Meine Trauerzeit nach dem Tod meiner Mutter

  • Liebe mayatochter,


    mein herzliches Beileid zu Deinen schweren Verlust.

    Willkommen hier im Forum wo niemand von uns je sein wollte und doch tut es gut verstanden zu werden.

    Es ist noch gar nicht lange her bei Dir und ja natürlich sagt der Verstand es war gut und richtig und und und doch unser Herz und unsere Seele sagen etwas völlig anderes es geht nicht zusammen.


    Vielles irgendwann einmal nachdem viel viel Zeit vergangen ist vielleicht geht es dann eher zusammen.

    Wir werden immer die Kinder sein und werden immer eine Mama haben was mich betrifft auf jeden Fall.

    So gehen die Tage und Wochen Monate und Jahre dahin ein ewiger Kreislauf nur ohne diesen einen Menschen in meinem Fall mein Seelenmensch und das ist ein Schmerz der immer bleibt bis wir uns eines Tages wieder sehen.


    Vlg. Linchen

  • Danke, liebes Linchen für deine tröstlichen und ehrlichen Worte! Und mein tiefes Mitgefühl für deinen Verlust deines Seelenmenschens und den Schmerz, der darum immer bleibt. Ja, das kann ich mir vorstellen und ich stehe ja wirklich noch ganz am Anfang, wo noch gar keine Rede davon sein kann, nur mit irgendwas, was 62 Jahre meines Lebens eine verlässliche Lebensbasis war und nun weggebrochen ist, zu leben.

    Ich kann mir auch sehr gut vorstellen, dass sich das auch bei mir n i e stimmig anfühlen wird, dass eine Welt, in der es meine Mutti nicht mehr gibt, nie mehr stimmig für mich wird; was sie allerdings sowieso nie für mich war, wenn ich ehrlich bin, eine stimmige Welt.


    Ja, es stimmt, der Verstand sagt das eine. Das Herz und die Seele sagen etwas anderes. Sie sagen, Mutti ist da wie zuvor und nicht mehr da - und vielleicht ist das ja auch genau die Wahrheit, dass etwas gleichzeitig schmerzlich nicht da und liebevoll doch da sein kann, wenn wir doch eigentlich Geistwesen sind von unserer wahren Natur.


    Es tut sehr sehr gut, hier im Forum verstanden zu werden!


    Dir und allen ein gesegnetes Wochenende!


    Liebe Grüße! mayatochter

  • Allgemein lesen sich deine Zeilen ganz rund.
    Das freut mich.


    Lieber Simon,

    ich habe diese Worte von dir an mich mal mit in mein eigenes Thema genommen, weil ich den Eindruck hatte, dass meine Antwort darauf irgendwie momentan den schönen Beiträgefluss in deinem Thema in Bildern und Tönen in ihrer Stimmung unterbrechen würde und das wollte ich nicht.

    Außerdem passt es bei mir im Gegensatz dazu gerade gut ins Thema!


    Ich weiß, was du meinst mit deinen Worten. Meine Zeilen wirken relativ gefasst und reflektiert und fast schon versöhnt mit der Trauer um meine Mutter.


    Das stimmt teilweise auch.


    Mein Herz weiß genau, nicht nur mein Verstand, dass es für meine Mutter richtig war, jetzt zu sterben, aus vielen Gründen.


    Als Mystikerin, die ich (lange wusste ich das aber gar nicht) von Kindheitszeiten an bin, spüre ich aber ganz tief mit meinen "Himmelssinnen", dass aus Sicht der allumfassenden Liebe, die ich Jesus nenne, alles alles in bester Ordnung ist. Nur nicht unsere Welt.

    Und wenn es mir dann mal wieder zu hart wird mit den Lebensschmerzen, die ich reichlich im Leben litt, dann lasse ich mich einfach mit meinem Herz ujd meiner Seele in meinen Glauben und in die innere Liebesquelle, den offenen Himmel, fallen, und lasse mich tragen.


    Und dann werde ich auch getragen, da, wo es mir zuviel wäre ansonsten. Da wo es mir zu mangelhaft wäre und da, wo mir zuviel fehlen würde.


    Dann fühle ich mich in der Jesusenergie oder Liebesenergie, in Licht und Wärme, geborgen, geerdet, sicher, und spüre da auch Muttis Liebesenergie und kann damit kontemplativ ab und zu mich EINS fühlen und ganz selbstvergessen darin schwelgen, formlos, gedankenlos, einfach nur Dasein.


    Dann bin ich mitten im Licht getragen und geborgen. So in etwa: L ich T


    Und alle meine Sorgen und Schmerzen und mein Gebrochensein hier irdisch wird dann leicht.


    Und ist dann in Krisenzeiten dauerhaft leichter, viel leichter, als es wäre, würde ich ohne meine innere spirituelle Welt leben.


    Vielleicht ist das unverständlich oder unglaubhaft, wenn du das so liest. Für mich ist es meine Lebensrealität.


    Und außerdem ist mein Schreiben, auch schon von Kleinauf, auch erst spät kapiert, was es ist, eine Art Seelenschreiben, bei dem ich nicht schon vorher weiß, was ich schreibe, bei dem mir selber immer viel erst klar wird, als ob nicht nur Fragen, sondern auch gleich Antworten mit von ganz tief in mir hervorkämen.


    So bin ich denn von Kleinauf wie meine Mutti ein Schreiberling und daher ist wohl mein Schreiben auch eine recht runde Sache oft.


    Liebe Grüße! mayatochter




  • Aber, Mutti, das heißt nicht, weil ich mich oft und viel gerade jetzt vom Himmel getragen fühle, dass alles gut und bewältigt ist für mich, wie könnte es das auch sein? Ich bin nicht Mystikerin, um selig lächelnd über allem Erdenleid zu schweben und mich in die Kontemplation zu flüchten.

    Die Himmelssinne der MystikerInnen sind dazu da, ihr Umfeld in ihrem Glauben daran, dass es wirklich die Ewigkeit gibt, zu bekräftigen und auch die, die sich dafür entscheiden, an die Ewigkeit in Liebe, (egal, welchen Götter- oder Göttinnenname sie dafür haben), zu glauben. So habe ich es wenigstens erlebt und gelebt.

    Wobei ich auch ziemlich sachlich und nicht esoterisch unterwegs bin in Jesusnachfolge.


    Du, Mutti, warst keine Mystikerin und von dir und deinem Vater, meinem geliebten Opa, habe ich ja den christlichen Glauben erzählt bekommen. Von euch habe ich aber auch vorgelebt bekommen und die meisten Lebensjahrzehnte schmerzvoll nachgelebt, dass ihr zwar tief und zum Alltag gehörend gläubig wart und gebetet habt und euch viel mit Glaubensfragen beschäftigt habt, aber dann in euren Lebensentscheidungen euch doch auf eure eigenen Kräfte, Pläne und irdischen Ziele verlassen habt und mühsamst sowie schmerzvoll euch selber durchgeschlagen habt.


    Daraus habe ich auch gelernt, dass die Himmelswelt offenbar nicht wirklich für Alltagsleben - und entscheidungen zuständig war, sondern für Schutzgebete und Hilfeschreie, ja, das schon, aber die Kontrolle über den eigenen Alltag hielt man doch lieber selber in der Hand.


    Ich weiß nicht, ob das der Grund war, jedenfalls verlor ich mit 10 Jahren den offenen Himmel und den Lichtrückzug in mir, der mir vorher immer so selbstverständlich war, abrupt und fiel innerlich, sah das innerlich vor mir, in die Dunkelheit der Welt. Zwar nahm ich immer noch Jesus still im Hintergrund stehend irgendwie wahr, aber fiel dann auch mehr und mehr vom Glauben als Alltagssache ab und das 47 Jahre lang, bis sich in schwerer Krankheit der Himmel wieder öffnete wie zu Kindheitszeiten und mich seitdem wieder im Alltag begleitet und ich ihn jetzt genauso als meinen Lebensraum verstehe und lebe wie meine irdischen Räume.


    Mutti, das habe ich dir alles auch erzählt, aber da warst du nicht ansprechbar, obwohl du auch vorher schon miterlebt hast, dass ich sogar in den dunklen 47 Jahren zwischendrin einige tiefe Visionen hatte.


    Ich akzeptiere und toleriere die vielen Leute, die der Meinung sind wie Altkanzler Schmidt, dass, wer Visionen hat, zum Arzt gehen sollte, :P, glaube auch nicht allen Kram, den ich in die Richtung höre, lese, ganz klar, vor allem, wenn diejenigen dann alle in ihren Visionen sich selber als strahlende GeistführerInnen und MeisterInnen sehen und es anscheinend in diesen Erzählungen nur Stars gibt, keine, die scheitern.


    Mein Leben dagegen ist ja eins, wo von Anfang an rätselhaft oft die Kraft fehlte und wo dann doch am Ende immer wieder aus ScheiXe Dünger wurde. Daher geht es bei meinem Leben um keinerlei Starprofil oder ähnliches, sondern um viel viel viel Schmerz und Leiden und Überlebenskampf.

    Wer sowas erlebt, neigt nicht so zu Schwelgerei und schon gar nicht zu Lebensverklärung. Ich fand und finde das irdische Leben ein ziemlich kaputtes Trauerspiel und weiß keine Lösung dafür.


    Aber die himmlische Welt der Liebe gibt es schon. Das habe ich als Kind gewusst und das weiß ich jetzt wieder seit 5 Jahren und habe es auch zwischendurch gewusst, ohne den Weg dahin mehr zu finden. Alles, was die Religionen und die Kirche erzählen, wäre mir doch völlig wurscht gewesen angesichts der grausamen Lebensrealität, wenn ich nicht innere Beweise für Gottesbeziehung und Gottesnähe selber erleben würde.

    Im Unterschied zur Religion wäre es mir eine Überforderung gewesen, an was zu glauben, was ich nicht auch weiß. Woher die Kraft sonst dafür nehmen? Wohier das Vertrauen angesichts all der Vertrauensbrüche im Leben?

    Und dabei hatte ich noch gemessen an der Weltbevölkerung hier in westlicher Zivilisation ein ausgesprochen privilegiertes Leben und trotzdem musste ich meistens innerlich irgendwie jeden Tag überleben wegen angeborener, lange unbekannter Erkrankung.


    Warum schreibe ich das alles? Damit du, Mutti, es jetzt endlich verstehst, was ich gemeint habe. Du bist jetzt in der Seelenwelt und mein Schreiben ist Seelenschreiben, also kannst du mitlesen.

       

  • Gestern habe ich in mein Tagebuch geschrieben:



    Wenn ich in meinem Trauerforum lese und schreibe, fällt mir natürlich erstmal die Hirnrissigkeit auf, dass alle Trauernden dort ins Forum fanden, wie ich ja auch, weil, obwohl jeden Tag in unserem Lande mehr Menschen sterben als geboren werden, es dann spätestens nach der Beerdigung einer geliebten Person überall um einen herum weitergeht wie gehabt und viele sich fühlen, als sei ihre Trauer nur "ihr persönliches P r o b l e m", dem sie natürlich nicht a l l e i n gewachsen sind und v e r s t e c k t.


    Ich bin 62 Jahre alt und erfahre erst jetzt, dass Trauer oft als ein solcher Schock erfahren wird, dass es, wenn alle Beerdigungspflichten vorbei sind und der trauernde Mensch etwas zur Ruhe kommt, dass das Vegetative Nervensystem dann im Nachhinein den Schock massiv abreagiert in Panikanfällen oder Zitter-Hyperventilier-Schlotter-Anfällen.


    Auch völlige Antriebsschwäche und mindestens 1 Jahr völlig neben der normalen Spur zu sein, kommt oft vor.

    Massive Trauer noch nach Jahren auch! Je nachdem, wie nah und intensiv die Nähe miteinander war! Oder wie schlimm das Sterben, eine schwere Krankheit oder das junge Sterben eines Partners oder Kindes uvm. waren.

    Die meisten Beiträge dort im Trauerforum kommen wie meine einige Wochen nach dem Tod der Nahesterbenden. Aber es sind auch eine Reihe von Foris dort, die schon einige Jahre dort sind und immer noch intensiv trauern, obwohl nur manche dazu depressiv sind, beileibe nicht alle.


    Meine Güte, das ist doch so Alltagsbestimmend, warum gibt es nicht wie nach einer Geburt Trauerzeit und Trauergeld? Warum hat die Trauer keine Lobbys, keine Ministerien, keine Fachstellen breit gestreut, keine Teilhabe am Leben und findet fast gänzlich im Untergrund statt?

    Das ist doch verrückt!


    Und das gibt mir ganz "schizophrene" Gefühle, dass meine Trauerintensität und meine anderen emotionalen Impulse nicht zusammenpassen und nicht stimmig sind. Na klar! Weil die Repräsentanz der Trauer im Alltagsleben keine öffentliche Repräsentanz hat!

    Mein Routinehandeln im Alltag drängt dazu, auch einfach weiterzumachen wie gehabt vor dem Tod meiner Mutter! Weil wir uns ja auch nicht gut verstanden haben, gab es ja auch ein breites Leben ohne Kontakt zu ihr, viele Jahre in der Summe.

    In gar nichts war ich als Erwachsene noch verwiesen auf meine Mutter, außer in der Gewissheit, dass an einer Erdenwelt ohne sie auch was falsch ist!


    Und selbst mein inneres Kind trauert keinesfalls verzweifelt, denn meine Mutter und ich waren in unseren inneren Notwendigkeiten schlussendlich einfach nicht kompatibel.


    Trotzdem gibt es ja in einer Kindheit, die nicht völlig schiefgelaufen ist, diese Lebenserfahrungen, die noch ganz existentiell sind in der Abhängigkeit von der Mutter, in der ich ja gewachsen bin und aus der ich ins Leben gekommen bin. Diese ganz existentielle Essenz-Erfahrung des Genährtwerdens und der Geborgenheit und der Mutterliebe und der Liebe zurück habe ich viel zuwenig gemacht, aber ich habe sie trotzdem schon auch gemacht.


    Ich habe sie so wenig gemacht, dass ich kein Urvertrauen und keine Verwurzelung in diesem Leben durch meine Eltern habe, sondern durch meine Spiritualität, aber eine gewisse Lebens-Liebesbasis ist da trotzdem.

    Von dieser Basis treibt einen das Leben als Heranwachsende und Erwachsene immer weiter fort, leider, aber auch notwendig in der Abnabelung, aber wenn man selber Kinder hat, lässt einen, wenn es gut läuft, die Liebe wieder hinein in diese Essenzerfahrungen, zeitweise wenigstens.


    Meine Trauererfahrung ist es jetzt, dass ich auf dieser Essenzebene auch trauere, weshalb es aber auch so einfach und fast drängend ist in meiner erwachsenen Alltagsroutine, das Trauern zu übergehen.


    Ich weiß aber, wie falsch das wäre.


    Die ganzen Wochen zwischen dem Tod meiner Mutter und bis nach ihrer Beerdigung trug mich diese Essenzbasis durch die Schock- und Ausnahmesituation. Ich glaube, dass diese Ebene sehr kostbar ist, pure Liebe.



  • Liebe mayatochter,


    nun ja so unterschiedlich kann das sein....ich und meine Mama waren eins da passte nichts dazwischen.

    Mein Seelenmensch absolut, nicht immer ganz einfach wenn man einen Partner hat.


    Ich würde keinen Menschen nicht einen so vertrauen wie meiner Mama niemals nie.....das würde nicht gehen absolut nicht.

    Dafür ist diese Lücke auch riesengroß und der Schmerz extrem immer noch.


    Vlg. Linchen

  • Liebe Linchen, ich verstehe dich trotz aller Unterschiede gut. Denn meine beste, leider schon vor 3 Jahren verstorbene Freundin Bettina hat mir auch immer von solch einer nahen Mutter-Tochter-Beziehung erzählt, wo kein Blatt dazwischen passte und es keinen Tag gab, wo an sich nicht traf und trotzdem noch telefonierte.


    Und eine besondere Nähe zwischen der Mutter, die einen ja geboren hat, 9 Monate in sich getragen hat und dann in den ersten Lebensjahren so eng bei sich hielt und trotzdem das Selbständigwerden unterstützte, da, wo sie erlebt wurde, schafft sie von Natur aus eine Liebesnähe zwischen Mutter und Kind, auf der dann auch die Trauer liegt, wenn die Mutter geht. Das ist eine ganz pure und junge und ungetrübte Liebe.


    Und ich wäre hier nicht im Forum, wenn wir das nicht unendlich kostbar und wichtig wäre, auch wenn mit dem Heranwachsen und dem Erwachsensein unsere Beziehung leider so überlastet und gestört wurde, dass ich mir das nicht mehr leisten konnte, im Umgang mit meiner Mutter von dieser puren Liebesebene aus zu handeln, die zwischen dir und deiner Mutter immer lebbar war, so nah, wie ihr euch standet.


    In meiner Familie sind durch das Kriegskindheitstrauma meiner Mutter, das sie nie verarbeitet und überwunden hat und die daraus resultierenden Folgen in ihrem (psychisch manchmal kranken) Verhalten gravierende Zerstörungen in den Familienbeziehungen passiert. Jahrzehntelang verstand ich das natürlich gar nicht, wie meine Mutter selber und meine Geschwister auch nicht. Und als wir es verstanden, (bzw. verstehen es eine meiner Geschwister bis heute noch nicht und spielen die Psychospiele als Realität anstatt als kranke Kompensation weiter) waren wir bereits selber so psychisch belastet, dass wir auf gesunde Distanz gehen m u s s t e n.


    Viele viele Familien auch meiner FreundInnen, wie ich beobachtete, erfuhren in ihrer Jugend wie ich auch teils verrohte, teils abwesende oder gefühlskalte Großeltern und Eltern, die durch ein oder sogar zwei Weltkriege nur so überleben konnten, aber nicht gesund.


    Aber meine Mutter war a u c h die gesunde, liebevolle und nahe Mutter, besonders, als wir noch klein waren. Je älter wir wurden und je mehr sich offenbar ihre psychisch kranken Anteile der übersteigerten kindlichen Verlustangst in ihr durch unsere Selbständigkeit bedroht fühlte, desto mehr zerstörerische Kommunikationen entstanden, die sich aber immer im Kreise drehten und nichts verbesserten.


    Je jünger ich damit noch war, desto weniger konnte ich mir selber psychisch leisten, diese widersprüchliche und wechselvolle Mutter offen zu lieben, das hätte mein Herz viel zu offen liegen lassen, wenn meine Mutter wieder verletzend wurde.


    So schwankte auch bei mir die Haltung gegenüber meiner Mutter immer zwischen Liebe und Kampf wie bei meiner Mutter auch. Aber wir wussten trotzdem, dass wir uns im Ernstfall immer aufeinander verlassen konnten, was bei meinen Schwestern anders war, bei meinem Bruder nicht, aber der hatte auch eine ganz andere Mutti erlebt, weil er selber nicht ganz gesund ist und wir alles Harte von ihm immer alle fernhielten.


    Und als ich dann jetzt in späteren Lebenszeiten es hinkriegte, dass mein Herz ruhig wurde, indem ich die Situation mit genug Abstand so nahm wie sie war, eine Distanz zu meiner Mutter notgedrungen lebte, mir aber innerlich immer erlaubte, sie zu lieben, da ging es mir selber nach verarbeiteten Psychomacken immer besser, denn ich brauchte ja auch meine Kraft für meinen Alltag.


    Darum hatten meine Mutter auch in ihren letzten 5 Monaten, als sie zu schwach war für all ihre früheren verbalen Giftpfeile, wieder wie als Kind eine offene zärtliche Liebe zueinander und es musste nichts mehr geklärt werden. Da bin ich so dankbar für.


    Darum ist es jetzt so, dass ich überhaupt trauern kann. Als meine Großeltern starben, konnte ich das noch gar nicht. Das war offenbar zu erstickt in mir von allem Gestörten und Zerstörten.


    Wie zerstört meine Herkunftsfamilie ist, sehe ich ja eben auch im Nachhinein daran, dass niemand meiner 3 Geschwister zu Muttis Beerdigung kam oder mir bei den Vorbereitungen half. Gut, dass ich da zwei ganz enge Freundinnen meiner Mutter und nun auch von mir an meiner Seite hatte und meinen Vater, der aber mit seinen fast 100 Jahren keine Unterstützung sein konnte, aber Nähe, Innigkeit und Liebe.


    Jetzt e n d l i c h darf, kann und will ich mir erlauben, in der Liebe zu meiner Mutter zu schwelgen ohne Gefahren wie zuvor. Jetzt will, kann und darf ich trauern.

    Und ich merke zwar, dass die erwachsene mayatochter ein Leben ohne Mutter gelebt hat, notgedrungen, aber dass das bei weitem nicht alles war. Da passe ich auf, dass ich nicht in die Schiene rutsche mit meiner Trauer, weil das weder Mutti noch mir und unserer Liebe zueinander gerecht wird.


    Darum lese ich auch gerne hier im Forum, wie nahe und gute Beziehungen waren.


    Ist das zu verstehen?


    Liebe Grüße! mayatochter



  • Liebe mayatochter,


    natürlich ist das zu verstehen auch wenn ich mir das überhaupt selber für mich niemals vorstellen konnte oder kann.

    Ich höre das ja oft für mich so völlig fremd.

    Meine Mama hat mich mit 2 Tagen aus der Klinik geholt sie hat mich nicht in sich getragen und trotzdem ist unsere Verbindung sowas von eng das diese Verbindung sogar Mauern einreisen kann auch diese jetzige.


    Vlg. Linchen

  • Liebe mayatochter,


    Liebe Ihn sei immer für Ihn da egal was es ist es gibt nichts wertvolleres.<3

    Der Schmerz ist zwar extrem und sowas von grausam aber ich würde es niemals anders haben wollen.

    Niemals für nichts auf der Welt.


    Du hast Deine Mama trotzdem geliebt hier habt irgendwie einen Weg gefunden und das ist alles was zählt die schöne Zeit das wertvolle zählt.

    Eine liebe Umarmung :24:


    Vlg. Linchen

  • Liebe Mutti, jetzt habe ich gerade eben die erstmal letzte Trauerpost zum Postkasten gebracht, also meine Antwort im Namen der Familie auf Beileidsschreiben!

    4 darunter gingen mir besonders nahe und 2 von ihnen schrieb ich auch schon mit der Todesanzeige ausführlicher, 3 von ihnen auch jetzt.


    2 von ihnen, eine Brieffreundin seit 20 Jahren und eine Großcousine von dir, hatten dir noch nichtsahnend eine Grußkarte zum 87. Geburtstag geschickt, dabei war das dann schon dein 1. Himmelsgeburtstag und dein Beerdigungstag!


    Um sie nicht maßlos zu schocken, schrieb ich ihnen noch einen vorsichtigen persönlichen Brief zur Todesanzeige. Aber der Schreck ließ sich nicht vermeiden.


    2 weitere sind deine ältesten beiden Schulfreundinnen seit 75 Jahren und die kannten wir "Kinder" natürlich auch.


    Einige Trauerantworten werde ich persönlich noch an eurem alten Wohnort am WE übergeben.


    Aber ansonsten, außer Bürokratiekram, ist soweit alles vorbei . . . . vorbei . . . und es ist wie ein Warten in mir, aber ich denke, dieses Warten bleibt mir, weil ich es einfach nicht glaube und verstehe, dass alles vorbei ist.


    Dabei wüsste ich gar keine bessere Alternative hier irdisch. So alt und krank gibt es hier auch nichts mehr, was besser wäre als in der Ewigkeit zu sein.


    Nur ist die irdische Vergänglichkeit ja sowas Gruseliges, wenn auch die ganze Welt darauf ausgerichtet ist, aber als tolles Konzept kann ich das Ganze nun wirklich nicht bezeichnen.


    Ich schreibe an dich, aber das ist schon was, was ja gar nicht zu Lebzeiten von dir gelang und das ließen wir dann auch sein.


    Was das Leben mit unserer Beziehung gemacht hatte, denn auch da gab es keine besseren Alternativen, ließ gar nichts mehr übrig, zu sagen. Der Mutter, die du da warst, hatte ich nichts mehr zu sagen, zu erzählen.


    Und doch war es die letzten 5 Monate anders, da war es wieder wie vor langer, langer Zeit zärtliche Liebe zwischen uns. Und die ganze Krankheitsentwicklung aus deiner Selbständigkeit hinaus war ja gar nichts, was dir gefiel, während mir durchaus "gefiel," dass du nun im Pflegeheim in Sicherheit warst, weil du eben immer hinfällig wurdest und allein in deiner Wohnung absolut nicht mehr sicher warst, aber niemanden etwas für dich machen ließest, was nötig war.


    Also, wie ich es auch drehe und wende, da war ein Lebensabschluss, wo du gehen wolltest und körperlich auch musstest und wo keine weitere große Selbständigkeit für dich mehr möglich gewesen wäre.


    Deine irdische Lebensgeschichte war zuende geschrieben und niemand hatte mehr etwas hinzuzufügen.


    Und dass ich nun nicht mehr weiß, was es Neues bei dir gibt als Seele und Geistwesen bei Gott, das ist was ganz anderes als bisher.


    Als ich deinen aufgebahrten Körper das letzte Mal sah, da fühlte ich ja statt den Tod deine absolute Lebendigkeit und eine große Gewissheit darüber!


    Und während ich das hier schreibe, bekomme ich wie sooft direkt eine Antwort in die Tasten: Du bist erstmal ganz nahe bei Jesus und allen Lieben und erholst dich vom Erdenleben. Das kann ich mir vorstellen.


    Wenn ich dir also jetzt schreibe, dann schreibe ich eigentlich sowohl an dich wie auch an die Ewigkeit.


    Dann kommt es mir so vor wie die alten Klagepsalmen, die in der Bibel zu finden sind und die ich mal ausprobiert habe und dabei lernte, dass sie im Klagen und Schreiben ihre Antwort und ihren Trost schon in sich tragen. Ähnlich wie bei vielen Songs, in denen es um Verlorenheit geht, die Melodie schon die Geborgenheit mit sich bringt.


    Also schreibe ich gar nicht an die Mutti, der ich nicht schrieb.


    Auch nicht an die sterbende.


    Ich schreibe an den liebenden Kern meiner Mutti als der liebende Kern der Tochter.


  • so wunderschön geschrieben:30:<3

  • Lieben Dank, liebe Bettinalein! :24:


    Ich schreibe heute ein bisschen um die Tatsache drumherum, dass sich ein Ende aller hochgepeitschten Emotionen und Aktivitäten rund um das Sterben und den Tod meiner Mutti nun zeigt mit dem Losschicken der letzten Dankesbriefe für Beileidschreiben. Und dass dahinter eine Leere gähnt, wo früher immer trotz aller Distanz ein sicheres Wissen war, wo Mutti war und wie es ihr ging und was sie machte.

    Da kommt jetzt hier im Alltag, im Erdenalltag gar nichts mehr.


    Ein Loch, eine Leere, eine unfüllbare Lücke, egal, was alles schief lief bei uns.


    Ich bin ein Leben mit Stückwerk überall und Lebensruinen durchaus gewohnt - und Mosaike aus lauter Versatzstücken sind auch recht hübsch, also wird es irgendwie weitergehen und es ist schon lange nicht mehr mein Ehrgeiz, meinem Leben hier oder mit meinem Leben hier irgendwas zu beweisen, was f ü r diese Fehlkonstruktion eines Erdenlebens sprechen würde.


    Eben wieder mal und noch eine Leere und ein Warten auf bessere Zeiten und ein Warten auf die Mutti, weil alles andere sich falsch anfühlt - und dass da nichts kommt - und dass ich diese Leere irgendwann transzendieren kann, aber wann, das weiß ich nicht.

  • Ich finde, Du hast eine wunderschöne Art zu schreiben. Es lässt für Aussenstehende vieles erahnen ohne aber zu sehr ins persönliche Detail zu gehen. Und ich denke für Dich ist es eine gute Art der Trauerbewältigung (wobei das Wort Bewältigung eigentlich auch einen Abschluss mit einschließt und ich ja selbst nicht weiss, ob man jemals so richtig darüber hinweg kommen kann....)


    Der Weg ist und bleibt halt doch das Ziel....


    Ich sende Dir liebe Grüße

    Susanne

  • Danke, liebe Susanne, ja, der Weg bleibt das Ziel bei der Trauer. Ich merke auch, dass ich jegliche Trauerbegleitbücher, die Trauerphasen, Traueraufgaben, Trauerwege benennen, derzeit noch von mir weise. Ich will nichts eingeredet bekommen, was wie zu laufen hat, auch wenn ich später mal aus der Rückschau bestimmt einigem zustimmen werde, was universell zur Trauer gehört.


    Wie bei vielen anderen Lebensthemen auch, geht es bei mir jetzt zur Trauer auch irgendwie von einer These zum Gegenteil, zur Antithese, und dann hin und her auf einem Spiralweg, der immer weiter führt, auch wenn es sich wie im Kreis herum anfühlt, und dabei entwickelt sich meine persönliche Synthese aller nötigen Traueranteile.


    Erst ging es mir vor allem darum, überhaupt einmal aus Liebe trauern zu können! Dabei passte ich auf, dass ich das nicht vergaß im Alltag, der so gewohnt war, ohne meine Mutter zu laufen, schon solange und so eingespielt und innerlich akzeptiert und bearbeitet als alles, was möglich war.


    Dann ist da aber auch die spirituelle Liebesquelle in mir und wenn ich von ihr aus in den Tag lebe, ist viel Liebe da und Trauer wie ein milder Sommerregen. Schmerzen werden getragen, Aktivitäten sabotieren mich nicht, Milde herrscht im Alltag - und Milde ist normalerweise nicht in meinem Charakterbaukasten mit drin gewesen. 8o


    An Tagen, wenn ich vergaß, aus meiner inneren Liebesquelle in den Tag zu starten, war Trauer kopflos, richtungslos, aber auch das soll sein.


    Dann gestern bäumte sich zum ersten Mal seit Monaten, die der Krankheit, dem Sterben und dem Tod und der Beerdigung meiner Mutter in einer Ausnahmesituation innerlich gegolten haben, mein Inneres auf und signalisierte ein deutliches STOP! Genug nun erstmal mit all dem Fremden!


    Jetzt will ich mal wieder eine Weile in vertrauten erreichten Lebensrhythmen mich ausruhen und den Aktionismus loslassen, denn ich habe gemerkt, dass trotz meiner Trauer überhaupt gar nichts an Ganzheit an mir fehlt, das ich mir mühsam aus Mangel an Familienwurzeln spirituell als viel verlässlichere ewige Wurzeln vergegenwärtigt habe und gelebt habe.

    Und da fehlt absolut gar nichts. Denn da bin ich wie der Stamm eines Baumes meiner Familie mit immer mehr Wachstumsringen nun aus einer Wachstumsphase, in der meine Mutti noch irdisch lebte, herausgewachsen und wachse immer weiter und nichts ging verloren an alten gemeinsamen Ringen, die auseinander wuchsen.


    Ich habe auch erkannt, dass ich gar nicht befürchten muss, dass ich die Liebe zu meiner Mutter vergesse, denn ich habe ja die Urquelle aller Liebe in mir, daraus ist ja mein Lebensbaum gewachsen und darin verwurzelt.


    Wenn ich Antworten der Liebe hier in meinen Erinnerungen hektisch wie Brotkrumen zusammensuche für meine Trauer, sehe ich nur, was ich ja schon lange gelernt habe: Irdisch herrscht daran überall Mangel und werde ich nicht satt.

    Aber ich habe da ja die nie versiegende und vollständig nährende verlässliche Quelle in mir. <3