Beiträge von Mena

    Lieber Mario,

    das mit den Schuldgefühlen, der Trauer und der Wut im ständigen Wechsel, das kenne ich auch zur Genüge.

    Irgendwann (ganz langsam) lösen sich die Schuldgefühle in ohnmächtige Fassungslosigkeit, Traurigkeit und Wut auf.


    Nach allem was du schreibst, hast du das Bestmögliche getan. Mehr geht einfach nicht.


    (Ich hab gut reden, ich habe auch immer wieder alle Alternativen durchgespielt, aber irgendwann hab ich begriffen, dass ich einfach nicht die Macht hatte, irgendetwas positiv zu beeinflussen. Ich bin nicht allmächtig, so sehr ich mir das auch gewünscht habe).


    Und das war und ist schwer zu akzeptieren.


    Ich finde es bewundernswert , dass ihr als Familie noch mehr zusammen rückt. Nur so kann man so einen furchtbaren Schicksalsschlag meistern.


    Ich drücke dich und deine Familie mal aus der Ferne.


    Mena

    Liebe Amelia,

    ich antworte leider erst jetzt. (Hier gibt es so viel zu lesen, ich hab es einfach übersehen)

    Ich habe keine eigene Familie, war leider nie verheiratet und einen Partner hab ich auch nicht.

    Meine Mutter war meine Mutter, mein Kind, mein Lebenspartner (nicht immer freiwillig).


    Es ist einfach schwer.

    Ich habe mir immer eine eigene Familie gewünscht, es hat leider nie geklappt. Das rächt sich jetzt. In den letzten Jahren lebte ich immer isolierter, weil sie so viel Unterstützung benötigte und ich kaum noch aus dem Haus konnte.

    Ich habe zwar noch Verwandte, aber die meisten wohnen weit weg oder sind selbst eingespannt oder wollen mit dem Tod nichts zu tun haben.


    Liebe Grüße

    Mena

    Liebe Danne,

    ich sehe es so wie Manu. Es gibt Dinge, um die man sich nicht kümmern muss, aber manches ist so wichtig, das darf man nicht verschieben.

    Du wirst weiterleben und deshalb musst du gut finanziell für dich sorgen. Das würde auch dein Mann so sehen.


    Liebe Grüße

    Mena

    Liebe Ameliea,

    kann ich auch nur unterschreiben und das, obwohl ich in den letzten Jahren mehr die Mutter meiner Mutter war.


    Entwurzelt und haltlos, genauso fühle ich mich. Da ist ja auch niemand mehr, für den ich leben müsste. Ich bin für mich allein.


    Wenn ich jetzt einen Herzinfarkt bekäme, würde das meinen Verwandten und Bekannten und auch echten Freunden vermutlich so nach drei bis 4 Wochen auffallen. Nur meine Arbeitskollegen, klar, die würden nach 3-4 Tagen gucken, wo ich bin. An meinem Arbeitsplatz bin ich noch nützlich.


    Schon ein furchtbarer Gedanke.


    Man kann in Deutschland, obwohl offiziell voll im Leben, ganz schön allein sein.


    Mena

    Liebe Michaela, liebe Pia, liebe Linchen,


    ich geselle mich gleich mit dazu. Mir ist heute so kodderig, meine Mutter fehlt mir auch so sehr. Normalerweise würde sie mich um diese Zeit bei Wind und Wetter rausscheuchen, um Birkenzweige für Ostern zu schneiden. Dann würden wir selbst bei Nieselregen draußen Ostereier aufhängen. Ich würde wie jedes Jahr rumschimpfen: "Warum warten wir denn nicht auf ein bisschen Sonnenschein?" Aber sie würde darauf bestehen und ich würde grummelig mitmachen. Danach säßen wir wieder glücklich vereint in der Küche, würden aus dem Fenster schauen und zufrieden unser Werk betrachten und zum Aufwärmen einen Kaffee trinken.


    Es ruft niemand, da ist einfach nur Stille.

    Ich kann tun und lassen, was ich will, aber nichts will mir Freude machen. Es ist so verdam... leer.



    Ach Schei....

    Mena

    Liebe Karin,

    nein, alles ist erlaubt. Es ist ein unglaublicher Schlag, der einen trifft. Du darfst alles fühlen, was du fühlst. Du darfst auch nichts fühlen. Am Anfang steht nur Einatmen, Ausatmen, Überleben. Sonst nichts.


    Im Moment sind hier im Forum so viele, die gerade erst einen Verlust erleiden mussten. Lies bei ihnen. Das tröstet zwar nicht, aber man fühlt sich nicht so allein.


    Liebe Grüße

    Mena

    Liebe Yvonni,

    natürlich bin ich in das schwarze Loch nach der Beisetzung gerutscht. Die Trauer beginnt dann erst richtig. Viele der Formalitäten, die auf einen zukommen, sind gar nicht so wichtig, wie sie scheinen. Anderes muss tatsächlich sofort gemacht werden. Das ist auch gut so, weil einen dann das schwarze Loch nicht vollends verschlucken kann.


    Liebe Grüße

    Mena

    Liebe Karin, liebe Marie,

    ich habe auch immer wieder alles analysiert, ich gehöre nicht zu den Menschen, die gut verdrängen können. Für mich war und ist es wichtig, alles noch einmal durchzuspielen, um es letztendlich akzeptieren zu können. Wenn ich es nicht täte, dann würde ich wahrscheinlich krank, auch wenn ich oft den gegenteiligen Rat erhalte: "Vergiss es. Sonst wirst du noch krank." Ich glaube, dass für mich genau das Gegenteil zutrifft. Deshalb und das tut mir leid, bin ich auch von deinem Kummer (Karin) etwas abgewichen und habe erst mal auf das Gesundheitssystem geschimpft.


    Liebe Marie, ich denke, dass es sehr individuell ist, wie man am besten mit der Situation umgeht. Es hängt stark von den eigenen Charaktereigenschaften ab. Und wenn sich diese unfassbare Ohnmacht und Hilflosigkeit in Wut wandelt, dann gewinnt man wenigstens einen kleinen Teil Kontrolle über das eigene Leben zurück.

    Wut lässt sich auf ein Ziel richten, Ohnmacht und Hilflosigkeit sind zerstörerisch.


    Liebe Karin, was wäre geworden, wenn dein Mann überlebt hätte?

    Das wissen wir nicht. Es ist nur klar, dass ihr nicht sofort an euer altes Leben wieder hättet anknüpfen können. Das ist irgendwie so eine Illusion, die man mit sich herumträgt. Vielleicht wären "nur" viele Monate Reha erfolgt, vielleicht wären viele Jahre mit starken Einschränkungen gekommen. Es sagt sich so leicht, das wäre besser gewesen.

    Ich glaube, dass wir einfach unserem Wunschdenken, unseren Illusionen ausgeliefert sind, so wie du es selbst geschrieben hast. Eine Rückkehr in das alte, gewohnte Leben wäre für eine längere Zeit nicht möglich gewesen.


    Liebe Karin, ich gehe schon wieder zu weit. Du musst erst mal das Jetzt realisieren und das ist seelische Schwerstarbeit. Und ich verletze gerade etwas, dass ich für mich selbst so sehr gewünscht hätte: dass mir einfach erst mal jemand zuhört und mich nicht mit seinem eigenen Senf beschallt.


    Ich drücke dich jetzt erst einmal und - versprochen -, nehme mich ein wenig zurück.


    Du bist jetzt wichtig.


    Mena

    Liebe Marie,


    indirekt haben sie Fehler auch bei meiner Mutter zugegeben. Offiziell ist das in unserem Gesundheitssystem nicht möglich, denn dann verlieren sie ihre Versicherung.... Die Versicherung wiederum hat nur ein Ziel: Kosten möglichst gering halten.


    So kann man das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt, Patient und Angehörigen auch spalten.


    Fehler sind nicht vermeidbar. So schlimm das ist, es ist verkraftbar. Aber wenn Ärzte und Schwestern sich nicht trauen, Fehler zuzugeben und zusätzlich, dass es in unserem Gesundheitssystem bereits 5 nach 12 und nicht 5 vor 12 ist, sehe ich schwarz.


    Und manches ist eben schicksalsbedingt nicht beeinflussbar. Wie kann man durch eine Spargelschälerei so schlimm erkranken? Tausende schälen jährlich Spargel, meinen Onkel hat es getroffen. Das ist wirklich einfach Schicksal.


    Liebe Grüße

    Mena

    Liebe Karin,

    ich denke, dass sie alles versuchen. Sie sind schlicht überfordert. Und so eine Lungenschädigung ist wirklich nicht einzuschätzen. Guck mal, sie haben ihren Beruf gewählt, um Leben zu retten. Es ist ihnen nicht egal, wenn ihnen jemand unter den Händen weg stirbt.

    Den Eindruck hatte ich auch bei meiner Mutter. Es tat ihnen in der Seele weh.


    Liebe Grüße

    Mena

    Liebe Karin,

    meine Mutter ist zwar nicht an Covid gestorben, aber auch ich habe unter Corona extrem leiden müssen. Ich durfte sie in den letzten Tagen vor ihrem Tod nicht besuchen, weil man ausgerechnet diese Station "zum Schutze der Patienten" als Vorsichtsmaßnahme geschlossen hatte. Pech gehabt, wenn man auf der falschen Station lag...

    Ich bin auch noch traumatisiert, zumal weitere Dinge passiert sind. Sie haben z.B. nicht mitbekommen, dass sie völlig dehydriert war. Damit haben kurzzeitig die Nieren versagt...

    Das hat sie noch irgendwie überlebt.


    Viele Menschen sterben zurzeit unnötig in den Krankenhäusern, weil die Versorgung der Patienten teilweise hundsmiserabel ist.

    Jeder Zweite, mit dem ich spreche, berichtet mir von teilweise haarsträubenden Fehlern, die nur durch Zufall überlebt werden.

    Eine Bekannte von mir hat ihren Vater 2 Tage suchen müssen, weil man vergessen hatte, mitzuteilen, in welchem Krankenhaus der Vater nun war. Dem Mann war ein Bein amputiert worden.


    Ich will damit ausdrücken, dass du (übertrieben) im Moment mit einer Fußpilzinfektion ins Krankenhaus kommen kannst und dann nur noch aus dem Hinterausgang raus.


    Weißt du, du und dein Mann, ihr habt alles getan, um euch vor dieser Infektion zu schützen. Mehr konntet ihr nicht tun.

    Und trotzdem sorgt das Schicksal und das desolate Gesundheitssystem dafür, dass man es nicht überlebt.


    Ich verstehe, dass du total geschockt bist, weil du dich nach dem Impfungen in Sicherheit gefühlt hast. Aber er hätte trotz strotzender Gesundheit z.B. einen Unfall haben können, eine Sepsis entwickeln können (ist meinem Onkel beim Spargelschälen durch einen Schnitt in den Finger passiert )


    und wäre trotzdem gestorben.


    Das ist kein Trost, ich weiß. Aber ihr hättet nicht mehr tun können.


    Liebe Grüße

    Mena

    Liebe Manu,

    auch ich hatte Wut auf meine Mutter, weil sie mich einfach so verlassen hat. Und ich kenne noch jemanden, der ebenfalls Wut auf den Verstorbenen entwickelt hat. Auch das gehört zur Trauer dazu. Und sie sind objektiv ja auch einfach weg. Nach unserer Denke geht es ihnen jetzt gut und wir sitzen hier in unserem Elend. Wir führen immer noch eine Beziehung mit jemandem, der einfach nicht mehr da ist. Und in jeder normalen Beziehung ist man auch mal wütend aufeinander.

    Nein, das ist alles völlig normal in unserer Ausnahmesituation, unsere Gefühle laufen Amok. Ein schlechtes Gewissen ist nicht nötig. Sie haben uns verlassen, wenn auch völlig unfreiwillig. Und da kann man schon mal wütend werden...


    Liebe Grüße

    Mena

    Liebe Danne,

    ich bin letztes Jahr mit einer Bekannten für 5 Tage weggefahren. Ich hatte schreckliche Angst davor. Aber es tat mir gut.

    Ich nenne es inzwischen "Trauerpause." Ab und zu braucht man diese, um wieder Kraft zu schöpfen für die nächste Trauerwelle, die dann mit Macht über einen hinwegschwappt.

    Es darf nur nicht zu lang sein.


    Liebe Grüße

    Mena