Mama… bald hast du es geschafft.

  • Heute ist der 18. Tag meiner persönlichen Hölle.


    Meine Mama wurde am 24.04. operiert. Sie hatte ein Bauchaneurysma. Die OP ist super verlaufen.

    Trotz der Herzschwäche und dem Lungenkrebs, hat die OP die vorherigen Bedenken nicht bestätigt.

    Meine Mama ist 70 Jahre alt und hat in den letzten Jahren viel durchgemacht. Mein Mann und ich leben mit meinen Eltern in einem zwei Familienhaus, damit wir für beide da sind. Das machen wir jetzt schon seit 14 Jahren. Die Pflege meiner Mama teilen sich mein Vater und ich. Da er auch nicht mehr so fit ist, habe ich den Großteil übernommen. Neben 40 Stunden Arbeit, habe ich mich noch um die Pflege und zwei Haushalte gekümmert. Nicht immer gut, aber es lief.

    Nach der OP wurde meine Mama am 28.4. entlassen. Ich habe mir freigenommen um sie abzuholen.

    Sie war sehr schwach, schwacher als sonst. Ich wollte mit dem Arzt sprechen, aber meine Mama drängte nach Hause zu fahren. Ich knickte ein und brauchte sie im Rollstuhl nach Hause.

    Sie konnte nichts mehr wirklich alleine. Ich versuchte ihr die Medikamente zugeben, aber sie erbrach einfach alles was ich ihr gab. Ich wollte sie zurückbringen, da ich mir keinen Rat wusste. Meine Mama wollte nicht, also fügte ich mich.

    Das Wochenende war echt hart. Ich versuchte etwas zu kochen, was sie nicht erbrach. Am 01.05. hat sie sogar ein ganzes Eis gegessen und ich freute mich darüber. Am frühen Abend hatte ich sie noch geduscht, da sie am 02.05. zur Kontrolle ins Krankenhaus sollte. Soweit kam es aber nicht. Gegen 22:00 Uhr am 01.05. hatte sie einen „Krampf“ im Bein. Sie schrie so laut, dass wir einen RTW rufen mussten. In der Notaufnahme dann der 1. Schock… Notop wegen Arterienverschluss im Bein. Ich unterschrieb die Einwilligung, da sie dazu nicht mehr in der Lage war. Sie laute mich am an hatte Tränen in den Augen. Das letzte was ich hörte war: Kind… hilf mir doch bitte. Ich gab ihr einen Kuss und sagte: Alles gut Mama, dir wird jetzt geholfen.

    Am Morgen die 2. OP da die erste nichts gebracht hat. Am 03.05. der Anruf, dass sie das Bein nicht mehr retten können und es Amputiert werden müsse. Ich fuhr hin und unterschrieb. Meine Mama lag seitdem im künstlichen Koma und wusste von nichts.

    Am 06.05 hatte man sie von der intensiven Beatmung auf Maskenbeatmung umgestellt und sie wieder aufgeweckt, doch sie wurde nicht wach. Nach dem Gespräch mit dem Arzt wurde klar, dass die linke Seite vom Tumor geschädigt war. Auf der rechten Seite der Lunge hatte sich eine schwere Lungenentzündung gebildet. Es gibt eine Patientenverfügung, aber da steht mehr oder weniger drin, dass ich alles entscheiden soll. Schließlich lebe ich seit 38 Jahren mit ihr zusammen. Mein Vater ist durch die Demenz dazu leider nicht in der Lage.

    Mit den Ärzten zusammen entschieden wir uns, sie wieder vollbeatmen zu lassen, in der Hoffnung das sie ihr Zustand wieder ändert. Das tat er bis heute nicht. Ohne die Beatmung kann sie nicht mehr leben, da ihre Lunge zu stark geschädigt ist. Wir warten gerade auf die Ethikkommission, um den letzten Schritt zu gehen. Meine Mama lebt nur, weil Maschinen es möglich machen. Ich laufe auf der Stelle, kann mich nicht verabschieden, da sie noch da ist, aber auch nie mehr zurückkommt. Heute war ich bei ihr. Konnte sie nochmal berühren, aber sie merkt nicht das ich da bin. Am Montag soll die Kommission tagen. Dann muss ich die Einwilligung zur Abschaltung geben. Ich kann nicht schlafen, ich kann eigentlich nichts mehr. Bin wie erstarrt.

  • liebe Riona,

    erschuettert schreibe ich und hoffe es sehr ebenso fuer dich in anderer Art und Weise:"bald habt ihr es geschafft ".

    Deine Mama und ebenfalls wie schon geschrieben in anderer Art und Weise du ...


    Bei dem lesen des Leidensweges deiner Mama und somit immer auch DEIN Leidensweg viel mir mehrfach kurz das atmen schwer...


    Auch kamen mir Erinnerungen hoch das eine Mama vor langer Zeit bestimmen musste wann alle Geräte ihres Sohnes abgestellt werden sollten...

    Sie kam aus dieser seelischen , erschuetternden NOTLAGE nur mit der hilfe von langer psychiatrischer Therapie heraus...

    Aus diesem Grunde schrieb ich dies...

    ich empfehle dir dringend ebenfalls fachliche therapeutische Unterstuetzung !


    Da deine Mama Krebs hat , hätte sie UND ebenfalls DU Anspruch auf psychoonkologische Betreuung .

    Bitte , nutze dies oder auch seelsorgerische Begleitung kann dir helfen diese grosse Buerde fuer eine kurze Zeit "mittragen " zu helfen...


    Es hilft sehr hier zu schreiben.

    Absolut .

    Einen Anfang hast du gemacht indem du sehr , sehr detailliert geschrieben hast was dich so immens begreiflich bedrueckt...

    Schreibe unbedingt weiter.

    34 Menschen haben deinen Beitrag gelesen habe ich an den Zugriffen gelesen .

    Es hat ihnen vermutlich so wie mir erst einmal die "Sprache genommen"...

    Unsere ehemalige Moderatorin Isabel L.K. hat einmal sinngemäss geschrieben

    "schreibe solange deine Geschichte immer und immer wieder bis DU selber merkst das dein Leidensdruck ein wenig milder wird."


    Doch meinem Gefuehl nach "reicht" das nicht völlig .aus

    DU musst LEIDER die Einwilligung geben fuer die Abschaltung der Geräte und in dem Sinne nicht der Ethikrat. Das ist eine grosse Buerde und natuerlich ist es so wie du schreibst " ich bin wie erstarrt",


    Da brauchst du meinem Gefuehl nach fachliche UND reale Unterstuetzung von Menschen .

    Kann dein Mann fuer dich ganz real da sein ?

    Betreut dich vielleicht auch jemand von dem Ethik Rat?

    Das ist meinem Gefuehl nach sehr wichtig...


    Ich hoffe du hast jetzt doch ein wenig Schlaf gefunden , der so nötig ist...

    Das wuensche ich dir von Herzen

    deine Sverja


    ( ich schreibe nur noch sehr selten hier...Doch dir wollte ich unbedingt schreiben... ) Andere Menschen die ebenfalls trauern werden dir auch bald schreiben glaube ich )...

  • Liebe Riona,Ich kann mir nicht vorstellen wie schlimm das für dich sein muss(mein Mann ist verstorben und meine Eltern leben noch).

    Du brauchst dringend jemanden an deiner Seite.Hier können wir zwar schreiben und das tut gut,aber jetzt brauchst du Hilfe,von echten Freunden und vielleicht auch professionelle Hilfe.Das ist so eine harte Nummer das schafft man ja gar nicht alleine.Ich drücke fest die Daumen das du diese sehr schweren Tage schnell überstehst.Schreib viel,es tut gut.Fühl dich umarmt Kathi

  • Liebe Riona,


    ich habe diese Entscheidung für meine Mutter getroffen.

    Ich ging da nicht einfach hin, hab gesagt „schaltet ab“ und meine Mutter ist gestorben… nein, so war das nicht. Wie sollte ich jemals über Leben und Tod entscheiden?
    Nein. Es gab Gespräche mit verschiedenen Fachärzten, es wurde ein Seelsorger angeboten, meine Fragen wurden beantwortet.
    Wir saßen übrigens nicht bei meiner Mutter bei diesen Gesprächen. Sie hätte uns womöglich gehört, das wollten wir nicht.
    Sie lag beatmet im künstlichen Koma, aber niemand kann mit Sicherheit behaupten, dass sie uns nicht gehört hätte.

    Ich durfte auch ganz banale Fragen stellen. „Wenn es Ihre Mutter wäre, was würden Sie tun?“ „Was ist der beste Zustand, den sie erreichen kann, wenn Sie alles für sie tun, was möglich ist?“

    Ich weiß, was meine Mutter wollte und was nicht.

    Ich entschied nicht, die Maschinen abzuschalten. Ich entschied, die Behandlung auf dem aktuellen Stand einzufrieren. Sollte es zu einer Krise kommen, würde nicht mehr eingegriffen. Ich habe entschieden, der Natur ihren Lauf zu lassen. Das war auch die Empfehlung der Ärzte. Bei aller Kunst der Medizin: wenn die Natur entscheidet, hier ist Schluss, dann kann auch die Medizin nichts mehr dagegen tun.
    Und so war es auch. Meine Mutter wurde drei Tage nach dieser schrecklichen Entscheidung wach. Sie sprach mit uns, es war ein Segen. Zwei Tage später verstarb sie, ohne dass das irgendjemand aufhalten hätte können….


    Es tut mir von Herzen leid, dass du nun in dieser Situation bist. Lass Barmherzigkeit walten.
    Alles Liebe für dich und deine Familie.

    Puzzle :24:

  • Liebe Riona,


    ich habe es gerade erst gelesen und mir laufen die Tränen auch das was Puzzle schrieb ging mir sehr nahe.

    Es ist das schlimmste was passieren kann und ich kann verstehen und weiß was Du da durchmachen musst.

    Das ist die Hölle absolute Hölle und grausam dazu.

    Ich kann gar nichts tröstendes schreiben weil es nichts gibt was Dich trösten würde.


    Ich wünsche Dir einfach nur unendlich viel Kraft für diesen extremen schweren Weg den Ihr gehen müsst.

    Es tut mir unendlich leid.


    Vlg. Linchen

  • Hallo Rioana,


    es tut mir leid. Ich kenne das Gefühl, mein Vater wurde 3 Wochen vor seinem Tod noch beatmet. Er ist dann zuletzt von selbst gegangen, der Blutdruck viel sehr stark ab. Die Entscheidung ist wirklich extrem schwer, meine Mutter konnte sich nicht dazu entscheiden die Maschinen selbst abzustellen, da sie noch Hoffnung hatte, obwohl es eigentlich hoffnungslos war. Wir konnten uns am Ende noch "verabschieden", obwohl es für mich keine Verabschiedung war, da er ja nichts mehr mitbekommen hat. Ich weiß, dass diese 3 Wochen für mich extrem schwer waren, zu wissen, dass mein Vater sterbens krank auf der ITS liegt und man so hilflos ist. Nach 3 Wochen war es tatsächlich eine Erleichterung, auch da man diese falsche Hoffnung loslassen konnte. Es ist auf jeden Fall eine schwere Zeit und durch so einen Krankenhausaufenthalt und den ganzen Gesprächen mit Ärzten etc braucht es nicht nur Zeit den Verlust zu Verarbeitung, sondern auch das Erlebte im Krankenhaus, die letzte Zeit, die ja von der Krankheit geprägt war.

    Ich weiß nicht, wie jetzt der Stand ist, vielleicht willst du ihn mitteilen?

  • Liebe Riona,


    es ist jetzt schon eine Weile her, dass du geschrieben hast. Ich hoffe deine Mama und du, ihr konntet in der Zwischenzeit eine Entscheidung treffen. Ich kann gar nicht so viel dazu sagen, außer, dass ich dich verstehe. Für jemanden, der das selbst nicht mehr kann, so eine endgültige Entscheidung zu treffen ist furchtbar. Ich hatte einmal das Gefühl sie für meinen Vater falsch getroffen zu haben. Er wollte nicht mehr leben. Danach hat er noch fast drei Jahre gehabt. Ich nehme an, er hätte darauf verzichten können, sie waren nicht mehr gut. Aber andererseits hat es uns die Zeit gegeben, uns zu verabschieden oder mir - das weiß ich nicht so genau. Er ist dann zu einem Zeitpunkt gegangen, als ich gut darauf vorbereitet war. Vielleicht war das sein letztes Geschenk an mich. Deine Mutter entscheidet das sicher auch irgendwie mit, wann sie gar nicht mehr möchte - so wie Puzzles Mutter das auch getan hat.

    Sverja hat vorgeschlagen, dir therapeutische Hilfe zu holen. Wenn das irgendwie möglich ist, mach das. Tod ist immer schwer. Ich glaube viele von uns brauchen da Hilfe und was du erzählst, klingt traumatisch. Wenn es irgendwie möglich ist, lass dir helfen. Wenn ich das richtig gelesen habe, musst du danach ja auch noch für deinen Papa da sein.


    Ganz liebe Grüße

    Cildie