Verzerrte Erinnerungen und Gefühle.

  • Die Worte von Katarina kann ich dick unterstreichen.

    War bei mir alles sehr ähnlich.

    Ich werde für Dich beten. Ich hoffe das ist okay für Dich.

    Alles Liebe

    Kornblume

  • Wieder zum Thema, entschuldigt schon vorab, ich fürchte das wird gleichermaßen wirr wie selbstfokussiert, aber mich interessieren eure Gedanken dazu.


    Ich hatte vor ein paar Tagen einen Termin bei einer Therapeutin, in erster Linie wegen meiner Schwierigkeiten mit meinem Bewusstsein und meinen Erinnerungen. Es ist die zweite Therapeutin, die ich deswegen aufsuchte.


    Die erste Therapeutin, mit der ich darüber sprach, war leider gar nicht mein Fall. Wahnsinnig freundlich, für mein Empfinden beinahe übertrieben freundlich, nervtötend gut gelaunt und primär daran interessiert, ihren Schreibtisch aufzuräumen und parallel dazu aufzumuntern, zu trösten, gute Energie zu versprühen (- ihre eigene Aussage) und jeden auch nur ansatzweise negativen Gedanken, den ich versuchte in Worte zu fassen, sofort mit einer plüschigen Metapher im Keim zu ersticken, die sicher tröstlich gemeint war, aber mir absolut nichts bringt. Schwer genug mit einer fremden Person über all das zu sprechen, aber dieser Frau ging es gar nicht darum zuzuhören und darauf einzugehen. Für mich hat das überhaupt nicht gepasst.


    Nun vor zwei Tagen die zweite Therapeutin. Vom ersten Eindruck her ganz anders, sehr zurückhaltend, fast distanziert und kühl, schon beim Klären der Formalitäten sehr analytisch. Cool, dachte ich, das brauche ich. Analytisches Feedback von jemandem, der Ahnung und Distanz hat. Ich versuchte also zu erzählen und zu erklären. Fällt euch das eigentlich auch so verdammt schwer? Wann immer ich versuche, zu erklären, was mir meine Freundin bedeutet und was folglich ihr Verlust bedeutet, fällt mir entweder gar nichts ein oder aber ich rede und rede und brauche und verbrauche hunderte, tausende, zehntausende Worte, aber weiß genau, dass sie niemals den Kern treffen werden. Kennt ihr das?

    Wie auch immer. Die Therapeutin hörte sich erst meinen Versuch einer Erklärung an, überwiegend ging es eben um das Problem mit verschwommenen, fehlenden, vielleicht falschen Erinnerungen und meine Unfähigkeit einzuschätzen, wie unser Leben und unsere Beziehung tatsächlich war. Ich habe nichts Konkretes über meine Freundin gesagt, nichts Konkretes über unsere Beziehung und nichts Konkretes über mich. Es ging erstmal nur um die Tatsache, dass sie nicht mehr da ist, und die Problematik mit den verzerrten Erinnerungen. Als ich fertig war, mit dieser Erklärung und auch ein bisschen mit den Nerven, sagte die Therapeutin im Grunde genommen sinngemäß, meine Verwirrung wäre kein Symptom von Trauer (- ich sagte zuvor, dass das alles vielleicht so ist, weil ich so traurig bin und es sich insgesamt sehr auf mein Denkvermögen schlägt), sondern ein Symptom, das auf eine Schieflage in unserer Beziehung hinweisen würde. Denn hätte es dieses Ungleichgewicht nicht gegeben, gäbe es keinen Grund für mich rückblickend an allem zu zweifeln. Es hätte auch nichts mit Denken zu tun, sondern einem Gefühl, das bislang im Unbewussten lag. Dass ich zweifle und unsicher bin, würde beweisen, dass unsere Beziehung nicht glücklich und nicht okay war, was man - steckt man mittendrin - oft nicht wahrhaben will und alles, was dafür spricht, erfolgreich ausblendet und verdrängt. Dann sprach sie über das Stockholm-Syndrom und erzählte, dass man es vom Prinzip her auch auf unglückliche Beziehungen umformen kann. Man arrangiert sich und verherrlicht und erst viel später und danach sieht man die deutlich schlechtere Realität. Sie sagte noch einiges mehr, aber an der Stelle ging mein Gehirn in den Standby-Modus und konnte einfach nicht mehr aufnehmen, was sie sagte.


    Bis jetzt weiß ich nicht, was ich darüber denken soll. Fakt ist, die Frau kennt uns nicht. Ich habe ihr nichts über uns erzählt, nichts über uns als Menschen, nur über die Tatsache, dass ich nicht weiß, ob mein Erinnerungsvermögen gestört ist oder nicht. Alles in mir wehrt sich gegen ihre Aussagen, aber zugleich kommen mir schon Gedanken wie: vielleicht hat sie recht? Wäre alles gut gewesen zwischen uns und hätten wir keine Probleme gehabt, könnte ich mir jetzt sicher sein, gut zu meiner Freundin gewesen zu sein, alles für sie getan zu haben, sie geliebt zu haben wie sie es verdient. Aber vielleicht bin ich so unsicher und verwirrt, weil es tatsächlich anders war und ich versagt habe. Nach diesem Termin war für mich klar, dass ich nicht wieder dahin gehen möchte, aber jetzt bin ich auch diesbezüglich unentschlossen, weil ich vielleicht einfach Angst vor der Wahrheit habe. Was ich jedenfalls bereue: ihr Vergleich mit dem Stockholm-Syndrom, mir wurde das erst viel, viel später klar, sollte aussagen, dass ich die Geisel meiner Freundin war und erst jetzt, nach der Befreiung aus der Beziehung, sehe, was schlecht war. Das ist nicht nur falsch (absolut und vollkommen falsch!), sondern eine bodenlos unverschämte, schlimme, respektlose Aussage und ich habe meine Freundin nicht in Schutz genommen und verteidigt. Ich will mich nicht rausreden, aber in der Situation war ich wie paralysiert. Aber allein deswegen werde ich wahrscheinlich noch einmal dahingehen. Um das richtigzustellen.


    Parallel zu dieser Erfahrung las ich in den letzten Tagen viel über die Funktionsweise des Gedächtnisses, Erinnerungsverfälschung und False Memory Syndrome. Das kam mir eigentlich ganz hilfreich vor, dieser Versuch zu verstehen, was im Gehirn und im Gedächtnis in Sachen Erinnerungsvermögen schief laufen kann. Maike hatte das ja auch schon vorgeschlagen.

    Am Ende hilft es aber wahrscheinlich auch nur begrenzt, wenn man einfach nicht weiß, was mit dem eigenen Gedächtnis los ist und ob es wirklich ein kognitives Problem ist. Bei Interesse kann ich trotzdem ein paar Links hier einstellen.


    Liebe Grüße und danke für's Lesen. Sturm

  • Liebe Sturm


    Es gibt keine falschen oder richtigen Erinnerungen. Erinnerungen sind auch immer eine Art Interpretation. D.h. wir sehen etwas schlechtes oder gutes oder nehmen einfach ein Wort aus einem Gespräch raus.


    Ohne eine Interpretation wuerden wir einfach eine Situation sehen ohne sie zu bewerten... also wie ein Film ohne Kommentator.


    Was wir aber tun können ist...reinfuehlen....


    Was wirklich der Partner/Partnerin empfunden hat können wir nicht wirklich wissen aber was wir empfunden haben!



    Was mich betrifft wenn ich die Worte der Therapeuten höre denke ich dass da was dran sein könnte. Bei mir zumindest war es so, dass in unserer Beziehung vieles nicht mehr stimmte.


    An sich ist ihr Vergleich mit dem Stockholm-Syndrom etwas extrem... Höre einfach auf dein Gefuehl ob die Therapeutin gut fuer dich ist oder nicht. Das wichtigste sind eigentlich nicht die Aussagen, sondern dass Du dich sicher, geboren und verstanden fuehlst.


    Sei lieb gegruesst


    Katarina

  • Liebe Sturm! Ich antworte jetzt einfach aus dem Bauch heraus, eine Therapeutin hat ja ihren Beruf erlernt, aber deswegen muss sie nicht immer richtig liegen!


    Ich glaube schon, dass deine Verwirrtheit über deine Gefühle und eure Beziehung aus der Trauer kommen! Du hattest einen plötzlichen Verlust, du hast deine Freundin nicht mehr sehen und keinen Abschied nehmen können und ich glaube schon, dass das ein riesengroßes Trauma ist, das du gerade irgendwie versuchst zu verarbeiten! Ich finde den Vergleich mit dem Stockholm-Syndrom auch eher extrem, va. warst du einmal dort und die Therapeutin weiß ja nicht wirklich etwas von eurer Beziehung, nur über deinen momentanen Gefühlszustand!


    Vielleicht nutzt es dir, wenn du dir eine Liste machst und aufschreibst, was für dich in eurer Beziehung gepasst hat und was nicht gepasst hat bzw.was du jetzt hinterfragst! Mir hilft Aufschreiben immer, aber ich weiß nicht, ob das in deiner Situation eine Hilfe ist!


    Kannst du dir vielleicht Fotos deiner Freundin ansehen bzw. Fotos, wo ihr gemeinsam drauf seid? Wie hast du dich da gefühlt? Warst du glücklich? Sieht deine Freundin glücklich aus? Vielleicht kannst du dich an die schönen Momente erinnern?


    In jeder Beziehung und in jedem Alltag gibt es Phasen, die gut und nicht so gut sind! Aber ich bin sicher, dass du es gewusst hättest, wenn etwas nicht gepasst hätte in eurer Beziehung und deine Freundin nicht glücklich gewesen wäre!


    Das waren jetzt nur so auf die Schnelle meine Gedanken dazu, ich drück dich mal! :30:

    LG Andrea

  • Es gibt keine falschen oder richtigen Erinnerungen. Erinnerungen sind auch immer eine Art Interpretation. D.h. wir sehen etwas schlechtes oder gutes oder nehmen einfach ein Wort aus einem Gespräch raus.


    Ohne eine Interpretation wuerden wir einfach eine Situation sehen ohne sie zu bewerten... also wie ein Film ohne Kommentator.

    Genau das ist leider das Problem.

    Es geht nicht um eine Interpretation. Zumindest nicht nur um eine Interpretation. Für mich geht es wirklich um falsche und richtige Erinnerungen und um Realität und Nicht-Realität. Also (auch, aber) weniger um: wie empfinde und sehe ich das, was war, heute - sondern mehr um: war das, was ich heute denke zu sehen (/ zu erinnern), wirklich? War es nicht? Ist das zwischen uns so passiert? War sie so, war ich so? Ich verstehe, dass es für Außenstehende vollkommen verrückt klingt, aber da sind so viele Lücken und schwarze Löcher und dann eben Erinnerungen, bei denen ich wirklich nicht mehr sagen kann, ob das so stattgefunden hat oder anders oder gar nicht.

    Anders: wenn mir jemand, der uns beide kannte, sagt: "Ich habe euch zusammen so wahrgenommen.", kann ich weder bejahen noch verneinen. Kein Gefühl dazu, klingt alles gänzlich fremd und nicht nach uns. Das ist so schrecklich. Aber vor allem geht es mir natürlich um all jenes, das nur zwischen uns beiden war. Und leider ist man, die hier gebliebene, übriggebliebene Hälfte, nun der einzige von zwei Zeugen. Wahrscheinlich sind es am Ende einfach die ganz elementaren Fragen, die man so sehnlichst beantwortet haben möchte und deren Antworten man in den Erinnerungen sucht. Wusste sie, dass ich sie liebe und wie sehr? War sie noch glücklich mit unserem Leben? Wollte sie das alles noch? Hat sie mich noch geliebt? Kann sie mir verziehen? Aber ich befürchte, das bleibt ein ewiges Sich-im-Kreis-drehen.


    Liebe Grüße, Sturm

  • Liebe Sturm,


    das False-Memory-Syndrom wird meistens durch eine Psychotherapie verursacht,

    Hattest du eine solche Therapie?

    Wurdest du als Kind sexuell missbraucht? oder hast du das in deiner vagen Erinnerung?

    Du hast sicher gelesen dass es wissenschaftlich kein Syndrom ist und unter anderem sehr umstritten ist.


    wünsche dir eine erträgliche Nacht, alles Liebe Maike

  • Liebe Sturm, all die Fragen, welche Dich so sehr quälen und Dir Dein Leben schwer machen, hatte ich auch, oder Vieles

    so ähnlich. Diese Fragen können so bohrend sein, dass sie Dich von innen her auffressen.

    Wenn Du etwas ruhiger wirst, frage Dein Herz. Dein Herz kennt die Antwort und schalte Deinen Kopf mal dabei aus.

    Liebe liebt. Liebe denkt nicht. In jeder Beziehung fallen auch mal unschöne Worte und es wird auch gestritten. Aber das

    heißt noch lange nicht, dass man sich nicht mehr lieb hat. Den Menschen, welchen man am meisten liebt, tut man seltsamer-

    weise am meisten weh. Frag mich nicht, warum das so ist, ich weiß es nicht. Aber ich weiß heute, dass meine Mutti mich sehr

    lieb hatte und immer noch liebt, genauso wie ich sie liebe, oder vielleicht sogar noch mehr. Dieses Band der Liebe ist einfach

    da. Mein Problem war, das ich mir selbst sehr, sehr, sehr lange all meine Fehler die ich begangen hatte, nicht vergeben konnte,

    wo mir meine Mutti schon lange vergeben und vergessen hat. Erst als ich mir selbst vergeben konnte, konnte auch durch

    das Band der Liebe unsere Liebe wieder fließen und ich kann sie heute auch wieder spüren. Ein liebender Mensch kann vergeben

    vergessen und verzeihen. Auch sich selbst. Dazu ist Liebe fähig. Liebe ist die größte und stärkste Kraft im ganzem Universum.

    Steht sogar schon in der Bibel. Vertraue Deiner Liebe in Dir und Du wirst all Deine Antworten bekommen. Und sei nicht so

    hart zu Dir selbst.

    Alles Liebe

    Kornblume