Hilflosigkeit - die Welt steht still

  • Liebe Dani!


    Was soll ich noch schreiben, ausser dass ich mich den Worten meiner Vorschreiberinnen nur anschließen kann. Ansonsten würde ich jetzt alles wiederholen ;)


    Es ist schön, dass du bei uns bist, dass du dich uns anvertraust, es ist schön dass es dich gibt!
    Alles Liebe
    Christiane

    Notwendig ist im Augenblick des Todes ein unbesiegbarer Glaube voll höchster geistiger Gelassenheit.

  • Hallo zusammen!


    Gestern war A. und D's 15. Jahrestag. Ich habe ihr eine kurze SMS geschickt in der ich ihr sagte, dass wir an sie denken und ich mich über einen Anruf freuen würde, sollte sie sich jedoch nicht in der Lage fühlen, solle sie sich so viel Zeit lassen, wie sie eben braucht. Leider hat sie sich nicht gemeldet. Ich weiß aber, dass sie momentan bei ihren "Schwiegereltern" ist. Ich glaube, dass die beiden ihr in ihrem Schmerz am nächsten sind. Und vor allem, dass sie im Haus von D.'s Eltern ihm dort am nächsten ist. Bei seinen Eltern ist sie gut aufgehoben. Ich bin mir sicher, dass sie D. an seinem Grab besucht hat und ihren gemeinsamen Tag weitestgehend alleine verbrachte. Ich kann sie verstehen; ich denke, ich würde so einen Tag auch am liebsten alleine mit meinen schönsten Erinnerungen verbringen wollen. Aber ich weiß, wenn sie das Bedürfnis hat mich zu sehen oder mit mir zu sprechen, wird sie auf mich zukommen; sollte es auch mitten in der Nacht sein. Falsche Scheu gab es in unserer Freundschaft nie - und wird es hoffentlich auch nicht geben. So war ihr sicher klar, dass mein Zusatz, dass sie sich Zeit geben soll, von Herzen kommt und ehrlich gemeint ist. Ich erwarte nichts von ihr, sondern freue mich über jede Geste.


    Eine ganz schöne und für mich sehr überraschende Sache hat sich heute ergeben, von der ich Euch berichten möchte. In einem meiner Beiträge hatte ich von meiner Kollegin gesprochen, die mich mit ihrem Verhalten ziemlich abgewatscht hat. Heute, fast 3 Wochen später, hat sie von sich aus das Gespräch gesucht. Sie sagte, dass sie mir sagen möchte, wie Leid ihr mein Verlust tue, dass sie mit mir fühle. Sie habe viel über die explosive Situation nachgedacht sei zu dem Schluss gekommen, sie habe überreagiert und sei nicht auf meine Situation eingegangen. Es tue ihr furchtbar Leid, sich so verhalten zu haben. Das war kurz vor Feierabend. Ich war und bin total überrascht, denn damit hatte ich nicht gerechnet. Sie hat gesagt, dass sie morgen mit mir ausführlich darüber sprechen möchte, weil ihr wichtig ist, diese Sache nicht zwischen uns steht; schließlich hätten wir uns so gut verstanden. Ich freue mich über dieses Zeichen von Größe. Einen Fehler eingestehen zu können ist in meinen Augen ein großer Akt. Vor allem, weil sie sich da eigentlich sehr schwer tut.Umso mehr weiß ich es zu schätzen, dass sie heute - nach so vielen Tagen, die ein Ansprechen der Situation sicher nicht leichter gemacht haben - das Thema angesprochen hat.


    Montag und Dienstag hatte ich extrem schlechte Tage. Ich bin chronisch krank. Aufgrund der derzeitigen Ausnahmesituation hat sich mein Krankheitsbild in den letzten Wochen verschlechert. Also bin ich zu Hause geblieben. Am Dienstag habe ich mich hingesetzt, um A.'s Wunsch, unsere schönsten Erinnerungen an D. aufzuschreiben, nachzukommen. Ich habe von einem gemeinsamen Ausflug von vor ca. 8 Jahren geschrieben. Ich dachte eigentlich, ich wüsste davon nicht mehr viel. Aber wisst ihr was? Als ich anfing zu schreiben, habe ich diesen Tag förmlich noch einmal erlebt. Ich fühlte mich wie an diesem Tag im Sommer - zufrieden und ausgeglichen. Ich konnte mich überwiegend an große Teile von Gesprächen an diesem besagten Tag erinnern. Meine Aufzeichnungen für nur diesen einen Tag sind über 6 Seiten lang. Diese Aufzeichnungen sind mir förmlich aus den Fingern geflossen, ohne nachzudenken. Es war, als wäre es gestern gewesen.


    Umso trauriger war, dass ich gestern mit der Post eine Danksagungskarte von A. erhalten habe. Da wich das Gefühl der am Vortag empfundenen Zufriedenheit wieder einer tiefen Traurigkeit, welche alles andere Denken Lügen strafte.


    Ich wünschte, die Welt wäre an diesem einen Tag vor fast 8 Jahren stehen geblieben - und nicht vor 3 Wochen.


    Wie geht Ihr mit Euren Ängsten um? Ich mache mir mittlerweile Gedanken, ob meine Gefühle und Verhaltensweisen noch "normal" sind. Die Angstzustände werden nicht weniger. Es reicht eine Kleinigkeit, meine Eingeweide flattern, mein Magen verknotet sich und ich kann schwer atmen. Davon, dass ich seit D.'s Tod extrem nah am Wasser gebaut bin, ganz zu schweigen. Schlafstörungen habe ich schon seit Jahren. Ich bin es gewohnt, nicht durchzuschlafen und trotzdem empfinde ich es lästiger als sonst. Ich ertappe mich immer wieder dabei, wie ich still daliege und den Atemzügen meines Freundes lausche. Und wenn ich die nicht höre, tappe ich im Dunklen nach ihm, um ihm eine Regung oder einen Laut zu entlocken. Und wenn er schlaftrunken grunzt, werde ich nicht ruhiger. Dieses Grunzen sagt mir lediglich, dass jetzt, in diesem Moment, alles in Ordnung ist. Zu allem Überfluss hat sich bei ihm bei einer Routinekontrolle beim Arzt eine Unregelmäßigkeit ergeben, die derzeit in einigen ambulanten Untersuchungen abgeklärt wird. Diese Tatsache alleine lässt in meinem Kopf die ärgsten Zukunftsvisionen aufblühen, obwohl bis jetzt die Tests sämtlich gut, also ohne Befund ausgefallen sind.


    So stark ich mittlerweile an mir zweifle, so klar ist mir aber auch, dass 3 Wochen eine kurze Zeit ist. Bei meiner Oma hat es gute 4 Monate gedauert, bis sich meine Gefühlszustände wieder normalisiert haben.


    Ich danke für Eure mentale Unterstützung und wünsche Euch allen einen ruhigen Abend.


    Dani

  • ein herzliches wilkommen auch von mir,,auch ich gebe darina recht was sie schreibt,oft wirt es nicht verstanden wie sich trauernde fühlen,ich habe vor 2 jahren mein kind verloren und stand alleine da,jetzt ist mein mann krank und ich steh wieder alleine da,die familie entfärnte sich immer mehr,und es tut weh,manche menschen gehen lieber,da sie angst haben einen nur zuzuhörren,den das ist oft das was ein trauernder braucht,oder überhaupt ein mensch der verzweifelt ist,darum liebe ich dieses forum,es sind ware freunde hier,die helfen und mut geben.ich freu mich das du da bist,silvia

    Arme kleine Seele leid und Schmerz warn diese Welt.


    Kommt ein Engel nun vom Himmel,sanft im Arm,er dich jetzt hält.

  • Liebe Dani


    wie du schon selbst schreibst....
    3 Wochen ist eine sooo kurze Zeit.
    Vielleicht kommt bei dir auch noch viel von der noch nicht erledigten Trauerarbeit von deiner Oma hoch?
    Damals hattest du nicht so die Möglichkeit zu trauern...
    es kann schon sein das, das alles bei dir nun auf einmal hochkommt...
    Dann noch die Angst wegen der "Unregelmäßigkeiten"
    Ich hoffe das alle Untersuchungen nur positives ergeben!


    Wie ist es dir mit deiner Kollegin heute gegangen?
    Habt ihr euch aussprechen können?


    Ich denk an dich
    deine Chris

  • Hallo Ihr Lieben!


    Liebe Silvia!


    Dass Du selbst so gefordert bist, macht Dich offen für all diejenigen, die selbst an vorderster Front des Lebens kämpfen. Ein Kind zu verlieren, gehört mitunter zu den extremsten Verlusten, die ein Mensch erleiden kann.


    Ich selbst musste durch dieses Tal der Leids noch nicht gehen, habe es aber hautnah bei meiner Tante miterlebt. Vor ca. 12 Jahren ist meiner Tantes einziges Kind bei einem Autounfall tödlich verunglückt. C. wurde nur 23 Jahre alt. In den ersten Wochen schwärmten förmlich die Menschen um sie herum, um ihr Beistand zu leisten. Aber nach einigen Wochen wurde diese "Andrang" auf einmal zur Flaute. Viele Menschen konnten nicht damit umgehen, dass Trauer die Sicht und Gefühlswelt der Betroffenen verändert.


    Ich bin damals, vier Wochen nach dem Unfall, 18 geworden und habem meinen Führerschein bekommen. Meine Tante hat all ihre Ängste auf mich projeziert und mich sooft wir uns sahen dazu ermahnt, immer vorsichtig zu fahren. Das hat sich in mir so festgesetzt, dass ich eine extrem brave Autofahrerin bin und auch keine Kompromisse bei Themen wie Alkohol und Autofahren habe.


    Zu meiner verunglückten Cousine hatte ich zu Lebzeiten keinen Kontakt. Da ich sie nur 2 oder 3 x gesehen hatte, fehlte mir der Bezug. Jedoch nicht so bei meiner Tante. Ich litt mit ihr, weil ihr Verlust so schwer und für mich so spürbar war. Gleich nach dem Tod von C. begann ich, mindestens 1 x die Woche meine Tante zu besuchen. Ich saß immer bei ihr am Küchentisch und habe entweder mit ihr über Belanglosigkeiten gesprochen oder aber sie hat von sich aus über C. erzählt.


    Der Verlust von C. hatte zur Folge, dass die Ehe meiner Tante und ihres Mannes in die Brüche ging. Das Kind, das beide verbunden hatte, fehlte und so zerbrach die Verbindung. Beide waren so mit ihrer eigenen Trauer beschäftigt, dass sie für den jeweils anderen keinen Raum mehr schaffen konnten und wollten. Und trotz meiner erst 18 Jahre spürte ich, dass meine so regelmäßige Anwesenheit meiner Tante gut tat. Und meine Besuche weiteten sich mit der Zeit zum Teil so aus, dass ich täglich nach der Arbeit noch für 1 bis 2 Stunden bei ihr vorbeigeschaut habe.


    Erst vor ca. einem Jahr habe ich begonnen, mich zurückzuziehen. Ich hatte bemerkt, dass für mein eigenes Leben einfach zu wenig Zeit blieb, die Tage für mich zu kurz wurden. Das Leben meiner Tante hatte sich nach ca. 11 Jahren soweit stabilisiert, dass ich wusste, ich muss nicht mehr sooft Präsenz zeigen. Sie weiß, wenn sie mich braucht, bin ich da. Was ich damit eigentlich sagen möchte, liebe Silvia, ist, dass das Umfeld den Trauernden zu wenig Zeit einräumt. Bei meiner Tante waren wohl auch die meisten der Meinung, 2, 3 Monate müssten ausreichen, um über das Schlimmste hinwegzukommen. Dass dieser Prozess - gerade in diesem Fall - über 2 bis 3 Jahre dauerte, war den meisten wohl zu viel. Außerdem ist mir in diesem Zusammenhang oft aufgefallen, dass andere oft taktlos waren und Themen ansprachen, die meiner Tante in diesem Augenblick nur noch mehr Schmerzen bereiteten.


    Heute, 12 Jahre später hat sie ihren Weg gefunden, sich mit dem Verlust ihrer Tochter zu arrangieren. Sie ist froh, C. 23 Jahre für sich gehabt zu haben. Sie erinnert sich gerne an die Zeiten zurück, als sie C. noch bei sich hatte. Manchmal träumt sie von C. In diesen Träumen geht es um ganz normal Dinge wie ein Ausflug zu einem See etc. Am nächsten Tag, wenn sie aufwacht, ist sie nicht enttäuscht, dass es nur ein Traum war, sondern glücklich, noch einmal mit ihr gesprochen zu haben.


    Dir, liebe Silvia, wünsche ich viel Kraft und Stärke, um auch die nächste Prüfung Deines Lebens zu meistern. Und hier in diesem Forum sind Menschen, die alles was sie sagen so meinen. Dies deshalb, weil wir alle ähnliches erleben bzw. erlebt haben. Diese Unterstützung ist Dir sicher.


    Liebe Chris!


    Danke für Deine lieben Worte. Und Du erkennst "die Wurzel allen Übels". Natürlich habe ich den Tod meiner Oma nicht verarbeitet. Das wird wohl auch noch sehr lange dauern, da unsere Familiengeschichte äußerst schwierig war bzw. ist. Meine Oma war eine sehr schwierige Frau. Von ihren 4 Kindern sind nur 2 zur Beerdigung gekommen. Die anderen beiden beschlossen schon in Jugendjahren, dass ihre Mutter für sie "gestorben" sei. Ich und meine Oma sind immer sehr gut miteinander ausgekommen. Im Nachhinein habe ich das Gefühl, wir waren uns so nahe, weil wir uns so ähnlich waren. So böse Oma auch zu anderen war, so lieb war sie zu mir. Und nachdem ich als uneheliches Kind ohne Vater aufwuchs und meine Mama berufstätig war, wuchs ich zur Hälfte bei meiner Oma auf. Sie war ca. 1 Jahr lang in einem Altenheim, weil sie sich selbst nicht mehr verpflegen konnte. Mama und ich haben nur jeweils kleine 2-Zimmer-Wohnungen und sind ganztags berufstätig, so dass wir Oma nicht zu uns hätten nehmen können. Ich habe immer noch das Gefühl, dass Oma im Heim einfach keine Lust mehr zum Leben hatte, und sich soz. einfach zum sterben hingelegt hat. Organisch war sie nämlich fit. Keine Herzinfarkte, kein Krebs. Und trotzdem ist sie eines Sonntags einfach nicht mehr aufgewacht. Also gab es keine Möglichkeit mehr für mich, Abschied zu nehmen. Ihr noch einmal zu sagen, wie lieb ich sie habe.


    Jetzt, wo D. gestorben ist, merke ich, wie sehr mit Oma fehlt. Wie sehr er mir fehlt. Bei dem Gedanken, mit beiden nie wieder sprechen zu können, fließen wieder die Tränen. Sie hinterlassen eine große Lücke in meinem Leben.


    Die "Unregelmäßigkeiten" bei der Untersuchung meines Freundes entpuppten sich Gott sei Dank als Harmlosigkeit, die der Werksarzt dank des kleinen Blutbildes und der Ultraschalluntersuchung nicht richtig ausgewertet hat. MRT und CT sowie großes Blutbild zeigten, dass alles in bester Ordnung ist. Hier konnten wir beide ganz tief ein- und dann wieder aufatmen.


    Das Gespräch mit meiner Kollegin lief gut. Wir konnten uns aussprechen. Sie versteht mich, warum ich so reagiert habe und kann sie zwar nicht ganz verstehen, lege mein Augenmerk aber eher auf ihre Entschuldigung. Damit ist für mich diese Diskrepanz erledigt und vom Tisch.


    Am Donnerstag Abend gabs noch eine gute Nachricht. Eine ganz liebe Freundin von mir hat ein gesundes süßes Mädchen entbunden. Ich habs mir gestern angesehen und war entzückt vom Wunder des Lebens. So schließt sich der Kreis. Auch wenn es nicht einfach ist zu verstehen, beruht doch das ganze Leben auf einer geht und einer kommt.


    Fühlt Euch alle ganz sanft gedrückt.
    Ich denke an Euch.
    Dani

  • Liebe Dani!
    Ich habe das Gleiche erlebt wie Deine Tante und es gibt mir unendlich Kraft das Du die Geschichte mit uns teilst.Das man den Trauernden zu kurze Zeit einräumt,das Du für Sie da warst.Ich glaube Du bist für Allen Trauernden eine Kraftquelle weil Du gut zuhören kannst.Du beweist immer wieder Diese Empathie!
    Deine Beiträge zum Tod Eures Freundes,man merkt das Du ein grosses Herz hast.
    Mein Sohn ist jetzt 4 Monate tot,und kaum jemand ausser die Menschen in diesem Forum stehen einem die Trauer zu.
    Du bist eine echte Berreicherung hier.
    Lass Dich umarmen,Liebe Grüsse und danke dass Du hier bist,Chrisu

  • Liebe Dani


    Du hast geschrieben das du deiner Oma nicht mehr sagen konntest wie lieb du sie hast...
    Dani, so wie du es beschrieben hast, wie gut du dich mit ihr verstanden hast.... ich bin mir sicher das deine Oma es nicht hören hat müssen, sie hat es gespürt!!!


    Ich glaube das die Menschen in der "Kriegsgeneration" Gefühle nicht so zeigen haben können.
    Sie haben soviel schlimmes erlebt, haben viele liebe Menschen verloren. Dieses "Drücken" und "Knuddeln" gab es damals einfach nicht. Sie haben ihre Liebe anders gezeigt.
    Deine Oma die einfach für dich da war, die ihre Tochter unterstützt hat und ihr Enkelkind mit aufgezogen hat.
    Das zeigt von großer Liebe und viel Gefühl


    Dani, ich wünsche dir eine ruhige Nacht
    danke für deinen sanften Drücker
    den geb ich dir einfach zurück
    deine Chris

  • Einen schönen Abend Euch allen!


    Liebe Chrisu,
    ich möchte Dir mein herzliches Beileid mitteilen; ich fühle aus meinem tiefsten Inneren mit Dir. Auch wenn ich selbst mit dem Tod auf dieser Ebene noch keinen direkten Kontakt hatte (bin noch kinderlos), so habe ich doch Seite an Seite mit meiner Tante dieses Tal durchschritten. Ich habe schon früh gelernt, wie schmerzhaft das Leben sein kann. Von Gerechtigkeit ist keine Rede. Aber nur eine einzige Hoffnung macht es erträglich, mit diesen Verlusten umzugehen: die Hoffnung, dass wir uns alle, wenn unsere Zeit im Hier abgelaufen ist, "drüben" wieder sehen. Als D. gestorben ist habe ich am Abend mit meiner Oma "geredet" und sie gebeten, ihn in Empfang zu nehmen, damit er "drüben" nicht alleine ist. Denn im Jetzt und Hier können wir Freunde nur A. aktiv beistehen.


    Ich arbeite in einer Anwaltskanzlei im Zivilbereich. Einer der schlimmsten Fälle, der mir selbst sehr zu Herzen ging, war ein Verkehrsunfall, bei dem vor ca. 3 Jahren fünf Jugendliche (alle unter 20 Jahren) in einem Auto aufgrund Fahrerverschuldens verunglückt sind. Nur 2 der 5 Insassen haben überlebt. Wir haben die Ansprüche der Eltern der Verunglückten gegenüber der Versicherung durchgesetzt. Jedesmal, wenn ein Elternteil anrief, wurde mir schon beim Klang des Namens ganz mulmig. Die ärgste Erfahrung in diesem Zusammenhang war, dass nach 18 Uhr in unserer Kanzlei eine Besprechung mit allen Eltern der Verunglückten stattgefunden hat. Ich hatte an diesem Abend Spätdienst und habe die Eltern in Empfang genommen, bis der Chef Zeit hatte. Ich habe selten in meinem Leben 6 so gebrochene Menschen gesehen. Es kostete mich große Anstrengung, ruhig zu bleiben. Alle Eltern (auch die Väter) haben vor meinen Augen geweint. Ich tat mir so schwer, nicht ebenfalls in Tränen auszubrechen, obwohl ich keinen der Jugendlichen und keinen von den Eltern persönlich kannte. Aber der Schmerz war in diesem Moment so greifbar, dass niemand hätte daran vorbeisehen können.


    Aus Erfahrung von meiner Tante weiß ich, dass der Verlust eines Kindes immer schmerzen wird. Es gibt die schlimmen Tage im Jahr (Geburtstag, Namenstag, Todestag, Weihnachten etc.), an denen der Schmerz genau so stark ist, wie am Tag des Unglücks. Aber sie hat nach all den Jahren einen Weg gefunden, mit der Tatsache, dass C. nicht mehr körperlich anwesend ist, zu Leben. Dir, liebe Chrisu, wünsche ich, auch eben diesen - sicherlich steinigen und langen - Weg zu finden und die Kraft, diesen Weg zu beschreiten.


    Vielleicht findet sich ein oder mehrere Begleiter, die diesen Weg zumindest ein Stück mit Dir gemeinsam gehen wollen und können. Hier, in diesem Forum, bist Du sicher schon mal richtig. Ich denke, uns alle verbindet unsere Geschichte. Wenn Du willst, so werde ich Dich auf der Suche nach diesem Weg oder direkt darauf ein Stück (und sei es nur schriftlich) begleiten. Oft ist es einfacher, mit Fremden, die aber ihr Innerstes preisgeben, zu sprechen, als mit "Freunden & Bekannten", die alle keinen wirklichen Bezug zur aktuellen Trauer haben. Manchmal fühlt man sich, als würde man gemieden; fast so, als hätte man eine ansteckende Krankheit. Aber wir sind nicht krank. Wir sind im tiefsten Inneren verletzt und starren auf die Lücke, die unsere Liebsten hinterlassen haben. Vielleicht haben viele einfach auch nur Angst, selbst über ihre eigene oder die Sterblichkeit ihrer Liebsten nachzudenken und ziehen sich deshalb zurück.


    Aber bei meiner Tante und mir ist das exakte Gegenteil passiert. Durch den Tod von C. kam ich ihr so nahe, wie ich ihr mein Leben lang zuvor noch nie war. Jede Münze hat 2 Seiten.


    Liebe Chris!
    Du bringst die Situation mit meiner Oma fast auf den Punkt. Meine Oma war ein Paradebeispiel für einen "gefühlsmäßigen Kriegskrüppel". Sie konnte nicht mal ihre eigenen Kinder an sich heranlassen. Als meine Mama mit mir schwanger war, hat sie meine Mama soz. "verstoßen", weil mein Erzeuger und meine Mama nicht verheiratet waren. Sie wollte mit ihr und dem "Bastard" (also mir) nichts zu tun haben. Als ich dann auf der Welt war, hat sie in ihrer üblichen barschen Art festgestellt, dass jetzt, wo ich da bin, ich nicht mehr verleugnet werden kann. Sie hatte auch eine extrem schlechte Beziehung zu meiner Mama. Soweit ich weiß, hat meine Oma meiner Mama nicht einmal gesagt, dass sie sie lieb hat. Meine Mama hat darunter ihr Leben lang gelitten und um Omas Liebe gebuhlt. Leider vergebens.


    Nur ich war da eine Ausnahme. Solange andere Menschen dabei waren, gab sich meine Oma auch mir gegenüber extrem schroff. Aber sobald wir alleine waren, konnte ich alles von ihr haben. Ich war die Einzige, die sie umarmen und küssen durfte. Sie liebte mich, das weiß ich. Im Alter wurden aber leider die Diskrepanzen zwischen Oma und Mama immer schlimmer. Oma hat meine Mama als eine Art "Leibeigene" gesehen und sie jeden Tag rumkommandiert, als hätte meine Mama kein eigenes Leben. Und weil meine Mama eine ganz liebe Person ist und sowieso ständig um Omas Liebe förmlich bettelte, hat sie sich von der alten Dame zum Teil richtig schikanieren lassen. Das ging manchmal so weit, dass ich mit Oma ein "ernstes Wort" gesprochen habe.


    Ein Jahr, bevor Oma gestorben ist, war es besonders schlimm. Meine Oma hat alleine in einer kleinen Wohnung im Erdgeschoss eines Mietsblocks gewohnt. Ihr Essen bekam sie von Essen auf Rädern. Oma war zwar noch recht rüstig, aber halt stur. Demnach war für den Rest meine Mama zu Tag und Nacht zuständig. Meine Oma war Abhängig von Abführmitteln. D.h. sie hat täglich (!) Abführmittel eingenommen und entsprechend körperlich darauf reagiert. Das hatte zur Folge, dass meine Mama zu jeder Tages- und Nachtzeit abrufbar sein musste, falls für Oma mal der Weg zum Klo in ihrer 2-Zimmer-Wohnung zu weit war. Das alleine war noch nicht das Übelste. Sie hat auch noch selbst gebügelt, obwohl meine Mama ihr x-mal angeboten hat, das für sie zu übernehmen. Aber nachdem sie stur war, hat sie drauf bestanden, das selbst zu tun. Eines Tages wurde sie beim Bügeln ohnmächtig und ist gestürzt - mit dem Gesicht aufs heiße Bügeleisen. Als sie wieder zu sich kam, hat sie meine Mama angerufen und sie aufgefordert zu kommen, weil ihr Knie und Ellenbogen vom Sturz weh getan haben. Vom Gesicht sagte sie nichts. Als meine Mama in die Wohnung kam, hat sie fast der Schlag getroffen. Meine Oma musste daraufhin ins Krankenhaus und wurde 3 x bezüglich Hauttransplantationen operiert. Da war für uns klar, dass sie nicht mehr alleine bleiben kann. Die Entscheidung, dass sie ins Heim umziehen musste, war schwer zu treffen und doch unumgänglich. Und nachdem ich die einzige war, die ein wenig Einfluss auf sie hatte, musste ich ihr vermitteln, dass sie nicht mehr alleine wohnen konnte.


    Und genau das quält mich. Ich weiß, dass sie im Heim unglücklich war. Sie vermisste ihre Wohnung und die Nähe zu uns. Sie hat meine Mama oft angebettelt, mitkommen zu dürfen. Aber es war immer klar, dass das nicht umsetzbar ist. Ich habe das Gefühl, Oma hat beschlossen, im Heim nicht mehr Leben zu wollen. Und dafür gebe ich mir zum Teil die Schuld. Vielleicht hätten wir damals eine andere Lösung finden müssen. Vielleicht hatte sie das Gefühl "abgeschoben" worden zu sein... Diese Gedanken quälen mich immer noch.


    Ähnliche Gedanken kommen jetzt auch bezüglich D. hoch. Warum haben wir die beiden nich öfter in der Großstadt besucht? Warum war uns der Weg (120 km einfach) immer zu anstrengend oder wir zu faul? Mein Freund war vor ein paar Wochen für fast 2 Monate die Woche über in der Stadt. Hatte aber jeden Abend müde im Hotel nur TV gesehen. Er hat am Telefon immer davon gesprochen, D. anzurufen und mit ihm auf ein Bier zu gehen. Getan hat er es nicht. Auch er wirft sich vor, dass er die Möglichkeit nicht beim Schopf gepackt hat. Natürlich ist uns klar, dass wir alle eben nicht wissen, was die Zukunft bringt. Sonst hätte man wohl vieles anders gemacht.


    Es ist an der Zeit zu lernen, dass es nicht gut ist, immer alles auf später zu verschieben. Die Sachen die passiert sind kann ich nicht ändern, aber die Dinge, die vor mir liegen werde ich versuchen, anders anzugehen.


    Liebe liebe Grüße an Euch alle!
    Danke, dass ich da seid.

  • Zitat

    Original von Dani
    Es ist an der Zeit zu lernen, dass es nicht gut ist, immer alles auf später zu verschieben. Die Sachen die passiert sind kann ich nicht ändern, aber die Dinge, die vor mir liegen werde ich versuchen, anders anzugehen.


    Liebe Dani


    Ich lese, ich sauge deine Worte in mich auf. Du hast eine unglaublich schöne Wortwahl und kannst so einfühlsam schreiben. Danke für deine Beiträge!!!


    Dani, ich habe in anderen Beiträgen schon geschrieben, ich glaube an die Lebenskerze.
    Irgendjemand zündet diese Kerze an...
    und dieser Jemand hat auch schon das Ende dieser Kerze bestimmt. Er allein beschließt wann sie ausgelöscht wird.
    Ich glaube nicht das deine Oma selbst bestimmen durfte wann sie nicht mehr leben wird - der Tag war vorbestimmt.


    Wie du schon ganz richtig geschrieben hast... sie hätte es alleine zuhause nicht mehr geschafft.
    Deine Mutter die um ihre Liebe gebuhlt hat und sich dabei erniedrigen und "benutzen" lassen hat.
    Dani, ihr habt das einzig Richtige getan!
    Schwierig ist es für dich weil DU die Überbringerin der Nachricht warst. Aber wenn sie zuhause geblieben wäre und sie wäre ungeschickt gefallen und hätte das Telefon nicht mehr erreicht, dann hättet ihr euch Vorwürfe machen müssen weil ihr nicht bei ihr wart.
    So schlimm es klingt und so schlimm es ist... aber es war ganz sicher die richtige Entscheidung.


    Warum meldet man sich nicht regelmäßig bei seinen Freunden, warum nützt man die Zeit nicht.... Dani, weil es einfach nicht immer geht.
    Weil man auch mal die Zeit für sich selbst braucht. (ich nenne es immer "meine Luft zum Atmen")
    Man kann nicht jeden Tag so leben als wäre es der letzte.


    Du bist eine sehr sensible Frau, kannst "mitfühlen"... aber du musst auch ein bisschen auf dich acht geben.
    Du warst so lange Zeit für deine Tante da, für deine Oma, für deine Mama...
    wann ist Zeit für Dani??


    Schön das du da bist
    ganz liebe Grüße
    deine Chris

  • Liebe Dani!Hallo Ihr Lieben !
    Zunächst lieben innigen Dank!Du findest immer wieder die Richtigen Worte!
    Zu Deinen Bedenken,diesem grossen WARUM?habe ich dass und das nicht getan?Du hast Schuldgefühle wegen Oma und Freund D.?
    Ich glaube wir haben diese Schuldgefühle weil wir im innerten glauben,man kann Alles verhindern,wenn man zur Rechten Zeit am Rechten Ort ist.
    Mein Vater starb 1982,ich kann mich gut erinnern wie Mama gesagt hat ich solle um 6 Uhr zu ihm gehen.Jung und bequem wie ich war ging ich erst um 8.In diesen zwei Stunden hat er sich einen Cocktail gemixt,der Ihn bewusstlos machte.Er lebte noch mehrere Wochen (Krankheit war unheilbar)und verstarb im Krankenhaus.
    Nun zum Tod meines Sohnes,wieder habe ich das Gefühl zu spät gekommen zu sein.Als um 17 der Aufsperrdienst kam war er schon mehrere Stunden tot.
    Ich bekomme erst nächste Woche Akteneinsicht,dann werde ich auch die genaue Zeit wissen.
    Ich glaube wir haben Alle,dieses quälende WARUM?
    Zu der Ratlosigkeit und der Schuldgefühle drängt sich immer das WAS WÄRE WENN es anders gewesen wäre.
    Im Moment fühle ich mich in der Gesellschaft nicht wohl.
    Ich merke,dass sich Alle von mir disdanzieren,nichts mehr hören wollen wenn ich wieder von meinem Sohn anfange.Das Ganze Rundherum passt nicht mehr.
    Mein ständig überforderder Partner dem 3 Brösel aus der Bahn werfen,wir aber finanziell verbandelt sind macht mich noch nervöser.
    Die Kinder stürzen sich in Events und gehen so mit der Trauer um bei Ihren Freunden,was mich nicht stört,aber ich komme mir auch da zurückgesetzt manchmal vor.
    Ausgerechnet mein toter Sohn sagte mir immer:"Mutti,du bist in einer Endlosschleife gefangen,Du hast das Potential es zu ändern!"
    Eben weil mein Leben nie einfach war,er mich aber immer verstanden hat.
    Und gerade dieser Mensch geht und kommt nie wieder.Ich fühle diese Verbundenheit,das C.in meinem Herzen lebt.
    Es scheint als sei er mir näher als die Lebenden.
    Zum Glück gibt es Euch,wo man sich gegenseitig versteht und gemeinsam alles durchsteht.

  • Liebe Dani,


    gestern hab ich nachgesehen, ob du mir auch geantwortet hast. Als ich sah, "liebe Chrisu und liebe Chris" dachte ich, ich hab dir doch auch etwas geschrieben, und dann kam eine Überraschung auf mich zu.
    Ich hatte deine Worte zwar gelesen und dir auch geantwortet, doch ich hatte nichts geschrieben, so dürfte ich nur vorm PC gesessen sein und in Gedanken alles erzählt haben, ich war selbst so überrascht.


    Dani, du schreibst so angenehm zu lesen, und du schreibst, dass ich mich auch in deinen Worten teilweise wiedererkenne.
    Dieses "was wäre wenn" oder" hätte ich doch nur" habe und hatte ich auch.
    In der Zeit, als ich ein Brot aß und nicht an den Wehenschreiber angehängt war, ging mein Kind, ich merkte es nicht.


    Was würden wir alles an einem Tag schaffen, wenn wir wüßten wir hätten nur noch diesen einen Tag.


    Dieser Gedanke alleine, sollte uns dazu bringen, Dinge zu tun als gäbe es kein Morgen.
    Genießen heisst es, alles aufsaugen, was man "mitnehmen" möchte.


    Doch so wie Chris geschrieben hat: Man kann ihn nicht leben, als wäre er der letzte, das geht sich zeitlich gar nicht aus, doch man kann die Prioritäten ändern, und das hab ich gemerkt, wie schnell das geht, wenn der Tod so nahe ist.
    Kleinigkeiten werden unwichtig.
    Als die Mutter einer Freundin starb, habe ich sofort meine Eltern angerufen, und ihnen gesagt, wie froh ich bin, dass sie leben und dass ich sie noch habe.


    Ja, jede Münze hat zwei Seiten und der Tod ist manchmal eine Gelegenheit, die Menschen zusammen führt oder auch trennt.


    Schön Dani, dass du bei uns bist,
    ich hoffe, ich habe nicht allzu durcheinander geschrieben, meine Worte rinnen mir derzeit nicht aus der Hand, doch ich wollte dir unbedingt schreiben,


    alles Liebe
    und weiterhin viel Kraft!!
    deine

  • Hallo Ihr Lieben!


    Liebe Darina!
    Als ich gerade Deinen Beitrag las, fielen mir folgende Zeilen sofort ins Auge:


    Zitat

    Dieses "was wäre wenn" oder" hätte ich doch nur" habe und hatte ich auch. In der Zeit, als ich ein Brot aß und nicht an den Wehenschreiber angehängt war, ging mein Kind, ich merkte es nicht.


    Ich glaube, unser Leben wäre noch um einiges schwieriger, wenn wir immer genau wüssten, was die Zukunft für uns bereit hält. Wir kämen nie zur Ruhe und könnten wahrscheinlich keine Sekunde richtig genießen, weil uns ständig die Angst im Nacken sitzen würde. Die Minuten und Stunden würden uns durch die Finger laufen und wir könnten sie einfach in unseren Augen nicht sinnvoll genug nutzen. Alleine die Tatsache, bei welchen Gelegenheiten uns der Tod begegnet, sind für mich unwirklich. In einem Moment, in dem Du irgendetwas machst, z.B. ein Brot isst oder wie ich vor dem Telefonat bezüglich D.'s Tod "Germanys next Topmodel" schaust, passiert etwas, dass Dir den Boden unter den Füßen wegreißt. Man kann gar nicht begreifen, mit welch banalen Dingen man sich vor dem Zeitpunkt X beschäftigt hat. Und doch ist genau das das Leben. Wenn wir täglich und minütlich nur daran dächten, was alles passieren könnte, würden wir unser Leben nicht mehr genießen können. Denn, einfach mal dumm rumsitzen und Löcher in die Luft starren, kann so schön sein. Den Moment mit Nichtstun genießen. Nur jetzt gerade, in diesem Moment kann ich es noch nicht. Meine Uhr tickt immer noch um einiges langsamer als vor dem Anruf, der meine Welt zum wanken brachte. Aber ich weiß, in ein paar Monaten werde auch ich wieder diese banalen Momente genießen können.


    Liebe Chrisu!
    Auch Du hast in Deinem Beitrag etwas geschrieben, dass mich tief bewegt hat:


    Zitat

    Ich glaube wir haben diese Schuldgefühle weil wir im innerten glauben,man kann Alles verhindern,wenn man zur Rechten Zeit am Rechten Ort ist.


    Genau diese Sicht der Dinge hat auch meine Freundin A. Sie denkt, wenn sie nur gehört hätte, dass D. in der Nacht aufgestanden ist, hätte sie ihm helfen können. Wäre sie mit ihm aufgestanden, hätte sie den Lauf der Dinge ändern können. Obwohl ihr in Gesprächen mit D's Arzt klar gesagt wurde, dass nichts, was in ihrer Macht stand, die Dinge geändert hätte, tut sie sich schwer, diese Tatsachen zu akzeptieren.


    Das - so denke ich - ist eine der schwierigsten Stufen der Trauer. Begreifen und akzeptieren was geschehen ist. Die Kraft aufzubringen, Dinge zu akzeptieren, die wir nicht beeinflussen können. Aber weil diese Hürde so groß ist, brauchen wir viel Zeit, um sie bewältigen zu können.


    Liebe Chris!
    Deine Frage, wann Zeit für mich ist, ist eine gute Frage. Und die habe ich mir tatsächlich nie gestellt. Es fällt mir - glaube ich - leichter, für andere da zu sein, als mich mit meiner eigenen Trauer zu beschäftigen. Es ist meine Art, mit diesen tief in meinen Alltag einschneidenden Erlebnissen umzugehen. Ich habe in Stresssituationen immer darauf geachtet, viel zu tun zu haben. Das waren und sind immer die Zeiten, in denen ich ständig auf dem Sprung bin bzw. war. Aber wie ich jetzt bitter gelernt habe, bringt das nichts. Verdrängung ist für den Moment vielleicht in Ordnung, aber auf lange Sicht keine Lösung.


    Ich werde mich bemühen, meinen eigenen Gedanken mehr Beachtung zu schenken. Und das äußert sich z.B. darin, dass ich mich hier in diesem Forum vor Euch offenbare und meine innersten Gedanken mitteile.


    Ich danke Euch allen, dass ihr da seid!
    Mit Euren Zeilen fühle ich mich der Situation nicht mehr so extrem ausgeliefert und alleine. Fühlt Euch sanft von mir gedrückt. Ich wünsche Euch einen schönen Abend!

  • Liebe Dani,


    deine Worte wieder....wunderbar...danke


    meine Therapeutin sagte einmal; wir sind Weltmeister im Verdrängen, würden wir das nicht können, wir würden all den Schmerz all den Hunger auf der Welt gar nicht aushalten, oder könnten sie etwas essen, wenn sie sich bewusst machen, dass gerade ein Kind auf der Welt stirbt, während sie etwas essen.


    Wir wissen oft gar nicht, welchen Gefahren wir ausweichen, zum Glück, sonst hätten wir gar nicht anderes mehr zu tun, als uns zu bedanken, dass es gut gegangen ist.
    (zB. Die Lenker des Autos hat um 2 Minuten verschlafen, sonst hätte er uns zusammen gefahren...)


    Dani, wie du schreibst, bringt verdrängen nach einem Todesfall, gar nichts, das muss aufgearbeitet werden, es holt uns sonst ein...irgendwann..


    Fein, wenn du dich bei uns wohlfühlst und mit uns deinen Weg teilst, das ist sehr schön und ein Geschenk für uns.


    Ich drück dich ganz lieb
    pass auf dich auf
    deine

  • Liebe Dani


    Ich danke dir für deine wunderschönen Beiträge...
    und...
    ich wünsche dir "Zeit für dich"!


    Das mit dem Verdrängen kenn ich, das hab ich bis zur Perfektion gemacht. Ich für mich versuche es jetzt aufzuarbeiten.... aber das dauert.
    Das geht nicht von heut auf morgen, wir wir immer wieder schreiben... "das braucht Zeit"


    Lass dich lieb drücken
    ich denk an dich
    deine Chris

  • Hallo Ihr Lieben!
    Liebe Darina,
    liebe Chris!


    Ich finde hier bei Euch genau das, was ich so dringend brauche: Menschen, die verstehen, was ich fühle. Nach nunmehr etwas über 4 Wochen kristallisiert sich heraus, dass mein Freunde seine Trauer anders angeht, als ich. Während es mir immer ein starkes Bedürfnis ist, etwas über D. oder meine Oma zu sagen, wenn es mir in den Kopf kommt, dann merke ich, dass Goran (mein Freund) damit zum Teil überfordert ist.


    Letzten Samstag fuhren wir - wie jeden Samstag - gemeinsam einkaufen. Ich wollte zum Blumenladen, um für Oma mal wieder einen kleinen Blumenstrauß zu kaufen. Wir gingen gemeinsam in den Laden und haben uns miteinander für eine orange Lilie entschieden, die die Floristin sehr kunstvoll mit ein paar Blättern und Gräsern gebunden hat. Anschließend sind wir gemeinsam zum Friedhof gefahren. Goran war zuletzt an Omas Beerdigung (26.08.2007) am Grab.


    Ich war bislang nach der Beerdigung 3 x an Omas Grab - alleine. Meine wenigen Besuche an Omas Grab endeten jeweils in einem Desaster. Schon wenn ich der betreffenden Gräberreihe näher kam, fiel mir das Atmen schwer, meine Augen brannten und schon beim kleinsten Blinzeln bahnten sich Tränen ihren Weg. Und dann, wenn ich vor der Grabstelle stand, die Inschrift auf dem Grabstein sah, war es jedesmal wie an dem Tag, als das Altenheim anrief und die Todesnachricht überbrachte. Der Schmerz hatte mich jedesmal fast aus den Schuhen gehauen. Es war bzw. ist mir unbegreiflich, dass meine Oma da liegen soll. Die Inschrift auf dem Stein ist einfach falsch; als hätte der Steinmetz im falschen Stein einen falschen Namen hineingearbeitet. Und gerade dieser Anblick der Inschrift löst die verschiedensten Gefühle in mir aus: Verlust, Wut, Endgültigkeit, Schmerz usw. Ich konnte auch jeweils alleine nur ein paar Minuten an ihrem Grabe verweilen, länger haben meine Nerven nie ausgehalten. Auch auf dem Weg nach Hause war ich jeweils noch in Tränen aufgelöst und habe mich erst ca. 1 Stunde nach dem Besuch wieder beruhigt.


    Nun aber musste ich zum ersten Mal nicht alleine zu Omas Grab. Goran ging diesen Weg mit mir. Er trug die Blumen und die Vase und ging neben mir her zum Grab. Er legte mir die Blumen in die Hand, die Vase auf den Boden und ging, um eine Gießkanne zu holen. Gemeinsam wickelten wir den kleinen Strauß aus, steckten die Vase ins Erdreich und gossen das ganze Grab. Wir standen dann einfach so da. In die Stille hinein sagte er: "Die Blumen hätten ihr bestimmt gefallen ". Alleine dieser Ausspruch reichte, um mir ein paar kleine Tränen zu entlocken. Aber diesmal waren es wirklich nur ein paar. Er nahm meine Hand, küßte mir die Tränen weg und ging mit mir zum Ausgang. Und diesmal - weil er an meiner Seite war - brauchte ich nicht 1 Stunde, um mich zu fassen. Mir hat es sehr geholfen, dass er dabei war. Für ihn war es schlimm, mich immer noch so leiden zu sehen.


    Wir haben dann noch im Auto besprochen, dass wir D. am 15.07. (seinem 36. Geburtstag) einen Blumemstrauß bringen werden. Wir fuhren dann schweigend weiter. Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach.


    Ich dachte über mein Fernstudium nach, das von Anfang an unter keinem guten Stern stand. Bereits im 1. Semester verstarb Oma; das hatte zur Folge, dass ich meinen Lernplan weit nicht so zielstrebig verfolgte, wie ich es mir vorgenommen hatte. Ergebnis: von 2 Klausuren 1 in den Sand gesetzt. Jetzt, im 2. Semester ist D. von uns gegangen. Und wieder ist das Studium das Letzte, woran ich denke. Schließlich habe ich so nebenbei einen anspruchsvollen Vollzeitjob, dem ich nachgehen muss. Es kostet mich genug Kraft, in der Arbeit "gerade zu stehen". Am Abend bin ich regelmäßig platt und habe so gar keine Lust, die Studienunterlagen zu bearbeiten.


    Während ich so über mein Studium nachdachte, fiel mir ein, dass D. vor ca. 1 Jahr auch eine berufliche Weiterbildung gemacht hatte. Ich fragte Goran also ins Schweigen hinein: "Glaubst Du, D. hätte diese Weiterbildung auch gemacht, wenn er gewusst hätte, was passieren wird ?"


    Er antwortete: "Doch, das glaube ich schon. Er hat immer davon gesprochen, diese Fortbildung machen zu wollen; schon vor Jahren ".


    Und schon flossen bei mir wieder die Tränen.Dieses kleine Gespräch löste in mir wieder eine mittlere Welle des Schmerzes aus. Goran hingegen versuchte, mich zu beruhigen. Ich sah ihm schon bei meiner Frage bezüglich D. an, dass er über ihn nicht sprechen will, weil ihm das zu weh tut. Aber er sagt es nicht. Ich kann es aber in seinen Augen lesen. Nach 12 Jahren sind sie für mich der Punkt, an dem ich in seine Seele sehen kann und weiß, was er fühlt, unabhängig davon, was er sagt. Goran ist sehr sensibel und verarbeitet den Schmerz über D.'s Verlust anders. Ihm tut es weh über ihn zu sprechen - und ich habe das Bedürfnis über ihn zu sprechen.


    Nachdem ich hier aber die Möglichkeit habe, all meine Gedanken diesbezüglich offen zu legen, ist es mir nichts so ein Bedürfnis, alles, was mir im Kopf rumgeht, mit Goran zu besprechen. Ich denke, so werden wir das miteinander ganz gut regeln können.


    Nächste Woche Mittwoch fahren wir für eine Woche nach Kroatien in Urlaub. Dann habe ich Zeit für mich. Ein wenig habe ich Angst, zu viel in mich gehen zu können und dadurch meine Stimmung "schlimmer" zu machen. Aber ich weiß, wir beide brauchen ein paar Tage Luftveränderung. Und ich freu mich auch drauf.


    Ich drücke Euch!
    Dani

  • Liebe Dani


    Zuerst zu deinem Schlusssatz: Hab keine Angst vor deinem Urlaub in Kroatien...
    Du hast deinen Goran mit, er wird dir, so wie am Grab deine Tränen wegküssen.
    Dani, du hast so recht, Männer und Frauen trauern wirklich anders - genau wie du es schreibst...
    Wir Frauen wollen reden
    die Männer wollen es lieber mit sich ausmachen, aber sie haben keine Angst vor unseren Tränen.


    Ach Mensch Dani, es macht mich ganz traurig das du, wenn du deine Oma besuchen gehst so tieftraurig bist.
    Ich gehe so gerne auf den Friedhof... dort herrscht eine solche Ruhe, es gibt keine Hektik und keinen Stress mehr.
    Du hast geschrieben das deine Oma nicht mehr wollte...
    welche Gnade, einfach einschlafen dürfen!
    Aber du hattest eine so enge Beziehung und machst dir irgendwie noch Vorwürfe??
    Dani, das brauchst du nicht. Deine Oma ist dir immer noch ganz nahe und im tiefsten Inneren hat sie sicher gewusst das es die einzige Lösung gewesen ist. (das Altersheim)
    Weißt du, wenn die Lebenskerze abgebrannt ist,
    dann hat niemand schuld, dann kann niemand mehr was ändern.


    Ich finde es toll wie du mit deinem Freund einen "Seelenverwandten" gefunden hast.
    War der Gang zum Grab von deiner Oma diesmal für dich leichter weil er mit war? (wolltest du dich zusammenreißen, oder war es einfach nur gut für dich das du den Gang nicht alleine gehen musstest?)


    Dani, danke für deine wunderbaren Zeilen
    Ich hoffe dein Fernstudium klappt doch noch irgendwie... aber ich kann es gut verstehen das du zur Zeit nicht den Kopf frei hast!
    Lass dir die Zeit!!
    Und nimm sie dir in deinem wohlverdienten Urlaub!


    einen sanften Drücker von mir
    deine Chris

  • Liebe Dani,


    ich war wieder sehr gerührt...deine Geschichte vom Grab deiner Oma..ich sah die Bilder direkt vor mir, du erzählst so wunderbar..


    ...die Blumen hätten ihr bestimmt gefallen...
    ja, manchmal sind es nur ein paar Worte, die genügen um wieder zu weinen....Dani, ich finde schön, dass er mit dir mitgegangen ist und ich weiß auch, dass Mann und Frau unterschiedlich trauern...wir Frauen müssen es "anders" hinauslassen: reden, viel reden, schreiben, malen,...


    Männer trauern lieber im Stillen oder unter sich, das ist so, wenn man es aber weiss, ist schon viel gewonnen, das musste ich auch erstmal lernen.
    Es werden von mir nun Dinge besser verstanden oder auch als Zeichen des Mitfühlens gesehen, die ich vorher nicht mitbekommen habe, dachte: Der trauert ja gar nicht.
    Doch nur anders.


    ich möchte mich ein bißchen den Worten von Chris
    anschließen, sie hat das wieder einmal wunderbar formuliert und auch ich sage dir, nimm dir Zeit.
    Ganz viel Kraft von mir,
    deine

  • Hallo Ihr Lieben!


    Nachdem ich meinen letzten Beitrag geschrieben hatte, war ich guter Dinge, dass sich mit der Zeit und vor allem im geplanten Urlaub mein Gemüt wieder etwas zur Ruhe begibt. Aber es kommt immer anders als man denkt.


    Im Rahmen meiner avisierten Trauerarbeit habe ich mich entschlossen, aktiver mit meinem "Zustand" umzugehen, und nicht dieses Thema in die hintersten Windungen meines Gehirns abzuschieben. Einen ersten Schritt hatte ich ja bereits gemacht, in dem ich mit Goran am Grab meiner Oma war. Das tat mir gut, so dass ich dachte, ich sei auf dem richtigen Weg.


    Am Montag (dieser Woche) hatte meine verstorbene Kollegin Hanni ihren 60. Geburtstag. Und weil ich sie sehr gern hatte, hab ich natürlich diesen (runden) Geburtstag nicht vergessen. Ich hab eine andere Kollegin (die sie auch schon 15 Jahre lang kannte) eingepackt und bin mit ihr zu Hannis Grab gefahren. Wir haben ihr einen schönen Strauß mitgenommen und auf das Grab gelegt. Wir standen dann so vor dem Grabhügel (es ist noch nicht eingefasst; Beerdigung war im Februar diesen Jahres) und haben über Hanni gesprochen. Einfach Dinge, die wir von ihr spontan im Kopf hatten. Wir haben einfach festgestellt, wie viel Zeit wir mit ihr verbringen durften, was sie für uns bedeutet hat und dass sie uns fehlt. Nachdem Hanni aber über 10 Jahre gegen den Krebs gekämpft hatte, der Feind in der finalen Phase die "härteren Waffen" hatte, ist es für Hanni eine Erlösung gewesen. Sie war müde vom kämpfen, aber nicht bereit, einfach so aufzugeben. Nun ist sie wieder mit ihrem Mann, den sie vor 14 Jahren verloren hatte, vereint. Diese Vorstellung tröstet mich, weiß ich doch, wie sehr sie ihn geliebt hat.


    Nach diesem Besuch an Hannis Grab war meine Stimmung ganz gut. Ich war nicht weinerlich. Da beschloss ich, A.'s Schwester anzurufen, um micht nach ihr zu erkundigen. Ich habe dann über eine Stunde mit Irmi (A.'s Schwester) telefoniert. Danach fühlt ich mich richtig bescheiden. Das Gespräch brachte alle verfügbaren Emotionen der Trauer an die Oberfläche. A. geht es (natürlich) gar nicht gut. Ihr Seelenzustand läßt sich als sehr wechselhaft bezeichnen, wie Wellen. Es wechseln sich kleine mit mittelgroßen und Monsterwellen ab, die sie einfach in die Tiefe reißen - ohne Vorwarnung. D. ist seit ca. 1 Monat nicht mehr da. Für A. beginnt langsam wieder der Alltag. Und gerade der ist äußerst schmerzhaft. Zum Beispiel hatte sie in den letzten Tagen ein ganz alltägliches Gespräch mit Irmi, in der sie über Roberto Blanko gesprochen hatten. Dieser residiert derzeit in meiner Heimatstadt (es wird ein Film gedreht). Irmi kennt jemanden, der im Hotel arbeitet, in dem der Blanko abgestiegen ist. Diese Bekannte erzählte, dass sie gesehen hat, dass als die Freundin des Promis diesen am Arm berührte, ihre eigene Hand schwarz wurde (als hätte er sich mit Creme dunkler gemacht). Daraufhin sagte A.: "Da muss ich gleich D. anrufen". Und schon war die Monsterwelle da. Lautlos und urgewaltig brach sie über sie herein und riß sie mit in die Tiefen des Schmerzes. Was Irmi nicht wusste und auch nicht wissen konnte war, dass D. mal zu A. gesagt habe, dass er sich sicher sei, dass Roberto Blanko sich mit Schuhcreme "schwärzer macht". Diese kleine Story brachte den bis dahin mit kleinen Wellen bestückten Tag zum mentalen Abgrund.


    Ich habe mit A. nach der Beerdigung nur zweimal gesprochen. Sie nimmt momentan keinen Kontakt zu mir auf. Auch darüber habe ich mit Irmi gesprochen. Im Laufe des Gesprächs stellten wir fest, dass A. Pärchen und Familien meidet. Ihr sind momentan nur Singles und die eigenen sowie D.'s Eltern erträglich. Ich habe das bereits vorher in Erwägung gezogen und mich deshalb A. gegenüber sehr zurückgehalten und sie nicht bedrängt. Ich kann sie gut verstehen. Und es wird noch viel Zeit brauchen, bis sie die Gesellschaft von Pärchen/Familien wieder ertragen kann.


    So tingelt sie momentan von einer (Single-)Freundin (die die ersten Tage ununterbrochen für sie da war) über ihre und D.'s Eltern bis hin zu ihrer Schwester. Nirgends hält sie es lange aus. Es ist, als wäre mit D. ihre Heimat gestorben. Noch ist sie krankgeschrieben. Aber der Arzt meinte bei der letzten Krankschreibung schon, dass er es für förderlich erachte, schnellstens wieder eine Struktur in ihr Leben zu bringen; und genau das ginge am besten mit Arbeit. A. fühlt sich noch nicht in der Lage dazu. Sie wird sich wohl auch noch weiter krankschreiben lassen. Danach will sie an ihren alten Arbeitsplatz zurückkehren. Ich bin gespannt, ob sie es dort aushält. Ich befürchte, dass sie es nicht wird ertragen können, von allen "mitleidig" angesehen zu werden. Jeder im Betrieb weiß, warum sie momentan nicht da ist. Nachdem sie bei ihren Kollegen sehr beliebt ist, werden alle "Mitleid" mit ihr haben. Und genau das konnte sie noch nie ertragen. Ich hoffe, dass sie sich dort wieder einleben wird.


    Während ich mit Irmi telefonierte, kam Goran von der Arbeit nach Hause. Er saß neben mir und lauschte dem Gespräch. Ich beendete dann das Gespräch und sah ihm in die Augen und dachte noch, dass ihm alleine das Zuhören schon arg zugesetzt hat. Aber das war es nicht. Er hatte an diesem Tag noch die Nachricht erhalten, dass ein anderer Freund (aus Lehrzeittagen), der vor ca. 6 Jahren nach Spanien ausgewandert war, am Sonntag verstorben ist. Chris (der Freund) wanderte spontan vor Jahren aus; der Kontakt zwischen den beiden brach fast gänzlich ab. Goran fand keinen richtigen Zugang mehr zu ihm. Nun ist klar, dass Chris den Weg in die Einsamkeit gesucht hat, weil er eine Diagnose erhielt, die keine Zweifel offen ließ, dass er an der Krankheit sterben wird. Und so entschied er wohl, alle Brücken abzubrechen und sein Leben an einem schöneren Flecken der Erde fertig zu leben. Er hat niemanden über seinen Gesundheitszustand aufgeklärt (auch seine Familie nicht). Goran hadert nun damit, sich nie richtig mit ihm ausgesprochen zu haben. Er meint wohl, dass der sporadisch seltene Kontakt "seine Schuld" war. Davon kann aber keine Rede sein, denn Chris hat dies alles bewusst so entschieden und gesteuert. Für Goran wird es somit schwerer werden, alles zu verarbeiten. Ich versuche für ihn da zu sein, zu reden, wenn er Bedarf hat, mit ihm zu schweigen und zu weinen.


    Ich hoffe, dass wir in unserem Urlaub zur Ruhe kommen und vor allem von weiteren Nachrichten dieser Art verschont bleiben.


    Ich danke Euch für's Lesen und Verstehen!
    Fühlt Euch von mir gedrückt.
    Dani

  • Hallo zusammen!


    Ich möchte mich mal wieder zu Wort melden. Mein Urlaub in Kroatien war wunderschön. Wir haben stressfreie und schöne Tage verlegt, die leider viel zu schnell vergangen sind. Wir haben uns zeitweilig vom Stress der letzten Wochen ablenken können. Am Montag dieser Woche ging es wieder in die Arbeit. Meine Erholung war bereits fünf Minuten nach Arbeitsbeginn dahin, weil meine Kollegin erkrankt war und ich alleine die Stellung halten musste, was 10 Stunden Arbeit ohne Pause bedeutete. Am Abend kam ich dann total geschlaucht nach Hause. Goran und ich haben uns dann unterhalten und besprochen, was wir am Dienstag (gestern), D.'s 36. Geburtstag, unternehmen wollen. Wir haben beschlossen, einen Strauß weißer Rosen zu bestellen und nach der Arbeit ans Grab zu fahren.


    Am Dienstag morgen stand ich schon total fahrig auf. Ich war irgendwie unkonzentriert. Als ich mir dann zum Frühstück ein Brot schneiden wollte, hab ich es doch glatt geschafft, mich mit dem Brotmesser richtig übel zu schneiden. Und mit richitg übel meine ich richtig übel. Ich konnte schön in das Innenleben meines Zeigefingers sehen. Weil die Zeit drängte, hab ich den Finger arbeitstauglich verbunden und bin los in die Arbeit. Den ganzen Tag über blieb die innere Unruhe bestehen. Ich war - trotz Urlaub - fahrig und unkonzentriert. Je später es wurde, umso größer wurde die Unruhe, bis es kaum mehr auszuhalten war. Ich habe dann nach Feierabend die Rosen aus dem Blumengeschäft geholt. Zu Hause haben Goran und ich uns dann getroffen und sind gemeinsam nach W. zum Friedhof gefahren. Auf der halbstündigen Fahrt haben wir uns beide ausgeschwiegen. Jeder hing seinen Gedanken nach. Ich mahnte mich innerlich zur Ruhe, ging ich davon aus, etwas Abstand in den vergangenen Wochen gewonnen zu haben. Aber die Verzweiflung machte sich in mir breit und strafte alle anderen Gedanken Lügen. Wir kamen an und gingen an der Kirche vorbei auf den Friedhof.


    Wir gingen schweigend nebeneinander her bis wir feststellten, dass wir beide nicht mehr wussten, wo die Grabstelle ist. Ich konnte noch so sehr versuchen, mich an den Tag der Beerdigung und den auf dem Friedhof beschrittenen Weg zu erinnern, es gelang mir nicht. Nachdem ich von meiner inneren Unruhe bereits reichlich genervt war, hab ich meinen Frust dann in Form von Gezicke an Goran ausgelassen. Ich hab ihn angeschnautzt, dass er wohl noch wissen müsste wo die Grabstelle war. Ich sei schließlich an diesem Tag unter Beruhigungsmitteln gestanden und könne mich nicht daran erinnern. Darauf meinte er lakonisch, dass wir wohl beide versuchten, diesen Tag aus unserem Gedächtnis zu verdrängen. Nach einigen Irrwegen fanden wir dann doch die richtige Grabstelle. Man konnte sie schon von weitem sehen, so viele Blumen lagen dort. Schon zwei Reihen vorher schnürte es mir den Hals zu, als ich erkannte, dass auf der Grabstelle ein großes Herz aus Rosen gebunden lag. Ich weiß genau, dass das von A. ist. Sie hat außerdem ein wunderschönes Bild von D. in einem Rahmen aufgestellt. Und schon standen wir beide da: wieder völlig fassungslos, verzweifelt und von innerem Schmerz gepeinigt. Alleine das Foto, auf dem er so lebendig aussieht, es könnte er jeden Moment aus dem Bilderrahmen steigen und sich zu uns gesellen, quälte uns beide gleichermaßen. Ich wollte mich vor Goran nicht gehen lassen und habe ihn, als ich merkte, dass ich meine Tränen nicht mehr länger würde zurückhalten können, gebeten, ein Grablicht zu besorgen. Er ging schweigend den Weg entlang.


    Ich blieb zurück. Versuchte, mich nur darauf zu konzentrieren, die Blumen in die Vase auf einen freien Flecken Erde zu stellen. Aber mein Blick wurde abgelenkt, von all den schönen Blumen, die ihm zu seinem Geburtstag gebracht worden waren. Meine Tränen hatten sich zwischenzeitlich verselbständigt. Und als ich mit meinem Blick am Anfang / Ende des Grabes zu meinen Füßen blickte, brach mein Herz ein Stück weit auseinander und meine so mühsam aufgebrachte Selbstbeherrschung entpuppte sich als Selbstschutz. Es lag da die weiße Trauerschleife von A., auf der geschrieben steht: "Die Liebe ist stärker als der Tod. In Liebe Deine A.". Da heulte ich dann nur noch. Auf einmal nahm Goran meine Hand; ich hatte nich gemerkt, dass er wieder zurückgekommen war. Er kniete sich hin, zündete die Kerze an, stand auf, atmente tief ein und bat mich, gemeinsam jetzt zu gehen, bevor auch er all seine Beherrschung verlieren würde. Ich konnte mich die ganze Fahrt nach Hause nicht mehr beruhigen. Auf einmal waren sie wieder alle da, die Fragen nach dem Warum, Wieso, Was wäre Wenn? Und richtig weh tat mir die Erkenntnis, dass wir wohl nicht alleine D. verloren haben, sondern auch A. auf eine gewisse Art und Weise. Von ihrer Schwester weiß ich, dass sie uns momentan nicht "ertragen" kann, weil wir zum einen D. so nahe standen. Zum anderen fühlt sie sich in der Nähe von Paaren denkbar unwohl. Ich habe dafür vollstes Verständnis. Und doch schmerzt es mich, dass sie mich in dieser schweren Zeit nicht "braucht" bzw. keinen Kontakt haben will. Ich habe Angst, dass sie eines Tages, wenn sie so weit ist, aufgrund der vergangenen Zeit den Weg zu uns nicht mehr findet.


    Seit gestern quälen mich wieder alle Gedanken, wie am Tag der Benachrichtung oder Beerdigung. Ich kann nicht schlafen und fange bei jeder Gelegenheit an zu weinen. Es scheint, als wäre ich in meiner Trauerarbeit keinen Schritt vorangekommen.


    Mich würde interessieren, wie ihr die Trauer bewältigt bzw. bewältigt habt. Was hat Euch dabei geholfen, die Situation so anzunehmen, wie sie ist? Wie lange hat es gedauert, bis das "Schlimmste" vorbei war?

  • Liebe Dani


    Ach Mensch... du schreibst so schön und schreibst so bildlich, immer wenn ich deine Texte lese kommen leise die Tränen.
    Schön das ihr auf dem Grab an D.s Geburtstag wart... A wird es merken und es wird ihr gut tun.


    Kannst du ihr vielleicht einfach einmal einen Brief zukommen lassen?
    Schreib ihr das du das Herz so wunderschön gefunden hast und das du sehr oft an sie denkst.
    Dann warte einfach ab... man kann nichts erzwingen - aber zeig ihr mit dem Brief das du an sie denkst und immer für sie da bist (letzteres brauchst aber nicht zu schreiben, das weiß sie bestimmt)


    Mich würde interessieren, wie ihr die Trauer bewältigt bzw. bewältigt habt. Was hat Euch dabei geholfen, die Situation so anzunehmen, wie sie ist? Wie lange hat es gedauert, bis das "Schlimmste" vorbei war?


    Ich kann ja nur für mich sprechen...
    einmal habe ich die Trauer unterdrückt und hab verdrängt.... das war schlecht, es ist letztes Jahr bei einem neuerlichen Trauerfall alles wieder hochgekommen
    dann habe ich versucht es zu verarbeiten... das dauert...
    Die Phasen wo es nur weh tut werden weniger (es ist jetzt bald ein Jahr her) aber es gibt noch immer sehr viele Tage wo ich weine, wo die Erinnerungen weh tun...
    Ich denke die Zeit arbeitet für uns.... irgendwann werden die Erinnerungen schön werden und ich kann darüber sprechen ohne in Tränen auszubrechen. Noch geht es nicht wirklich.
    Ich bin schon gespannt was dir die anderen antworten werden
    Dani, gib auch du dir die Zeit... wenn dir zum Weinen ist, dann weine... wenn du an D. denkst und lächeln musst, dann lächle.
    Ich versteh dich gut das du gerne für A. was machen möchtest... dir würde es leichter fallen wenn du einfach was machen könntest....
    Aber gib auch du ihr die Zeit die sie braucht um es zu verarbeiten...


    Dani, es ist unglaublich schön das du wieder da bist
    fühl dich gedrückt
    deine Chris