Meine Mutter war mein Fels in der Brandung

  • Liebes Forum,


    aus aktuellem traurigen Anlass habe ich euch gefunden.

    Vier Jahre nachdem mein Vater an einem Schlaganfall gestorben ist, ist gestern früh auch meine Mutter verstorben.

    Der Tot meines Vaters war traurig, aber der Tot meiner Mutter ist unerträglich.

    Und ich mache mir Gedanken ob ich das hätte verhindern können.


    Meine Mutter war so nie ernsthaft krank. Das einzige was sie seit 30-40 Jahren hatte war Bluthochdruck, der aber therapiert wurde. Am Anfang gelang dies sehr gut, da brauchte sie auch nur 1 Tablette am Tag nehmen, mit den Jahren wurde der Blutdruck schwerer zu therapieren. Da brauchte sie drei Wirkstoffe. Da gab es Phasen da halfen die ganz gut, aber auch Phasen da war der Blutdruck trotzdem auf 180 bis 200 hoch gegangen.

    Naja das ist eigentlich nur die Vorgeschichte.

    So richtig los ging es dann im Frühjahr letzten Jahres. Da klagte meine Mutter über Herzklopfen. Wir haben den Blutdruck gemessen, der war hoch und das Herz klopfte schnell. Wir sind zum Notdienst gefahren und dort meinte man meine Mutter muss ins Krankenhaus. Dort war sie dann auch für ein paar Tage. Man hatte eine eingeschränkte Nierenfunktion festgestellt und die Kaliumwerte waren zu hoch. Sie hatte dann mehrere Transfusionen Kochsalzlösungen bekommen. Dann ging es ihr besser und sie kam aus dem Krankenhaus. Das hielt dann so 4 Monate und ihr Zustand verschlechterte sich immer mehr. Sie war schlapp, müde und wollte das Bett nicht mehr verlassen. Weil ihre Sprache verwaschen war hatte ich den Notdienst mit Verdacht auf Schlaganfall angerufen.

    Dann kam sie wieder ins Krankenhaus. Schlaganfall war es nicht aber wieder die Nieren die die Abfallprodukte nicht mehr richtig entfernt hatten.

    Nach drei Wochen kam sie raus und sie war verdammt schlapp. Dann wurde ein Nephrologe mit ins Boot geholt. Ihren Nieren waren zwar eingeschränkt aber noch nicht so schlimm das sie an die Dialyse müsste. Aber sie hatte eine Nierenbedingte Blutarmut. Deswegen bekam sie dann über 6 Wochen einmal in der Woche eine EPO Spritze. Und so nach der 3. Spritze ging es ihr wieder so langsam prima. Sie kam wieder mit einkaufen und war also fast wieder die "Alte" gewesen.

    Nach der 6. Spritze wurde wieder das Blut untersucht und als das Ergebnis fest stand sagte der Nephrologe, sie müsste wieder ins Krankenhaus, die Nierenwerte sind zu schlecht, aber da ging es ihr noch gut.

    Im Krankenhaus hatte man dann festgestellt das die Nieren nicht mehr Arbeiten und sie müsste zur Dialyse. Dort wurde dann der Katheter gelegt, aber auf einem Röntgenbild zeigte sich Wasser in der Lunge und eine Konsolidierung in der Lunge.

    Das war Anfang Dezember. Meine Mutter wollte aber zunächst nicht das dem weiter nachgegangen wird und wollte einfach nur nach Hause.

    So ging es ihr dann zunächst ganz gut. 3 x die Woche zur Dialyse hatte ihr zwar nicht gefallen, aber sie hatte sich damit abgefunden.

    Wegen der Lungensache hatte sie mit dem Krankenhaus vereinbart das sie Anfang Januar nochmal ins Krankenhaus kommt und dort war sie dann auch. Dort hat man festgestellt das durch das Wasser in der Lunge die Lunge ein wenig zusammen gedrückt wurde und das war der Fleck auf dem Röntgenbild. Das Wasser wurde abgesaugt und meine Mutter nach Hause geschickt obwohl sie eigentlich schlapp war. Ihr ging es dann zunehmend schlechter so dass ich nach einer Woche wieder den Notarzt angerufen hatte. Sie war wieder im selben Krankenhaus. Dort hat man festgestellt das wieder ein wenig Wasser in die Lunge gelaufen ist und man vermutete eine Lungenentzündung. Dann hat sie dort zunächst Antibiotika per Infusion bekommen. Aber nach 3 Tagen wurde sie entlassen und die Behandlung wurde auf orale Therapie umgestellt. Die Tabletten hatte man "freundlicher" Weise noch mitgegeben.

    Aber das war für mich jetzt absolut unverständlich. Eine 85 jährige Frau, Dialysepflichtig, Wasser in der Lunge, man vermutet eine Lungenentzündung und man schickt sie dann mit Tabletten nach Hause als ob sie nur einen Schnupfen hätte. Und sie war so schlapp sie konnte nicht alleine aufstehen. Ich denke es gibt ein Entlassmanagent. Davon habe ich nichts gemerkt. Nur wohne ich zum Glück fußläufig nur 10 Minuten von ihr entfernt und mein Bruder hatte auch noch extra Urlaub genommen für die Versorgung.

    Wir hatten selber eine Rehaklinik gesucht und gefunden. Dort war sie dann eine Woche auf Station, aber ihr Zustand wurde so schlecht das sie in der Klinik auf Intensivstation musste. Dort war sie dann 5 Wochen. Mal ging es ein bisschen besser, mal etwas schlechter, dann gab es eine Phase wo wirklich alle dachten jetzt geht es bergauf, da hatte sie auch schon mal 3 Stunden im Stuhl gesessen, sie konnte wieder selbstständig trinken, hatte auch schon wieder Kleinigkeiten gegessen. Aber dann verschlechterte sich ihr Zustand extrem und am Ende ist ihr Kreislauf ganz zusammen gebrochen. Am Samstag um 4.20 Uhr kam der Anruf aus dem Krankenhaus und da wusste ich schon was los ist.


    Jetzt mache ich mir Gedanken wie ich das hätte verhindern können. Vielleicht hätten wir viel früher einen Nephrologen mit ins Boot holen sollen. Vielleicht hätte ich viel früher mit ihr ihren Blutdruck kontrollieren sollen.


    Jetzt ist meine Mutter fort und sie war mein Fels in der Brandung und ich bin unendlich traurig.


    Traurige Grüße

    Mario

  • Lieber Mario,

    mein aufrichtiges Beileid. Offenbar hat deine Mutter viel durchmachen müssen. Bitte mache dir keine Schuldgefühle, aus deinem Text lese ich, dass du für deine Mutter da warst und sie auf ihrem Weg begleitet hast. Mehr konntest du nicht tun. Gegen den Tod sind wir machtlos. Er ist nicht verhandelbar.

  • Lieber Mario,

    Es tut mir sehr leid, dass Du Deine Mutter verloren hast.

    Es hört sich so an, als hätte Deine Mutter seit ca. 1 Jahr einiges mitgemacht, die Arme. Es wurde ja wohl vieles unternommen, untersucht und versucht, dagegen zu arbeiten. Das Schlimme ist, dass ältere Menschen, wenn sie dann einmal gravierend erkranken, der Körper meist nicht mehr die Kraft hat, sich wieder zu regenerieren. Dafür reichen die Kraftreserven meistens nicht mehr.
    Ich verstehe sehr gut, dass Du furchtbar traurig bist, Du hast sie wirklich gut begleitet und musstest dennoch feststellen, dass Du ihren Tod nicht verhindern konntest. Das tut weh! Aber es hat ganz sicher nicht an Deinem Einsatz gelegen, versuche, Dich davon frei zu machen.

    Fühle Dich in Deiner Trauer hier angenommen.

    Lg Herzschmerz

  • Vielen Dank für die tröstenden Worte.

    Ja, ich versuche mir auch immer einzureden das das bestimmt das Beste für Sie war. Sie war 85, im letzten Jahr wurde sie dialysepflichtig, seit ende letzten Jahres und vor allem die 5 Wochen auf der Intensivstation hatte sie sich gequält. Aber trotzdem ist es schwer sich damit abzufinden. Klar hätte ich noch gerne ihren 90. Geburtstag gefeiert,

    Ich wohne nur 10 Minuten fußläufig von ihr entfernt. Jeden Tag nach der Arbeit war ich bei ihr bis Abends. Jedes Wochenende war ich ab Mittags bis Abends immer bei ihr. Mein Bruder übrigens auch. Samstags hatte ich mich mit meinem Bruder abgewechselt und wir waren gemeinsam einkaufen.

    Das ist jetzt alles vorbei, das wird jetzt alles anders werden. Irgendwie kann ich das noch gar nicht so richtig realisieren. Mir fehlt sie einfach sehr. Ich bin zwar 51 und habe natürlich auch mein eigenes Leben, aber wenn ich bei ihr war, war ich irgendwie auch noch ein bisschen Kinde geblieben, aber seit Samstag habe ich jetzt keine Eltern mehr.

  • Lieber Mario,


    mein aufrichtiges Beileid zu Deinem schweren Verlust! 🥀 Die Mutter zu verlieren, ist so schwer, und man muss von jetzt auf gleich erwachsen werden (auch wenn man das schon seit Jahrzehnten ist) und fühlt sich gleichzeitig wie ein Kind, das seine Mutter vermisst. Dass sie Dir sehr fehlt, verstehe ich so gut. Auch solche Gedanken wie "habe ich genug getan? Was wäre gewesen, wenn ...?" usw. kenne ich sehr gut. Aber ich stimme mutterseelenallein und Herzschmerz zu, Du musst ganz bestimmt keine Schuldgefühle haben. Du hast so viel für Deine Mutter getan und warst offenbar immer für sie da, sie war Dir sicherlich unendlich dankbar und sehr stolz auf Dich. 💞


    Ich wünsche Dir viel Kraft und schicke Dir viele liebe Grüße

    Tine

  • Lieber Mario...

    Ganz Vieles Deiner Geschichte erinnert mich an meine Mama... Dialyse... wenn ich dieses Wort höre, schnürt sich mein Hals zu, bekomme ich Herzrasen und all die Bilder, die meine Mama einige Jahre begleiteten, kommen hoch. Dialyse ist etwas, das den Körper eines Menschen, eines alten Menschen, unglaublich anstrengt... es kommen so viele "Folgeerkrankungen", so viele schmerzliche Momente...

    DU hättest gar nichts verhindern können, glaub mir...

    Aber ich weiß - ich habe mir die gleichen Fragen gestellt, Vorwürfe gemacht...

    Ich wünsche Dir ganz viel Kraft....

  • Lieber Mario...

    Ganz Vieles Deiner Geschichte erinnert mich an meine Mama... Dialyse... wenn ich dieses Wort höre, schnürt sich mein Hals zu, bekomme ich Herzrasen und all die Bilder, die meine Mama einige Jahre begleiteten, kommen hoch. Dialyse ist etwas, das den Körper eines Menschen, eines alten Menschen, unglaublich anstrengt... es kommen so viele "Folgeerkrankungen", so viele schmerzliche Momente...

    DU hättest gar nichts verhindern können, glaub mir...

    Aber ich weiß - ich habe mir die gleichen Fragen gestellt, Vorwürfe gemacht...

    Ich wünsche Dir ganz viel Kraft....

    Ich danke Dir! Ich wusste das dieser Tag irgendwann kommen wird. Gerne hätte es natürlich noch ein paar Jahre später sein können. Aber jetzt zum Ende war es eine Erlösung und das gibt mir auch ein wenig Trost.

  • Lieber Mario,


    ein liebes Willkommen hier wo niemand von uns je sein wollte und mein Beileid zu Deinem schweren Verlust.


    Das was Du schreibst da kommen viele Bilder hoch.

    Es ist grausam egal ob man weiß das es irgendwann passiert es ist schlicht immer zu früh.

    Diese Fragen die Du Dir stellst sind völlig normal das ist das Kopfkino ein Karussell was in Gang gesetzt wird.


    Die Wahrheit ist nichts warscheinlich gar nichts hätte das verhindern können und nun leben wie mit diesem schlimmsten Verlust Tag X nenne ich es.

    Bei Dir ist es gerade ganz frisch ganz ganz frisch und es dauert einfach.

    Im Moment einfach nur überleben irgendwie einfach weiter gehen einen Tag nach dem anderen manchmal nur Stunden.


    Fühl Dich hier geborgen und verstanden.

    Deine Mama wird immer bei Dir sein, eure Verbindung bleibt bestehen sie ist nicht weg sie ist immer noch da.


    Im Moment kann Dich nichts trösten und niemand kann Dir was tröstendes sagen.

    Was aber wahr ist man lernt damit zu leben mit dem Schmerz es wird milder es dauert nur es wird anders.


    Vlg. Linchen

  • Danke Linchen, das ist lieb von Dir. Solche tröstenden Worte helfen sehr in dieser schweren Zeit. Nächsten Samstag ist die Beerdigung, das wird auch nochmal schwer.