• So, jetzt hab ich das Wohnzimmer aufgeräumt, die Unterlagen für meine Steuererklärung hergerichtet (so weit wie möglich, 2 Honorarnoten sind unauffindbar) - sitze mit dem Laptop auf der Terrasse und bin recht ratlos. Fühle mich verloren, deshalb habe ich angefangen zu schreiben - dann seid Ihr mir irgendwie näher...


    Es fällt schwer aufzuräumen und zu entrümpeln, dabei Dinge in die Hand zu nehmen, noch aus dem letzten Jahr zum Teil, als alles noch "gut" war - als wir die Diagnose noch nicht hatten.

    Ich habe Angst, wie das später sein wird, wenn er einmal nicht mehr da ist. Wie wird es dann beim Aufräumen sein? Wenn mir Dinge in die Hand fallen, die mich an ihn erinnern...

    Nicht Dinge, von denen ich weiß, dass ich sie in die Hand nehmen werde, z. B. Bücher, die er mir geschenkt hat. Da weiß ich ja, dass ich hingreifen werde. Aber Sachen, die einem so in die Hand fallen... Vorhin zum Beispiel Konzertkarten, die ich in einer Lade aufgehoben hatte.

    Jetzt geht es, jetzt komme ich mit diesen Dingen zurecht. Aber wie wird es später sein? Wenn mich Erinnerungsstücke "überfallen" werden?


    Vielleicht ist es ja müssig, sich mit solchen Frage zu beschäftigen (vielleicht auch selbst zu quälen). Aber ich bin halt immer eine, die lieber Bescheid weiß, wie etwas sein wird. Weil ich dann das Gefühl habe, ich kann mich irgendwie darauf einstellen, mich vorbereiten, dass es dann nicht so schlimm wird.

    Es ist niemand da, der mich dann (be)schützen wird, also muss ich es selber tun. Und ich muss das Gefühl haben, ich weiß wie ich das machen werde - und ich kann jetzt schon etwas dafür tun. Wenn ich dieses Gefühl habe, dann ist es leichter für mich. Wenn nicht, dann fühle ich mich so ausgeliefert, verwundbar und allein.


    Ich kippe immer so zwischen den Wirklichkeiten hin und her :-(

    Ganz normale Alltagssituationen mit und ohne Rudi, in denen ich mich wohl fühle bzw. in denen wir uns wohl fühlen. Dann Gefühle der Angst und der Verlassenheit. Dazwischen immer wieder Wut.

    Es wechseln sich Normal- und Ausnahmezustand immer wieder ab.


    Ermutigt hat mich ein Termin vorgestern, da habe ich ja eine Coaching-Stunde bei einer Psychologin geschenkt bekommen (weil ich mich über den unguten Arzt bei der Vorsorge-Untersuchung beschwert hatte.)

    Es war ein Gespräch mit einer sehr jungen Frau. Ich habe ihr gesagt, was ich in dieser Situation alles für mich mache: Krebshilfe, Yoga, hier schrieben usw.

    Sie hat dann gemeint, dass es gut ist, dass ich so viele Ressourcen für mich erschlossen habe.

    Also - nicht, dass ich das nicht auch selber wüsste. Aber es hat doch sehr gut getan, das sozusagen von einer Fachfrau bestätigt zu bekommen. Es hat mich ermutigt, mich mir und meinen Möglichkeiten gegenüber positiv gestimmt. Ich habe mich stark gefühlt nach diesem (wirklich guten) Gespräch.

    Ich habe wirklich viel davon profitiert. Überlege mir, auch in den kommenden Wochen hinzugehen. Auch wenn es kostet - das bin ich mir schon wert. So könnte ich vielleicht die Zeit ein wenig überbrücken, in der meine Therapeutin nicht da ist. Das irritiert mich auch ziemlich, dass sie jetzt dann 6 Wochen auf Urlaub ist.


    Ich habe den Verdacht, ich fühle mich verlorener, ohnmächtiger als ich vielleicht tatsächlich bin.

    Ich weiß nicht, sind das Überbleibsel von damals, als meine Mama so krank war und dann gestorben ist? Werden die Gefühle von damals wieder wach?

    Andererseits stimmt es ja, dass ich allein bin - ich muss, wenn es hart auf hart geht - die Dinge doch alle mit mir selber ausmachen. Habe keine Schwester, die ich mitten in der Nacht anrufen könnte oder so.


    Es ist alles so widersprüchlich, uneindeutig, wirr und verwirrend.

    Ich denke, ich habe deshalb auch hier etwas wirr geschrieben.

    Jetzt lass ich es auch bleiben.

    Ist es halt einmal wirr... :-/

  • Es darf ruhig wirr sein. Deine ganze Welt ist im Moment wirr - warum sollten deine Gedanken nicht wirr sein dürfen?


    Wie es sein wird - ich denke nicht, dass du wirklich eine Antwort darauf erwartest - du weißt ja selber, dass das von Mensch zu Mensch unterschiedlich ist.

    Hast du Rudi schon mal versucht davon zu erzählen? Ich habe Angst, wenn du gestorben bist, wie es dann sein wird, mein Leben.


    Hast du eine Freundin? Ich habe keine Geschwister und doch habe ich 3 Freundinnen, die ich auch mitten in der Nacht anrufen kann. Das ist noch nie passiert und doch weiß ich, dass wenn etwas wäre, dann wären sie da.


    Lg. Astrid.

  • Liebe Still Crazy,


    ich weiß nie ganz ob es ok für dich ist wenn ich hier schreibe, ...

    deine Gedanken sind für mich nicht wirr, ich kenne solche Gefühle, vergleichbare Gefühle, also solche Momente wo man versucht sich eine Zukunft ohne einen geliebten Menschen vorzustellen, Gefühle das Damoklesschwert zu spüren, aber auch die Dankbarkeit über ein gutes ( therapeutisches ) Gespräch... das Wechselbad der Gefühle, dass das Leben einfach "Kopf steht".

    Ich denke du solltest einfach weiter erzählen, wenn ich das sagen darf.

    Wie es sein wird, wenn es soweit sein sollte, das weißt du eh, das siehst du erst dann.

    Bei mir z.B. war es dann nicht so schrecklich wie befürchtet.

    Und nicht so schrecklich wie das Gehen geliebter Menschen davor, und das obwohl ich mich so gefürchtet hatte. Aber das Leben an sich benötigte einen gänzlich neuen Entwurf...


    Ich weiß nicht wie es für dich und Rudi weiter geht und ich wünsche euch zwei, jedem für sich, ganz viel Kraft und Stärke.


    Für dich - darüber nach zu denken was dir jetzt und auch in Zukunft stärkt, und dir das auch aktiv zu suchen ich finde dafür hast du eine "Spürnase" bzw. das macht doch Sinn. Dass du gute Momente zulassen und genießen kannst, dir Auszeiten suchst und findest.


    Dass du hier Schultern zum Anlehnen hast, wenn du dich mal ganz verlassen fühlst, und dann doch auch real wie bei der Freundin die du zufällig getroffen hast.


    Wie gesagt, ich wünsche dir einfach weiterhin viel Kraft

    und Schultern zum Anlehnen auch hier

    auch wenn es manchmal weiche und manchmal harte Schultern sind

    anlehnen kann man sich dran....


    alles Liebe!



    <3m.

    Die Wahrheit triumphiert nie, nur ihre Gegner sterben aus (Max Planck)


    rilke.de/briefe/160703.htm


    VORÜBUNG FÜR EIN WUNDER


    Vor dem leeren Baugrund
    mit geschlossenen Augen warten
    bis das alte Haus
    wieder dasteht und offen ist

    Die stillstehende Uhr
    so lange ansehen
    bis der Sekundenzeiger
    sich wieder bewegt

    An dich denken
    bis die Liebe
    zu dir
    wieder glücklich sein darf

    Das Wiedererwecken
    von Toten
    ist dann
    ganz einfach

    (Erich Fried)

  • Liebe Nebelfrau,


    warum sollte es nicht ok sein, wenn Du hier schreibst? Ich lese Dich sehr gerne!

    Auch wenn einmal etwas den Nagel nich zu 100% auf den Kopf trifft (wie denn auch, das geht ja gar nicht, jeder Mensch sieht und interpretiert Dinge anders), finde ich es sehr wertvoll, was Du schreibst.


    Du hast einmal gesagt, ich verwende harte Worte. Ja das stimmt. Und ich verwende sie in zwei Fällen: um harte Realitäten passend zu beschreiben (ich bin keine Freundin des Schönfärbens) und um mich zu wehren. Wenn es z. B. geheißen hat "verschone uns mit deinen Wehwehchen" - dann antworte ich entsprechend auf diese Aufforderung.


    Mein Ziel hier ist es auf keinen Fall, andere anzugreifen oder so. Wenn ich etwas lese, das mir nicht entspricht (und das kommt durchaus vor) - nun dann entspricht es mir eben nicht. Ich muss nicht alles kommentieren, ich bin ja nicht das Maß aller Dinge. Wenn es für die andere Person so passt, dann ist das okay für mich - es ist ja ihr Leben.

    Den selben Respekt wünsche auch ich mir von anderen.


    Ich brauche keine Bewertungen. Ich finde es hochmütig zu meinen, man kennt jemanden und seine Situation aufgrund von tagebuchartigen Einträgen, die ja immer nur höchst subjektive Momentaufnahmen sein können.

    Ich brauche Erfahrungen von anderen, Ermutigungen, auch einmal ein Nachfragen "wie meinst du das? wie kommst du darauf", Solidarität. Und genau das ist es, was ich hier auch geben möchte (ich hoffe, ich mache das - zumindest bemühe ich mich darum).


    Es gibt im wirklichen Leben so unterschiedliche Lebensentwürfe, so unterschiedliche Zugänge und Neigungen - all das gibt es hier (und generell unter Trauernden) auch. Das gilt es für mich zu respektieren.


    Was Du mir gestern geschrieben hast, finde ich sehr ermutigend - ich danke Dir dafür!


    Das mit der fehlenden Schulter zum Anlehnen - das ist in der Tat derzeit ein großes Problem. Und ich denke, das wird auch so bleiben. Ich weiß nicht, wie die Dinge sich weiter entwickeln... vielleicht gibt es Freundschaften, die sich als tragfähiger erweisen, als ich es gedacht hätte. Vielleicht ist es aber auch eine Frage der Anzahl der Bezugspersonen. Es muß ja nicht in jeder Krise die selbe sein - vielleicht entwickelt es sich (weiter) in diese Richtung, dass ich eben je nach Situation unterschiedliche Ansprechpartner finde - eher ein tragfähiges Netz als ein einziger Fels in der Brandung. Ein bisschen habe ich den Eindruck, dass das für mich die wahrscheinlichere Lösung sein könnte.


    Es wäre schon viel erreicht, wenn ich den Eindruck gewinnen und in mir (halbwegs) dauerhaft aufrecht erhalten könnte, dass das Leben mich trägt - trotz all der Schläge, die es mir schon verpasst hat. (Wieder ein hartes Wort - aber so war es eben auch.)


    Jetzt muss ich wieder arbeiten...

    Alles Gute Dir! Und - wie gesagt - ich freue mich immer, Dich zu lesen :)

  • Liebe Still Crazy,


    das freut mich dass meine Worte positiv angekommen sind bei dir, so war das auch gemeint. :) Dann wage ich mich einfach ein paar Schritte weiter und du schreist "stopp" wenn es nervt, ok?


    Das "Bezugspersonen Problem" hab ich auch erlebt, meine beste Freundin die mir wie eine Schwester ist hatte einen schweren Krankheitsfall - ihre Tochter, die konnte ich nicht belasten, meine zweite beste Freundin hat ihren Vater auf tragische Art verloren u. ebenso meine dritte beste Freundin deren Mutter Brustkrebs hat - insofern war mein Thema - verstorbene Mutter einfach ein großes Angst-Thema für dir beiden.


    Ich habe mir dann angesehen, was für uns passt, wo wir uns "treffen" und stärken können, und habe auch neue Kontakte geknüpft. Es lag auch an mir mich dann wieder mehr zu öffnen, während der Zeit der Pflege und der ersten Trauer war ich sehr gereizt, und brauchte auch alle Kraft für mich. Ich hätte mir z.B. für mich damals im Vergleich banale Beziehungs- oder Jobprobleme nicht anhören können (heute wieder sehr gerne).

    Ich musste erst lernen die Freundschaft neu zu definieren.


    Ich glaube aber dass du das besser kannst - offen sein, direkt, und auf die Menschen zugehen. Dir auch das zu holen, was du brauchst? Oder bist du eher lieber in der Rolle der Stärkeren? Tust dir manchmal schwer um Hilfe zu bitten?

    Hast du jemanden in eurem/deinem Freundeskreis den du einweihen kannst, und wie hat deine Freundin aus dem Chor weiter reagiert? Das klang doch ganz gut, finde ich?


    Ja überhaupt - ein Netz an Beziehungen, das klingt doch gut - oder? :-)

    Wie eine Honigbiene die ihre Pollen sammelt ...der heilsame Honig dann das Ergebnis...Schutz für die Wunden an der Seele?


    Ja, blödes Bild, die späte Stunde ist hier anzuschuldigen ;-)

    Bitte erzähle doch einfach weiter.


    Zu dem Satz von Claudia Amitola ... ihr seid ja beide schon groß und könnt das miteinander ausmachen. Ein wenig war es für mich so dass ihr zwei euch eigentlich zu Beginn ja gut verstanden habt, beides sehr eigenständige, unkonventionelle Frauen, jede auf ihre Art.

    Claudia hat dann - und hier bitte ich Dich um Verständnis und darum, es nicht - persönlich zu nehmen den "Elefanten der im Raum stand angesprochen" für mich, nämlich dass deine - sehr nachvollziehbaren Berichte - einige Frauen hier die schon ihre Männer bis in den Tod begleitet haben und/oder trauern, sehr aufgewühlt hat, und womöglich auch verletzt hat.

    Wie gesagt, das hat ja Lilo schon gesagt, es liegt an der Situation, nicht an dir.

    Ich bin sicher dass Claudia dich nicht verletzen wollte, ein Wort hat das Andere gegeben ... wie auch immer, du bist hier sicher, aber ich denke das weißt du, natürlich lassen Krisen und Trauer auch die Gefühle hoch kochen ... aber im Großen und Ganzen gehen hier alle sehr achtsam mitsammen um.


    Und , deine Worte sind wirklich - nicht hart - aber sehr direkt - auch auf eine spannende, interessante Art und - eben treffend. Bulls-eye-wording :)


    So, ich wünsche dir für heute einfach mal einen guten Abend

    mit Zeit für dich, etwas Schönem


    noch einmal als Buchtipp

    "das Schicksal ist ein mieser Verräter"

    eigentlich für Teenager, hat mir sehr gut gefallen als es diese o.g. Gefühle hatte

    aber wie gesagt, jeder "tickt" anders


    bitte erzähle doch weiter, wie du tickst.


    Wie kannst du spüren, dass das Leben dich trägt?


    Liebe Grüße! <3

    m

    Die Wahrheit triumphiert nie, nur ihre Gegner sterben aus (Max Planck)


    rilke.de/briefe/160703.htm


    VORÜBUNG FÜR EIN WUNDER


    Vor dem leeren Baugrund
    mit geschlossenen Augen warten
    bis das alte Haus
    wieder dasteht und offen ist

    Die stillstehende Uhr
    so lange ansehen
    bis der Sekundenzeiger
    sich wieder bewegt

    An dich denken
    bis die Liebe
    zu dir
    wieder glücklich sein darf

    Das Wiedererwecken
    von Toten
    ist dann
    ganz einfach

    (Erich Fried)

  • PS ein Gedanke an den meine Mutter mich immer wieder erinnert hat, aus dem Film "Momo" - einer den wir gemeinsam im Kino gesehen haben.


    Das fällt mir noch ein zu dieser großen Frage, getragen zu werden, durch das Leben.

    Vielleicht gefällt es dir ja, oder du bekommst Lust auf Spaghetti, oder beides :)



    Die Wahrheit triumphiert nie, nur ihre Gegner sterben aus (Max Planck)


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    VORÜBUNG FÜR EIN WUNDER


    Vor dem leeren Baugrund
    mit geschlossenen Augen warten
    bis das alte Haus
    wieder dasteht und offen ist

    Die stillstehende Uhr
    so lange ansehen
    bis der Sekundenzeiger
    sich wieder bewegt

    An dich denken
    bis die Liebe
    zu dir
    wieder glücklich sein darf

    Das Wiedererwecken
    von Toten
    ist dann
    ganz einfach

    (Erich Fried)

  • Liebe StillCrazy!


    Hätte ich vorher gewusst, dass meine Zeit mit Gerhard für uns so kurz, zu kurz ist, ich hätte nicht gedacht, dass ich es schaffe. Ich hätte bei dem Gedanken daran glaube ich fast durchgedreht.


    Aber: Das Leben trägt! Immer wieder und nach jedem Schicksalsschlag stelle ich dies fest.

    Das wird auch bei dir so sein, denke ich!


    Auch zu den Freundschaften kann man im Vorfeld keine Prognose abgeben.

    Ganz liebe Freundinnen die mich mein Leben lang begleitet haben, sind dann plötzlich nicht so hilfreich, man weiß nicht warum.

    Andere langjährige Freundinnen sind wiederum noch wichtiger geworden, tun mir gut, man weiß auch nicht warum.


    Ich bin auch immer ein im Voraus planender Mensch, aber manche Dinge, so glaube ich, muss man einfach auf sich zukommen lassen. Die lassen sich nicht planen.


    Ich wünsche dir einen kraftvollen Tag der dich trägt, jetzt im Moment.

    :24: Hedi

  • Liebe Nebelfrau, liebe Hedi,


    vielen herzlichen Dank für die Ermutigungen, die Ihr mir geschickt habt :):):)


    Das Leben ist ein mieser Verräter - das kenne ich als Film. Und er ist echt einfach großartig. So unheimlich lustig auch...


    Mir ist es eigentlich schon seit Jahren so gegangen, dass ich große Verlustängste hatte. Einfach weil Rudi so viel älter ist als ich. 12 Jahre - das ist nicht wenig. Außerdem ist es ja so, dass meine Eltern beide relativ jung gestorben sind, die Mutter im 47. der Vater im 61. Lebensjahr. Von da her also auch die Perspektive, dass die Lebensdauer eines Menschen (auch meine eigene möglicherweise) nicht unbedingt sehr lang sein muss.


    Es ist, als würde man langsam auf einen Abgrund zufahren. Er ist nicht in Sicht - und doch weiß man, man kann ihm nicht ausweichen. So ist es mit dem (früher oder später) bevor stehenden Abschied.

    Und weil man ja so viel Zeit hat (man fährt eben langsam), beginnt man, sich den Abgrund vorzustellen. Wie lang vor dem Absturz wird er sichtbar sein? Welche Haltung soll man gegenüber dem Unausweichlichen einnehmen? Gibt es nicht doch irgendwo Rettung? Und so weiter...


    Ja, liebe Hedi, ich weiß, dass man vieles nicht planen kann. Vieles ereignet sich überraschend, Positives und Negatives gleichermassen. Deshalb wäre es mir eben so wichtig, ein Vertrauen in das Leben zu entwickeln. Was halt andererseits schwer ist, wenn man bedenkt, wie übel es mir schon mitgespielt hat - das Leben.

    Und doch sehe ich dazu keine Alternative, als eben damit zu rechnen: dass es trägt.


    Mir fällt es nicht leicht, andere um Hilfe zu bitten. Und zwar nicht, weil ich das Gefühl habe, ich sei selber so besonders stark. Nein, das liegt in meiner Erziehung begründet: man hat mir immer vermittelt, ich soll anderen nicht auf die Nerven gehen, ich soll still sein, niemandem zur Last fallen.

    Und so halte ich mich zurück. Versuche, die schwierigen Dinge mit mir selber auzumachen. Bemühe mich, niemandem zur Last zu fallen. Das ist natürlich in meiner Situation kein besonders hilfreiches Verhaltensmuster - aber immerhin ist es mir bewusst, dass es sich hier um ein Muster handelt. Vielleicht ist das schon einmal ein Anfang.


    Ich halte mich nicht für besonders stark, einfach weil ich weiß, wieviel Kraft ich brauche, um Dinge emotional zu verarbeiten. Ich habe keine dicke Haut, denke viel nach, vieles geht mir näher als es gut ist. Aber so bin ich, un dich wüsste nicht, wie ich das ändern sollte.


    Tja - so ist das also momentan...

    Wobei ich sagen muss, dass es mir derzeit nicht so arg schlecht geht. Ich glaube, ich zehre noch von der so schönen Reise nach Prag.

  • Liebe StillCrazy,

    mir kam gerade ein seltsamer Gedanke und ich hoffe, dass er nicht wahr wird. Und trotz dem möchte ich ihn dir schreiben:


    Was wäre, wenn du vor Rudi sterben würdest?


    Und damit dann gleich der Gedanke:


    Was würdest du dir noch erwarten von deiner Zeit?

    Wie würdest du sie gestalten?

    Was wäre wichtig?


    Auch wenn dieser Gedanke nicht aufbauend ist, kann er vielleicht ein bisschen hilfreich sein - ich weiß es nicht.


    Schön, dass Prag so nachhaltig wirkt.

    Lg. Astrid.

  • Liebe Astrid,

    das ist in der Tat ein Gedanke, der beim ersten Lesen zumindest recht irritierend wirkt.

    Andererseits hast Du natürlich recht, dieser Fall könnte selbstverständlich eintreten.

    Was ich tun würde, wenn ich nur noch eine kurze Lebenszeit vor mir hätte - davon habe ich durchaus eine Vorstellung. Die werde ich hier aber nicht ausführen. Ich will mir einfach die Reaktionen ersparen, die dann möglicherweise darauf kämen. Nur soviel: ich würde anders leben als jetzt, deutlich weniger Abstriche machen, was die eigenen Interessen angeht.

  • Oje, das tut mir leid,

    wir können ihn wirklich gerne löschen.

    Mir kam dieser Gedanke nur dabei als du geschrieben hast, dass Rudi 12 Jahre älter ist und du deshalb immer schon ein bisschen diese Angst gespürt hast.


    Mich würde schon interessieren, wie du anders leben würdest und vielleicht auch als Gedankenanstoß: Was davon würde sich schon lohnen umzusetzen? Ich wünsche dir noch ganz viele Jahre und doch bleibt immer die Frage: "Wann beginne ich damit, so zu leben, dass mein Tod mich nicht überfallen sondern vollständig machen würde?" (Zitat eines ehemaligen Ausbildners von mir)

    Das musst du natürlich nicht hier schreiben, wenn du nicht magst. Wobei es mich ein bisschen traurig macht, dass aus Angst vor den Reaktionen der anderen Usern Beiträge zurück gehalten werden. (Das hat wiederum nichts mit dir zu tun - ist nur mein Gefühl)


    Sei lieb gegrüßt

    Astrid.


    Ps. Schreib mir bitte, ob ich es löschen soll, damit du es nicht dauernd vor Augen hast.

  • liebe StillCrazy<3


    keineswegs brauchst du von meiner Seite her eine negative Reaktion auf dein Leben, welches du verändern möchtest:thumbup:<3 erwarten...


    Noch einmal zu den "Wehwechen"... Selbst ich, mit einem wirklich nicht "berühmten Herzbefund" , betrachte das mehr als ein "Wehwehchen", weil ich durch Medikamente und eine gute Lebensweise , das einigermasen "in Schach" halten kann...


    Wenn jemand wie dein Rudi und mein Burkard damals im finalen Stadium einer Krebserkrankung ist... kann er das leider nicht mehr..


    es ist NIE bei mir so dahin geschrieben

    Namaste ... ich grüsse das göttliche in dir

    Shanti .... Frieden

    Shima ... ich wertschätze dich

  • Liebe Astrid,


    nein - Du kannst es ruhig stehen lassen. Es rutscht ja eh dann aus dem Gesichtsfeld - und der Gedanke hat ja auch seine Logik. Ich hatte nur letzte Nacht einen wirklich bösen Albtraum, habe heute & morgen Arzttermine wegen meiner Blutwerte - da hat das, wie gesagt, einen etwas bitteren Cocktail ergeben.


    Was ich machen würde... weniger sparen zum Beispiel, mir mehr zugestehen. Aber das möchte ich hier derzeit nicht im Detail ausführen. Vielleicht später einmal.


    Liebe Claudia Amitola,


    vielen Dank für Deine Worte. Ich nehme sie gerne an und vertraue Dir auch. Danke auch für die Klarstellung mit den Wehwehchen. Ich kenne das von mir selber: z. B. wenn ich im Winter eine rote Nase habe, sage ich (über mich selber), das sieht ja unvorteilhaft aus. Kein Problem. Ich würde das aber nie zu einer anderen Person mit roter Nase sagen: Du siehst unvorteilhaft aus. Es ist ein Unterschied, ob man über sich selber spricht oder über andere.

    Trotzdem: ich verstehe jetzt, wie Du es gemeint hast.




    Es ist so: Nebelfrau meint, ich triggere mit meinen klaren Worten, rufe alte Verletzungen wach (wenn ich das richtig verstanden habe). Und ich möchte nicht riskieren, andere wieder mit einem derartigen Trigger zu konfrontieren - und dann dafür harsche Reaktionen zu ernten. Es haben ja mehrere auf meine Einträge in einer Weise reagiert, die mir nicht geholfen hat. Und das möchte ich in Zukunft vermeiden.


    Ich bin im Moment nich gar zu gut drauf. Hatte, wie gesagt, einen bösen Albtraum (in der Nacht von vorgestern auf gestern auch schon). Dazu kommt, dass ich jetzt versucht habe, mit Rudis Arzt Kontakt aufzunehmen und ihn von dessen Depressionen zu berichten. Das Ergebnis war nicht zufriedenstellend - ich wurde von der Ordinationshilfe abgewimmelt. Ich könnte heulen!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

    Nun habe ich Angst, dass der Arzt sagt: Ihre Lebensgefährtin hat angerufen und gesagt...

    Dann wäre er wohl ganz furchtbar böse auf mich und würde sich völlig in sich zurück ziehen (ich kenne diese Reaktion von ihm nur zu gut). Seit ich aus Prag zurück gekommen bin, war es ja zwischen uns etwas besser. Ich denke, er war aufgeschlossener, weil er mich während meiner Abwesenheit vermisst hat.

    Ich weiß nicht, wie das jetzt weitergehen wird. Wie gesagt: ich könnte nur heulen, habe auch jetzt Tränen in den Augen.

    Aber ich muss ja arbeiten...

    Es ist grad ein Jammer!

  • Dank Dir, Du Liebe... :)

    Hab dann noch alles halbwegs hingekriegt, auch mit Hilfe meiner großartigen Therapeutin, die ich in Notfällen anrufen darf. Sie ist ein Goldschatz!

    Der Traum hat wohl was mit (unterdrückten) Aggressionen zu tun. Bei Krebs sagt man ja auch: aggressiv, bösartig. Beides macht Angst. Wir haben zu dem Traum verschiedene Theorien gesponnen, aber diese war dann die befreiende. Da hat sich die Bedrohung dann aufgelöst. Zum Glück!

    Um den Tag gut ausklingen zu lassen, war ich dann noch shoppen. Fast alles zum halben Preis ^^

    Dir auch eine gute Nacht und morgen einen feinen Ferientag.

    Hoffe, Deiner Mama geht es besser!

  • Wie schön...dass dir meine Gedanken etwas Mut gemacht haben! <3


    So interessant Astrids Gedankenspiel ist, ich möchte eine andere Meinung dazu stellen.

    ich persönlich bin der Meinung, dass man den eigenen Tod nicht denken kann und vielleicht in ohnedies belasteten Situationen auch nicht unbedingt denken muss.


    Wozu sich das antun?

    Und ganz bestimmt hätte ich mir das in einer schwierigen Situation ,wie der Pflege eines kranken geliebten Menschen, bei mir meine Mutter, nicht angetan. Da braucht man jede Kraft zum Durchhalten, finde ich. Es ist schlimm genug auszuhalten zu wissen, dass der andere schwer krank ist, und kein Stein auf dem anderen bleibt.


    Wozu sich selbst destabilisieren?


    Ich kann jetzt , zwei Jahre danach, auch über solche Dinge nachdenken weil ich wieder die Kraft dazu habe.


    Yaloms Frage (er bietet ganz guten Trost, ich erwähne ihn halt immer wieder) bei existenziellen Krisen...was würden sie in 5 Jahren bereuen nicht getan zu haben, finde ich persönlich freundlicher. Aber, das ist Geschmackssache.


    Ich bin auch der Meinung das Leben trägt, so wie eben immer Sauerstoff oder die Schwerkraft da ist. Wo Leben ist, kann der Tod nicht sein.


    Ich glaube wenn es mich einmal erwischt, dann ist das ein natürlicher Prozess, darauf vertraue ich. Das war auch bei meiner lieben Mutter so, sie hat es mir gezeigt.

    Derzeit freue ich mich dass ich mit meinen geliebten Menschen zusammen sein kann und empfinde das Leben intensiver, bin sehr dankbar dafür.


    Das war aber bevor meine Mutter gegangen ist, viel viel schmerzhafter. Diesen Frieden bekam ich erst mit der Trauer.


    Dass so ein möglicher Abschied sich wie ein Abgrund anfühlt, kann ich sehr sehr gut verstehen. Ich hatte dieses Gefühl auch, wie gesagt für mich war es das klassische "Damoklesschwert" - oft kaum auszuhalten. Immer zu denken...wie wird das in einem Jahr sein...was soll ich noch tun, werden wir das nochmal machen...ich habe solche Gedanken bewusst auch weg geschoben und habe versucht einfach zu genießen, einen gemeinsamen Kuchen mit Kaffee...eine Blume, einen kleinen Spaziergang, eine ruhige Nacht.

    Kannst du dir irgendwie merken was du genießen kannst?


    Also, was deine Offenheit angelangt: bitte mein Versuch einer Erklärung soll dich bitte nicht abhalten. Ich hab einfach versucht versöhnlich zu sein, weil mir das am Herzen liegt.

    Ich denke du hast eine wichtige Information gegeben: dass du oft das Gefühl hattest zu schweigen, bzw. schweigen zu müssen um jmd. anders nicht zu belasten.

    Das ist hier nicht so. Die Leute schreien natürlich "au" und "stopp" aber deshalb kann man - nach einer Auseinandersetzung - die passieren kann, doch trotzdem oder gerade jetzt befreit sagen, was man fühlt. Vergiss das blöde Wort "triggern" bitte.


    Garantie für heftige Reaktions-prävention gibt es keine. Das Forum ist offen, wir wissen nie wer was wie liesst. Aber wenn du schreibst: ich halt es nicht mehr aus und würd am liebsten davonlaufen ... ja, das ist nachvollziehbar.

    Oder was auch immer du schreiben willst.

    Dass auch Menschen da sind die dich stärken, das weißt du ja jetzt.


    Ich finde es schön dass ihr nach Prag eine gute Zeit hattet.

    Und ja, ihn zu beeinflussen, das ist schwer...das reibt auch auf...zu wissen was dir gut tut, das fest zu halten und zu nützen, das kannst du tun. Schau du gut auf dich...bei Rudi, allein dass du da bist ist schon genug...und wenn du kraft tankst dann kannst du auch so da sein, dass ihr beide eine Freude dabei habt...und das soll es doch auch sein, oder?


    Und , das Buch ist wirklich besser als der Film. Wirklich!


    Hast du schon eine Idee woran du spürst dass dich das Leben trägt oder wie du es definierst... ein Netz an Beziehungen...ein vertrauter Ort der dir Kraft gibt (Prag)....die Freude an deiner Arbeit, Kreativität....?


    Ich wünsche dir weiterhin alles Gute

    und viel Kraft


    Liebe Grüße!

    <3

    ...

    Die Wahrheit triumphiert nie, nur ihre Gegner sterben aus (Max Planck)


    rilke.de/briefe/160703.htm


    VORÜBUNG FÜR EIN WUNDER


    Vor dem leeren Baugrund
    mit geschlossenen Augen warten
    bis das alte Haus
    wieder dasteht und offen ist

    Die stillstehende Uhr
    so lange ansehen
    bis der Sekundenzeiger
    sich wieder bewegt

    An dich denken
    bis die Liebe
    zu dir
    wieder glücklich sein darf

    Das Wiedererwecken
    von Toten
    ist dann
    ganz einfach

    (Erich Fried)

  • PS schön dass du eine Notfall-Therapeutin hast!

    Ich hatte / habe auch so eine wunderbare Frau in meinem Leben, und es gibt wirklich ein gutes Gefühl, ist etwas ganz Besonderes...und allein der Gedanke daran hilft mir oft, zu wissen, dass ich sie habe.


    Und Mist, ich habe schon wieder so viel geschrieben, wie so ein kaputter Tennis-ball Automat.

    Plopp. Plopp. Plopp. Plopp.


    Gute nacht und schöne Träume! <3

    Die Wahrheit triumphiert nie, nur ihre Gegner sterben aus (Max Planck)


    rilke.de/briefe/160703.htm


    VORÜBUNG FÜR EIN WUNDER


    Vor dem leeren Baugrund
    mit geschlossenen Augen warten
    bis das alte Haus
    wieder dasteht und offen ist

    Die stillstehende Uhr
    so lange ansehen
    bis der Sekundenzeiger
    sich wieder bewegt

    An dich denken
    bis die Liebe
    zu dir
    wieder glücklich sein darf

    Das Wiedererwecken
    von Toten
    ist dann
    ganz einfach

    (Erich Fried)