Liebe Wolfstaenzerin,
was du erlebst, erleben viele Trauernde, gerade Eltern.
einige Fragen erst gar nicht wie es mir geht, weil sie meinen, es wär ja normal das es mir nicht gut geht. Also gehen sie direkt zur Tagesordnung über.
Ich unterstelle zumeist, dass sie Angst vor uns haben. Angst uns weiter zu verletzen, Angst, dass wir irgendwie "ansteckend" sind. Angst vor unserem großen, alles verdunkelnden Unglück. Den allerwenigsten Menschen wird es egal sein. Aber wenn sie es nicht selbst erfahren haben, wie sollen sie wissen wie es ist, wenn ein Kind stirbt. Wie man nichts lieber hätte, als den Namen des Kindes zu hören, nicht nur selbst auszusprechen. Dass man sowieso immer und zu jeder Zeit tief traurig ist und sie nichts aufwühlen können, was nicht schon aufgwühlt ist.
Ich bin dadurch unter Dauerstrom und keiner kommt damit klar.
Die letzten Tage habe ich Sebastian kaum gespürt, das hat mir Angst gemacht
Auch dein Körper kommt mit dem Dauerstrom nicht klar. Diese stillen Zeiten kenne ich sehr gut und anfangs machten sie mir auch sehr Angst. Letztendlich setzen dein Körper und dein Geist Prioritäten, denn du gehörst einfach noch hierher. Der Kontakt wird nicht abbrechen, solange du ihn noch wünschst. Es ist wie bei einem Radiogerät. Deine dauernde Geschäftigkeit hat den Empfänger verstellt. Die Frequenz war noch da aber sie kam nicht bei dir an.
Gestern saß ich vor meinem Laptop, habe einfach drauflos geschrieben. Hab Sebastian alles geschrieben, was mir einfiel. Und nur geweint. Ich konnte gar nicht mehr aufhören. Auf einmal kam genau da eine WhatsApp von seiner Freundin wie es mir geht.
Da war für mich wieder der Kontakt da, das war kein Zufall.
Da warst du körperlich ruhig und ganz bei Sebastian. Und dann stimmte die Einstellung des Empfängers wieder.
Das ist jetzt alles viel zu einfach beschrieben für etwas, was in seiner Komplexität gar nicht ganz von uns erfasst werden kann. Aber vielleicht klingt es bei dir an.
Mir hilft dieser Gedanke, die Stille auszuhalten, bis ich mich wieder verbunden fühle. Und ich weiß ja, wie wichtig das ist!
Ich wünsche dir stille, verbundene Zeiten mit deinem Sebastian und den Mut und die Kraft auch die anderen auszuhalten.