch so groß ist, und er so unvergleichlich dein Seelmann, dass da auch nichts anderes Platz hat als die Frage "wird es immer so sein, so ohne ihn?"


    Ich kann das auch gut verstehen, so eine Liebe wie du erlebt hast, manche sehnen sich ein ganzes Leben danach und erleben sie nicht. Ich frage mich aber auch ob du irgendwann schon einmal vor Rudy eine Situation hattest, wo es dir vor Liebeskummer oder Enttäuschung schlecht ging, und du dir hättest gar nicht vorstellen können, noch einmal so etwas zu erleben wie mit Rudy.


    Ich bin überzeugt dein Rudy ist bei dir und schaut auf dich, und beschützt dich - und schickt dir oder begleitet dich zu Dingen, Orten und Menschen die dir dein Leben reich machen und dir gut tun. Momentan ist es doch so, dass du so viel durchgemacht hast. Dein Bruder, Rudy, und dann noch deine Mutter. Das ist so viel auf einmal - wie könnte da das Leben normal sein frage ich mich?


    Darum meine ich dass das, was du momentan spürst einfach noch nicht der "Normalzustand" ist von dem aus man ein erfülltes Leben planen kann, oder eines dass man sich so vorstellt. Du bist so stark, hast einen tollen Körper und ja, ich weiß dass die MS eine Herausforderung ist aber du machst das toll.


    Angie, ich wünsche dir wirklich genauso viel Muskelkraft für die Seele wie an deinen schön definierten
    Armen, zum Durchhalten.


    Sei lieb gegrüßt,
    Malena

    Die Wahrheit triumphiert nie, nur ihre Gegner sterben aus (Max Planck)


    rilke.de/briefe/160703.htm


    VORÜBUNG FÜR EIN WUNDER


    Vor dem leeren Baugrund
    mit geschlossenen Augen warten
    bis das alte Haus
    wieder dasteht und offen ist

    Die stillstehende Uhr
    so lange ansehen
    bis der Sekundenzeiger
    sich wieder bewegt

    An dich denken
    bis die Liebe
    zu dir
    wieder glücklich sein darf

    Das Wiedererwecken
    von Toten
    ist dann
    ganz einfach

    (Erich Fried)

  • Leben auf großer Flamme


    Weil es sonst niemanden interessiert, gebe ich hier und jetzt öffentlich bekannt: Mein weißer Rhododendron wächst und blüht über das Haus hinaus, und die Mahonie ist fast ein Baum geworden und blüht überwältigend und betört mit ihrem Duft das halbe Dorf. Ende der Durchsage. =O


    D.