• Nicht alle Schmerzen sind heilbar, denn manche schleichen
    sich tiefer und tiefer ins Herz hinein,
    und während Tage und Jahre verstreichen,
    werden sie Stein.


    Du sprichst und lachst, wie wenn nichts wäre,
    sie scheinen zerronnen wie Schaum,
    doch du spürst ihre lastende Schwere
    bis in den Traum.


    Der Frühling kommt wieder mit Wärme und Helle,
    die Welt wird ein Blütenmeer.
    Aber in meinem Herzen ist eine Stelle,
    da blüht nichts mehr.


    Ricarda Huch

  • Wenn Engel einsam sind


    Wenn Engel einsam sind
    in ihren Kreisen,
    dann gehen sie von Zeit
    zu Zeit auf Reisen.


    Sie suchen auf der ganzen Welt
    nach ihresgleichen,
    nach Engeln, die in Menschgestalt
    durchs Leben streichen.


    Sie nehmen diese mit
    zu sich nach Haus –
    für uns sieht dies Verschwinden
    dann wie Sterben aus.


    Renate Eggert-Schwarten

  • Wer weiß


    Wir kommen, wer weiß, woher.
    Wir gehen, wer weiß, wohin.
    Wir sind wie die Welle im Meer
    allein und doch darin.


    Wir sind wie das Licht ein Teilchen
    und ebenso ein Strahl.
    Wir sind auf der Erde ein Weilchen
    und vielleicht ein ums andere Mal.


    Wer weiß, woher wir gekommen,
    wer weiß, wohin wir gehen?
    Es bleibt für uns verschwommen,
    bis wir selbst am Ende stehen.


    Renate Eggert-Schwarten

  • Du bist ein Schatten am Tage,
    Und in der Nacht ein Licht;
    Du lebst in meiner Klage,
    Und stirbst im Herzen nicht.


    Wo ich mein Zelt aufschlage,
    Da wohnst du bei mir dicht;
    Du bist mein Schatten am Tage,
    Und in der Nacht mein Licht.


    Wo ich auch nach dir frage,
    find' ich von dir Bericht,
    Du lebst in meiner Klage,
    Und stirbst im Herzen nicht.


    Du bist ein Schatten am Tage,
    Doch in der Nacht ein Licht;
    Du lebst in meiner Klage,
    Und stirbst im Herzen nicht.



    Friedrich Rückert
    Schatten

  • Steh weinend nicht an meinem Grab,
    ich lieg nicht hier in tiefem Schlaf.
    Ich bin der Wind, der immer weht,
    ich bin Brillantgefunkel im Schnee.


    Ich bin die Sonne auf reifem Feld,
    ich bin im Herbst der Regen mild.
    Und wachst du auf in stiller Früh,
    flattre als Vogel ich in die Höh,
    zieh stumme, weite Kreise.


    Nachts bin ich der weiche Sternenglanz.
    Steh weinend nicht an meinem Grab,
    ich lieg nicht hier, weil ich nie starb.

  • Steh weinend nicht an meinem Grab,
    ich lieg nicht hier in tiefem Schlaf.
    Ich bin der Wind, der immer weht,
    ich bin Brillantgefunkel im Schnee.


    Ich bin die Sonne auf reifem Feld,
    ich bin im Herbst der Regen mild.
    Und wachst du auf in stiller Früh,
    flattre als Vogel ich in die Höh,
    zieh stumme, weite Kreise.


    Nachts bin ich der weiche Sternenglanz.
    Steh weinend nicht an meinem Grab,
    ich lieg nicht hier, weil ich nie starb

  • Wie soll man dem Tod begegnen,
    wenn er vor der Türe steht?
    Soll man hoffen, soll man beten,
    flehen, daß er weitergeht?


    Ja! Er soll nur weitergehen -
    denkt man und vergißt dabei,
    daß nur der Tod kann es verstehen,
    wenn einer sagt: Ich bin soweit.


    Ist es auch schwer, ihn geh'n zu lassen,
    den Menschen, der so nah uns stand,
    wollen wir uns doch in Schweigen fassen:
    Gott nahm ihn still an seine Hand

    Arme kleine Seele leid und Schmerz warn diese Welt.


    Kommt ein Engel nun vom Himmel,sanft im Arm,er dich jetzt hält.

  • Du bist ein Schatten am Tage,
    Und in der Nacht ein Licht;
    Du lebst in meiner Klage,
    Und stirbst im Herzen nicht.


    Wo ich mein Zelt aufschlage,
    Da wohnst du bei mir dicht;
    Du bist mein Schatten am Tage,
    Und in der Nacht mein Licht.


    Wo ich auch nach dir frage,
    find' ich von dir Bericht,
    Du lebst in meiner Klage,
    Und stirbst im Herzen nicht.


    Du bist ein Schatten am Tage,
    Doch in der Nacht ein Licht;
    Du lebst in meiner Klage,
    Und stirbst im Herzen nicht.




    Friedrich Rückert
    Schatten

  • Geschieden ist die Sonne,
    Kein Blümlein mehr mag blüh'n,
    Und nur des Epheus Blätter
    Schmückt noch ein sanftes Grün.


    Und freudig uns're Seele
    Darauf die Hoffnung baut,
    Dass es nach ödem Winter
    Den Frühling wieder schaut. -


    So wird der bangen Seele
    Die tiefer Schmerz erfüllt,
    Im Lebensgrün der Hoffnung
    Ein neuer Trost enthüllt.


    Ein Frühling lacht ihr wieder,
    Und Blumen pflückt die Hand,
    Fällt manche Wehmutsträne
    Auch auf des Kelches Rand.


    Und wie der Epheu innig
    Sich Rank' an Ranke schmiegt,
    So wird die Seele stiller
    An Freundes Herz gewiegt.


    (Luise Büchner 1821-1877

  • Ich bin allein - wie oft mit kaltem Schauer
    Trifft mich dies Wort, mit namenloser Trauer -
    Ob sich auch laut das Leben um mich regt;
    Allein - mit meinem Streben und Bemühen,
    Allein - wenn eine andre Brust durchglühen
    Ich möcht', mit dem, was Meine schön bewegt.


    O, so allein ist nicht des Südens Pflanze,
    Die einzeln steht in nord'scher Blumen Kranze,
    Es grüßt sie hier wie dort der Sonne Kuß;
    So einsam nicht auf weitem Feld die Eiche,
    Das sehnsuchtsvolle Rauschen ihrer Zweige,
    Erwiedert hold der Vögel lauter Gruß.


    Wohl einmal auch, zwei kurze schöne Stunden,
    Hab' ich der Seele süßen Hauch empfunden,
    Die geistverwandt mit mir die Schwinge regt;
    Doch sie entschwand in endlos weite Ferne,
    Ich schau' ihm nach, dem glänzend schönen Sterne,
    Von milder Schwermuth wundersam bewegt.


    So flieht mein Leben einsam still von hinnen,
    Ein Quell, der bang im Sande muß verrinnen,
    Und nie in einen stolzen Strom sich gießt;
    Ein Epheu, der bestaubt am Boden lieget:
    Kein Baum, daran er sich vertrauend schmieget,
    Um den er liebend seine Arme schließt! (S. 41)



    Luise Büchner (1821-1877)