Verlust meines Vaters

  • Hallo,


    Am 1.10.2009 ist mein Vater (68a) seinem Krebsleiden erlegen. Im Juli 2007 wurde der Blasenkrebs in bereits weit fortgeschrittenem Stadium festgestellt und seit damals kämpfte mein Vater mit einer Zuversicht und Kraft, die ich noch nie an einem anderen Menschen erlebt habe. Er überstand 2 schwere OPs gut und kämpfte sich durch 2 Chemozyklen, die ihm extrem zusetzten und auch die Metastasen leider nicht aufhielten. Im August 2009 fingen dann diverse Infektionen an, denen sein Körper einfach nichts mehr entgegenzusetzen hatte und die Rettung mußte ihn mehrere Male ins Krankenhaus bringen, um die Infektionen zu bekämpfen. Am So, den 27.9. war es wieder mal soweit und ich holte die Rettung, um mit ihm ins Krankenhaus zu fahren (das war immer mein Job, weil meine Mutter, die ihm daheim pflegte das nervlich nicht schaffte). Am Mo, den 28.9. rief mich dann das Spital an, um sicherzustellen, ob wir eh ins Krankenhaus kommen, weil sich sein Zustand rapide verschlechtert hat und von da an blieben meine Mutter und ich auch über Nacht im Krankenhaus bis mein Vater am Do, den 1.10. um 5 Uhr früh starb.
    Das waren definitiv die schwersten Stunden meines Lebens. Jeder Atemzug war ein Kampf, den sein schwacher Körper ausfocht udn das mitanzusehen hat mich total erschüttert. Seither kriege ich das Bild seines ausgemergelten Gesichts nicht mehr aus meinem Kopf. Als er seinen letzten Atemzug tat, schlief meine Mutter gerade und ich war bei ihm. Wie ich diesen Moment jemals "verarbeiten" soll, weiß ich nicht. Das Herz schlug mir bis zum Hals, ich war richtig erschrocken in dem Moment, als ich begriff, das er jetzt aufgehört hat zu atmen. Dieses "erschreckte Gefühl" werde ich seither nicht mehr los.
    Einerseits bin ich dankbar dafür, dass wir bei ihm sein konnten, uns verabschieden konnten und ihn seine letzten Tage so angenehm wie möglich machen konnten, aber andererseits habe ich Angst, dass ich dieses Erlebnis nicht verkraften kann.
    Ich fühle mich total aus der Bahn geworfen, kann nicht verstehen, dass das Alltagsleben einfach weitergeht. Es ist so unbeschreiblich entsetzlich, dass es für mich zur Zeit unvorstellbar ist, dass es jemals besser wird (auch wenn mein Verstand weiß, dass es so sein wird).
    Mein Vater war erst 68 Jahre alt und immer ein extrem tatkräftiger und aktiver Mensch. Er kümmerte sich um alles, wußte immer Rat und half wo er konnte, egal ob es an Muskelkraft, Ideen oder Geld fehlte. Ich weiß, das klingt jetzt kitschig und verklärt; aber er war wirklich so.
    Meine Mutter war immer Hausfrau und ist sehr unselbständig und braucht bei den vielen Terminen, die wir teilweise hinter uns und teilweise noch vor uns haben, extrem viel Beistand von mir. Alles, was mit Organisatorischen Dingen zusammenhängt, muß ich regeln, was normalerweise kein Problem für mich ist, aber diese Kraft geht mir aus und ich kann einfach nicht mehr.
    Meine Mutter ist so unglaublich ruhig, ja fast gelassen. Meine Schwester hat ihre Trauer offenbar am 1.10. und beim Begräbnis (16.10.) erledigt und macht jetzt in Sachen Alltag weiter, als wäre nichts gewesen. Nur ich kann und will noch nicht zum Alltag übergehen, ich muß so oft weinen, mir fallen so viele Geschichten und Dinge von meinem Vater ein und ich kann so oft an ncihts anderes denken, als dass er mit unsäglich fehlen wird. Wir waren uns so ähnlich, haben viele gemeinsame Interessen gehabt, viel gemeinsam unternommen.


    Wenn ich mit anderen Menschen darüber rede, kommen nur die üblichen Phrasen, die mich richtig wütend machen. Ganz besonders gefühllos finde ich diejenigen, die jetzt schon mit Aussagen, wie "Dein Leben geht weiter..." kommen. Es ist grade erst passiert und ich kann und will das jetzt noch nicht ad acta legen. Ich fühle mich einfach allein gelassen. Viele Freunde sind zwar betroffen, aber einfach sprachlos und daher auch keine Hilfe. Mien armer Ehemann, der mir ein gewaltiger Beistand war und ist, weiß auch nicht, was er mir sagen soll. Er ist einfach da, läßt mich weinen und nimmt mich in die Arme. Aber ihm gegenüber habe ich schon fast ein schlechtes Gewissen.


    Wenn ich sehr alte Menschen auf der Straße sehe, ertappe ich mich dabei, dass ich wütend werde. Warum hat mein Vater schon gehen müssen? 68 Jahre ist heutzutage nicht alt! Er hatte noch so viele Pläne, wollte in der Pension noch so viel tun ...
    Und was ist, wenn das Leben nach dem Tod genaus weitergeht, wie es kurz vor dem Tod war? Sprich: voller Schmerzen, körperlichen Beeinträchtigungen und Wut?
    Mein Vater ging nicht in Frieden. Er war noch nicht so weit. Er glaubt fest daran, den Krebs besiegen zu können und war seit der Verschlechterung seines Zustandes (ca. April 2009) wütend und zornig. Er war noch weit davon entfernt, sein Schicksal anzunehmen, sein Leben abzuschließen und ruhig aus dieser Welt zu gehen. Er hat bis zum allerletzten Atemzug gekämpft und sich gewehrt. Und es war für mich nicht zu ertragen, ihm dabei zuschauen zu müssen.


    Ich hadere zur Zeit selbst mit vielen Dingen. Ich weiß eigentlich auch nicht, was ich mir davon erwarte, meine Geschichte hier zu posten. Aber vielleicht hilft es, mir wenigstens alles von der Seele schreiben zu können.


    Nora

  • Liebe Nora!


    Möchte dich hier herzlich willkommen heißen und dir meine herzliche Anteilnahme aussprechen. Aus deinen Zeilen lese ich so viel Trauer und großen Schmerz. Dein Vater war ganz ein besonderer Mensch. Aber auch du - du bist eine ganz tolle Tochter, hast dich um deinen lieben Vater gekümmert, hast ihm beigestanden, bist bis zuletzt bei ihm geblieben, obwohl es für dich so schmerzhaft war, zuzusehen und nichts tun zu können. Damit warst du sehr tapfer. Deinem Vater hat das sicherlich ganz viel gegeben, dass er seine Lieben, dich, um sich haben konnte. Es sind erst ein paar Tage seit seinem Tod vergangen, da ist es verständlich, dass es nicht normal weitergehen kann. Aber die Mitmenschen sind oft so ohne die richtigen Worte und wollen doch etwas sagen, deshalb kommt so oft, das Leben muss weitergehen. Du bist immer noch so stark und hilfst deiner Mutter bei allem. Gut, dass du einen verständnisvollen Mann hast, an dem du dich auch Mal anlehnen kannst.


    Liebe Nora, sei versichert, nach dem Tode geht es ganz ohne Krankheit und Schmerzen weiter. Dort, wo unsere lieben Verstorbenen nun sind, geht es ihnen gut.


    Liebe Nora, wir hier im Forum können dich zwar nicht trösten, aber wir können dich in der Trauer begleiten.


    Möchtest du uns vom Begräbnis erzählen?


    Ich reiche dir ein virtuelles Taschentuch!


    Sei ganz besonders lieb gegrüßt


    Linda

  • Liebe Nora,


    als erstes möchte ich dir meine Anteilnahme zum Tod deines Vaters aussprechen.
    Und dann natürlich - herzlich Willkommen hier im Forum.


    Schreib, wann immer dir danach ist. Meist hilft es wirklich ein wenig, es ist einem dann etwas leichter ums Herz. Du wirst sehen, hier ist immer jemand, der dir "zuhört", und wir versuchen gerne, dich zu begleiten und dich ein wenig aufzufangen -auch wenn wir dir den Schmerz leider nicht nehmen können.


    So wie du deinen Vater beschreibst, so hätte auch ich den meinen beschreiben können - tatkräftig, aktiv, immer hilfsbereit, ... Umso schwerer ist es zu begreifen, daß dieser Mensch jetzt nicht mehr da ist. Wenn du es magst, nehme ich dich leise in den Arm.


    Es ist schön, daß ihr in den letzten Tagen bei ihm sein konntet, das hat deinem Vater sicher geholfen.
    Es ist so, wie du sagst, es ist unvorstellbar - besonders nach dieser so kurzen Zeit - daß es jemals wieder besser wird, daß das Leben wieder "weiterläuft". Doch es ist so - und irgendwann werden auch die Bilder der letzten Tage und Stunden mit deinem Vater in deinem Kopf ihren "Schrecken verlieren" und nach und nach von schöneren abgelöst werden. Du wirst sie sicher nie vergessen, doch irgendwann tut es nicht mehr sooo weh.
    Doch du brauchst Geduld, im Moment ist es noch viel zu früh. Es ist gut, daß dein Mann dir so beisteht, dich in die Arme nimmt und weinen läßt. Meist hilft das ja doch viel mehr, als die "schönsten Worte".


    Die "üblichen Phrasen" - davon können wir alle ein Lied singen. Viele Menschen haben leider keine Ahnung, wie sie mit Tod und Trauer umgehen sollen, und reden dann eben "irgendwas" daher. Sie meinen es nicht schlecht, doch die Worte tun trotzdem weh.


    Ich sehe gerade - Linda hat dir schon geantwortet. Und auch wenn sich einige unserer Zeilen jetzt sehr ähnlich sind - ich laß es so (doppelt hält besser ;) )
    Und gleich noch etwas doppelt:
    Auch ich bin fest davon überzeugt, daß es unseren Lieben gut geht, wo immer sie jetzt auch sind. Dort gibt es keine Schmerzen, keine Krankheit mehr, sondern nur mehr Liebe.


    Wenn du magst und kannst, erzähle uns ein paar der Geschichten, die dir von deinem Vater einfallen.


    Ich wünsche dir viel Kraft in dieser schweren Zeit
    Alles Liebe
    Jutta

    Der Tod eines geliebten Menschen ist wie
    das Zurückgeben einer Kostbarkeit,
    die uns Gott geliehen hat.

  • Liebe Linda, lieba Jutta,


    DANKE!!!! Eure lieben Worte helfen sehr! Ich hoffe, dass auch ich irgendwann diese Zuversicht wieder gewinne, die ihr ausstrahlt. Momentan habe ich die einfach nicht. Ich grüble viel und überlege oft, ob man im Leben das kriegt, was man verdient. Ob der Tod und die Art des Todes eine "Vergeltung" oder "Belohnung" für die Lebensführung sind oder ob alles einfach vorbestimmt ist, ohne dass es beeinflussbar wäre. Mein Vater starb an exakt derselben Krankheit und in exakt demselben Alter wie sein eigener Vater (Vorherbestimmt?) Und er rauchte sein Leben lang stark und bekam einen Krebs, bei dem Rauchen an erster Stelle des verursachenden Faktoren steht (Bestrafung?).
    Ich kenne einige wenige Menschen, die ich wirklich als schlechte, herzlose Menschen bezeichnen würde, die sich ihr Leben lang sehr asozial verhalten, damit aber durchkommen. Die sind gesund und erfreuen sich des Lebens, während mein Vater, der sein Leben lang immer und jederzeit für andere ansprechbar war, bereits mit 68 sterben mußte. Da frage ich mich schon, ob es eine höhere Gerechtigkeit gibt.
    Ich versuche dauernd, all die Bilder und Fragen und Grübeleien in meinem Kopf abzustellen, weil ich genau weiß, dass ich mich damit nur noch mehr quäle, aber irgendwie klappt das nicht.


    Ich bin froh, dass ich mich überwunden habe, hier zu schreiben, denn eure beiden Antworten haben mir gut getan - Danke für eure Anteilnahme und Zeit!


    Nora

  • Liebe Nora


    ein stilles Willkommen in Forum


    mein tiefstes Mitgefühl zum gehen deines Vaters


    ich schliese mich meinen vorschreiberinen an und möchte paar wörter zum verhalten deiner schwester beitragen. Nicht alle gehen den gleichen weg der Trauer, nicht alle stellen sich dem schmerz, weil er einfach nicht auszuhalten ist, man flieht auch gerne und versucht "normal" zu funktionieren aber glaub mir Nora es holt jeden ein. Verzeih mir fals ich falsch liege


    lg und ein dickes Kraftpaket, maki

  • ich kann dich sehr gut verstehen.
    Vor einem Jahr stand ich am Bett meines Opas als er seinen letzten Atemzug tat. Ich empfand es damals als Erleichterung
    zu sehen wir friedlich er gehen konnt. Seine Tochter und ich (Enkelin) hielten ihm seine Hand und ich empfand es damals
    als sehr schön und es hat uns meine Tante und mich auch stark verbunden.
    Heute nach einem Jahr muß ich viel öfters mit den Tränen kämpfen als damals wenn ich an diese Nacht denke.
    Das zu verarbeiten braucht sehr viel Zeit und ich glaube so richtig darüber hinweg kommen tut man nie. Bei dir
    ist alles noch recht frisch und ich glaube dein Vater war ein sehr netter Mensch und er war vielleicht doch bereit zu gehen.
    Du warst bei ihm und das mit der Wut gegenüber anderen kenne ich auch. Ich habe schon mehrere Menschen verloren
    und ich denke mir auch manchmal warum dürfen andere weiterleben und meine Lieben nicht.
    Deine Schwester trauert wahrscheinlich auch, aber sie kann es vielleich nicht so zeigen. Ich glaube nicht das man den Tod seines
    Vaters in wenigen Tagen verarbeitet und alles so weiter geht wie vorher.
    Laß deine Trauer zu und schäme dich nicht deiner Tränen. Ich fühlte mich auch immer als Weichei denn ich bin sehr nahe am Wasser gebaut,
    aber es kann keiner raus aus seiner Haut und weine wenn dir danach ist.
    Ich glaube deine Mutter hat sehr großes Glück mit dir und du wirst ihr sicher auch weiterhin zur Seite stehen.
    Ich wünsche dir sehr viel Kraft und die gedankenlosen Sprüche mancher Mitmenschen nicht so nahe an sich heran lasssen,
    denn die kennen es nicht besser oder sind selber damit überfordert.
    Ich muß noch dazu sagen, mein Opa war bereits 97 als er starb, aber ich wollte auch nicht hören " Er war äh schon so alt, oder
    Ihr hattet ihn doch so lange" Es ist sicher alles wahr, aber man will es nicht hören.
    Patricia :D

  • Liebe Nora,


    herzlich willkommen bei uns und mein herzliches Beileid zum Tod deines Vaters!


    Du sagst, du hast "ein erschrecktes Gefühl" seit dem Tod deines Vaters. Er starb am 1. 10., das ist jetzt über 3 Wochen her. Schreckhaftigkeit und Nervosität gehören zu den Symptomen von Belastungsreaktionen, die einige Wochen nach einem traumatischen Ereignis andauern können. Das sind an sich normale Reaktionen auf ein nicht normales (eben traumatisches) Ereignis. Hast du den den Eindruck, dass deine Schreckhaftigkeit allmählich weniger wird oder ist sie immer noch gleich stark? Gibt es kurze Phasen dazwischen, in denen es dir besser geht?


    Es ist auch ganz normal, dass am Anfang Grübel-Fragen auftauchen. Allmählich solltest du versuchen, von ihnen wegzukommen bzw. wenn sie auftauchen, dir zu sagen: Diese Fragen sind normal, aber niemand kann sie beantworten, also "stopp!", weil sie mich nur belasten.


    Alles Liebe!
    Christine

  • ein trauriges herzliches willkommen im forum,
    es tut mir sehr leid das du deinen vater verloren hast,und auch ich möchte mich meinen vorschreiberinnen anschlisen,,
    jede trauer ist anders jeder trauert anders einer redet der andere weihnt nur andere werden agresiv,es giebt soo viele arten von trauer,lase dich lieb umarmen silvia

    Arme kleine Seele leid und Schmerz warn diese Welt.


    Kommt ein Engel nun vom Himmel,sanft im Arm,er dich jetzt hält.

  • Liebe Nora!


    Ich glaube, dass unsere Zeit hier auf Erden vorbestimmt ist. Die "Vergeltung" kommt meiner Meinung danach. Also die herzlosen und asozialen Menschen - wie du schreibst - die werden dann schon zur Rechenschaft gezogen werden. Das glaube halt ich. Ich glaube nicht, dass dein Vater für irgendwas "bestraft" worden ist, sein Ende war ihm so vorbestimmt. Aber natürlich grübelt und denkt man über Vieles nach, oft dreht man sich im Kreis mit seinen Gedanken. Aber liebe Nora, nicht zu viel grübeln, tut einem nicht gut.


    Schicke dir ein Kraftpaket für heute!


    Lieben Gruß


    Linda

  • Ihr lieben alle,


    Ich danke euch sehr für die Beiträge!


    ad Maki und Patricia:
    Ich glaube ganz genauso wie ihr, dass es meine Schwester noch einholt und zwar erst dann, wenn es mir endlich anfängt besser zu gehen und dann muß ich wieder (wie immer) die Starke sein, die zuhört und tröstet, nur zieht mich das dann nochmal ins schwarze Loch hinunter. Das macht mir Angst und ärgert mich zugleich. Denn ich will dann nicht 2x durch den dunklen Sumpf müssne, in dem ich jetzt grade sitze. Aber so wie´s aussieht, bleibt mir das nicht erspart.
    Ich weiß schon, dass jeder anders trauert, aber die Aktionen anderer sind einfach manchmal verdammt schwer nachzuvollziehen und zur Zeit habe ich einfach keine Kraft, anderen gegenüber verständnisvoll zu sein. Ich habe meine Stärke während der 4 Tage, die meine Mutter und ich am Sterbebett meines Vaters im Spital waren total verbraucht und jetzt fühle ich mich wie eine leere Hülle. Alle Wege, die danach zu erledigen waren und sind, habe ich mit meiner Mutter gemacht, alle Telefonate (Kündigungen von Jahreskarten, etc.) waren/sind meine Aufgabe. Aber zur Zeit möchte ich mich einfach nur verkriechen und Ruhe haben.
    Letzte Woche ging es mir besser, als dieses Wochenende - da war es wieder ganz entsetzlich.


    Außerdem habe ich eine irrsinnige Angst vor dem nächsten Todesfall. Mein Vater und ich waren einander sehr nahe, aber dennoch ist es doch von der Natur "vorprogrammiert", dass Kinder ihre Eltern begraben müssen. Das ist ganz normal. Aber wenn es mir jetzt bei meinem Vater so zu Herzen geht, wie soll ich es dann eines Tages überstehen, wenn ich meinen Mann verliere? Er ist 6 Jahre älter als ich und statistisch gesehen werden wir Frauen älter, also kann ich mir ausrechnen, dass ziemlich wahrscheinlich mein Mann vor mir sterben wird. Der Gedanke daran macht mich richtig panisch. Ich bin sonst kein Mensch, der ängstlich ist und dauernd Befürchtungen hegt und "was wäre wenn"-Gedanken wälzt - ganz im Gegenteil! Aber zur Zeit stehe ich neben mir und erkenne mich selbst nicht wieder.


    ad Christine:
    Bislang wird mein "erschrecktes Gefühl" noch nicht besser. Ich habe noch immer dieses "mein Herz schlägt mir bis zum Hals"-Gefühl und mir tut die Brust richtig weh, so als könnte ich nicht frei atmen und mir läge ein schwerer Stein auf der Brust.
    Ich habe die letzten 2 Nächte im Spital gar nicht mehr schlafen können, weil mein Vater schon so um jeden Atemzug gerungen hat, er hatte schon eine sehr rasche und schnappende Atmung und ich habe mich in meiner Atmung unbewußt der seinen angepaßt, was natürlich total anstrengend war und mich am Einschlafen gehindert hat. Und seither habe ich noch immer dieses beklemmte Gefühl in der Brust, so als wäre jeder Atemzug Schwerstarbeit.
    Das ist total hysterisch, ich weiß das auch, aber ich kriege es einfach (noch) nicht weg. Ich habe eine sehr liebe Hausärztin, die mich ohnehin sofort für 2 Wochen krank geschrieben hat und mir beruhigende Tropfen verschrieben hat, aber auf die kriege ich noch mehr Herzklopfen, daher nehme ich sie nicht mehr.
    Ich weiß selber nicht, warum mich das so extrem aus der Bahn wirft. Ich bin schon mein ganzes Leben lang immer die, die eher andere tröstet und berät, für andere alles "checkt" und nie selber Hilfe braucht. Aber das mein Vater jetzt doch so schnell gestorben ist, war vermutlich letztlich doch ein Schock für mich. Dabei war ich immer die, die versucht hat, meine Mutter darauf vorzubereiten, dass wir uns für alles wappnen müssen und mein Vater seinen 70er vermutlich nicht mehr erleben wird. Ich war die, die allen anderen die Befunde ausgedeutscht hat und am ehesten verstanden hat, wie schlecht sie tatsächlich sind. Aber das zeigt wieder einmal mehr: Vorbereitet ist man letztlich doch nie!



    Danke euch allen für eure Aufmerksamkeit, euer Zuhören, die Kraft und die stillen Umarmungen - das tut gut!
    Nora

  • Liebe Nora!


    es sagte mal zu mir Christine " wir kehren immer wieder zurück, in unseren Trauerweg, weil wir all das was liegen geblieben ist,es aufarbeiten sollen" . ich denk mir dan wen dich mal deine schwester braucht, so wie ich dich eingeschätzt hab, wirst du da sein und auch deine auf dem weg liegengelassene zu verarbeiten.


    die angst ist etwas ganz "nomales" was nach so kurzer Zeit sehr present ist. auch deine gedanken um den Tod in die ferne zukunft ist ganz "normal".


    bei mir war es monate lang ganz schlimm, ich hatte wahnsinnige angst von meinen Kindern entfernt zu sein, wen sich mein Jüngster mal weh tat und weinte, geriet ich in panik (mein ganzer körper zietterte, bekam fast keine luft,...)


    das du jetzt keine kraft hast ist auch "normal" weist Trauerarbeit ist mit schwerstarbeit vergleichbar , das der körper das zeigt wie es unserer seele geht ist verständnisvoll. versuch für dich (deiner seele) etwas gutes zu tun, bsp ein langes Bad mit kerzen u. ätherischen ölen, einen spatziergang in ruhige gegend ect. mir hielft es, die Zeit nur für mich ohne ein schlechtes gewissen, zu nehmen.


    alles liebe und geduld, maki

  • Hallo Nora,


    Ein herzliches willkommen hier.


    Mein Beileid zum Tod deines Vaters.


    Wie andere schon geschrieben haben ,sind Ängste anscheinend "normal".


    Bei mir ist es mit der Angst erst nach dem Begräbnis (meiner Lebensgefährtin) richtig schlimm geworden. Als ich heimkam dachte ich " Ich bin der nächste",
    Ich verkroch mich einige Tage in meiner Wohnung, denkend: wenn ich nichts tu dann passiert (mir) auch nichts.
    Oft hatte ich nachher Panikattacken während des Autofahrens, manchmal so schlimm das ich die Fahrt Unterbrechen musste um die Bremsfunktion zu überprüfen.
    Oder die Reifen. Oder sonst was.
    Jedes unbekannte Geräusch liess mich zusammenzucken.


    Ich bin sonst kein ängstlicher Mensch, aber in den Wochen nach Erikas Tod war es schlimm.
    Ein grauslicher unbekannter Zustand.(erschreckt)
    Vielleicht ist die Angst umso schlimmer wenn man sonst nicht dazu neigt sich zu fürchten.


    Jetzt nach drei Monaten ist es nicht mehr ganz so schlimm mit der Angst, es wird besser.


    Mehr kann ich momentan nicht sagen......


    Viel Kraft wünsch ich Dir, für die kommende Zeit


    LG Eisvogel.

  • Liebe Nora,


    nicht nur die Psyche reagiert, sondern auch der Körper. In Wahrheit sind Körper und Psyche ja eine Einheit und nur wir machen hier eine Unterscheidung.


    Deine Reaktionen sind ja, wie ich schon geschrieben habe, zunächst mal normale Reaktionen. Es ist nur wichtig, dass sie sich nicht allmählich chronifizieren, d.h. dass sie nicht dauerhaft werden. Du musst dir das so vorstellen, dass du gerade auf allen psychischen und physischen Ebenen "Stress" hast:


    1. auf deiner Gefühlsebene
    2. auf deiner Ebende der Gedanken
    3. körperlich
    4. in deinem Verhalten


    Und im Prinzip sind diese 4 Ebenen ja auch eins und die Trennung ist lediglich eine menschlich-theoretische. Versuche dich in nächster Zeit bewusst auf allen 4 Ebenen zu entspannen.


    1. Lass deine Gefühle raus
    2. Versuche Katasrophen-Gedanken durch anderen zu ersetzen: Z.B. "Ich werde noch wahnsinnig!", mach zu: "Das ist jetzt schrecklich, aber irgendwie wird es weitergehen."
    3. Versuche dich körperlich zu entspannen: Mach gemütliche Spaziergänge, Entspannungsübungen, Bäder, Sauna ...
    4. Versuche alles langsam anzugehen, laste dir nicht mehr auf, sondern weniger.


    Das verhindert zwar nicht, dass du weiterhin trauerst, aber vielleicht wird dein "erschrecktes Gefühl" besser.


    Das hoffe ich zumindest!
    Alles Liebe!
    Christine

  • Danke für die guten Ratschläge, Christine!
    Aber mit dem Rauslassen der Gefühle tu ich mir schwer, weil ich langsam das Gefühl habe, das will keiner!
    Ich bin gerade ziemlich enttäuscht von meinem Freundes- & Bekanntenkreis. Einige vermeiden den Kontakt zu mir, andere benehmen sich so eigenartig mir gegenüber, dass ich aus dem Wundern nicht herauskomme. Ich weiß schon, dass viele Menschen einfach unsicher sind und nicht wissen, was sie sagen sollen. Die meinen es nicht böse, aber ich fühle mich richtig vor den Kopf gestossen. Ich bin jemand, der ein großer Problemlöser für andere ist und auch oft von Freunden aktiv nach Lösungen für akute Probleme befragt wird. Ich tue das dann auch immer selbstverständlich und auch gerne, weil es einfach meinem Naturell entspricht. Aber jetzt hätte ich mir gewünscht, dass auch ich einmal gefragt werde, wie es mir geht und andere zumindest versuchen, mich ein wenig zu unterstützen. Stattdessen hängen mir einige auch jetzt unverändert ihre Probleme um, erzählen mir 1 Stunde lang, wie furchtbar der Umbau der Wohnung gerade ist und fragen nicht mal nachdem sie mir ihre Probleme umgehängt haben: "Und wie geht´s Dir?"
    Ich würde gerne reden und meine Gefühle rauslassen, aber es mangelt offenbar an geeigneten Gesprächspartnern dafür. Mein armer Mann ist toll und eine Riesenhilfe, aber ich kann doch nicht pausenlos ihm alles umhängen.
    Ich bin wirklich enttäuscht von einigen engen Freunden, die sich nicht mal bemühen, mitfühlende Worte zu finden. Ich fühle mich ziemlich alleine gelassen von meinem "Sozialen Netz".


    Nora

  • huhu nora,


    auch von mir nachträglich ein willkommen im forum. leider war ich die letzten wochen mit weiterbildung und terminen beschäftigt, sodass ich deinen thread erst jetzt lese.


    was du von deinem vater schreibst ist wundervoll. er war ein besonderer mann, so wie du eine besondere frau bist. ich kann nachvollziehen das dein vater zornig war da er von einem unsichbaren gegner besiegt wurde. der tag des todes kommt, denk ich mal, immer zu früh, egal ob wir mit 68 oder 128 sterben. leider haben wir nur geringen einfluss darauf. du hattest sicher wunderbare jahre mit deinem vater. magst du von ihm erzählen?


    wenn du beschreibst das andere dich für ihre probleme einspannen, so klingt das für mich nach zusätzlichem stress den du abstellen möchtest, der aber gleichzeitig teil deiner persönlichkeit ist. was könnte dir helfen dich da für eine zeit besser zu schützen? es hört sich stark nach einer einbahnstrasse an. du gibst, die anderen nehmen. nun wäre die zeit diese strasse zumindest ein stück weit umzudrehen. doch du wirst enttäuscht von freunden und bekannten die mit der situation überfordert sind.
    ich wünsche dir ein, zwei, drei oder noch mehr offene ohren, neben deinem mann, für deine gefühle. es ist wichtig das du möglichkeiten hast die gefühlsebene abzudecken. einige scheine die anderen ebenen "im griff" zu haben, fallen aber in der trauer immer wieder in die gefühlsebene zurück. wir benötigen aber entspannung auf allen ebenen. der mensch ist viel komplexer als wir uns vorstellen können.


    ich wünsche dir, dass du aus dem "erschevkenden erleben" herauskommst.


    viel kraft
    burkhard

  • Liebe Nora,


    du hast einen tollen Mann, es ist super, dass du bei ihm Gefühle rauslassen kannst, aber du hast recht, auch die anderen sollten sich für dich interessieren. Hast du eine beste Freundin? Weißt du, was ich an deiner Stelle versuchen würde? Ich würde meine beste Freundin anrufen und ihr klar sagen: Ich brauch dich jetzt, können wir mal reden. Ich würde ihr dann sagen, was mir hilft und was nicht.


    Versuch mal den Spieß umzudrehen: Gehe auf die anderen zu und erklär ihnen, dass jetzt du etwas von ihnen brauchst und sag ihnen auch genau was, damit sie sich sicherer fühlen.


    Alles Liebe und MUT!
    Christine

  • Liebe Nora!


    kann mich Christine nur anschliesen, mach du den ersten schritt, sprich deine Freunde und Bekante an, sag ihnen wie es dir dabei geht "wenn sie sich so verhalten", hat mir sehr geholfen !!!!! vieleicht schaffst du das, das eis bricht und Ihr könntet euch eine stutze sein.


    alles liebe und Mut, maki

  • Hallo Nora,


    zunächst einmal herzliches Beileid zum Tod Deines Vaters. Enge Beziehungen in dieser Welt zu verlieren ist immer eine schwere Erfahrung.


    Geh auf alle Menschen zu, von denen Du erwarten kannst, dass sie Dir zuhören. Dass Dir jemand zuhört ist jetzt ganz wichtig und wir versuchen das ja auch im Forum.
    Vielleicht ist Dein soziales Netz - oder zumindest einige davon - ja auch verunsichert, wie es reagieren soll? Vielleicht kennen Sie Dich nicht so wie Du jetzt bist und wissen nicht, was sie tun sollen? Ich bin oft auch hilflos, wenn mir jemand vom Tod eines Verwandten erzählt, weil mir zu kondolieren so abgedroschen erscheint, wenn man wirklich seine Anteilnahme ausdrücken will.


    Was mir geholfen hat, die Trauer zu verarbeiten: Ich habe angefangen eine Liste zu schreiben mit allen schönen Erinnerungen an ihn, das hat mich auch etwas entspannt. Und jetzt, viele Jahre nach seinem Tod lese ich sie durch und sie ist wie ein Schatz geworden. Ich mache das übrigens jetzt auch nach dem Tod meiner Mutter (vor 7 Monaten) und es hilft wieder, wenn auch nur langsam. Was ich sagen will: Lass Dir Zeit mit der Trauer.


    Hoffentlich bald schönere Tage,
    Lilo

  • Ihr lieben Alle,


    Ich kann schreibend auch viel aufarbeiten (ad Lilospy) und habe auch schon eine Liste mit den "Bon mots" meines Vaters begonnen, die ich nicht vergesen will. Das hilft sehr, aber ein Gespräch mit Freunden ist immer besser als in eigenen Sud zu köcheln (für mich zumindest).
    Wenn ich allerdings aktiv ein Gespräch einfordere, dann reden wir genau 10 Minuten über meine Trauer und danach 4 Stunden über die alltäglichen Belange meines Gesprächspartners :-(
    Meine "beste Freundin" hat sich in den letzten Jahren sowieso bereits immer rarer gemacht und ist gerade frisch verliebt, frisch umgezogen, schon fast geschieden und geht so sehr in ihrem eigenen Höhenflug auf, dass sie für anderer Leute Leid, kein Ohr hat. Sie hat nie Zeit, wenn wir uns dann treffen, muß sie dauernd zwischendurch mit ihrem Neuen telefonieren, etc. Das bringt mir dann aber auch nichts, da kann ich´s gleich meinen Zimmerpflanzen erzählen.


    Wirkich gut stundenlang reden kann ich mit meiner Mutter, aber ich bin so gehemmt, weil sie es um so vieles schwerer hat als ich. Sie hat die Liebe ihres Lebens verloren und durchleidet viel Schlimmeres als ich. Letztens haben wir über Alpträume gesprochen (ich habe viele davon zur Zeit - die Nächte sind entsetzlich) und sie drängte mich, ihr davon zu erzählen. Ich wollte es nicht, aber dann sprach ich doch darüber und prompt hat sie jetzt aich Alpträume, was sie vorher nicht hatte. Und ich habe jetzt ein schlechtes Gewissen...
    Aus Rücksichtnahme will ich ihr auch nicht alle Aspekte meiner Trauer auflasten, die bei ihr vielleicht gar keine Rolle spielen, weil für sie anderes im Vordergrund steht.


    DANKE an euch alle und die vielen lieben Worte!


    Nora

  • huhu nora,


    du machst zur zeit eine schlimme phase durch. ich finde es toll das du mit deiner mutter und deinem mann reden kannst.
    viele menschen sind mit dem thema trauer völlig überfordert und reagieren aus ihrer unsicherheit herraus. das hilft dir nicht, ich weiss aber es gibt eine erklärung warum deine gesprächspartner so reagieren.


    super das du die liste mit "bon mots" geschrieben hast. sie wird dir helfen dich an all die momente mit deinem vater zu erinnern wenn der alltag dich wieder eingeholt hat. leider sind wir menschen auch für die schönen momente in unserem leben vergesslich. vielleicht ist es eine hilfe wenn deine mutter dir erzählt, wie sie deinen vater erlebt hat. so bekommt ihr eine andere perspektive in der trauer, hin zu den schönen momenten.


    was deine alpträume betrifft geh zu deiner hausärztin. erzähl ihr davon und frag sie ob du zu einem therapeuten gehen solltest oder ob sie von alleine weggehen. darf ich fragen wie lange quälen dich diese schon träume?
    wegen deiner mutter musst du kein schleches gewissen haben. sie hat dich im gespräch gedrängt ihr davon zu erzählen. jeder von uns hat eine eigenverantwortung. in einer guten auseinandersetzung mit der trauer von ihr und von dir seid ihr euch gegenseitig eine stütze und hilfe. ich finde es als eine stärke von euch das ihr reden könnt.


    ich habe noch eine frage an dich: wenn du beschreibst das du dich fühlst als wenn ein stein auf deine brust liegt, was würde der stein sagen wenn er reden könnte? liegt er immer noch dort, oder ist er schon leichter geworden?


    ich wünsche dir gute ohren die zuhören wenn du über deine trauer reden möchest
    burkhard