Tod meiner Mutter

  • Liebes Forum,


    ich bin neu hier nachdem ich eine Plattform gefunde habe, mich über den Tod meiner Mama auszutauschen. Eine konkrete Frage oder Antwort erhoffe ich nicht, aber ich würde gerne mal das was mich bewegt vom Herzen schreiben:


    Meine Mama starb am 31.1.2019 nach langem Leiden. Ca 2005 ist bei ihr eine Form von Alzheimer-Demenz ausgebrochen, da war sie Ende 40 und ich war 14 Jahre alt (jetzt bin ich 28). An den Folgen der Demenz und nachdem sie schon länger keine Nahrung mehr aufnehmen wollte und konnte, und in den letzten Tagen vor ihrem Tod der Körper keine Kochsalzlösung mehr aufgenommen hatte, ist sie leider mit 63 verstorben.

    Die letzten Tage waren sehr qualvoll, ich war so gut wie jeden Tag da und es tut mir in der Seele weh, dass sie selbst da so leiden musste. Ihr ganzes Leben verlief leider sehr unglücklich und ihr ging es seelisch schon sehr schlecht, bevor die Demenz ausbrach. Ich war damals auch ein sehr schwieriges Kind, vor allem war ich sehr frech zu meiner Mama und erst im jungen Erwachsenenalter wurde ich vernünftig und war nicht mehr frech, da war meine Mama aber schon stark dement. Damals wurde ich nicht wirklich aufgeklärt was los ist und wurde sauer, dass sich meine Mama so "angestellt" hatte. Und als ich das dann wusste was los ist, habe ich das lange Zeit nicht so richtig verstanden und konnte damit lange nicht umgehen. Mich plagen sehr starke Schuldgefühle wie ich mit meiner Mama umgegangen bin. Und ich hab sie in der Demenz-WG (in der hat sie 2010-2019 gelebt) immer mal wieder besucht, zum Schluss öfters, aber im Nachhinein nicht oft genug finde ich, aber auch da habe ich mich meistens recht distanziert ihr gegenüber verhalten. Der Grund war wohl, dass ich versucht habe das alles nicht an mich heranzulassen, das kam erst jetzt nach ihrem Tod dass ich alles an mich herangelassen habe. Und mir hat irgendwie die nötige Reife gefehlt. Ich hätte ihr jetzt im Erwachsenenalter noch so viel zu sagen, so vieles wieder gutzumachen und vor allem hab ich das Gefühl dass ich ihr nie gezeigt habe wie lieb ich sie eigentlich habe. Und ich vermisse sie sehr und ich muss noch sehr viel weinen.

    Familiär fühle ich mich jetzt auch noch einsamer, ich habe einen älteren Bruder, der allerdings 100% geistig schwerbehindert ist und in einer Behinderten-WG lebt, und einen Vater der 2011 in die Karibik ausgewandert ist und mit dem ich nur ein sehr oberflächliches Verhältnis habe. Da gibt es leider keinen Halt und ich denke mal meine Abgekühltheit nach Außen in meiner Jugend/mit Anfan 20 kam durch den nicht einfachen familiären Umständen. Diesbezüglich habe ich mich aber sehr verändert, nur leider zu spät. Ich kann nicht sagen was sie noch realisiert hat und ob sie mich in den letzten 2-3 Jahren vor ihrem Tod noch erkannt hat, ich habe mich ihr da allerdings gegenüber schon geöffnet und ab und zu gesagt dass ich sie lieb hab. Richtig reflektiert habe ich allerdings alles erst in den letzten Monaten nach ihrem Tod.


    Liebe Grüße

  • Hallo blondblau, zuerstmal mein Beileid für dich und auch viel Kraft für deine Trauer.

    Ich kann dich nur allzugut verstehen, wenn du schreibst das dich Schuldgefühle plagen weil du als Kind frech zu deiner Mutter gewesen bist.


    Es gibt sogar reife, erwachsene Männer die frech zu ihrer alten Mutter gewesen sind, da müsstest du dich nur mich anschauen. Und mich plagen heute auch Schuldgefühle weil ich mich so verhalten habe und meine Mama das absolut nicht verdient hatte.

    Als Kind ist das noch eher zu verstehen, du bist heran wachsend gewesen und noch nicht reif gewesen.

    Als Kind bin ich auch nicht immer brav gewesen, und meine Mama holte sogar mal den Kochlöffel ...darüber würden meine Mama und Ich heute aber nur lachen. Lausbub halt und das bist du halt auch gewesen, dass wird dir deine Mama nicht krumm genommen haben.


    Ich kann auch gut nachvollziehen und verstehen was deine Gefühle betrifft und was du deiner Mutter noch alles gerne gesagt hättest und das du sie lieb gehabt hast.

    Wir Männer haben oft einfach ein Problem unsere Gefühle zum Ausdruck zu bringen..einfach mal sagen, Mama ich habe dich sehr lieb zb oder verzeih mir das ich mal wieder gemein zu dir gewesen bin, du weisst was ich meine.

    Mit mit meinen nun 52 Lenzen erging es auch so..nun würde ich mit meiner Mama so gerne über diese Dinge reden, keine oberflächlichen Gespräche führen, und sie auch ganz fest drücken und Danke das es dich gibt sagen.

    Aber.....das geht auch bei mir nun nicht mehr.

    Behalte deine Mama immer in deinen Herzen und sie wird als du zu ihr gegangen bist, egal wie oft, gewusst haben das Du sie lieb hast. Demenzkranke bekommen auch noch etwas mit auch wenn wir das nicht glauben.


    Alles Gute wünsche ich dir...

  • Hallo blondblau!

    Erst mal mein Beileid.

    Ja es ist sehr schwer eine Mutter zu verlieren,das habe ich selber mitgemacht.Doch deine Mutter hat dich noch erkann,aber sie konnte es nur nicht zum Ausdruck bringen.Ich arbeite im Heim und wir haben soviele Bewohner die unter Demenz leiden.Meine Schwiegermutter hatte auch Demenz und ist auch nach kurzer Zeit verstorben und mein Schwiegervater hat immer gedacht,sie stellt sich nur so dumm an,aber er hat nicht begriffen,das es die Krankheit war,für die sie nichts konnte und es war sehr schwer für ihn damit klar zu kommen.Deine Mutter wußte auch ganz sicher,das du sie geliebt hast.Ja und wenn ein Mensch von uns gegangen ist,dann kommen immer diese Fragen,hätte ich ,warum hab ich nicht,ich wollte doch noch.............usw.Aber für deine Mutter war es eine Erlösung,wenn sie auch noch viel zu jung war,aber sie hätte nichts mehr vom Leben gehabt,denn sie hat ja gar nicht mehr richtig teilgenommen.Behalte sie in guter Erinnerung,spreche von ihr über die schönen vergangenen Zeiten.Ich wünsche dir ganz viel Kraft und hier kannst du alles schreiben.

    Ja Dieter!

    Das hat mein Mann auch immer gesagt,das er kein Gefühl dafür hat und er konnte auch mit der Demenz seiner Mutter schlecht umgehen und konnte nicht glauben,das das seine Mutter ist .Ja das ist eine schlimme Krankheit und es gibt keine Heilung.Wir haben soviele im Heim mit Demenz und es gibt soviel unterschiedliche Sorten von Demenz.Ja das Leben ist schon ungerecht.LG Helga

  • Liebe blondblau! Mein herzliches Beileid zu deinem großen Verlust! Ich glaube, als Kind/Jugendlicher kann man mit so einer Krankheit sehr schwer umgehen, da bräuchte man eigentlich seine Mama zur Unterstützung und muss eigentlich selbst für sie da sein! Ich kann mir vorstellen, dass man erst später diese Krankheit verstehen kann! Ich wünsche dir viel Kraft!<3 LG Andrea

  • Liebe blondblau! Mein herzliches Beileid zu deinem großen Verlust! Ich glaube, als Kind/Jugendlicher kann man mit so einer Krankheit sehr schwer umgehen, da bräuchte man eigentlich seine Mama zur Unterstützung und muss eigentlich selbst für sie da sein! Ich kann mir vorstellen, dass man erst später diese Krankheit verstehen kann! Ich wünsche dir viel Kraft!<3 LG Andrea

    Danke! Ja, vielleicht hätte ich im Erwachsenenalter das alles ebenso wenig realisiert, das ist ja keine Krankheit wie Krebs, und ohne diese Erfahrung wäre ich jetzt vielleicht ein anderer Mensch, vielleicht noch immer nicht so feinfühlig. Es wird noch lange dauern bis ich mit dem Tod klarkomme, ich vermisse sie so sehr.

  • Meine Mutter bekam Ihre Diagnose Lungenkrebs Anfang 2016 und ist dann leider kurz vor Weihnachten 2016 von uns gegangen, damals war ich 24.


    Auch mir ging und geht es noch ähnlich mit dem schlechtem Gewissem, sei es nur wenn ich ihr mal nicht zugehört habe und "wichtigeres" zu tun hatte.


    Andererseits weiß ich, dass meine Mutter über solch Dinge niemals sauer wäre und jeder Mensch Fehler hat und wir nie in jeder Situation richtig reagieren können.

    Trotzdem schmerzen mich diese Situationen die ich im Gedanken abspule und denke wie ich am liebsten in dieser Sekunde jetzt reagiere würde.


    Ich vermisse meine Mutter auch sehr und versuche gerade irgendwie den Klang ihrer Stimme meiner Erinnerung nach zu hören..


    Wünsche dir trotz der schlimmen Erfahrung Alles Gute

    Lg Michi

  • Enigma_93 Das tut mir sehr Leid dass du auch sowas durchmachen musst. Irgendwie gehen da Herz und Verstand gerne mal getrennte Wege. Wir müssen dann wohl beide lernen zu akzeptieren dass das was war nicht mehr rückgängig zu machen ist.

    Bei mir sind die ganzen Emotionen der letzten Jahre auch erst 2-3 Monate nach ihrem Tod ausgebrochen, als ich mir erlaubt habe wirklich alles an mich heranzulassen und über alles nachgedacht habe. Und mit "jeder Mensch hat Fehler und wird nie in jeder Situation richtig reagieren können" ist wohl absolut war, sonst wäre das Leben ohne Krieg, ohne Probleme generell.. das liegt wohl in der Natur des Menschen.

  • Wären diese nun 7 Wochen für mich nur eine Lehrphase, ich mich nun quasie nicht in der Realität befinden würde und meine Mama nun plötzlich wieder kommen würde, dann würde ich ganz sicher aus menschlicher Sicht einiges so nicht erneut sagen.

    Diese, ich nenne es mal nicht Fehler, sondern einfach nur gemeines Verhalten, sich nicht unter Kontrolle haben, garantiert so nicht mehr vorkommen lassen gegenüber meiner Mama. Zumal es auch total ungerechtfertigt gewesen ist und ich es ja nicht mal so gemeint habe.


    Heute verstehe ich mich selber nicht wieso ich Dinge zu meiner Mama gesagt habe, die ich im Grunde in meinem Herzen genau entgegen gesetzt gefühlt habe.

    So als würde man zu Jemanden sagen ich hasse dich, dabei liebt man ihn.


    Und mein Verstand hat mir da manchmal ganz schön einen bösen Streich gespielt, und in Bezug auf meine Mama, würde ich nur noch auf mein Herz hören und den Verstand da ganz Aussen vor für andere Dinge belassen

    Mein Herz schreit nun nach meiner Mama und mein Verstand weiß, das es Fehler gemacht hat die nicht mehr rückgängig zu machen sind oder entschuldbar sind. Und auch mein Verstand würde sich nun nach dem was mein Herz sagt richten.


    Leider ist es die Realität in der ich angekommen bin und meine Mama wird leider nicht zurück kommen und mein Herz wird weiter nach ihr rufen und trauern und mein Verstand...der ist ebenso nun sehr betrübt und weiß das er Fehler gemacht hat welche er sich selber nicht verzeihen kann.

  • Lieber Dieter, auch ich brachte meine Mutti nicht mit dem Gedanken ins Krankenhaus, damit sie dort sterben wird, ich wollte nur, dass ihr geholfen wird. Und dann kam dort ein Schock nach dem Andern. Aber zuerst sollte sie nach 6 Wochen entlassen werden. Bei der Chefarztvisite fragte ich, -und wo kommen dann die starken Bauchschmerzen her? Könnte man Mutti nicht mal in die Röhre tun und danach schauen? Der Chefarzt, welcher auch mich am Herzen operierte, ordnete es gleich für den nächsten Tag an. Und prompt folgte die Schreckensbotschaft, Mutti hatte Krebs. Riesengroße Geschwüre im Bauch und schon im ganzem Körper. Da wusste ich, dass sie sterben wird. Und danach ging es dann Schlag auf Schlag weiter. Mutti bekam Blut im Stuhl, fing noch einen Krankenhauskeim ein, eine Lungenentzündung und Blutvergiftung. Es war schrecklich, Mutti so leiden zu sehn und nichts tun zu können als ihre Hand zu halten und ihr den Mund zu säubern und befeuchten. Sie schaute mich dabei dankend an. Mir zerriss es das Herz. Sie aß nichts mehr. Ich konnte damals auch nichts mehr essen. Es war die schrecklichste Zeit meines Lebens. Diese Bilder, werde ich niemals vergessen. Auch ich habe manchmal schreckliche Worte zu meiner Mutti gesagt, welche ich bis heute noch bereue. Aber das gehört zum Menschsein dazu. Mein Bruder erklärte es mir so: - wie sehr er doch seine Kinder liebe, aber könnte sie manchmal an die Wand klatschen, aber er liebe sie immer noch. Er meinte auch, wenn Mutti wieder zurück kehren würde, würden wir uns spätestens nach 6 - 8 Wochen auch wieder zoffen. Das gehört zum Menschsein dazu. Ich glaube, so ganz Unrecht hatte er damit nicht, obwohl ich selbst auch manchmal denke, ich würde jetzt Vieles anders machen. Aber die Chance kommt nicht mehr. Aber Eines ist sicher Dieter, unsere Mütter möchten nicht, dass wir uns den Rest unseres Lebens mit Schuldgefühlen herum plagen. Das würde sie sehr traurig machen. Da wo sie jetzt sind, ist alles schon lange vergeben und vergessen. Nur Du kannst Dir nicht selbst vergeben. Sag es Deiner Mama, welche Schuld Dich so sehr belastet. Sag es ihr, laut, und höre in Dich hinein, was sie Dir antworten würde. Sie möchte nicht, dass Du so sehr leidest. Leidest Du, dann leidet sie auch. Du machst sie glücklich, wenn Du Dir selbst verzeihst, und Dein Leben weiter lebst. Sie freud sich, wenn Du an sie denkst, wo ihr Beide miteinander gelacht habt. Gib diesen Erinnerungen Raum in Deinem Herzen. Deine Mama würde Dir bestimmt sagen, -mein Junge, plag Dich nicht so mit Schuldgefühlen herum. Fehler gehören zum Leben dazu. Auch ich habe Fehler gemacht. Lass uns an die schönen, gemeinsame Zeiten denken. Die hatten wir mein Junge. Lass diese in Deinem Herzen erblühen und glaub mir, da gibt es nichts zu verzeihen. Denn die Liebe heilt alles. Ich liebe Dich und bin Dir so dankbar, dass Du immer für mich da warst. Bitte mein Junge, gib diese Gedanken auf, und vertraue unserer Liebe, welche größer und mächtiger ist als alles Andere. So oder so ähnlich würde Deine Mama heute zu Dir reden. Meine Mutti hätte auch nicht gewollt, dass ich mich den Rest meines Lebens schuldig fühle. Ich hab es auch getan. Gib Deine Schuld ab, ab an Gott. Glaub mir, Er hilft Dir und Deine Mama auch. Du schaffst das Dieter. Da bin ich mir ganz sicher. Und Deine Mama ist so stolz auf Dich.


    Alles Liebe

    Kraft und Zuversicht

    für alle

    Kornblume