Sag ich unserer kranken Mutter, dass ihr Kind (meine Schwester) stirbt?

  • Hallo Ihr Lieben,


    ich weiß gar nicht wie ich anfangen soll...die Schicksale, die ich hier gelesen habe berühren mich sehr.

    Erstmal würde ich gern allen eine virtuelle Umarmung senden :30:


    Ich habe mich hier angemeldet, weil wir (meine Schwestern und ich) völlig verzweifelt und unsicher sind.

    Wer kann uns vielleicht als Betroffene/r einen Rat bzw. sein Gefühl dazu mitteilen? Es geht um unsere Mutter.


    Hier erstmal die Geschichte:

    Im April 2020 ist unser Vater zu Hause verstorben. 3 Tage haben wir ihn nach einer Krankheit begleitet.

    Meine Mutter, sowie meine jüngste Schwester (33 Jahre alt) haben dies beide nicht wirklich verkraftet.

    Meine Mutter ist nur noch zu Hause geblieben und hat sich komplett in Ihren Schmerz fallen lassen. So sehr

    dass sie innerhalb von 6 Monaten zu einem fast Pflegefall wurde und nur noch am Rollator laufen konnte (Hausärztin vermutete Broken Heart Syndrom).

    Irgendwann ist sie krank geworden und 3 mal hatte der Rettungsdienst sie mitnehmen wollen, doch sie hatte sich

    geweigert, bis sie nicht mehr konnte. Das Ende davon ist, dass sie eine schwere Sepsis & Lungenentzündung hatte und

    mehrmals im Koma lag und später an der Beatmung und auch immer noch im Krankenhaus liegt (seit August) und nur sehr

    kleine Fortschritte macht.


    Meine Schwester hat sich in der der Zeit in Alkohol & Drogenkonsum geflüchtet (vorher auch schon, aber nicht so exzessiv).

    Durch eine vorher bestehende Lebererkrankung hat ihr Körper das nicht mitgemacht und sie liegt jetzt nach 6 wöchigem Aufenthalt

    im Krankenhaus im Hospiz. Ihr geht es zunehmend schlechter. Unsere Mutter weiß bisher nichts davon. Sie hat nur 1 Aufenthalt im KH

    mitbekommen, aus dem sie aber wieder raus kam.


    Meine Frage an Euch, als Betroffene mit verschiedenen Schicksalen: Gehen wir das Risiko ein, dass unsere Mutter komplett aufgibt und sagen es ihr jetzt?

    Oder erst wenn sie einigermaßen stabil ist? Ein Kind zu verlieren wird immer eine Katastrophe sein, aber hättet Ihr lieber die Möglichkeit gehabt Euch zu

    verabschieden? In welcher Form auch immer (bei ihr wird es evtl. höchstens per Videotelefonie sein)...vermutlich wird Mutti nicht mal zur Beerdigung können...

    Die Ärzte meinen aus medizinischer Sicht ist es nicht ratsam. Mein Gefühl sagt mir aber, sie sollte es wissen. Meine Schwestern wollen es ihr nicht sagen.


    Ich hoffe Euch damit nicht zu nahe zu treten und hoffe ein paar Gedanken von Euch dazu zu bekommen.

    Wenn es hier fehl am Platz ist, dann verzeiht es mir bitte! Wir sind natürlich auch sehr in Trauer und können nicht wirklich klar denken...


    Gruß Sandrini

  • Hallo, das ist wirklich schrecklich was dir /euch passiert

    Ich kann nur von mir reden, wir wussten das Jason es höchst wahrscheinlich nicht überleben wird und wir waren bei ihm als er starb, er lag in unserem Arm...ich könnte es mir nicht verzeihen wenn wir nicht da gewesen wären... Klar andere Situation aber ich hatte 24std vorher einen Not Kaiserschnitt aber nichts war wichtiger als der kleine...

    Egal wie schlimm es um mich stehen würde, ich würde wollen das ich erfahre und die Chance habe mich von meinem Kind zu verabschieden, man würde nie wieder die Chance dazu bekommen

  • Hallo, das ist wirklich schrecklich was dir /euch passiert

    Ich kann nur von mir reden, wir wussten das Jason es höchst wahrscheinlich nicht überleben wird und wir waren bei ihm als er starb, er lag in unserem Arm...ich könnte es mir nicht verzeihen wenn wir nicht da gewesen wären... Klar andere Situation aber ich hatte 24std vorher einen Not Kaiserschnitt aber nichts war wichtiger als der kleine...

    Egal wie schlimm es um mich stehen würde, ich würde wollen das ich erfahre und die Chance habe mich von meinem Kind zu verabschieden, man würde nie wieder die Chance dazu bekommen

    Danke für Deine Gedanken dazu. Dieses Gefühl hab ich auch...Meine Mutter ist zwar nicht in der Lage hin zu können, aber trotzdem....

  • Liebe Sandrini!

    Es tut mir sehr leid, dass ihr so schwierige Situationen in der Familie zu bewältigen habt!

    Deine Frage ist sicher nicht generell zu beantworten, denn jeder Mensch ist anders, jede Familie ist anders….

    Aber ich würde es als Mutter wissen wollen, egal was mit mir ist.

    Deine Mutter scheint leider ihren Lebenswillen seit dem Tod deines Vaters verloren zu haben. Spielt man beide Situationen durch:

    Sie verliert ihre Tochter, deine Schwester, und erfährt es danach- sie wird todunglücklich sein und konnte sich nicht verabschieden.

    Sie verliert ihre Tochter und erfuhr es vorher- sie wird todunglücklich sein und konnte sich wenigstens verabschieden.

    Fehlender Abschied macht die Verarbeitung des Geschehenen meist nochmals schwerer, so ist meine Ansicht.

    Ich wünsche dir und deiner Familie viel Kraft!

    Hedi

  • Mein aufrichtiges Mitgefühl von Herzen ❤️


    Das ist eine ganz schwere Situation. Ich weiß nur, sich nicht verabschieden können verfolgt einem.


    Ich weiß nicht was schlimmer für eure Mama ist, es nicht zu wissen und im Nachhinein zu erfahren oder jetzt diesen Schock zu erleben. Eines ist so schlimm wie das andere.


    Ich bin keine Mutter, aber hier sind viele Mütter deren Geschichte ich lese, ich denke... eine Mutter möchte es wissen...


    Vielleicht bekommst du noch viele Ansichten mitgeteilt, wenn es hier erst einmal viele gelesen haben.


    Ich wünsche Dir, Euch unendlich viel Kraft ❤️💔Pia 🥀

  • Vielen Dank liebe Hedi!

  • Danke liebe Pia!

  • Liebe Sandrini,

    es tut mir von Herzen leid von eurer Geschichte zu lesen.


    Auch ich kann nur für mich sprechen. Es ist furchtbar, keine Chance gehabt zu haben. Ich wünschte mir so sehr, die Zeit zurück drehen zu können, um Abschied von meinem Sohn zu nehmen. Die gesundheitliche Situation war bei mir jedoch völlig anders. Ich war bis zu diesem Tag fitt.


    Ich wünsche dir, dass du noch weitere Antworten erhältst, die dir helfen können, deine Gedanken zu ordnen und eventuell alles auch aus anderen Sichten zu betrachten. Oftmals hilft es dann, eine Entscheidung zu treffen.

    Alles Liebe 💚

  • Herzlichen Dank für Deine Gedanken!

  • Hallo Sandrini.

    Eine tragische Situation! Keine Lösung ist optimal.
    Wie war denn deine Mama früher? Was hätte ihr altes Ich dazu gesagt? Ihre Ärzte sprechen sich zum körperlichen Wohl ihrer Patientin aus. Die Situation ist wirklich sehr besonders. Normalerweise würde ich ganz deutlich sagen: die Mutter muss zwingend informiert werden. Aber hier ist es unklar. Wenn ich an deiner Stelle jetzt wüsste, dass meine Mutter nicht mehr sehr lange leben wird und ich ihr die Abwesenheit der Tochter irgendwie glaubhaft erklären könnte, dann würde ich ihr diesen Schlag ersparen, glaub ich. Aber da gibt es 1000 Faktoren die ich nicht kenne.
    Ich rate dir hier nichts!
    Was sagt denn deine totkranke Schwester? Möchte sie sich verabschieden?
    Es tut mir so leid, dass du soviel mitmachst gerade.

    Unsere Toten sind nicht abwesend nur unsichtbar,

    sie schauen mit ihren Augen voller Licht in unsere Augen voller Trauer.

    Es gibt ein Wiedersehen auf einer anderen Ebene.

    Und die Seelen unserer Vorausgegangenen begleiten uns

    Aurelius Augustinus

  • Hallo Elster,


    danke für Deine Antwort!


    Meine Mutter war früher immer sehr stark, aber seit ihre Schwester 1 Monat vor meinem Vater und dann mein Vater verstorben sind, hat es sie komplett

    umgeworfen...Meine Mutter hat alles überlebt (2x Koma, ewig Beatmet mit Luftröhrenschnitt, Op`s) und kämpft sich jetzt praktisch ins Leben zurück...

    Meine Schwester konnte die ganze Zeit nur 1x zu ihr, da die Coronaregeln in der Reha bei 2G+ ist und sie sich aufgrund ihres schlechten Zustandes nicht

    impfen lassen konnte...jetzt ist sie gar nicht mehr in der Lage und liegt bereits im Hospiz (deshalb wird eine Verabschiedung, wenn überhaupt, nur per Videotelefonie möglich sein)


    Es gibt halt die Angst, dass wenn wir es ihr mitteilen, dass Mutti sich erst recht aufgibt...

  • Es gibt halt die Angst, dass wenn wir es ihr mitteilen, dass Mutti sich erst recht aufgibt...

    Und die ist berechtigt. Genau wie der Einwand, dass es später noch schlimmer sein könnte, wenn ihr es vorerst verschweigt.

    Kann deine Schwester vorsorglich ein Video von sich an ihre Mama aufnehmen? Damit nicht gar nichts da ist? Man weiß ja nicht, wie schnell es gehen kann.

    Unsere Toten sind nicht abwesend nur unsichtbar,

    sie schauen mit ihren Augen voller Licht in unsere Augen voller Trauer.

    Es gibt ein Wiedersehen auf einer anderen Ebene.

    Und die Seelen unserer Vorausgegangenen begleiten uns

    Aurelius Augustinus

  • Liebe Sandrini,

    ich habe mich gerade spontan angemeldet, weil mich dein Schicksal so sehr berührt. Ihr seid einfach in einer furchtbaren Situation.

    Meine spontane Idee wäre eine "Halblüge." Vielleicht könntest du deiner Mutter mitteilen, dass deine Schwester ebenfalls schwer erkrankt ist und sie lange Zeit nicht besuchen kann und deshalb nur Videotelefonie möglich ist. So könnten die beiden vielleicht miteinander kommunizieren und über wichtige Dinge wie Abschied, Liebe etc. sprechen, ohne dass deine Mutter die volle Wahrheit im Moment erfährt. Deine Schwester weiß ja, wie es um sie selbst steht.


    Meiner Mutter habe ich nicht die Wahrheit gesagt, als sie im Sterben lag. Ich sollte eine Nachricht an eine Freundin schicken. Diese war aber bereits eine Woche vorher verstorben. Ich hab gedacht, die beiden treffen sich wahrscheinlich sowieso. (Kingt fürchterlich, war aber mein einziger Trost ). Ich lüge nicht gern, aber ich wusste mir nicht anders zu helfen.


    Die Entscheidung musst du letztendlich selbst treffen. Es wäre nur schön, wenn die beiden noch einmal im Leben miteinander sprechen könnten.


    Ich denke ebenfalls, dass ich eure Familie zu wenig kenne, um einen "echten" Vorschlag zu machen oder die Situation auch nur annähernd ausreichend beurteilen zu können. Es ist nur eine Idee, über die du nachdenken kannst.




    Liebe Grüße

    Mena

  • Sehr gut!! Mena  

    Unsere Toten sind nicht abwesend nur unsichtbar,

    sie schauen mit ihren Augen voller Licht in unsere Augen voller Trauer.

    Es gibt ein Wiedersehen auf einer anderen Ebene.

    Und die Seelen unserer Vorausgegangenen begleiten uns

    Aurelius Augustinus

  • Und die ist berechtigt. Genau wie der Einwand, dass es später noch schlimmer sein könnte, wenn ihr es vorerst verschweigt.

    Kann deine Schwester vorsorglich ein Video von sich an ihre Mama aufnehmen? Damit nicht gar nichts da ist? Man weiß ja nicht, wie schnell es gehen kann.

    Darum habe ich meine andere Schwester gebeten, dass sie evtl. noch kleine Videos von ihr macht, wenn sie etwas hellere Stunden hat. Leider ist sie schon oft nicht mehr richtig wach und ich vermute es wird nicht lange dauern, bis sie geht...sie selbst ist dazu nicht mehr in der Lage...

  • Danke liebe Mena,

    es ist wirklich eine Ausnahmesituation....Ich habe auch schon darüber nachgedacht, ihr erstmal nur zu sagen, dass es ihr sehr schlecht geht.

    Meine Schwester wird nicht mehr in der Lage sein, bewußt mit meiner Mutter zu sprechen. Sie ist sehr leise und man versteht sie nicht, ist auch oft nicht klar

    ...es würde schon eher darum gehen, dass meine Mutter sie nochmal sieht und meine Schwester meine Mutter evtl. hört.


    LG

  • Wenn sie ein "ich hab dich lieb Mama" hinkriegen könnte, wäre das ein Schatz für die Zeit danach.

    Unsere Toten sind nicht abwesend nur unsichtbar,

    sie schauen mit ihren Augen voller Licht in unsere Augen voller Trauer.

    Es gibt ein Wiedersehen auf einer anderen Ebene.

    Und die Seelen unserer Vorausgegangenen begleiten uns

    Aurelius Augustinus

  • Liebe Sandrini,

    auch ich habe deine Geschichte gelesen und auch alle Antworten...

    Ein Videotelefonat bis zum letzten Atemzug kenne ich ... Ich "fuehrte " es mit meinem jahrzehntelangen Wegbegleiter weil er in Deutschland wohnte. Er und ich hatten es so vereinbart und ein Freund hielt das handy. Er sprach ja nicht mehr ...Doch ich konnte liebe Verabschiedungsworte sagen... mit natuerlich auch schluchzen


    Allerdings ist das ja nicht eure Situation...

    Meine Mutter war früher immer sehr stark, aber seit ihre Schwester 1 Monat vor meinem Vater und dann mein Vater verstorben sind, hat es sie komplett

    umgeworfen...Meine Mutter hat alles überlebt (2x Koma, ewig Beatmet mit Luftröhrenschnitt, Op`s) und kämpft sich jetzt praktisch ins Leben zurück...

    ja, ich kann auch in dem Sinne kein Rat geben...

    Doch es sieht so aus das der Lebenswille eurer Mama sehr gross ist....

    Es heisst immer das eine Verabschiedung sehr "hilfreich" ist um die Trauer im Leben verspueren zu können .

    Das glaube ich EIGENTLICH auch...

    Ach... es gibt da meinem Gefuehl nach auch keinen "goldenen Weg"...

    Ich kann nur schreiben das du nach deinem "Bauchgefuehl gehen solltest.

    Gerade kommt mir der Gedanke das DU vielleicht bei deiner Mutter bist und eine andere Schwester oder ein srehr vertraute lieber

    Mensch das hany hält. Dann hätte deine Mama DICH um sich , weil ihr meinem Gefuehl nach eine enge Beziehung habt. ...


    Fuehle dich sanft gedanklich umarmt wenn du dir das vorstellen kannst...