Plötzlich Witwe mit 57

  • Liebe Sabine,


    schön das zu lesen, das Du irgendwie in ein anderes nicht ausgesuchtes Leben gehst in kleinen Schritten.


    Migräne ist natürlich übel und ja meistens hat es auch was mit Anspannung zu tun und die ist da ob wir wollen oder nicht.

    Der Abschied vom Sommer fällt mir auch total schwer und es geht jetzt schnell die Blätter färben sich schon richtig.


    Vlg. Linchen

  • Liebe Sabiene,


    das liest sich doch recht gut und freut mich für dich...


    Dass Anspannung der Auslöser für deine Migräne war ist nachzuvollziehen... das Treffen... man macht sich doch Gedanken vorher... und du hast es geschafft 👍🍀💚


    Alles Gute und Liebe Pia

  • Liebe Sabiene der Trauerweg ist lang und zäh, aber es hört sich wirklich an, als wärst du schon ein schönes Stück vorangekommen.

    Schön, dass deine Eltern nun wieder beisammen sind.
    Ich wünsche dir einfach nur, dass du weiter gut deinen Weg beschreiten kannst. Sommerabschied ist für mich auch schwer verdaulich.
    Alles, alles Gute für dich!

  • Liebe Sabiene,

    schön dass du mit gemeinsamen Bekannten Erinnerungen an deinen Mann austauschen kannst. So ist er weiter ein Teil, nicht nur in deinem Leben sondern auch bei seinen Freunden.

    Die Trauer bleibt aber ich habe das Gefühl sie wird annehmbarer. Natürlich kommen immer wieder Tiefen doch mit dem Wissen das sie vorüber gehen sind sie nicht mehr so beängstigend.

  • Einen ganz lieben Gruß zurück, liebe Mischi . Ich kann "dieses Zeichen" übrigens auch nur schwer ertragen (und mag es auch nicht einmal Smiley nennen), würde es auch nie selbst verwenden. Es ist nicht einfach, empfindsam zu sein, ich weiß. Gut, wenn man gelernt hat, sich selbst und seine Räume zu schützen.

    Bleib behütet

    Sabiene

  • Ihr Lieben,


    ich war Ende September ja in Nürnberg und habe dort auf dem (sehr sehenswerten) Johannisfriedhof im Rahmen eines Kunstprojekts eine Lichtinstallation gesehen, die den Satz "Do not go gentle into that good night" präsentierte. Ich kannte ihn bisher nicht, habe dann aber herausgefunden, dass es eine Gedichtzeile ist, aus dem wohl bekanntesten Gedicht von Dylan Thomas. Weil mich das Gedicht so sehr berührt hat und ich den Klang, den Rhythmus dieser Verse so bewundere, möchte ich es hier einstellen, im englischen Original und in der (für mich) besten Übersetzung, die ich gefunden habe.


    Do not go gentle into that good night

    Do not go gentle into that good night,

    Old age should burn and rave at close of day;

    Rage, rage against the dying of the light.


    Though wise men at their end know dark is right,

    Because their words had forked no lightning they

    Do not go gentle into that good night.


    Good men, the last wave by, crying how bright

    Their frail deeds might have danced in a green bay,

    Rage, rage against the dying of the light.


    Wild men who caught and sang the sun in flight,

    And learn, too late, they grieved it on its way,

    Do not go gentle into that good night.


    Grave men, near death, who see with blinding sight

    Blind eyes could blaze like meteors and be gay,

    Rage, rage against the dying of the light.


    And you, my father, there on the sad height,

    Curse, bless, me now with your fierce tears, I pray.

    Do not go gentle into that good night.

    Rage, rage against the dying of the light.


    (Dylan Thomas)


    Geh nicht gelassen in die gute Nacht

    Geh nicht gelassen in die gute Nacht,

    Glüh, rase Alter, weil dein Tag vergeht,

    Verfluch den Tod des Lichts mit aller Macht.


    Denn weise Männer, wissend, nichts was sie gedacht

    Hat Licht gebracht ins Dunkel, und es ist zu spät,

    Gehn nicht gelassen in die gute Nacht.


    Und gute Männer, brüllen, schon der letzten Welle Fracht,

    Und denkend ihrer Mühn, im Meer verweht,

    Verfluchen Tod des Lichts mit aller Macht.


    Und wilde Männer, die der Sonne Pracht,

    Im Fluge singend fingen, die nun untergeht,

    Gehn nicht gelassen in die gute Nacht.


    Und ernsten Männern, blind schon, wächst Verdacht,

    Auch blindes Auge lacht und blitzt, eh es vergeht,

    Verfluchen Tod des Lichts mit aller Macht.


    Und du mein Vater, den der bei dir wacht,

    Verdamm und segne weinend ihn. Hier mein Gebet:

    Geh nicht gelassen in die gute Nacht.

    Verfluch den Tod des Lichts mit aller Macht.


    (Übersetzung von Johanna Schall)


    Es gibt auf Youtube wunderbare Rezitationen zu dem Gedicht, u.a. auch vom Autor selbst. Es ist ein Gedicht über den Tod, ja, aber eigentlich ist es eins über das Leben, über den Hunger nach Leben im Angesicht unserer Sterblichkeit, über das Unvollendete, das Vergebliche, über starke und widersprüchliche Gefühle im Hinblick auf das Lebensende. Ein ganz großartiges Werk, finde ich.


    Herzliche Grüße

    Sabiene

  • Nach jetzt schon 22 Monaten versuche ich mal wieder meine Gedanken zu ordnen:


    Durch den jetzt bald endenden November bin ich in diesem Jahr besser hindurchgekommen. An zwei Wochenenden hatte ich lieben Besuch, einmal meine Söhne und ihre Freundinnen (der ältere von beiden ist gerade 30 geworden), einmal die Familie meines Mannes. Eine gute Idee, sich so Höhepunkte und schöne Momente in diesem sonst so traurigen Monat zu schaffen, das sollte ich mir merken. Die stillen Feiertage mit ihrem Totengedenken konnte ich diesmal auch gottesdienstlich begehen, inklusive Gräbersegnung (katholisch) und Andacht auf dem Friedhof (evangelisch). Das war wie erwartet noch mal herausfordernd emotional, aber auch tröstlich in der Gemeinschaft.


    Ich glaube ich kann jetzt nachvollziehen, warum viele von euch das 2. Trauerjahr so schlimm finden. Bei mir hat in diesem Jahr das Empfinden von Leere zugenommen. Letztes Jahr war noch so viel zu erledigen, einerseits natürlich belastend, aber andererseits gab es dadurch auch viele kleine Erfolgserlebnisse, zumindest in der ersten Zeit gab es auch viel Anteilnahme, gute Gespräche, ich habe viele Bücher gelesen über Trauer, Tod, die geistige Welt... Jetzt habe ich irgendwie in dieses Leben alleine hineingefunden, aber es fühlt sich oft so leer an. Es müsste etwas Neues kommen, das mich ausfüllt, aber was? Die paar Ideen, die ich hätte und verfolgen könnte, scheitern oft schon an meiner Migräne, im letzten Sommer auch an der Krankheit meines Vaters, die meine Kräfte beansprucht hat. Vielleicht sollte ich doch noch einmal ein anderes Medikament ausprobieren? Wieder vermehrt Arztbesuche, wieder Unsicherheit, ich weiß nicht ...


    Es ist wahr: die Zeit heilt unsere Wunden nicht, aber sie kann unsere Kräfte stärken, unsere Fähigkeit, mit ihnen zu leben. Das ist meine Erfahrung und darauf hoffe ich weiter, wenn jetzt bald schon das 3. Trauerjahr beginnt. Und ich bleibe zuversichtlich, dass da am Ende meines Lebens noch etwas sehr Schönes auf mich wartet. Bis es soweit ist, versuche ich mein Leben so gut es geht zu gestalten, zu erfahren und ja, soweit möglich auch zu genießen.


    Kommt alle gut durch diese dunkle Zeit, das wünsche ich euch von Herzen.

    Sabiene

  • Liebe Sabiene,

    diese Leere finde ich auch sehr belastend. Es fehlt auch die Lebensfreude.

    Beides macht das weiterleben sehr schwer, fühlt sich wie abarbeiten, nicht wie leben an.

    Ob es die Zeit besser macht werden wir sehen.

    Ich glaube das wichtige ist nie die Hoffnung zu verlierern

  • Ihr Lieben,


    wie die Adventszeit und das Weihnachtsfest verbringen, die Frage beschäftigt uns alle hier. Viele von euch wehren da total ab und möchten die Zeit am liebsten ganz auslassen, verdrängen, die Augen verschließen (was ja leider nur bedingt funktioniert). Mein Weg, den ich schon im letzten Jahr für mich so gewählt habe, sieht da etwas anders aus. Ich spüre sehr deutlich, dass es mir nur zusätzliche Verluste einbringen würde, wenn ich auf Weihnachten nun auch noch verzichten müsste. Ich versuche auch in dieser Zeit auf das zu schauen, was mir geblieben ist, und das ist ja einiges. Ich habe zwei Söhne mit tollen Freundinnen, ich habe noch meine Eltern, meinen Bruder mit Familie, die Familie meines Mannes. Auch wenn wir größtenteils sehr weit auseinanderwohnen und an den Feiertagen voraussichtlich nur meine Söhne hier sein werden, wir können telefonieren, auch skypen. Und mir ist meine Kirchengemeinde geblieben, mit ihren vielen Gottesdiensten in dieser Zeit, die mir immer wieder das Eintauchen in eine Gemeinschaft ermöglichen. Nein, auf all das kann und möchte ich nicht auch noch verzichten. Natürlich wird es nie wieder so früher sein, mein Liebster fehlt und wird immer fehlen,meinen Söhnen fehlt ihr Vater natürlich auch, und das macht das Erleben der Weihnachtstage so bittersüß, aber, wie gesagt, wenn ich die Tage ganz ausfallen ließe, wäre es nur noch bitter.


    Was eigentlich selbstverständlich ist, was ich aber doch noch einmal betonen möchte: ich spreche hier nur von davon, was für mich persönlich funktioniert und was nicht. Keine Bewertung, keine Beurteilung anderer Wege, die andere Menschen für sich gangbar finden. Wir kämpfen doch alle darum, mit diesem Leben, das wir so nicht gewollt haben, auf die für uns bestmögliche Weise umzugehen, dafür gebührt uns allen Achtung und Mitgefühl.


    Ganz herzlich

    Sabiene

  • Es ist Weihnachten, und so viel "globale Trauer", wie es hier in einem Thread heißt, drückt uns nieder, dazu das Gewicht unserer eigenen schwer zu tragenden Schicksale. Unsere Gedanken wandern unweigerlich zurück zu früheren Weihnachtsfesten, an denen die Welt und unsere Welt noch in Ordnung waren. Ich möchte mich heute daran erinnern lassen, dass Weihnachten immer auch bedeutet, das Licht siegt über die Dunkelheit, die Liebe ist stärker als der Tod und unsere Hoffnung wiegt schwerer als all unsere Angst und Verzweiflung.

    In diesem Sinne gesegnete, friedvolle und erträgliche Weihnachten für uns alle!

    Seid herzlich gegrüßt

    Sabiene

  • Und wieder ist er da, der Silvesterabend, und ich stelle erstaunt und erfreut fest, dass mich dieses Jahr offensichtlich weniger erschöpft hat als das letzte. Noch nicht einmal eine Migräne plagt mich heute, trotz des extremen Wetters. Ich bin erleichtert und dankbar für die Weihnachtswoche, die wir als "Restfamilie" zu dritt verlebt haben. Es war schwer, aber es war auch schön, vor allem war es sehr entspannt und ich habe es genossen, meine Söhne auch mal wieder alleine (ohne ihre Freundinnen) bei mir zu haben.


    Ich versuche, zuversichtlich ins Neue Jahr zu gehen, das - wie ich jetzt schon ahnen kann - einiges an Aufregendem und wieder neue Veränderungen bringen wird. Einen Vorsatz vom letzten Jahr nehme ich mit nach 2023: wieder mehr unternehmen, mehr Ausflüge machen, Schönes sehen und erleben, alleine und wenn es sich ergibt auch mit anderen.


    Mit dem Wünschen bin ich vorsichtig geworden: letztes Silvester hatte ich uns allen das Verschontbleiben von weiteren Katastrophen gewünscht. Und was ist daraus geworden? Im Globalen der Krieg in der Ukraine, im Privaten die schwere Erkrankung meines Vaters. Aber "die Bitte, verschont zu bleiben taugt nicht", lese ich auch bei der Dichterin Hilde Domin in ihrem Gedicht "Bitte". Vielleicht dann das: ich wünsche uns allen Kraft und Mut für all das Schwere und Beängstigende, eine gute Prise Gelassenheit, Frieden (wenigstens im Herzen), dass wir Lebensfreude und Leichtigkeit nicht ganz verlieren oder wiederfinden und dass wir bei allem Schweren auch das Schöne und Erfreuliche nicht aus dem Blick verlieren, dass wir es genießen und dankbar annehmen können.


    Kommt alle bestmöglich rein ins Neue Jahr und seid herzlich gegrüßt

    Sabiene

  • 2 Jahre sind nun auch bei mir vergangen ...


    Gut war: ich hatte in der Woche wieder Besuch (mein weiter entfernt wohnender Sohn und seine Freundin) und wenig Zeit für trübe Gedanken. Allerdings ging es mir schon in den Tagen davor nicht gut und auch jetzt ist die Stimmung eher gedrückt. Man kann der Trauer nur begrenzt ausweichen, sie findet ihren Weg.


    Und nun also das dritte Trauerjahr. Wie viele werde ich wohl noch zählen? Und wird sich noch viel verändern? Im Moment fühlt es sich nicht danach an, meinem Empfinden nach trete ich irgendwie auf der Stelle. Der Winter zieht sich ewig dahin, der Alltag erscheint ebenso grau wie das Wetter, kleine Anforderungen türmen sich haushoch, das Vermissen macht sich immer wieder schmerzhaft bemerkbar. Ich vermisse Dich, ich vermisse die Sonne, die Wärme (auch und vor allem menschliche), ich vermisse Blumen, Farben, die Freude, das Gefühl, geliebt zu werden. Und ich vermisse meine Zuversicht. Das Jahr 2023 macht mir gerade hauptsächlich Angst, so vieles ist unsicher und gefährdet, nicht nur global, auch in unserer kleinen Welt: der äußerst fragile Zustand meiner Eltern, das Examen meines anderen Sohnes, sein dreimonatiger Aufenthalt in Kapstadt ... Im Moment leben, sich nicht um die Zukunft sorgen, das ist die bleibende Herausforderung. Bin ich undankbar? Manches ist auch gut in meinem Leben, auch wenn ich das gerade nicht so richtig sehen kann. Gar nicht so einfach, mein derzeitiges Empfinden in Worte zu fassen ...


    Danke allen fürs Lesen! Das Schreiben war ein Versuch, mir über mich selbst klarer zu werden, es hat zumindest ein bisschen funktioniert, glaube ich. Kraft und Zuversicht, das wünsche ich uns allen!